Protokoll der Sitzung vom 12.04.2017

(Beifall bei der CDU – Zurufe von den LINKEN)

Für die SPDFraktion Frau Lang, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Nachwendezeit war ein einschneidender Umbruch, und zwar nicht nur für die Gesellschaft, sondern auch für jeden Einzelnen. Jede und jeder kann Ihnen fest eingeprägte Erinnerungen aus der Nachwendezeit erzählen. Es kommen dann wieder viele Geschichten auf den Tisch: von einer Zeit des Aufbruchs, eines neuen, tollen Lebens.

Aber es blieb auch oft das Gefühl, unter Wert behandelt worden zu sein – ein Leben voller Enttäuschungen. Das sind stolze Menschen, es sind Menschen, die zu Recht stolz darauf sind, was sie in ihrem Leben geleistet haben. Wir müssen vor allem eines tun: ihnen im Gespräch entgegenbringen, was sie zuallererst verdienen: Respekt.

Der Antrag, liebe Linksfraktion, bietet heute die Gelegenheit, darüber zu reden, dass wir als SPD die Rentenangleichung zwischen Ost und West durchsetzen konnten – nach vielen Jahren und teils gegen erbitterten Widerstand. Wir schließen eine Gerechtigkeitslücke. Im Jahr 2025 wird es keine Unterschiede mehr zwischen Ost und West in der Rentenberechnung geben.

Nach der Wende wurde das Rentenrecht der damaligen BRD auf die Ostländer übertragen. Das Problem war, dass sich das Lohnniveau zwischen Ost und West sehr stark unterschied. Um einen Ausgleich für die spätere Rente zu schaffen, wurden abweichende Rechengrößen eingeführt. Diese Regeln sollten bis zur Erreichung einheitlicher Einkommen in Ost und West gelten. Aber wie wir wissen, gelten sie auch heute noch.

Trotzdem gab es eine deutliche Annäherung seit dem Jahr 1990. Heute liegt der Rentenwert Ost bei 94,1 % des Rentenwertes West. Das neue Gesetz wird die Rentenwerte in sieben Schritten nun vollständig ausgleichen. Zum 1. Juli 2018 wird der erste Schritt gemacht. Immer ein halbes Jahr zeitversetzt werden auch die anderen Rechengrößen angepasst. Im Januar 2025 werden wir also statt zwei nur noch ein Rentenberechnungssystem haben. Aus

ostdeutscher Sicht wäre es natürlich schöner, wenn auch über das Jahr 2025 hinaus die ostdeutschen Entgelte für die Rente aufgewertet würden. Aber wir müssen auch hier gesamtdeutsch denken, und da ist es nicht gerechtfertigt.

Wir müssen es schaffen, die Lohnlücke zu schließen. Dass wir in Sachsen leider noch zu viele Menschen haben, die zu wenig Geld für ihre Arbeit bekommen, steht außer Zweifel. Ich möchte aber an dieser Stelle jenen etwas entgegenstellen, die die geringen Löhne in Sachsen gern als Folge des Produktivitätsrückstandes beschreiben. Das klingt immer so, als wären die Arbeiter in Ostdeutschland unproduktiver als die Arbeiter im Westen. Sie arbeiten mindestens genauso hart.

Bei mir im Erzgebirge begegne ich jeden Tag Menschen, die mit Leidenschaft und Energie ihrem Beruf nachgehen. Sie produzieren und schaffen genauso viel.

(Beifall bei der SPD)

Nur weil am Ende das Produkt vielleicht zu einem geringeren Preis verkauft werden muss, will ich nicht, dass die Leistung dieser Menschen kleingeredet wird.

In weiten Teilen Sachsens bekommen die Menschen leider noch nicht das, was sie verdienen. Hierbei müssen wir für die Menschen kämpfen und uns gemeinsam mit ihnen dafür einsetzen, dass sie bessere Löhne bekommen. Unser Mindestlohn war dabei nur der erste Schritt. Ein Ziel sollte es sein, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gemeinsam mit ihren Chefs über bessere Löhne verhandeln. Wir brauchen in Sachsen mehr Tariflöhne. Gerade einmal in 17 von 100 Betrieben wird bisher Tariflohn gezahlt.

Eines ist klar: Niedrige Löhne führen zu einer niedrigen Rente. Laut „Sachsenmonitor“ macht sich die Hälfte der Sachsen Sorgen, dass ihre Rente später nicht reichen wird. Ein Leben lang gearbeitet und dann in der Grundsicherung landen – das ist für uns keine gerechte Perspektive.

Die SPD-Fraktion in Sachsen sieht und hört diese Menschen. Diese Sorgen kann man nicht ohne Antworten lassen. Wir haben sicherlich nicht den Stein der Weisen, aber wir haben Ideen, und die wollen wir auch auf Bundesebene einbringen. Eine Idee ist die echte Solidarrente. Wer ein Leben lang gearbeitet hat, muss im Alter mehr als nur die Grundsicherung haben.

Die zweite Idee: Wir brauchen im Osten eine intensivere Förderung der Betriebsrenten, sonst gibt es wegen zu kleiner Betriebsgrößen und geringerer Tarifbindung zu geringe Effekte. Das Dritte ist der Gerechtigkeitsfonds. Hieraus sollen Betroffene – im Antrag allesamt aufgeführt – eine abschließende Geldleistung bekommen. Damit können wir sie zumindest entschädigen.

Das Vierte ist, dass das Rentenniveau stabilisiert werden muss. Wir brauchen eine Haltelinie. Unser Ziel ist es, bis zum Jahr 2045 die Rente auf dem Niveau von mindestens 48 % zu halten.

Sie sehen also, wir haben mit der LINKEN durchaus gemeinsame Ziele, nur der Weg dorthin unterscheidet sich. Deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Die AfD-Fraktion, Herr Abg. Spangenberg. Bitte, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion DIE LINKE lautet: „Lebens- und Arbeitsleistung von Ostdeutschen anerkennen – Rentenwertangleichung Ost auf das Jahr 2018 vorziehen, Renten- und Versorgungsunrecht Ost beenden“.

Meine Damen und Herren! Wir haben dieses Thema bereits am 11.03.2015 behandelt. Damals hatte ich mir die Rentenformel vorgenommen. Sie können sich sicher dunkel daran erinnern. Damals hatten Sie auch nicht widersprochen, als wir diese hier vorgerechnet haben. Ferner hatten wir ausgeführt, dass, wenn wir das komplett angleichen, viele Ostrentner dabei einbüßen würden.

Wenn Sie jetzt die Rentenwertangleichung herausnehmen, ist das eine Rosinenpickerei. Sie wollen den Rentenwert ändern von derzeit West 31,03 Euro, aber den persönlichen Entgeltpunkt, bei dem der Westdeutsche 35 700 Euro erwirtschaften muss – im Osten sind es 31 920 Euro –, gleichzeitig belassen. Das geht doch nicht. Das ist doch unredlich, was Sie hier machen. Damit benachteiligen Sie alle, die im Westen arbeiten: in der Eifel, im Westerwald; auch die dort Tätigen haben keine hohen Löhne. Das ist nicht richtig, was Sie machen.

Das ist wieder so eine Art Neiddebatte, wie wir sie das letzte Mal schon hatten. Irgendwann müssen Sie auch einmal zu einer gesamtdeutschen Betrachtungsweise kommen.

Wenn Sie das ändern wollen, müssen Sie beides ändern. Aber dann wird das für viele Ostrentner zu einem echten Problem. Letztendlich ist es so: Die Rente ist abhängig vom Bruttoverdienst. Die ist immer individuell. Das, was herangezogen wird, ist nicht nur die Lebensarbeitszeit, sondern auch die Höhe des Gehaltes, das ich erreiche und das dann – abgeschnitten durch die Beitragsbemessungsgrenze – in das Rentenberechnungssystem einfließt.

Frau Kliese hat das letzte Mal in ihrer Rede die unterschiedliche Betrachtungsweise zwischen Ost und West sehr deutlich abgelehnt. Das sollten Sie irgendwann auch machen.

Meine Damen und Herren! Entweder machen wir es komplett anders, oder wir belassen es erst einmal so. Anders geht es nicht. Sonst benachteiligen Sie wiederum andere Gruppen.

In Punkt II, Ziffern 1 bis 4 sind viele Forderungen enthalten, die durchaus betrachtet werden müssten. Aber, meine Damen und Herren, sie sind erstens teilweise bereits

höchstrichterlich mit Verfassungsgerichtsurteilen entschieden worden, und wir haben Urteile des Bundesgerichtshofes. Ferner sind sie auch im Einigungsvertrag nicht berücksichtigt worden.

Ich empfehle Ihnen, dass Sie den Punkt II zur Beratung in den Ausschuss überweisen, sich dazu Sachverständige einladen und dann prüfen, ob überhaupt eine Chance besteht, irgendetwas zu ändern. Gesprochen worden ist darüber schon sehr viel. Wenn Ungerechtigkeiten enthalten sein sollten, dann sollte man sie ausräumen. Aber so, wie Sie es machen, ist es unausgereift, und ich glaube, so kann man es nicht machen.

(Zuruf der Abg. Susanne Schaper, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren von den LINKEN, das Wichtigste – und das ist ja auch das, was die CDU mit zu verantworten hat, die SPD viel weniger; Sie haben das auch sogar positiv angesprochen, das will ich hier mal erwähnen – ist der Begriff der Rentenleistung. Das ist von Ihnen, von den LINKEN, im Bundestag schon angesprochen worden. Das ist ein ganz übles Thema, muss ich ganz ehrlich sagen. Das ist ein Sachverhalt, den es gar nicht geben dürfte.

Der Begriff „rentenfremde Leistungen“, meine Damen und Herren, ist ein disponibler Ersatzhaushalt für Wahlgeschenke aller Parteien, die bisher in der Bundesrepublik Deutschland regiert haben, und das ist eine ganz große Sauerei. Sie haben die Rentenkassen geplündert in einer Größenordnung, dass man es sich kaum vorstellen kann. Das ist ein Thema, das bei Ihnen auch wieder nicht kommt. Das wäre aber das Wichtigste. Dort steckt das Geld drin.

Ich habe mir mal diese Teufel-Tabelle rausgenommen. Der Mann heißt Teufel, diese Tabelle kann man aber auch gleichzeitig als teuflisch betrachten: Da liegen wir bei 748 Milliarden Euro seit 1957, das sind 1,5 Billionen DMark. Das wurde bisher bereits saldiert aus der Rentenkasse herausgenommen für die sogenannten rentenfremden Leistungen. Wenn ich das vortrage, geht immer ein Geschrei los, wir würden diese Leistungen nicht zahlen wollen. Nein, diese Leistungen müssen gezahlt werden, aber aus der Steuer, meine Damen und Herren, aus der Steuer und nicht aus der Rentenkasse. – Herr Krauß, Sie wollen eine Frage stellen – aber ich will dem Präsidenten nicht vorgreifen. – Aus der Rentenkasse darf ich keine Leistungen herausnehmen, die mit der Rente nichts zu tun haben.

Herr Spangenberg, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, selbstverständlich, bitte schön.

Herr Krauß.

Eine sogenannte rentenfremde Leistung ist ja auch die Mütterrente.

Da wird eine Erziehungsleistung abgebildet, aber stimmen Sie mir zu, dass man ohne die Kinder auch niemanden mehr hätte, der die Rente zahlt, und dass es deswegen gar nicht so dumm ist, auch zu sagen, das soll dort irgendwo abgebildet werden?

(Dr. Frauke Petry, AfD: Das ist aber populistisch, Herr Krauß, oder?!)

Herr Krauß, Sie haben das System immer noch nicht verstanden. Eine Rente ist eine Privatversicherung, die nur durch den Staat eingezahlt wird, und alle, die dort einzahlen, haben das Recht, etwas herauszubekommen. Wenn Sie etwas herausnehmen von jemandem, der gar nichts eingezahlt hat, dann schwächen Sie diejenigen, die eingezahlt haben. Diese Mütterrente muss aus der Steuer bezahlt werden, Herr Krauß, und nicht aus der Rentenversicherung. Das ist eine Leistung des gesamten Volkes und nicht nur der Arbeitnehmer. Das können Sie nicht nur den Arbeitnehmern wegnehmen – damit müssen Sie alle Bürger belasten.

Keiner will doch etwas wegnehmen. Ich will es einmal kurz aufzählen: beitragsfreie Ersatzzeiten, Integration von Spätaussiedlern, deutsche Einheit, Arbeitslosigkeit,

schulische Ausbildung, Kindererziehung, Mütter vor 1929, zusätzliche Entgeltpunkte wegen Kindererziehung, Waisenrenten, Witwenrenten, Ersatzzeiten, Gefangenschaft, Krieg, Fremdenrecht, Altersrenten vor 65 – alles Leistungen, die nichts mit der Rente zu tun haben und die aus der Steuer bezahlt werden müssen, damit alle Leute in der Bundesrepublik Deutschland diese Sozialleistungen mittragen. So einfach ist das.

Herr Spangenberg, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Selbstverständlich, immer.

Herr Krauß.

Herr Spangenberg, ist Ihnen bekannt, dass der größte Teil des Bundeshaushaltes – ungefähr 90 Milliarden Euro – als Zuschuss oder insgesamt für das Thema Alterssicherung ausgegeben wird, sodass viel Geld in die Rente fließt?

Herr Krauß, ich habe doch eben vorgetragen, der Betrag ist da, das ist bereits saldiert, das sind 748 Milliarden Euro seit 1957 – das ist seit 2015 schon wieder angestiegen. Das heißt, die Rentenkasse wird geplündert, das ist Privatgeld der Arbeitnehmer.