Protokoll der Sitzung vom 21.06.2017

rinnen und Vertreter des Bundeszuwanderungs- und Integrationsrates, des Verbandes der Internetwirtschaft, des Lesben- und Schwulenverbandes, der Hochschulrektorenkonferenz, der Kulturpolitischen Gesellschaft, des Deutschen Museumsbundes und des Weißen Rings sitzen künftig mit am Tisch. Warum es auch Vertreterinnen und Vertreter des Deutschen Jugendherbergswerks und des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes geschafft haben, erschließt sich mir nicht ganz. Hier scheinen die Grenzen zwischen gesellschaftlich relevanten Interessen und schnödem Lobbyismus zu verschwimmen. Aber na ja.

Wir wollen aber heute dem Vertragswerk nicht zustimmen, ohne auf ein Versäumnis auf einer anderen Baustelle der Medienpolitik hinzuweisen. Ich rede vom MDRStaatsvertrag, der ebenfalls noch der Anpassung an die neue Medienwelt und an das Bundesverfassungsgerichtsurteil harrt. Obwohl die nach dem Verfassungsgerichtsentscheid notwendigen Veränderungen zur Begrenzung des staatlichen Einflusses beim MDR nur vergleichsweise gering ausfallen müssen, droht der MDR den Anschluss zu verpassen, was die Erneuerung der Rundfunkverträge durch die Landesregierungen und Landesparlamente anbelangt. Zwei Jahre lang – bis Ende dieses Monats – hatte die Sächsische Staatskanzlei die Federführung inne, um die Einigung zwischen den drei MDR-Ländern voranzubringen. Leider hat sie diese Möglichkeit ergebnislos verstreichen lassen; über ein paar Vorgespräche ist man nicht hinausgekommen. Das ist mehr als peinlich. Hoffen wir jetzt, dass es die anderen – es ist SachsenAnhalt – besser können.

Statt die Hausaufgaben zu erledigen, hat es die Sächsische Union fertiggebracht, alles Bemühen um mehr Staatsferne zu konterkarieren und den Vorsitz im Rundfunkrat zur Unterbringung ihres ausgeschiedenen Fraktionsvorsitzenden zu nutzen.

Die bereits benannten vier Punkte müssen endlich auch beim MDR umgesetzt werden. Ich wiederhole sie gern: erstens mehr Frauen; zweitens weniger staatlicher und parteipolitischer Einfluss; drittens mehr Transparenz; viertens eine zeitgemäßere Zusammensetzung des Rundfunkrates.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Anforderungen an den öffentlichrechtlichen Rundfunk werden in den nächsten Jahren nicht geringer werden. Ganz im Gegenteil! Ich nenne nur beispielhaft:

Erstens sind Investitionen in moderne Technologie zum allgemeinen und barrierefreien Medienzugang notwendig.

Zweitens. Journalistische und künstlerische Leistungen, aber natürlich auch alle technischen Dienstleistungen sind fair und angemessen zu bezahlen. Das gilt für die Beschäftigten der Rundfunkanstalten, aber auch für die freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Drittens gilt es, sich auf einem härter denn je umkämpften Medienmarkt durch Publikumsbindung zu behaupten –

neben Information und Bildung eben auch durch gute, zielgruppenspezifische Unterhaltung, von Musikcharts über Krimis und Fußballweltmeisterschaften bis hin zu Internetspielen und praktischen Apps.

Viertens bedarf es des Umbaus der klassischen Rundfunkanstalten zu öffentlichen Medienanstalten, die konsequent cross- und multimedial arbeiten.

Fünftens ist eine ganz neue Qualität der internationalen Zusammenarbeit der öffentlichen Rundfunkanstalten erforderlich, nicht nur mit dem französischen Fernsehen bei ARTE oder mit ORF und SRF beim „Tatort“, sondern im Rahmen der Europäischen Rundfunkunion auch mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der anderen Länder, zum Beispiel der BBC, um in der modernen Medienwelt überhaupt eine Chance zu haben gegenüber Netflix, YouTube, Google, Facebook & Co. Daran gemessen ist das, was wir heute beim Deutschlandfunk tun – was wir beim MDR noch tun müssen –, eigentlich Kleinkram. Aber es muss natürlich getan werden. Auch deshalb stimmen wir zu.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Jetzt Herr Abg. Panter für die SPD-Fraktion. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon viel zum Inhalt des Zwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrages gesagt worden. Dieser behandelt im Wesentlichen zwei Punkte: die Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils in den Gremien des Deutschlandfunks und die Rundfunkfinanzierung.

Wir als SPD-Fraktion begrüßen es ausdrücklich, dass mit diesem Rundfunkänderungsstaatsvertrag beim Deutschlandradio die Anpassung an das Bundesverfassungsgerichtsurteil zum ZDF erfolgt. Die Besetzung durch Vertreter der Länder und und des Bundes wird reduziert. Das ist gut so, genauso wie die grundsätzliche Aufstockung des Verwaltungsrates richtig ist. Die gesellschaftlich relevanten Gruppen werden in Zukunft besser vertreten sein. Beim Deutschlandfunk wird ein besserer Spiegel der Gesellschaft vorhanden sein.

Es ist auch zu begrüßen, dass es in Zukunft Regelungen zur anteiligen Gremienbesetzung mit Frauen genauso wie Regelungen zur Transparenz geben wird. Das sind alles gute und richtige Vorhaben.

Was den zweiten Teil der Änderung betrifft, die Rundfunkfinanzierung, so geht es zum einen um eine Änderung der Aufteilung der Mittel; insoweit kommt es zu leichten Verschiebungen. Aber vor allem geht es um die politische Entscheidung der Länder, der Vorgabe der KEF, den Rundfunkbeitrag nochmals um 30 Cent zu senken, nicht zu folgen. Das halten auch wir für richtig; denn langfristig hätte diese Absenkung keine positiven Effekte gehabt. Unser Ziel muss es weiterhin sein, Beitragsstabili

tät langfristig zu gewährleisten. Genauso müssen wir schauen, dass die Sender trotz allem weiterhin Strukturmaßnahmen durchführen, selbst wenn es bei Beitragsstabilität bleibt; denn ganz grundsätzlich sind wir zum Dritten der Meinung, dass wir einen starken öffentlichrechtlichen Rundfunk brauchen, gerade in der heutigen Zeit. Die Sender sind also gefordert. Sie haben auch in einer Selbstverpflichtung deutlich gemacht, dass sie diesen 30-Cent-Anteil einer Rücklage zuführen wollen.

Sie haben den Auftrag bekommen, bis September 2017 weitere Konzepte für Strukturanpassung vorlegen zu müssen. Das ist alles richtig, man darf aber auch nicht missachten, dass die öffentlich-rechtlichen Sender in diesem Bereich schon sehr viel getan haben.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal deutlich machen, weil man immer so das Gefühl hat, der öffentlichrechtliche Rundfunk ist ein Krake, der sich immer nur weiterentwickelt und bei dem es nur ein Mehr gibt: Die ARD wird im Zeitraum von 1993 bis 2020 gut 5 000 Stellen abgebaut haben. Das sind 20 % des gesamten Personalkörpers. Allein im Zeitraum zwischen 2017 und 2020 wird die Anzahl der besetzten Stellen um gut 370 Stellen, also 2 %, gesenkt werden.

Der Deutschlandfunk, um den es eben auch schon ging, hatte bei der Gründung 1994 gut 1 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Heute sind es noch 682 besetzte Personalstellen. Darüber hinaus wurde intensiv in Direktion und Verwaltungseinheiten zusammengelegt, es wurden viele IT-Strukturen und andere Prozesse optimiert bzw. abgestimmt innerhalb der ARD-Anstalt. Da ist viel im Gange. Das heißt nicht, dass das abgeschlossen ist; aber es ist viel auf den Weg gebracht worden.

Ich möchte als Mitglied des MDR-Rundfunkrates hervorheben, dass der MDR in Deutschland auch bei den anderen Landesrundfunkanstalten führend ist und bei so mancher Thematik den Ton angibt, zum Beispiel auch im Bereich der Pensionen. Wo in den westdeutschen Landesrundfunkanstalten sehr lange noch – bis vor Kurzem – eine eher pensionsorientierte Altersversorgung vorhanden war, hat der MDR schon vor über zehn Jahren das System auf eine beitragsfinanzierte Altersvorsorge umgestellt, die den Rundfunkbeitragszahler deutlich weniger belastet und vor allem das Risiko nicht auf sie abwälzt.

Das heißt, um weiterhin einen handlungsfähigen Journalismus, einen Qualitätsjournalismus garantieren zu können, ist diese Entscheidung, den Vorschlag der KEF jetzt nicht umzusetzen, vollkommen richtig; denn wir brauchen genug gut ausgebildetes Personal, um guten Journalismus zu garantieren. Gerade in Zeiten der Desorientierung, der Fake News, der Individualisierung der Medienangebote ist es ganz wichtig, dass wir einen starken öffentlichrechtlichen Rundfunk haben, einen Anker in unserer Medienlandschaft, der ein vielfältiges Angebot macht. Deshalb werden wir als SPD-Fraktion dem Gesetzentwurf in all seinen Teilen zustimmen. Wir hoffen, dass wir für die Zukunft eine Anpassung beim Gremienanteil auch im MDR-Staatsvertrag hinbekommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Meine Damen und Herren! Und nun die AfD-Fraktion, Frau Abg. Dr. Muster. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Was sagt Ihnen die Zahl 9,6 Milliarden Euro? Insgesamt 9,6 Milliarden Euro haben die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten als jährlichen Finanzbedarf für den Zeitraum von 2017 bis 2020 angemeldet. Heute beraten wir das Gesetz zum Zwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag. Das ist in dieser Legislaturperiode der fünfte Rundfunkänderungsstaatsvertrag.

Die AfD-Fraktion lehnt das derzeitige System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ab. Wir fordern grundlegende Reformen und werden dieses Umsetzungsgesetz ablehnen. Aus Zeitgründen kann ich nur auf einzelne Aspekte eingehen.

Die AfD-Fraktion lehnt die völlig verfehlte Änderung des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages ab. Im 20. KEF-Bericht von 2016 wird eine Absenkung des Rundfunkbeitrages ab 2017 um 30 Cent empfohlen. In den nächsten vier Jahren werden wir Beitragsüberschüsse in Höhe von 540 Millionen Euro haben.

Warum wurde diese Beitragsreduzierung um 30 Cent nicht im vorliegenden Änderungsstaatsvertrag realisiert? Ganz einfach: Die Staatsregierung will die 30 Cent für schlechte Zeiten sparen. Die KEF hat sehr deutlich darauf hingewiesen, dass ab 2021 der Rundfunkbeitrag drastisch steigen wird. Die Gretchenfrage heißt: über 19 Euro oder unter 19 Euro? Und mit Verlaub, die Rückstellungen, die Sie jetzt betreiben wollen, werden daran nur sehr wenig ändern. Die Bürger sind jedenfalls nicht bereit, noch mehr für diesen öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu zahlen.

(Dirk Panter, SPD: Die Bürger!)

Die KEF prüft die ordnungsgemäße Rechnungsführung der öffentlich-rechtlichen Medien. Wir, die Länderparlamente und Staatskanzleien, müssen endlich die Aufgabe sowie die finanzielle und personelle Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks neu regeln. Dies ist eine zutiefst politische Entscheidung. Genau hier beginnt der vom Bundesverfassungsgericht gebetsmühlenartig vorgetragene weite Entscheidungsspielraum der Länderparlamente. Nutzen wir doch endlich einmal diesen weiten Entscheidungsspielraum. Schaffen wir doch endlich einmal eine wegweisende und nachhaltige Medienordnung Deutschlands. Gestalten wir doch einmal kreativ und mutig unsere Zukunft!

Den weiten Gestaltungsspielraum in der Medienpolitik füllt bisher die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes aus. Muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk wirklich 9,6 Milliarden Euro im Jahr kosten? So viel wie das Haushaltsvolumen des Saarlandes oder die Kosten für

die gesamte Justiz in ganz Deutschland? Brauchen wir wirklich 22 öffentlich-rechtliche Fernsehkanäle und 67 Radiosender? Ist es wirklich richtig, dass die Intendantin des MDR mehr verdient als unser Ministerpräsident? Ist es wirklich richtig, dass immer noch 25 Cent, Herr Panter, vom Beitrag eines jeden Beitragszahlers für die Altersversorgung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks genutzt wird?

Die AfD-Fraktion sagt ganz klar nein. Diese ausufernden Kosten und Angebote brauchen wir nicht. Wir appellieren an die Staatsregierung: Beschließen Sie drastische Einsparungen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk, damit das Ausufern endlich endet!

(Dirk Panter, SPD: Welches Ausufern? Fakten!)

Sonst verschwindet die Beitragsakzeptanz. – Der Fakt 19 Euro ist doch eine deutliche Sprache, Herr Panter. Wie möchten Sie es denn noch deutlicher haben? 67 Radiokanäle sind auch deutlich.

Ich komme zum zweiten Punkt, zur Umsetzung des ZDFUrteils.

(Dirk Panter, SPD, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Frau Dr. Muster, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, er kann gern eine Kurzintervention machen.

Nun also zum ZDF-Urteil. Es ist im März 2014 erlassen worden und hat mittlerweile den dritten Geburtstag. Beim MDR sind wir immer noch nicht so weit, aber jetzt haben wir die Umsetzung beim Deutschlandradio. Es sind personelle Vorgaben, die erfüllt werden müssen: ein Drittel staatsnah, zwei Drittel staatsfern. Ziemlich lustlos, ohne kreative neue Ansätze wird dieses Ziel realisiert. Die gesellschaftlich relevanten Gruppen, also staatsferne Mitglieder, werden derzeit durch Länderparlamente gewählt. Das ist nicht direktdemokratisch. Das Bundesverfassungsgericht hat uns vorgegeben, erstens dürfen nicht nur durchsetzungsstarke Verbände berücksichtigt werden, zweitens ist der Versteinerung der Gremien vorzubeugen und drittens soll kein politischer Einfluss auf gesellschaftliche Vertreter ausgeübt werden.

Diese Vorgaben sind mit der derzeitigen Postenvergabepraxis, gesteuert durch Staatskanzleien und Länderparlamente, schwerlich zu gewährleisten. Die AfD-Fraktion ist der festen Überzeugung, dass staatsferner gesellschaftlicher Vertreter nur sein kann, wer keine relevante Funktion in einer Partei innehat. Warum müssen die Mitglieder der gesellschaftlich relevanten Gruppen eigentlich durch die Länderparlamente gewählt werden? Warum machen das nicht unsere Bürger parallel zu Landes- oder Bundestagswahlen? Interessierte Verbände könnten sich bewerben.

Eine Kombination aus Losverfahren und einem regelmäßigen Wechsel der teilnehmenden Verbände würde einer

Versteinerung der Gremien sehr viel besser als das jetzige System vorbeugen. Dieses System hat die AfD-Fraktion in ihrem Konzept des Bürgerrundfunks entwickelt. Die Vergrößerung der Gremien lehnt die AfD-Fraktion jedenfalls kategorisch ab. Der Hörfunkrat soll nicht von 40 auf 45 Mitglieder und der Verwaltungsrat nicht von 8 auf 12 Mitglieder erweitert werden. Das ist für uns völlig inakzeptabel. Die zwingende wechselseitige Entsendung von Frauen und Männern in die Gremien lehnen wir ohnehin ab. Wir fordern eine geschlechtsunabhängige Auswahl nach den altbewährten Kriterien: fachliche Leistung, Eignung und Befähigung.

Die AfD lehnt diesen Gesetzentwurf zum Zwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag deshalb mit guten

Argumenten ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Herr Abg. Panter.