Protokoll der Sitzung vom 21.06.2017

Meine Damen und Herren! Das Schlusswort haben die Fraktionen CDU und SPD. Soll es noch gehalten werden? – Das ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren! Ich stelle nun den Antrag in der Drucksache 6/9815 zur Abstimmung. Wer zustimmen möchte, zeigt das jetzt bitte an. – Vielen Dank. Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Danke. Bei Stimmenthaltung und keinen Gegenstimmen ist der Antrag beschlossen und dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 6

Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention in Sachsen

Drucksache 6/6576, Antrag der Fraktion DIE LINKE,

mit Stellungnahme der Staatsregierung

Die Fraktionen nehmen wie folgt Stellung: DIE LINKE, CDU, SPD, AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn das Wort gewünscht wird.

Meine Damen und Herren! Wir beginnen mit der Aussprache. Für die Fraktion DIE LINKE Frau Abg. Schaper. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Positive vorweg: Sachsen ist das dritte Bundesland, das eine Landesrahmenvereinbarung zur Prävention verabschiedet hat. Sie ist gut gelungen und genießt zu Recht Lob von allen Seiten, und das sogar von mir.

(Leichte Heiterkeit bei der SPD)

Prävention ist die einzige Chance, Krankheiten und damit verbundene Folgekosten zu verhindern. Auch wenn das Gesetz recht jung und die Landesrahmenvereinbarung verständlicherweise noch jünger ist, sollten wir gemeinsam alles unternehmen, damit wir nun zum gewünschten Ziel kommen, nämlich der erfolgreichen Prävention im Freistaat Sachsen.

Mit unserem Antrag fordern wir, dass die Staatsregierung durch die Landesrahmenvereinbarung darauf hinwirkt, dass erstens Verhaltens- und Verhältnisprävention gleichermaßen gefördert werden, zweitens Unterschiede des Gesundheitszustandes aufgrund sozialer Umstände

verringert werden, drittens Partner aus allen Lebenswelten in die angestrebten Kooperationsvereinbarungen innerhalb der Vereinbarung einbezogen werden, viertens der öffentliche Gesundheitsdienst in Sachsen personell und finanziell besser auszustatten ist, fünftens eine qualifizierte Gesundheitsberichterstattung erfolgt, und sechstens regelmäßige öffentliche Gesundheitskonferenzen auf Landes- sowie auf regionaler Ebene stattfinden.

Sie werden mir sicher zustimmen, dass es schwierig ist, Menschen von Prävention zu überzeugen; denn Prävention bedeutet Verzicht. Wir Menschen lassen uns aber oft von Emotionen leiten und treffen nicht immer rational vernünftige Entscheidungen. So werden Ekelbilder auf Zigarettenschachteln den Raucher schwerlich dazu bringen, seltener oder gar nicht mehr zum Glimmstängel zu greifen. Jeder kennt heutzutage die Folgen des Tabakkonsums – ich, nebenbei bemerkt, auch –, ebenso beim Alkohol und ungesunden Essen. Sie wissen so gut wie ich, dass gerade die leckeren Speisen oft nicht die gesündesten sind.

Menschen konsumieren Dinge, die ihre momentanen Bedürfnisse befriedigen – egal, wie gut die kognitive

Aufklärung über gesunde und ungesunde Lebensweise sein mag. Das Verhalten der Menschen ändert sich noch viel zu wenig.

Die Wechselwirkung zwischen Genetik und Umwelt kann als Basisursache dafür angesehen werden, dass unser Verhalten nicht immer den Empfehlungen folgt. Will man also, dass Prävention gelingt, muss man auch die Umweltfaktoren beeinflussen; denn an der Genetik kann man glücklicherweise noch nichts verändern. Deshalb sind Vorhaben notwendig, um die zur Verfügung stehenden Mittel gleichermaßen auf die Verhaltens- und Verhältnisprävention aufzuteilen.

Soll die Prävention in Sachsen zum Erfolgsmodell werden, ist ein starker öffentlicher Gesundheitsdienst elementar. Auch wenn dieser den Kommunen unterstellt ist und Sie als Koalition dabei immer wieder auf die Selbstverwaltung verweisen, bleiben mehr als 27 Stellen unbesetzt. Die umfänglichen Aufgaben können wegen dieser Unterbesetzung nicht mehr erfüllt werden. Das können Sie doch nicht einfach ignorieren. Wenn schon Honorarverträge abgeschlossen werden müssen, weil der öffentliche Gesundheitsdienst nicht mehr voll arbeitsfähig ist, dann müssen doch auch bei Ihnen die Alarmglocken läuten und die Erkenntnis reifen, dass es Handlungs- und Nachsteuerungsbedarf auch seitens des Freistaates gibt.

Der öffentliche Gesundheitsdienst in Sachsen führt jährlich über 35 000 Schuleingangs- sowie Kindervorsorgeuntersuchungen durch. Hinzu kommen Untersuchungen zur Kinder- und Jugendzahnpflege. Es werden Menschen geimpft und zahlreiche weitere Aufgaben erfüllt. Dadurch ist der Gesundheitsdienst über den Gesundheitszustand der Bevölkerung mit am besten informiert und weiß somit, wo Angebote der Prävention und der Gesundheitsförderung in einer Stadt oder einem Landkreis sinnvoll eingesetzt und viele Menschen erreicht werden können.

Der Schluss sollte also sein: Der öffentliche Gesundheitsdienst muss personell und finanziell so ausgestattet werden, dass er eine koordinierende Funktion bei der Gesundheitsförderung und Prävention übernehmen kann und könnte.

(Beifall bei den LINKEN)

Man schafft dadurch zusätzliche Transparenz und Vertrauen, weil der Gesundheitsdienst ein sehr hohes Vertrauen in der Bevölkerung genießt. Das könnte man hier nutzen.

Dass die Auswertung von Daten und Informationen der beteiligten Landkreise und kreisfreien Städte, wissenschaftliche Studien sowie korrekt in den Lebenswelten

erhobene Bedarfe als Quelle zur Bedarfsermittlung zugrunde gelegt werden, ist begrüßenswert. Das ändert aber nichts an unserer Forderung nach einer qualifizierten Gesundheitsberichterstattung, die veröffentlicht wird und somit für alle zum Verständnis der Wichtigkeit dieses Themas beitragen kann. Denn nur, wenn sich Bürger informieren können und mitgenommen fühlen, können sie sich auch wirklich beteiligen.

Der Punkt 6 in unserem Antrag hat sich durch die Einladung des Steuerungsgremiums Landesrahmenvereinbarung Präventionsgesetz im Freistaat Sachsen zur ersten Fachkonferenz am 18. Oktober nur zum Teil erledigt, denn ob Regionen, Landkreise oder kreisfreie Städte regelmäßig öffentliche Gesundheitskonferenzen veranstalten, entscheiden sie in eigener Zuständigkeit. Wir halten es jedoch für wichtig, damit das Thema in der Öffentlichkeit vorangetrieben und vor Ort getragen wird, dass das verbindlich gemacht wird vor Ort.

Fassen wir zusammen: Die gut gelungene Landesrahmenvereinbarung darf kein Grund zum Ausruhen sein. Gerade weil die Umsetzung und Weiterentwicklung ein Prozess sind, sollten wir gemeinsam dazu beitragen, dass dieser so erfolgreich wie möglich gelingt. Man kann natürlich heute den Antrag ablehnen und spätestens in vier Jahren prüfen, ob die Ziele erreicht wurden, und dann unsere Verbesserungsvorschläge berücksichtigen. Man kann aber auch heute unserem Antrag zustimmen und in spätestens vier Jahren die erfolgreiche Umsetzung der Landesrahmenvereinbarung vermelden. Denn durch Einbeziehung des öffentlichen Gesundheitsdienstes, die Förderung von Verhaltens- und Verhältnisprävention gleichermaßen gibt es die Chance, Prävention in Sachsen gemeinsam mit Ihnen zum absoluten Erfolgsmodell machen zu können.

So können wir wirklich dazu beitragen, die Gesundheit der Bevölkerung im Freistaat nachhaltig zu verbessern. Sie sollten heute also keine politischen Scheuklappen haben und das Gute ergänzen, um das Hervorragende zu erreichen. Das wäre präventiv im besten Wortsinn.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Vielen Dank, Frau Schaper, für die Einbringung des Antrags der Fraktion DIE LINKE. Nun für die CDU-Fraktion mein Namensvetter Herr Abg. Wehner.

Vielen Dank, Herr Präsident! Vielen lieben Dank, Frau Kollegin Schaper. Ich freue mich ja sehr über das Lob zur Landesrahmenvereinbarung – es könnte der Beginn einer wunderbaren Freundschaft sein.

(Oh-Rufe und leichte Heiterkeit bei den LINKEN)

Es könnte auch – ich will einmal den Spannungsbogen noch weiterführen – – Also, warum Sie da lachen …

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Machen Sie mal nicht der SPD Angst!)

Nein, nein. – Ich werde den Spannungsbogen noch etwas weiterführen: Ich werde erst zum Ende meiner Rede sagen, ob wir zustimmen oder ob wir ablehnen.

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: Bitte jetzt schon!)

Von daher können Sie ganz gespannt sein. Ich werde zumindest auf einige Argumente, die Sie hier vorgebracht haben, eingehen.

Was ich aber voranstellen möchte – weil Sie jetzt schon so eine große Harmonie ausgestrahlt haben –: Die Gesundheitsförderung und die Gesundheitsprävention sind ein wichtiges Thema, und ich freue mich, dass Sie dieses Thema heute wieder hier ins Plenum eingebracht haben, denn wir haben bereits im September 2016 darüber gesprochen; das war ein Antrag der CDU-Fraktion. Wenn Sie so wollen, ist das ein Fresh-Up oder eine erneute Möglichkeit, das Thema hier zu besprechen.

Wir hatten damals über zwei wesentliche Punkte beraten, nämlich erstens über die Frage, warum die Prävention wichtig ist, und zweitens über das in 2015 in Kraft getretene Präventionsgesetz.

Warum ist die Prävention wichtig? Wir hatten damals darüber gesprochen, dass Sie ja gerade Krankheiten wie Diabetes schon im Vorfeld aus dem Weg gehen oder lindern oder vermeiden können, wenn Sie Ihr Verhalten ändern. Wir hatten über Möglichkeiten der Ernährung oder den Sport oder über das Thema Rauchen gesprochen.

Im Jahr 2015 ist das Präventionsgesetz verabschiedet worden. Ziel ist die Gesundheitsförderung in jeder Lebenslage, angefangen bei der Kita – Stichwort: Ernährung – über den Arbeitsplatz, an dem die Erfordernisse der Gesundheitsprävention ebenfalls beachtet werden, bis hin zum aktiven Altern.

Wenn man in dieser Debatte die sächsische Strategie der Gesundheitsprävention bewerten möchte, dann muss man sich die am 1. Juni 2016 verabschiedete Landesrahmenvereinbarung näher anschauen. Darum geht es: dass nationale Präventionsstrategien in Sachsen entsprechend umgesetzt und dass die Gesundheitsziele weiterentwickelt werden.

Wir haben dazu in Sachsen ein Steuerungsgremium einberufen, die Arbeitsgruppe „Strategie“. Diese wird sich bis Ende Juni mit bestehenden Angeboten auseinandersetzen. Das heißt, die Angebote werden sortiert und analysiert, um – bis September – zu ermitteln, wo tatsächlich Handlungsbedarf besteht. Im November werden die Ergebnisse vorgestellt.

Der Antrag der LINKEN geht ebenso auf die Umsetzung der Landesrahmenvereinbarung ein. Insoweit unterscheiden wir uns grundsätzlich in Bezug auf den Stellenwert von Verhaltensprävention und Verhältnisprävention. Das Erste, die Verhaltensprävention, stellen wir in den Mittelpunkt. Dabei kommen die individuellen Lebensgewohnheiten ins Spiel.

Frau Schaper, Sie sagten mit Blick auf das Rauchen, es habe wenig Sinn, abschreckende Bildchen auf Zigaretten

schachteln zu drucken. Aber wenn wir zurückblicken – der Freistaat Sachsen hat, wenn ich mich richtig erinnere, 2007 das Nichtraucherschutzgesetz beschlossen –, stellen wir schon fest, dass das Rauchverhalten sich geändert hat. Es wird weniger geraucht. Es bleibt natürlich das Recht jedes Einzelnen, dies zu tun. Aber wir stellen in der Bevölkerung eine Veränderung, eine Anpassung des Verhaltens fest. Das Gleiche können Sie beim Alkoholkonsum sehen. Auch ob Sie Sport machen oder nicht, ist eine Frage des Verhaltens. Die Bedeutung der Ernährung habe ich bereits angesprochen.

Sie dagegen richten den Fokus auf die Verhältnisprävention. Mir ist schon klar, dass jeder bestimmten Lebensbedingungen ausgesetzt ist. Denken Sie nur an die Feinstaubkonzentration oder daran, wie hoch der Lärmpegel ist. Das Ausmaß der sozialen Ungleichheit im Land hat natürlich ebenfalls Wirkungen.

Beides ist bereits im Präventionsgesetz verankert; das ist auch richtig so. Aber der Fokus muss auf die Verhaltensprävention gerichtet sein. Wenn Sie sich schlecht, ungünstig, gesundheitsschädigend verhalten, dann nützen Ihnen die besten Verhältnisse, die der Staat schafft, nichts.

Wenn wir uns die Verhältnisse in Sachsen und in der gesamten Bundesrepublik Deutschland anschauen, dann können wir konstatieren, dass bereits sehr gute Verhältnisse der Umgebung für die Menschen gegeben sind. Es ist also sehr effektiv, sich das Verhalten noch einmal genauer anzusehen.

Sie sehen sicherlich, dass sich das Präventionsgesetz an die Hauptakteure, zum Beispiel die Krankenkassen, richtet. Wie sollen die Krankenkassen die Verhältnisse ändern? Wenn Sie zu der Einschätzung gelangen, zu viel Lärm ausgesetzt zu sein, dann wird Ihnen die Krankenkasse keine Lärmschutzwand aufbauen. Wenn Sie zu viel Feinstaub in der Luft haben, dann wird dies nicht dazu führen, dass die Krankenkassen Rußpartikelfilter in Autos einbauen. Die Frage ist einfach: Was ist von der Leistungsfähigkeit der Akteure her überhaupt möglich im System?