Protokoll der Sitzung vom 21.06.2017

Was ist zu tun? Diese Frage stellen wir rhetorisch, damit mehr langjährig geduldete Menschen von den oben genannten Regelungen profitieren. Die Antwort ist sehr praktisch. Ein Schlüssel ist zuerst die Beratung. Dass es im Freistaat um die Asylberatung nicht allzu gut bestellt ist, hat meine Fraktion oft gesagt und wir haben entsprechende Anträge eingebracht. Leisten können diese Beratung über die Bleiberechtsregelungen und die Erlangung von Erteilungsvoraussetzungen die Migrations- und Jugendmigrationsberatungsstellen, allerdings – und das ist die Krux – gehört die Gruppe der Geduldeten nicht zu den originären Zielgruppen dieser Beratungsdienste.

Wer könnte noch informieren? Für uns liegt es auf der Hand und es ist das Ziel unseres Antrags: Es sind die örtlichen Ausländerbehörden, die diese Dienstleistung übernehmen könnten, wenn sie es denn wollten. Das Problem ist, dass diese Behörden von einer viele Jahre währenden Abschreckungskultur geprägt sind und ein proaktives Agieren im Sinne der Menschen und unter dem Aspekt der Kundenfreundlichkeit in vielen sächsischen Amtsstuben immer noch ein Fremdwort ist. Trotzdem brauchen wir die Ausländerbehörden, denn sie sind die Stellen, die im engen Kontakt mit den Anspruchsberechtigten stehen.

Dass das funktionieren kann, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, zeigt Baden-Württemberg. Hier ist es gelungen, den Inhalt unseres Antrags in die Politik einzubringen. Es gibt einen Erlass, der zwischen den GRÜNEN und der CDU erarbeitet wurde und das proaktive Agieren der Ausländerbehörden zum Inhalt hat.

Ich bitte Sie in diesem Kontext um Zustimmung zu unserem Antrag.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun die CDUFraktion, Herr Abg. Kiesewetter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir, dass ich für meine Fraktion an dieser Stelle zum Antrag ganz kurz Stellung nehme. Mit dem Antrag begehrt die einbringende Fraktion eine sogenannte proaktive Beratung und Information für den Personenkreis der langjährig geduldeten Menschen. Dazu sollen unter anderem die unteren Ausländerbehörden angewiesen werden, entsprechende Beratungs- und Informationsleistungen zu erbringen. Zur Begründung wird im Antrag in erster Linie auf die Fallzahlen abgestellt, wie viele Personen die jeweiligen Regelungen und notwendigen Fristen in den beiden betroffenen Vorschriften erfüllen und somit potenziell in den Genuss eines Bleiberechts nach § 25 a und b Aufenthaltsgesetz kämen.

Zudem weise die Zahl der erteilten Aufenthaltserlaubnisse gegenüber der Zahl der Geduldeten eine erhebliche Diskrepanz auf. Eine Verbesserung der aufenthaltsrechtlichen Beratung könne dazu beitragen, dass mehr Menschen von diesen genannten Bleiberechtsregelungen profitierten. – So weit erst einmal die Begründung.

Außer Acht bleiben in der Begründung jedoch wesentliche und wichtigste Voraussetzungen, welche neben den Fristen und Regelungen zu Stichtagen, soweit es sie noch gibt, zur Erlangung eines solchen Bleiberechts zusätzlich zu erfüllen sind. Diese können bei der Prüfung, ob ein Aufenthaltstitel nach diesen Vorschriften zu erteilen ist, aber nicht einfach vom Tisch gewischt werden. Wenn man sich damit ordentlich auseinandersetzen will, dann ist es sachgerecht, einen Blick ins Gesetz zu wagen und die Vorschriften doch noch einmal dezidiert auseinanderzunehmen.

So soll beispielsweise nach § 25 a Abs. 1 – das ist die Vorschrift, die die Jugendlichen betrifft – einem jugendlichen oder heranwachsenden geduldeten Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er zum einen den Voraufenthalt von vier Jahren entsprechend erfüllt, wenn er zum Zweiten im Bundesgebiet in der Regel seit vier Jahren erfolgreich eine Schule besucht oder einen anerkannten Schul- oder Berufsabschluss erworben hat, wenn drittens der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vor Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt wird, wenn es – viertens – gewährleistet erscheint, dass er sich aufgrund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann und wenn – fünftens – keine konkreten Anhaltungspunkte dafür bestehen, dass er sich nicht zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Deutschland bekennt.

Solange Jugendliche oder Heranwachsende sich in einer schulischen oder beruflichen Ausbildung, in einem Hochschulstudium usw. befinden, schließt die Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen zur Sicherstellung des eigenen Lebensunterhalts die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis erst einmal nicht aus. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist demgegenüber aber zu versagen, wenn die Abschiebung aufgrund eigener falscher Angaben des Ausländers oder aufgrund seiner Täuschung über die Identität oder Staatsangehörigkeit ausgesetzt ist. So weit erst einmal die Norm aus § 25 a des Aufenthaltsgesetzes.

Ähnlich verhält es sich mit § 25 b für die Erwachsenen. Dementsprechend soll einem geduldeten Ausländer, abweichend von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich nachhaltig in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert hat. Das setzt regelmäßig voraus, dass der Ausländer zum einen seinen Voraufenthalt – in diesen Fällen von acht Jahren – erfüllt, sich zweitens zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennt und über Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet verfügt und

drittens seinen Lebensunterhalt überwiegend durch Erwerbstätigkeit sichert oder bei der Betrachtung der bisherigen Schul-, Ausbildungs-, Einkommens- sowie familiären Lebenssituation zu erwarten ist, dass er seinen Lebensunterhalt sichern wird. Vierte Voraussetzung: Er muss über hinreichend mündliche Deutschkenntnisse im Sinne des Niveaus A2 verfügen und fünftens bei Kindern im schulpflichtigen Alter den entsprechenden tatsächlichen Schulbezug nachweisen.

Die Ausländerbehörde hat in beiden Vorschriften also eine Vielzahl von Erteilungsvoraussetzungen zu prüfen und dabei noch sogenannte Prognoseentscheidungen zu treffen. Das wird durch die Formulierungen „zu erwarten ist“ oder „gewährleistet erscheint“ entsprechend deutlich. Es kommt also ganz entscheidend auf die Würdigung der aufenthaltsrechtlichen Karriere jedes Einzelnen an.

Der bloße Bezug auf Fallzahlen und entsprechende Voraufenthaltszeiten ist an dieser Stelle natürlich sicherlich nicht sonderlich hilfreich, denn es sind auch die zusätzlichen Voraussetzungen mit zu betrachten. Insoweit wird der vorliegende Antrag eben nur mit der halben Wahrheit begründet, obwohl Sie im Antrag immer das Wort „insbesondere“ verwendet haben. Man hätte dort aber schon darauf eingehen müssen. Ich gehe davon aus, dass es sich hier sicherlich um ein Versehen handelt.

Zur Vorbereitung der heutigen Debatte habe ich mich noch einmal mit der Ausländerbehörde meines Landkreises in Verbindung gesetzt und ein paar aktuelle Informationen zur Verwaltungspraxis erfragt. Demnach wurden seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung zum

1. August 2015 aktuell lediglich 17 Aufenthaltserlaubnisse nach diesen beiden Vorschriften von §§ 25 a und 25 b des Aufenthaltsgesetzes erteilt.

Das hat im Wesentlichen folgende Ursachen: Die Antragsteller scheitern meist an drei Voraussetzungen, weshalb entweder kein Antrag gestellt wird oder ein Antrag, der gestellt ist, dann im Verfahren zurückgezogen wird. Zum einen geht es um die Sicherung des Lebensunterhalts, soweit sie notwendig ist. Es können aber auch Straftaten sein, die zum Ausschluss führen, wobei Geldstraftaten von insgesamt bis zu 50 Tagessätzen oder bis zu 90 Tagessätzen wegen Straftaten, die nach ausländerrechtlichen Vorschriften begangen werden, grundsätzlich außer Acht bleiben. Der häufigste Grund ist hier aber das Problem einer Täuschung über die Identität und Staatsangehörigkeit.

Genau darin liegt meines Erachtens der Kern der Sache. Hauptsächlich werden für Geduldete die beiden Vorschriften §§ 25 a und 25 b des Aufenthaltsgesetzes herangezogen. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist aber zu versagen, wenn die Abschiebung eben aufgrund falscher eigener Angaben oder aufgrund einer Täuschung über die Identität und Staatsangehörigkeit ausgesetzt ist, also die Duldung nach § 60 a quasi genau aus diesem Grund erfolgt.

Viele der Geduldeten verfügen natürlich nicht über ein Nationaldokument bzw. über eine ungeklärte Identität und unterliegen daher ebendiesem Ausschlussgrund. Das ist das Problem. Deswegen ist die Frage in den Raum zu werfen, ob eine Heraufsetzung der Altersgrenze von 21 auf 27 Jahre, die Sie in Ziffer II.2 des Antrags fordern, zu einer Erhöhung der Zahl der Titelvergaben führt, wenn die Mehrzahl der infrage kommenden Personen im Prinzip schon vorab an einer dieser drei Voraussetzungen scheitert.

Deshalb scheint es aus meiner Sicht auch sinnvoller zu sein, bereits während des Asylverfahrens aufzuklären, zu beraten und reguläre Zuwanderungswege unter Einhaltung des vorgesehenen Visumverfahrens nach Deutschland aufzuzeigen. Diesen Weg gehen wir bereits in den EAEs und in den unteren Ausländerbehörden. Zudem informieren und beraten die Ausländerbehörden im Einzelfall selbstverständlich über die Möglichkeiten eines Bleiberechts für langjährig Geduldete. Jeder Behörde obliegen natürlich auch Aufklärungs- und Beratungspflichten nach verfahrensrechtlichen Vorschriften.

Glauben Sie mir, es liegt bereits im Interesse der Ausländerbehörden, unter Wahrung der gesetzlichen Voraussetzungen geeignete Lösungen im Einzelfall zu finden. Ich glaube, niemand hat ein ernsthaftes Interesse daran, derartige Bleiberechte durch mangelhafte oder nicht erfolgte Beratung zu verhindern. Sicherlich gibt es Unterschiede in der Beratungsqualität, aber ich denke, das ist lösbar. Ich halte es gleichwohl für falsch, den Mitarbeitern in den Ausländerbehörden der Landkreise und kreisfreien Städte quasi ein Generalmisstrauen entgegenzubringen und den Eindruck zu erwecken, dass Beratung per se alle aufenthaltsrechtlichen Fragen klären könne.

Im Übrigen gelten die Ausführungen aus der Stellungnahme des Innenministeriums. Das betrifft insbesondere die Prüfreihenfolge und die Prüfintensität. Ich möchte insbesondere den Hinweis aus der Stellungnahme aufgreifen, dass bereits aufgrund bestehender Vorschriften, nämlich der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz, klar ist: Bevor eine Duldung nach § 60 a des Aufenthaltsgesetzes erteilt wird, ist vorrangig zu prüfen, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels insbesondere nach §§ 25 a und 25 b des Aufenthaltsgesetzes in Betracht kommt.

Ich denke, das ist ausreichend, um den Antrag abzulehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Herrn Abg. Richter das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zwanzig Jahre, so lange lebt ein Mann aus Pakistan bereits in Deutschland, konkret in der sächsischen Kleinstadt Geithain. Er engagiert sich dort in der Initiative für ein weltoffenes Geit

hain. Er spricht nahezu perfekt Deutsch und hilft beim Dolmetschen. Er ist Mitglied in der Stadtgesellschaft und aktiver Nachbar. Jetzt lebt er seit dem Widerruf seiner Aufenthaltserlaubnis in einer Duldung. Das betrifft nicht nur ihn, sondern auch seine erwachsenen Kinder, die dadurch trotz guter Ausbildung Schwierigkeiten haben, einen Job zu bekommen. Das sind Fallstricke gesetzlicher Fehlregelungen, die die Tür zu einem ordentlichen Aufenthaltsstatus verschließen. In diesem konkreten Fall ist es die nicht selbst verschuldete, fehlgeschlagene Passbeschaffung.

Wie die GRÜNEN zu Recht aufzeigen, ist eine ganze Reihe von schon lange in Sachsen lebenden Menschen auf diese Duldung zurückgeworfen. Es handelt sich um Menschen, die eigentlich längst Teil dieser Gesellschaft sind, denen die gleichberechtigte Teilhabe aber aufgrund ihres fehlenden Status verwehrt bleibt. Die Duldung ist eben kein Aufenthaltsstatus, sondern lediglich eine Art Gnadenrecht.

Hier möchten wir als LINKE eine größere Durchlässigkeit erreichen. Ein Ansatz sind die mit dem Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und zur Aufenthaltsbeendigung veränderten bzw. neu geschaffenen §§ 25 a und 25 b des Aufenthaltsgesetzes.

Das 2015 auf Bundesebene durchgesetzte Gesetz muss allerdings in Gänze als klare Asylrechtsverschärfung bezeichnet werden; denn damit wurde unter anderem das Instrument des Ausreisegewahrsams geschaffen. Die beiden genannten Neuregelungen – Frau Zais hat schon darauf hingewiesen – scheinen immerhin der kleine, aber traurige Kompromiss zu sein, den die SPD in dieser Verhandlung durchsetzen konnte. Auch wenn diese lang geforderte stichtagsunabhängige Bleiberechtsregelung für langjährig Geduldete einen Strohhalm bedeutet, greifen die Regelungen trotzdem zu kurz. Vor allem aber müssen wir anhand der Zahlen feststellen, dass die Zielgruppe nur bedingt erreicht wird.

Auf die Zahlen wurde gerade hingewiesen. Ich will das auch noch einmal tun. Es gab die Anfrage der grünen Bundestagsabgeordneten, nach der im Moment

33 000 Menschen seit mehr als sechs Jahren geduldet hier leben, davon 25 000 Menschen sogar seit mehr als acht Jahren. Anfang 2017 hatten nur 898 dieser geduldeten Menschen bundesweit ein Bleiberecht nach § 25 b. Ähnlich sieht es bei den Jugendlichen aus. Insgesamt leben 12 900 geduldete Jugendliche seit mehr als vier Jahren in Deutschland, und nur 3 200, also ein Viertel, haben eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 a. Die Zahlen für Sachsen hat meine Kollegin Frau Nagel im vergangenen Jahr abgefragt. Da wurden im Jahr 2015 ganze 25 Anträge für gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende gestellt. Von denen wurden damals übrigens 24 bewilligt. Im Dezember 2016 waren es 38 Anträge, von denen noch 26 bewilligt wurden. Bei § 25 b der Aufenthaltsgewährung bei nachhaltiger Integration waren es 2015 19 Anträge mit neun Bewilligungen und 2016 54 Anträge mit 26 Bewilligungen.

Die Zahlen sind allerdings – das muss man dazu sagen – nicht belastbar, denn manche Landkreise und kreisfreien Städte arbeiten keine Zahlen zu. Somit ist ein lückenloser Blick über die Wirkung dieser Gesetze verwehrt. Es zeigt sich also, dass nur ein kleiner Teil der Betroffenen Anträge stellt, und es zeigen sich in Sachsen auch klare regionale Unterschiede.

Die Analyse, dass das an den verschiedenen Praxen der Ausländerbehörden, der Landkreise und der kreisfreien Städte liegt, ist aus unserer Sicht sehr nahe liegend. Wir haben kürzlich mit einem Antrag auf dieses Problem reagiert und gefordert, dass die Staatsregierung Verfahrenshinweise nach dem Vorbild der Ausländerbehörde in Berlin erarbeitet, die eine kalkulierbare und einheitliche Praxis der Ausländerbehörden in Sachsen ermöglichen. Schließlich darf die Chance, ein Aufenthaltsrecht zu bekommen, keine Frage des Glücks sein, ob man zufälligerweise durch Bescheid der Stadt Leipzig oder dem Landkreis Görlitz zugewiesen wurde.

Wir unterstützen die von den GRÜNEN beantragte und unter anderem vom Sächsischen Flüchtlingsrat erhobene Forderung, die sächsischen Ausländerbehörden anzuweisen, langjährig geduldete Menschen ausdrücklich proaktiv über die Bleiberechtsmöglichkeiten der §§ 25 a und 25 b zu beraten und zu informieren. Ich bitte Sie, nicht zu erwidern, dass die Inanspruchnahme dieser gesetzlichen Regelung die Sache der Geflüchteten selbst wäre; denn wie wir wissen, haben sogar sehr gute Anwälte große Probleme, das alles zu durchschauen. Gerade vor diesem Hintergrund und dieser Art, wie das am Fließband durch das Bundesparlament gebracht wurde, ist es auf jeden Fall dringend notwendig.

Zu unterstreichen ist auch, dass es in Sachsen keine aus öffentlichen Geldern finanzierte Verfahrensberatung gibt – Beratung im rechtsstaatlichen Sinne –, die dazu dienen soll, die Adressaten der Gesetze in die Lage zu versetzen, diese zu verstehen und die gesetzlichen Möglichkeiten zu nutzen.

Auch den weiteren Punkt des Antrags unterstützen wir. Fachverbände, Praktiker und Praktikerinnen, die mit jungen Geflüchteten arbeiten, verweisen zu Recht darauf, dass die Altersfrist von 21 Jahren – bis zum Erreichen dieses Alters müssen die jungen Leute den Antrag nach § 25 a gestellt haben – viel zu knapp ist. Deshalb fordern wir die Heraufsetzung auf 27 Jahre. Das macht Sinn und würde damit dem Wirkungskreis des Kinder- und Jugendgesetzes entsprechen.

Die 27-er Altersgrenze wäre auch vor dem Hintergrund logisch, dass junge Menschen nach der Flucht oft ganz andere Probleme zu meistern haben. Stichwort: Traumatisierung und grundsätzliche Neuorientierung, dass Bildungswege zumeist nicht mit 18, 19 oder 21 Jahren aufhören, sondern vor dem Hintergrund des Erlernens einer neuen Sprache, des Nachholens von Schulabschlüssen und der Berufsorientierung viel mehr Zeit ins Land geht, als es bei dem Gros der hier geborenen Menschen

der Fall ist. Wir sollten diesen jungen Menschen Zeit und auch die Möglichkeit lassen, hierzubleiben.

Wenn wir über eine notwendige Reform der § 25 a und b sprechen, dann dürfen wir damit nicht aufhören. Das Land Hamburg hat bereits 2012 in einer eigenen Bundesratsinitiative gefordert, dass der Schulbesuch bei geduldeten Jugendlichen als Voraussetzung für ein Aufenthaltsrecht nicht zeitlich reglementiert wird. In Bezug auf die zeitlichen Fristen erscheinen uns sowohl die von jungen Menschen geforderten vier Jahre, als auch die von Erwachsenen geforderten acht bzw. sechs Jahre, wenn ein minderjähriges Kind im Haushalt ist, zu lang. Diese Regelungen schaffen nicht das, was nötig wäre: die unerträgliche Kettenbildung zu unterbrechen und damit das permanente Leben auf Abruf und die volle Einschränkung der gesellschaftlichen Teilhabe.

Auch die Frage der eigenständigen Lebensunterhaltssicherung, die eine Voraussetzung für die Aufenthaltsgewährung nach § 25 b darstellt, ist eine glasklare Hürde. Schließlich sind Geduldete eine der, wenn nicht gar die am schlechtesten gestellte Gruppe Geflüchteter. Die Wege zu weiterführenden Sprachangeboten sind verwehrt. Bei der Arbeitsaufnahme sieht es ähnlich aus, und wer will schon jemanden einstellen, der jederzeit abgeschoben werden kann?

Es ist ein Teufelskreis, weil Geduldete keinen sicheren Aufenthaltstitel haben und ihnen das die wirtschaftliche Existenzsicherung deutlich erschwert, was wiederum ihre Integrationsfähigkeit vor den Behörden infrage stellt und zum Ausschluss von einem Aufenthaltstitel führt. Das trifft übrigens auch für Menschen aus den sogenannten sicheren Herkunftsstaaten zu, die einem Arbeitsverbot unterliegen und von Integrationskursen ausgeschlossen sind. Trotzdem sind sie ein gewichtiger Teil der langjährig Geduldeten hier. So lässt sich sehen, dass die Asylrechtsverschärfung der letzten Monate die Bleiberechtsregelung nach § 25 a und b für bestimmte Gruppen aushöhlt.

Nötig sind unter dem Strich nur die in dem vorliegenden Antrag geforderte Forcierung der Anwendung der Bleiberechtsregelung in Sachsen, die grundlegende Prüfung der Wirksamkeit und die Ursachensuche für die Entscheidung in vielen Fällen. Wir brauchen durchlässigere Regelungen und niedrigere Schwellen, um für Geduldete eine Bleiberechtsperspektive zu schaffen. DIE LINKE wird dem GRÜNEN-Antrag zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Für die SPD Herr Abg. Pallas.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute geht es erneut um ein Thema aus dem Bereich Flucht und Asyl. Die Antragsteller greifen ein aktuelles praktisches Problem beim Bleiberecht für geduldete Menschen auf. Für die SPD ist grundsätzlich zunächst einmal klar, dass die

geltende Asyl- und Aufenthaltsgesetzgebung auch in Sachsen umgesetzt werden muss. Ich denke, es ist angemessen, das noch einmal in die Gesamtthematik einzuordnen.