Protokoll der Sitzung vom 30.08.2017

(Andreas Nowak, CDU: Das ist übrigens auch gut für die Umwelt!)

Dazu komme ich noch, Herr Kollege.

Ich muss Folgendes sagen: Die Parteispenden von der Industrie waren gut angelegtes Geld.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Hütter?

Nein, jetzt nicht.

Nein, jetzt nicht.

Ich komme nun auf den Punkt Umwelt zu sprechen. Wenn man sich die Ruß- und Stickoxidwerte ansieht, dann sieht es anders aus. Es wurde über Jahre hinweg mit immer wieder neuen Abgasnormen vorgegaukelt, dass alles in Ordnung sei. Bereits im Jahr 2011 hat die Gemeinsame Forschungsstelle der Europäischen Kommission festgestellt, dass der Schadstoffausstoß von Dieseln – ausnahmslos, egal, welchen Hersteller es betrifft – deutlich über den rechtlich vorgegebenen und erst recht deutlich über den im Typenblatt ausgewiesenen Werten liegt. Alle Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft haben das gewusst. Weiterhin wurde aber in Deutschland Folgendes propagiert: Fahr Diesel, das ist gut für dich und das Land.

(Andreas Nowak, CDU: Und die Umwelt!)

Diese Botschaft wurde gehört – über 500 000-mal in Sachsen, von Berufspendlern, die zum Teil 25 Kilometer pro Tag hin zur und wieder zurück von der Arbeit fahren, von Handwerkern, die scharf kalkulieren müssen, welchen Firmenwagen sie sich anschaffen. Die Botschaft wurde gehört: Diesel ist gut für dich, Diesel ist gut für das Land und – Kollege Nowak glaubt das immer noch –, gut für die Umwelt.

(Andreas Nowak, CDU: Glaubt nicht, weiß ich!)

Wahrscheinlich ist das doch nicht der Fall.

Nun diskutieren wir über Fahrverbote. Wir diskutieren darüber, diejenigen zu bestrafen, die den Aussagen der Politik vertraut haben. Wir sprechen über diejenigen, die den Aussagen der Politik vertraut haben, während gleichzeitig Automobilkonzerne Milliarden verdient haben und sich nun nicht zu blöd sind, den Verbrauchern vorzuschlagen, einen neuen Diesel zu kaufen und dafür Rabatt zu erhalten. Das ist der Gipfel der Frechheit.

(Beifall des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Ja, man kann ruhig einmal klatschen.

Der Titel der Debatte lautet aber wie folgt:... die Zukunft der Automobilindustrie sichern. Darüber haben wir heute eigentlich noch gar nicht viel gehört. Es wurde heute immer wieder gesagt, dass es richtig sei, dass ein Drittel der industriellen Wertschöpfung hier im Freistaat und rund die Hälfte des Exports direkt oder indirekt an der Automobilindustrie hängt. Worüber wir aber noch nicht gesprochen haben, ist Folgendes: In Dresden wird inzwischen der e-Golf gefertigt und in Leipzig baut BMW den i3 sowie Hybridfahrzeuge. Dazu hat der Minister leider nichts gesagt. Stattdessen hat er ein Loblied auf den Diesel gesungen, der blöderweise in Sachsen gar nicht produziert wird.

(Zuruf von der AfD: Leipzig ist doch ein Witzmodell!)

Schauen wir uns doch einmal eine Statistik an. Im Jahr 2017 wurden erstmals mehr Elektro- und Hybridfahrzeuge als Diesel und Benziner zugelassen. Der e-Golf führt die Verkaufscharts an und verweist Tesla und Renault auf die Plätze. Der i3 belegt Platz 4 der Verkaufsliste. Blöd ist nur, dass das nicht für Sachsen gilt, sondern für das Erdölland Norwegen. Hier in Sachsen sieht die Bilanz ganz anders aus. Sage und schreibe 0,05 % der in Sachsen zugelassenen Fahrzeuge sind derzeit Elektrofahrzeuge. Wenn man sich die Hybride anschaut, dann sieht es nicht viel besser aus.

(Andreas Nowak, CDU: Norwegen hat vor allen Dingen Wasserkraft!)

Nein, es ist eben nicht nur die Energie. Es ist vor allen Dingen auch eine vorhandene Ladeinfrastruktur, die nötig ist. Es ist auch eine Förderung von E-Mobilität bei der Stadt- und Verkehrsplanung wichtig. Das sind Punkte, bei denen der Freistaat in der Tat etwas tun kann. Er muss nicht auf die steuerliche Förderung vom Bund warten. Dazu haben wir heute nichts gehört. Stattdessen hat der Staatsminister kurz auf die gierigen Manager geschimpft, aber gleich gesagt, dass wir uns den Diesel auch nicht schlechtreden dürfen und die E-Mobilität sowieso überbewertet sei.

(Staatsminister Martin Dulig: Was?!)

Sie haben gesagt, dass das in Ihren Augen nicht unbedingt die Zukunft sei.

(Staatsminister Martin Dulig: Das ist eine Verdrehung! Das haben Sie doch jetzt nicht nötig!)

Zur Mobilität im Wandel haben wir nichts gehört, vielmehr ein „Weiter so!“.

Die Redezeit ist zu Ende.

Auf diese Weise, Herr Staatsminister, sichern Sie auch nicht die Zukunft der Automobilindustrie in Sachsen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Kollege Brünler sprach für die Fraktion DIE LINKE. Für die AfD spricht nun Frau Dr. Petry.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe CDU und SPD, Sie haben sich mit dieser Debatte ein Eigentor geschossen. Ihre lahmen Redebeiträge zeugten jeweils davon. Sie versuchten zu verbergen, dass Sie eigentlich noch ein paar Wählerstimmen brauchen. Sie können den Verbrauchern aber nicht erklären, woher das Dilemma eigentlich kommt. Meine Damen und Herren von der CDU und SPD, Sie haben den Verbrauchern über Jahre die verfehlte Verkehrspolitik, genau dieses Dilemma, eingebrockt.

(Beifall bei der AfD)

Sie können gern auf die Arbeitsplätze schauen. Es ändert aber nichts daran, dass die Bundesregierung seit Jahren die Verbraucher mehr belastet, ob durch Doppelbesteuerung, Ökosteuer, Maut, Umweltplaketten oder Ähnliches mehr. Das ist alles, was Ihnen einfällt. Am Ende stellen Sie fest, dass die Wirtschaft dadurch belastet wird. Herzlichen Glückwunsch! Diese Erkenntnis hätte man viel früher gewinnen können. Deswegen ist Ihr Ansatz, jetzt um jeden Preis die E-Mobilität fördern zu wollen, genauso kurzsichtig.

(Andreas Nowak, CDU: Das ist ein globaler Trend!)

Ja, den haben Sie durch ideologische Vorgaben gemacht.

(Zuruf des Abg. Andreas Nowak, CDU)

Herr Nowak, am Ende können Sie dies auch nicht wissenschaftlich unterlegen. All das Gebrüll Ihrerseits nützt nichts.

Tatsache ist, dass wir eine unideologische Forschung brauchen und die Grenzwerte wissenschaftlich unterlegt werden. Das hat sogar, hätten Sie einmal in die Unterlagen geschaut, der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages gezeigt. Hätten Sie diese vorher gelesen, wäre diese Debatte überflüssig gewesen. Stattdessen könnten wir darüber reden, was wir brauchen: Wir brauchen eine technologieoffene Forschung hinsichtlich aller Antriebstechnologien und keine politische Vorauswahl. Dass Sie sich als angeblich Konservative von LINKEN, GRÜNEN und SPD treiben lassen, spricht Bände, über den Inhalt, den Sie nicht mehr haben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das war die AfD. Es sprach Frau Kollegin Dr. Petry. Nun könnte die Fraktion GRÜNE sprechen. – Es besteht kein Redebedarf. Wir könnten eine dritte Rednerrunde beginnen. Die einbringende CDU-Fraktion möchte erneut das Wort ergreifen. Bitte, Herr Kollege Nowak.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Dr. Petry, konservativ heißt nicht Stillstand, sondern Innovationen fördern. Genau das tun wir auch.

(Beifall bei der CDU)

Herr Urban, wenn man Ihnen zuhört, dann kommt man auf den Gedanken, dass die Dampflok eine effektive Antriebsform sei. Fahren Sie einmal nach Kalifornien und schauen Sie sich einmal an, was dort in den nächsten Jahren passieren wird. Danach würden Sie dies anders bewerten.

Herr Brünler, schon heute verbrauchen moderne Diesel 25 % weniger Sprit als Benziner. Es ist also umweltpolitischer und wirtschaftlicher Wahnsinn, die Axt an diese Technologie zu setzen.

Das ist natürlich nicht das Ende der Fahnenstange. Vor Jahrzehnten gab es die Dampfloks. Heute ist keine mehr im Liniendienst eingesetzt. Was ist also zu tun? Erstens müssen die deutsche Autoindustrie und mit ihr die Zulieferer aufhören, die Elektromobilität als vorübergehenden Hype zu begreifen. Einen Technologiewechsel zu ignorieren, das ist schon einmal schiefgegangen. Nur der guten Ordnung halber sei erwähnt, dass es nicht die Kutschenbauer waren, die das Automobil erfunden und dessen Entwicklung vorangetrieben haben. Es waren Tüftler und Ingenieure, die Leute, auf die wir uns in Sachsen zu Recht im Land der Ingenieure heute so gern berufen.

Zweitens dürfen wir keine Angst vor Innovationen und vor disruptiven Techniken haben. Wir brauchen neue Ideen, wenn wir international weiter mitspielen möchten. Dazu gehören nicht nur neue Antriebe, sondern auch Platz für Experimente beim autonomen Fahren. Wenn wir hier vorn dabei sind, dann bestimmen wir die Schlagzahl und nicht andere. Wir müssen auch die Elektromobilität in den Alltag integrieren. Das bedeutet vor allem: Investitionen in den Ausbau der Lade-Infrastruktur und diese fit machen.

Das wird zum Teil unsere Elektronetze erheblich fordern. Vier Tesla-Supercharger bringen heute schon einen Ortsnetztrafo an die Grenze. Aber es geht nicht immer nur um dicke Kabel; man kann ganz viel auch mit Software erreichen und entsprechend intelligente Netze bauen und steuern. Zum Beispiel kann man auch Stromtankstellen an Straßenlaternen bauen. Es gibt in Leipzig eine Firma – sie nennt sich „Leipziger Leuchten“ –, die entsprechende Technik im Angebot hat. Ich war dort letztens zum Betriebsbesuch.

Es ist wirklich beeindruckend, was dort an Innovationen entwickelt wurde. Ich wünsche mir, dass wir in der nächsten Zeit auf diesem Gebiet mehr tun. Das werden wir sicher bei den nächsten Haushaltsverhandlungen entsprechend berücksichtigen müssen. Wir wollen heimische Innovationen vorantreiben. Ich möchte, dass Sachsen Vorreiter in dieser Technik wird. Das wird uns einen echten Standortvorteil verschaffen.

Nicht zuletzt müssen wir – viertens – auch über das Thema Autonomes Fahren reden. Ich bin seit April Präsident der Landesverkehrswacht. Mit den anderen Landesverkehrswachten und der Bundesverkehrswacht haben wir die Vision Zero, das bedeutet, die Zahl der Verkehrstoten gegen null zu bringen. Wissenschaftler und Fachleute halten diese Vision für machbar, auch über das autonome Fahren, und es wird kein halbes Jahrhundert dauern, bis wir diese Systeme hier in Wirklichkeit haben. Ich wünsche mir auch, dass wir dabei in Sachsen Vorreiter werden. Die autonom fahrenden Systeme bieten aber vor allem auch Chancen für unsere Logistikbranche und für den ÖPNV im ländlichen Raum. Wir werden mit flexiblen Bedienformen viel mehr Menschen ans Netz anschließen, als das heute noch mit den starren Linien möglich ist.

Zusammengefasst: Erstens den modernen Diesel nicht aus ideologischen Gründen verteufeln, sondern seine Potenzi

ale nutzen. Keine übertriebenen Grenzwerte postulieren, sondern die physikalischen Grundlagen akzeptieren und entsprechend handeln.

Zweitens. Die deutsche Autoindustrie fit machen für die Trends der Zukunft, und die sind global. Solange Menschen vor einem Tesla-Autohaus übernachten für ein Auto, das es noch gar nicht gibt, ist die deutsche Autoindustrie an der Stelle in der Defensive. Die Leute müssen vor VW- und BMW-Händlern Schlange stehen, um die Innovation von morgen kaufen zu wollen. Das ist eine große Aufgabe. Da kann die deutsche Autoindustrie übrigens viel von Kalifornien lernen.