Protokoll der Sitzung vom 28.01.2015

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Lassen Sie mich deshalb einmal über deren Sicherheit sprechen. Die Amadeu-Antonio-Stiftung und Pro Asyl haben im vergangenen Jahr – wie auch in den Jahren zuvor – die Attacken auf Flüchtlingsunterkünfte und auf Asylbewerber sowie flüchtlingsfeindliche Kundgebungen und Demonstrationen dokumentiert. Erschreckend sind allein schon die Zahlen. Deutschlandweit erfolgten 153 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte. 256 flüchtlingsfeindliche Kundgebungen und Demonstrationen und 77 tätliche Angriffe auf Flüchtlinge fanden statt. Die meisten rassistisch motivierten Körperverletzungen sind in Sachsen bekannt geworden. 28 von deutschlandweit 77 begangenen tätlichen Angriffen auf Flüchtlinge wurden in Sachsen verübt, das sind immerhin rund 36 %. Auch bei den Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte ist Sachsen leider ganz weit vorn dabei.

Während alle vom Miteinander, vom Zuhören und vom Miteinander-Reden sprechen, verhallen die Hilferufe der Flüchtlinge nach mehr Sicherheit zunehmend ungehört. Bei den Menschen, die sich bedroht fühlen, haben Sie,

Herr Minister, mit Ihrem Besuch der Pegida-Organisatoren ein fatales Signal hinterlassen. Das möchte ich hier in aller Deutlichkeit noch einmal sagen.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN – Dr. Frauke Petry, AfD: Was? – Lachen der Dr. Frauke Petry, AfD)

Zur Sicherheit der Menschen, die bei uns Schutz suchen, hätte ich in Ihrer Regierungserklärung unter diesem Titel mehr erwartet. Herr Ulbig, Sachsen hat ein massives Sicherheitsproblem, wenn es die Sicherheit von Flüchtlingen, von Menschen mit Migrationshintergrund, aber auch von Journalisten und Andersdenkenden nicht mehr ausreichend gewährleisten kann. Darüber müssen wir reden und nicht über gefühlte Bedrohungslagen durch den Islam.

(Dr. Stefan Dreher, AfD: Was war in Leipzig mit der Polizei?)

Wir GRÜNEN fordern Sie auf: Reden Sie endlich mit den Betroffenen von Islamfeindlichkeit, mit den Opfern rassistischer Angriffe und mit den Flüchtlingen, die sich in Dresden montags mittlerweile nicht mehr trauen, ihre Kinder in die Schule zu bringen. Sprechen Sie mit den Betroffenen jener Menschenfeindlichkeit. Sprechen Sie mit den Flüchtlingsverbänden und den Opferberatungsstellen. Reden Sie vielleicht auch mit jenen in Sachsen lebenden Menschen, die die Sorgen dieser Teile der Bevölkerung ernst nehmen. Gehen Sie nicht den auch von Ihnen selbst noch vor wenigen Wochen als Rattenfänger bezeichneten Populisten auf den Leim.

Dass es immer dann, wenn ein CDU-Innenminister über Freiheit und Sicherheit spricht, sehr stark in Richtung Sicherheit und weniger in Richtung Freiheit geht, liegt in der Natur der Sache. Was mir in Sachsen weiterhin nicht klar wird, ist, warum eine Partei, die meint, die politische Sicherheitserzählung für sich gepachtet zu haben und dies als konservative Partei auch heute wieder versucht, unter Beweis zu stellen, seit Jahren die Bevölkerung in Sachsen in ihrer Sicherheit gefährdet. Denn wo bleibt die Sicherheit, wenn im Freistaat Sachsen über Jahre hinweg Polizeikräfte abgebaut werden und wenn selbst führende Polizeivertreter mittlerweile offen zu verstehen geben, dass man mit den stetig wiederkehrenden Demonstrationslagen in Sachsen überfordert ist und nicht mehr ausreichend eigene Kräfte zur Verfügung hat?

Ich schließe mich ausdrücklich und voll und ganz Ihrem Dank an die Polizistinnen und Polizisten an, die hier seit Wochen unter extremen Bedingungen eines der wichtigsten Grundrechte schützen, das wir haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zur Wahrheit gehört aber auch: Die massive Belastung der Einsatzkräfte ist zum Teil hausgemacht und damit auch ein Verschulden der Politik der CDU in den letzten Jahren.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Erklären Sie den Polizistinnen und Polizisten, die seit Wochen im Dauereinsatz sind, und erklären Sie der Öffentlichkeit, warum Sie bis 2021 offenbar weitere 1 200 Stellen bei der Polizei abbauen wollen. Dafür hat in Sachsen keiner mehr Verständnis.

Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja – Freiheit und Sicherheit gehören zusammen. Vor allem aber haben wir in Sachsen offensichtlich mit beidem ein Problem; das ist heute klar geworden. Jede Einschränkung der Freiheit schafft Verunsicherung über das Verhältnis von Bürgerinnen und Bürgern zum Staat. Wer die Freiheit einschränkt, nimmt den Bürgerinnen und Bürgern die Sicherheit, sich auf den Schutz ihrer Grundrechte durch den Staat verlassen zu können. Deshalb gilt für uns: Unsere Sicherheit braucht Freiheit!

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Es liegen Wortmeldungen für eine zweite Runde vor. Zunächst spricht für die Fraktion DIE LINKE Herr Abg. Stange.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Lippmann, ein alter Spruch sagt: „Erwarte nichts, dann kannst Du auch nicht enttäuscht werden.“ Das wäre heute einleitend zur sogenannten Fachregierungserklärung zu sagen; denn die Polizeidirektion Dresden, der Landespolizeipräsident und der Innenminister sind – selbst nach der Regierungserklärung – jeden Nachweis schuldig geblieben, weshalb nur die Allgemeinverfügung zur Untersagung aller Versammlungen für den gesamten Tag und das gesamte Stadtgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie die als gefährdet betrachteten Schutzgüter sichern konnte.

Einen polizeilichen Notstand hat der Landespolizeipräsident Georgie in seinen Darlegungen in der Sondersitzung des Innenausschusses am 19. Januar 2015 ausdrücklich ausgeschlossen und betont, ohne die von ihm so bezeichnete „konkrete Gefährdung“ aufgrund eines Aufrufs zum Attentat gegen einen Pegida-Organisatoren sowie aufgrund eines ähnlichen Twitter-Tweets und nicht untersetzter Informationen von LKA und BKA wäre die Polizei in vollem Umfang in der Lage, alle angemeldeten Versammlungen ordnungsgemäß sicherzustellen.

Aber nur dieser polizeiliche Notstand rechtfertigt und erlaubt eine solche Allgemeinverfügung. Zur Erhellung ist der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 26.03.2001 in Punkt II 3 bb nachzulesen. Das möchte ich jetzt aus Zeitgründen nicht zitieren. Trotz Gefährdung des Lutz Bachmann wird die Pressekonferenz in den Räumen der Landeszentrale für politische Bildung mit schwachen Polizeikräften abgesichert, so Herr Georgie. Trotz Gefährdung und der Ankündigung Bachmanns, auch die Legida-Kundgebung in Leipzig mit seiner Gegenwart zu beehren, gilt offenbar die Gefährdung nicht für diese Ereignisse und schon gar nicht für Leipzig, sondern nur für den 19. Januar in Dresden.

Da können wir doch regelrecht froh sein, dass die Terroristen die Sicherheitsbehörden – insofern sich das irgendwann einmal als wahr herausstellen sollte – so präzise vorgewarnt haben. Nur in der Frage, unter welche Demo sie sich mischen werden, vertrauen die Sicherheitsbehörden ihnen dann doch nicht mehr. Zwar – so konnte es sogar „Bild-online“ vermerken und abbilden – hatten diese Bachmann identifiziert und Pegida als Feindin des Islam ausgemacht. Aber bei der Treffsicherheit wird ihnen eine Streubreite von mehreren Kilometern locker zugetraut, denn die Stadtgrenzen Dresdens sind weitaus größer.

Dass wir uns nicht missverstehen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Ernst zu nehmende Gefährdungslagen werden auch unsererseits nicht bagatellisiert oder auf die leichte Schulter genommen. Was soll man aber noch glauben? War in der Allgemeinverfügung davon die Rede, die Attentäter seien aufgerufen worden, sich unter die PegidaDemonstranten zu mischen, überjazzt der Staatsminister Ulbig heute und spricht von einem Angriff aus den Versammlungen auf ein Mitglied des Pegida-Organisationsteams. Attentäter, die eine Person oder eine begrenzte Personengruppe zum Ziel haben, gehen mit an Präzision grenzender Zielgenauigkeit vor. Das Attentat auf „Charlie Hebdo“ steht stellvertretend für diese Anschläge.

Die Terroristen haben also nach dem, was Innenminister Ulbig uns weiszumachen glaubt, die Person und die Demo identifiziert und mit ihren Nachrichten einen eng begrenzten Zeitraum klargemacht – nur die Demos vor Ort, die würden sie verwechseln, sodass man alles an diesem Tag in Dresden verbieten muss. Aha.

Steht nicht tatsächlich zu vermuten, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Sie, Herr Staatsminister, und die Polizei ebenfalls davon ausgingen, dass ein allgemeines Versammlungsverbot nicht tatsächlich trägt, Sie aber mit einer Verfügung nur gegen die Pegida-Demo den Zorn und die Entrüstung dieser Demonstranten provozieren würden und deshalb lieber gleich alle Versammlungen verboten haben?

Sie konnten uns nicht nachweisen, dass ausreichend geprüft wurde, die anderen Versammlungen auf anderem Wege sicherzustellen.

(Dr. Stefan Dreher, AfD: Vertrauen Sie mal der Polizei!)

Deshalb sind wir misstrauisch. Deshalb sagen wir: Hier muss anderes aufgefahren werden als diese sogenannte Fachregierungserklärung.

(Beifall bei den LINKEN)

Aber wie nun weiter? Welches sind die notwendigen Lehren aus diesen Ereignissen für die Zukunft? Sie, Staatsminister Ulbig, fahren eine durchsichtige und argumentativ schwache Strategie der Selbstrechtfertigung. Dabei setzen Sie den Einzelfall des 19. Januar und seine operative Behandlung mit der Konsequenz des allgemeinen Versammlungsverbots als Standard in vergleichbaren

Situationen und mithin für die Zukunft. Darin aber, in der Rechtfertigung des vergangenen Einzelfalls als einen möglichen Standard für die Zukunft als sogenanntem Schutz der Freiheit, liegt die eigentliche Gefahr für Demokratie und Freiheit. Juristen nennen das gemeinhin Wiederholungsgefahr, weil es viel zu kurz greift und das Spannungsfeld von Freiheit und Sicherheit nicht aufhebt und weil die viel weiterreichenden Fragen nach einer tragfähigen Sicherheitsstrategie nicht im Ansatz gestellt, geschweige denn beantwortet werden.

Es muss aber neben der Gefahrenabwehr um präventive Strategien, nicht um Verbote gehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, die in das Vorfeld der Entstehung dieser Konflikte eingreifen. Es muss weiterhin um die Frage nach den sozialen Problemfeldern gehen, die politisch so zu gestalten sind, dass eine Hasskultur zwischen Menschen verschiedener nationaler, ethnischer und religiöser Herkunft nicht entstehen kann.

Nun ist völlig klar, dass ein globales Phänomen wie der Terrorismus am Ende sicherlich auch global gelöst werden muss. Dennoch bleibt unstrittig, dass die Aufgabe der Politik in Sachsen darin bestehen muss, die eigenen Verhältnisse in Ordnung zu bringen. Die im Moment mit allen möglichen Papieren befeuerte Debatte zur Gestaltung der Migrationspolitik ist dabei nur ein Beispiel. Wir könnten durch viele Politikfelder streifen, in denen in den letzten Jahrzehnten trotz all des Wohlstands in Sachsen soziale Spannungen gewachsen sind und sich nicht verringert haben. Die Verringerung dieser Klüfte, meine Damen und Herren, schafft aber tatsächlich mehr Sicherheit als jedes polizeiliche Sicherheitskonzept.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie tatsächlich glauben, was Sie der Öffentlichkeit erzählen, dass es sich bei den derzeit in zum Teil dumpfer Gestalt zutage tretenden sozialen Gegensätzen im Wesentlichen nur um ein Kommunikationsproblem zwischen Regierenden und Regierten handelt, dann können wir uns wirklich warm anziehen; denn dann werden sich diese Spannungen weiter aufstauen – mit und ohne Pegida.

Meine Damen und Herren! Die eigentlich zielführende Frage muss weiter gefasst werden, zum Beispiel: Treibt nicht gar der Ministerpräsident – –

Bitte an die Redezeit denken.

Der letzte Satz, Herr Präsident. – Treibt nicht gar der Ministerpräsident mit dem Satz „Der Islam gehört nicht zu Sachsen“, der im Grunde sagt, ihr Muslime gehört nicht zu Sachsen, der Menschen, die sich dem Islam verbunden fühlen, ausgrenzt, statt zu integrieren, sie diskriminiert, statt auf Augenhöhe in die Gesellschaft einzubeziehen, der abwehrt statt anzunehmen, treibt nicht dieser Satz die Risikowahrscheinlichkeit in viel stärkerem Maße nach oben, als es ein scheinbar zündelnder Twitter-Tweet tatsächlich vermag?

Herr Stange, bitte!

Darauf müssen wir eine Antwort finden.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN)

Für die CDU-Fraktion spricht Herr Abg. Hartmann. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir machen heute hier den ganz großen Strauß auf.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Das ist auch notwendig!)

Wir interpretieren aus unserer Sicht auch, was der Bürger meint. Besonders beeindruckend fand ich das bei Herrn Lippmann, der genau weiß,

(Zuruf des Abg. Enrico Stange, DIE LINKE)

was die Bevölkerung in Sachsen meint und wie sich die Bevölkerung in Sachsen bedroht fühlt. Ich befürchte, Herr Lippmann, Sie sprechen für einen kleinen Ausschnitt und nicht für die Bevölkerung. Vielleicht sind Sie ein wenig vorsichtiger mit der Verallgemeinerung,

(Zuruf des Abg. Enrico Stange, DIE LINKE)

wenn Sie über die Bevölkerung reden.

Aber zurück zum Thema: Ja, alles hat mit allem zu tun. Vielleicht ist es aber auch so, dass in der Differenzierung das Konkrete zu suchen ist. Wir haben heute gehört, es bedarf mehr politischer Bildung. Ja, aber politische Bildung ist der Diskurs unterschiedlicher Meinungen, die Bewertung von Geschichte von aktuellen Erfahrungen mit der Chance, ein eigenes Meinungsbild zu entwickeln. Das bedarf auch einer Beteiligung der Landtagsabgeordneten aller Parteien in ihren Wahlkreisen vor Ort.

Da sind wir beim Thema Dialog mit den Bürgern vor Ort. Das ist etwas, was uns in der Verantwortung eint, was jeder für sich in seinem Bereich wahrnehmen kann und wo wir gefragt sind. Letztendlich muss Politik Themen aufgreifen und an der politischen Willensbildung mitwirken. Dazu gehört der Mut, Nein zu sagen, ganz klar, das ist eingefordert. Dazu gehört aber auch der Mut, zuzustimmen und zu verändern und auch, Verantwortungen wahrzunehmen und möglicherweise Mehrheitspositionen in einer Demokratie als das zu verstehen, was sie sind: Mehrheitspositionen. Dann ist es wenig schicklich zu versuchen, mit eigenen Betroffenheiten, mit eigenen Lobbyistenbereichen die politische Landschaft trotzdem nachträglich verändern zu wollen, sondern dann ist es vielleicht in der Demokratie tatsächlich so, dass ich Mehrheitsentscheidungen als das verstehe, was sie sind: Mehrheitsentscheidungen.

Wir haben über das Thema Ausstattung der Polizei und die Herausforderungen an die Polizei geredet. Klar, es geht um mehr als nur um Wertschätzung und Danksa