400 Polizisten und 100 Spezialkräfte mehr eingestellt werden sollen. Bei Prävention wird aber abgebaut. Sie streichen stillschweigend Stellen in der Prävention; laut Polizeireform 2020 kürzen Sie von 17 auf acht Stellen pro Polizeidirektion. Das sind viele Stellen, die genau dazu da sind, für die Akzeptanz des Rechtsstaates in einer sehr frühen Lebensphase zu sorgen. Ein gutes Beispiel dafür ist POLDI, der Polizisten-Dino, der auf kindgerechte Art in Schulen und Kindergärten unterwegs ist und dort Regeln und Akzeptanz des Rechtsstaates vorführt. POLDI braucht eine Personalstelle, eine A7-Stelle, und seit Monaten, Herr Ulbig, dauert das Tauziehen um diese Personalstelle an. Dies zeugt nicht nur von Ideenlosigkeit, sondern auch von grandioser Perspektivlosigkeit in Ihrem Ministerium. Wo, wenn nicht bereits in Schule und Kindergarten, muss das Verständnis für Rechtsstaat geweckt und vermittelt werden, damit dann im späteren Alter Jugendliche nicht plan- und ideenlos linken Antifanten hinterherlaufen? Wo, wenn nicht dort, muss jungen Bürgern in Fleisch und Blut übergehen, dass es Regeln gibt, an die man sich zu halten hat, und dass Polizei dazu da ist, einem zu helfen, und dass man sich auf der Straße nicht gegen genau diese Polizisten körperlich vergreift?
In der frühen Phase muss Vertrauen aufgebaut werden, es müssen Berührungsängste zum Rechtsstaat abgebaut und die Akzeptanz für die Vorteile von Rechtsstaatlichkeit geweckt werden. Polizisten vor Ort sagen uns ganz klar, dass sehr deutlich ist, an welchen Schulen Präventionsarbeit geschieht. Diese einzuschränken und abzubauen, Herr Ulbig, ist der völlig falsche Weg.
Nun zur Freiheit, die DIE LINKE ja so besonders hochhalten möchte. Wenn wir dieses grundsätzliche Merkmal der Demokratie erhalten wollen, müssen wir uns auch eingestehen, dass es keine totale Sicherheit vor Anschlä
gen wie in Paris oder anderswo oder auch den angekündigten in Dresden geben kann, es sei denn, wir opfern der Sicherheit die Freiheit.
Seit Jahren streiten die EU-Mitgliedsländer über die Vorratsdatenspeicherung. Besonders nach den grauenvollen Anschlägen von Paris steht dieses Thema auch bei der CDU wieder hoch im Kurs; und Herr de Maizière als Bundesinnenminister verkündet zugleich, dass Behörden unbegrenzten Zugriff auf verschlüsselte Daten der Bürger haben sollen. Die AfD ist nicht grundsätzlich gegen Datenspeicherung, aber sie ist definitiv gegen einen anlassbezogenen Regelungsaktionismus, nur um die Bevölkerung zu beruhigen. Vorratsdatenspeicherung ist generell noch kein Garant für reale und tatsächliche Sicherheit. Das wissen wir von Frankreich, wo es die zwölfmonatige Datenspeicherung bereits gibt.
Meine Damen und Herren, es ist mitnichten so, dass Sicherheit nur durch die Einschränkung der Freiheit und durch Überwachung gewährleistet werden kann. Es ist vielmehr so, dass die Grundvoraussetzung für Sicherheit nach wie vor darin besteht, genügend Personal bei unseren Behörden, also bei der Polizei, bereitzustellen. Dann erübrigen sich auch so manche Debatten über die Notwendigkeit neuer Überwachungsmethoden, und es erübrigen sich Kommentare wie jener des EVP-Abgeordneten Voss vor wenigen Tagen hier in Dresden, der uns weismachen will, dass es selbstverständlich sei, dass die Bürgerrechte zukünftig aufgrund der Terrorgefahr weiter einzuschränken seien.
Das Gegenteil ist richtig: Wir haben mit dem Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung ein Grundrecht, das für die Demokratie konstitutiv ist. Wir brauchen daher nicht mehr, sondern weniger Methoden, um unsere Bürger anlasslos zu überwachen. Was wir brauchen, Herr Ulbig, ist Personal bei der Polizei – und sehr viel mehr, als Sie bis heute versprochen haben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Staatsminister! Ich versuche mich einmal, trotz der sehr weiten Auswirkungen, auf die Regierungserklärung zu konzentrieren. Herr Staatsminister, als ich den Titel der Regierungserklärung gelesen habe, dachte ich, dass Sie uns heute nicht weniger liefern als die grundsätzliche Erklärung, welche grundsätzlichen Vorstellungen die Staatsregierung von Freiheit und Sicherheit in Sachsen hat: der allumfassende Sicherheitsbegriff der Konservativen auf der einen und die Freiheit als Urbegriff des Liberalismus auf der anderen Seite.
Nun ja, vielleicht hätte Ihre Regierungserklärung besser den Titel „Der Versuch zu erklären, was am 19. Januar in
Dresden passierte und warum ich mich mit Pegida traf“ tragen sollen; denn mehr war diese Regierungserklärung leider nicht.
Deshalb, Herr Minister, lassen Sie es mich von einer anderen Seite versuchen. Sie sagen, unsere Freiheit braucht Sicherheit. Wir GRÜNEN sagen vielmehr: Unsere Sicherheit braucht Freiheit, denn ohne Freiheit kann es keine Sicherheit geben. Das haben wir in den letzten Wochen in Dresden schmerzlich erlebt. Durch das totale Versammlungsverbot am 19. Januar in Dresden und die damit verbundene Einschränkung der Freiheit, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, ist in der Bevölkerung vor allem Unsicherheit entstanden.
Die Zweifel an der Erforderlichkeit der Maßnahme sind in den letzten Wochen nicht kleiner, sondern größer geworden. Die Bürgerinnen und Bürger können in Dresden nicht mehr sicher sein, ob sie ihre Grundrechte tatsächlich jederzeit ausüben können. Das Gefühl, das in der Bevölkerung entstanden ist, ist eine massive Hilflosigkeit: eine Hilflosigkeit und teilweise eine gefühlte Bankrotterklärung der staatlichen Behörden vor einer Bedrohungslage. Deswegen hätte ich heute mehr erwartet, Herr Minister, als dass Sie nur wiederholen, was Sie in den Medien zu den Umständen und Hintergründen bereits gesagt haben.
Eine Versammlung darf nur als Ultima Ratio zum Schutz der elementaren Rechtsgüter unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verboten werden.
Es muss eine unmittelbare und auch eine erkennbare, aus den Umständen herleitbare Gefahr für Leib und Leben vorliegen, und diese bloße Gefährdung allein braucht noch eine sehr konkrete Gefahrenprognose. Das ist uns allen klar; das ist die Rechtslage. Woran es in der momentanen Debatte und in den letzten Wochen aber mangelt, ist eine Darlegung, warum es wirklich so gekommen ist.
Das ganztägige Verbot einer Versammlung in einem Stadtgebiet aufgrund einer terroristischen Gefahr ist in der Geschichte der Bundesrepublik sicherlich ein einmaliger Vorgang. Solch ein einmaliger Vorgang erfordert, dass es dann auch eine einmalige Kommunikation gibt.
Mir ist klar, dass der Grat schmal ist. Die Polizei und Sie haben die Bevölkerung aber vor Tatsachen gestellt, deren Hintergründe bis heute nicht vollumfänglich belegbar sind. Ich mag abstrakt verstehen, dass dieser Schritt möglich, sinnvoll und vielleicht sogar notwendig gewesen ist, da es um Menschenleben ging. Es fehlt aber bis heute jedwede fundierte Untermauerung der Bedrohungslage gegenüber der Bevölkerung.
(Vereinzelt Beifall bei den GRÜNEN – Dr. Stefan Dreher, AfD: Sie haben von Polizeiarbeit keine Ahnung! – Zuruf von der SPD)
Herr Staatsminister, wenn die zugrunde liegenden Erkenntnisse offenbar von Bundesseite der Geheimhaltung unterliegen, wie Sie nochmals dargelegt haben, dann erwarte ich, dass Sie sich in Berlin dafür einsetzen, dass die Informationen so weit herabgestuft werden, dass sie preisgegeben werden können,
denn das ist ein einmaliger Vorgang in Deutschland. Auch in Berlin muss klar sein, dass man hier nicht nur mit „Vertrauen Sie auf uns, vertrauen Sie auf die Sicherheitsbehörden!“ agieren kann, insbesondere, nachdem aus Berlin kolportiert wird – wie Medienberichten zu entnehmen war –, dass man in Sachsen die Situation, ich formuliere es vorsichtig, überinterpretiert habe – in Berlin wurde gesagt: „hochgejazzt“.
Sie erwarten nicht weniger, als dass sich die Bürgerinnen und Bürger in Dresden hinsichtlich der Einschränkung eines der zentralsten Abwehrrechte gegen den Staat, wie es die Versammlungsfreiheit nun einmal ist, ausgerechnet auf die Einschätzung des Staates verlassen sollen, ob diese Einschränkung nötig war.
(Dr. Stefan Dreher, AfD: Auf die Einschätzung der GRÜNEN würde ich mich auch nicht verlassen! – Lachen der Abg. Dr. Frauke Petry, AfD)
Das ist nicht der Sinn der Grundrechtsausübung; das ist grotesk. Es läuft unserem Freiheitsverständnis zuwider. Ein Mehr an Kommunikation hätte in der Bevölkerung größeres Verständnis hervorgerufen,
insbesondere, nachdem dieser Vorfall mit jedem Tag, mit jeder Pegida-Veranstaltung und mit jeder Großdemo, die hier in Dresden unbehelligt stattfinden kann, erklärungsbedürftiger wird. Der Öffentlichkeit ist kaum erklärbar, warum die konkrete Gefahr nur am 19. Januar bestand und nur in dieser spezifischen Gefahrensituation. Zumindest ich kann das nicht erklären.
Herr Minister, das Kind ist nun in den Brunnen gefallen. Ich habe Ihrer Rede durchaus entnommen, dass auch Sie davon ausgehen, dass diese Ereignisse einmalig bleiben. Was ich aber vermisst habe, ist eine Darlegung zu der Frage, wie die Wiederholung eines vollständigen Versammlungsverbots künftig vermieden werden kann. Mit der Entscheidung zu Dresden ist ein Damm gebrochen. Jedes weitere Verbot wird sich auf einen Präzedenzfall berufen können, und dieser Präzedenzfall heißt Dresden.
Wie ich schon heute Morgen im Rahmen der Begründung des Dringlichen Antrags der Fraktion DIE LINKE sagte: Niemand kann sicher sein, dass es nächste Woche nicht ähnlich aussieht. Hier erwarte ich vonseiten der Staatsregierung mehr Klarheit. Wie kann mit entsprechenden Sicherheitskonzepten dafür gesorgt werden, dass diese Tatsache ein einmaliger Vorgang bleibt?
Herr Staatsminister, Sie haben ausgeführt, in welchem Umfang Sie mit Pegida und dessen Organisatoren gesprochen haben. Sie haben dargestellt, dass Sie sich mit ihnen im Wesentlichen über Sicherheit unterhalten haben. Ich halte dieses Gespräch für ein fatales Signal in Richtung Öffentlichkeit.
Zum einen: Was Sie getan haben, halte ich für eine originäre Aufgabe der Versammlungsbehörde, die in letzter Zeit sicherlich häufig in Kontakt mit Pegida stand. Sie haben in diesem Zusammenhang auch erwähnt, dass Sie sich als Versammlungsminister sehen. Das mag zwar richtig sein; ich finde die Konnotation trotzdem schwierig. Die Sachsen brauchen keinen Minister, um sich zu versammeln, und vor allem keinen, der Demonstrationen als Selbstzweck bezeichnet.
Zum Zweiten: In einer Regierungserklärung sprechen Sie von Sicherheit und Freiheit. Sie verlieren leider nur äußerst wenige Worte dazu, wie Sie jene Menschen schützen wollen, die sich von Demonstrationen der Organisatoren, mit denen Sie sich da getroffen haben, bedroht fühlen. Diese Menschen haben in Dresden, in Sachsen zunehmend Angst. Das ist ein fatales Signal: Mit den einen treffen Sie sich, mit den anderen jedoch offensichtlich nicht.