Protokoll der Sitzung vom 27.09.2017

Das gilt vor allem im Raum Chemnitz/Südwestsachsen. Während in drei der vier sächsischen Planungsregionen die Regionalpläne gerichtlich bestätigt worden sind,

haben dort die Planungen einer gerichtlichen Überprüfung nicht standgehalten. Das macht die Schwierigkeit aus. Wenn ein Antragsteller dort eine Windkraftanlage bauen will, kann die Landesdirektion Sachsen nach gründlicher Einzelfallprüfung dies zwar befristet untersagen, aber nur dann, wenn sich ein Raumordnungsplan erst in Aufstellung befindet und wenn zu befürchten ist, dass die Planung die Verwirklichung der vorgesehenen Ziele der Raumordnung unmöglich machen oder wesentlich erschweren würde. Sie kann das Bauvorhaben unter Umständen aber eben auch zulassen.

Drittens. Es ist mir an dieser Stelle prinzipiell ganz wichtig zu betonen, dass Windenergieanlagen generell nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz genehmigt werden. Sie sind also in der Zuständigkeit der Immissionsschutzbehörden. Bei der Entscheidung über diese Genehmigung, die freilich auch die Einhaltung der Vorschriften des Baugesetzbuches umfasst, gibt es keinen Ermessensspielraum. Das bedeutet, ein Antragsteller hat, sofern die Genehmigungsvoraussetzungen vorliegen, die ich gerade alle angesprochen habe, einen Anspruch auf Genehmigung.

Für einen generellen Genehmigungsstopp – das ist das, was ich jetzt deutlich zu diesem Antrag sage – durch die Sächsische Staatsregierung gibt es allein deshalb schlicht keine Rechtsgrundlage. Vor diesem Hintergrund, meine sehr verehrten Damen und Herren, empfiehlt die Staatsregierung, den vorliegenden Antrag abzulehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Das Schlusswort hat die AfD. Herr Wild, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Minister! Ich habe zwar jetzt drei Minuten Schlusswort und könnte jetzt noch einmal von vorn anfangen oder könnte noch irgendetwas Neues dazu sagen.

(Christian Piwarz, CDU: Es ist Ihre Freiheit!)

Das ist meine Freiheit, aber ich befürchte, das wird hier in diesem Hohen Hause an diesem heutigen Tag auf keinen fruchtbaren Boden fallen.

Ich würde mich zwar sehr, sehr freuen, wenn Sie unserem Antrag zustimmen, ich gehe aber nach den Redebeiträgen davon aus, dass das nicht geschehen wird.

(Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU: Gut zugehört!)

Wir haben das Thema Windkraft schon mehrmals auf der Agenda gehabt.

(Zuruf des Abg. Patrick Schreiber, CDU)

Ich gebe Ihnen mit meinem Schlusswort ein Versprechen: Es wird bei uns auf der Agenda bleiben. Wir werden es

spätestens in zwei Jahren sehen, wenn wieder Landtagswahlen sind. Der Wähler entscheidet dann, ob er auf diesem Weg, den Sie hier gehen, weitergehen will oder ob er das nicht will.

Danke schön.

(Beifall bei der AfD – Patrick Schreiber, CDU: Sie sind doch schon zurückgetreten!)

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung. Ich stelle die Drucksache 6/10715 zur Abstimmung. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Keine Stimmenthaltungen, wenige Stimmen dafür. Damit ist der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt worden. Ich schließe den Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 11

Keine Abschiebungen nach Afghanistan

Drucksache 6/10623, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,

mit Stellungnahme der Staatsregierung

Hierzu können die Fraktionen wieder Stellung nehmen. Es beginnt die einreichende Fraktion, Frau Abg. Zais von der Fraktion GRÜNE. Danach folgen die CDU, DIE LINKE, SPD, AfD und die Staatsregierung, wenn Sie es wünscht. Bitte, Frau Zais.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Antrag fordern wir, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag, dass aktuell aus Sachsen keine Abschiebungen nach Afghanistan mehr vollzogen werden. Sachsen soll sich auch weiterhin nicht an den Sammelabschiebungen beteiligen, denn Afghanistan ist unsicherer denn je.

Mehr als zwölf Jahre, wenn wir in die Geschichte blicken, wurden Abschiebungen von Geflüchteten nach Afghanistan aus gutem Grund nicht vollzogen. Erst das Rückübernahmeabkommen zwischen der deutschen und der afghanischen Regierung sorgte für die Aufgabe dieser Praxis.

Im Dezember 2016 erfolgte die erste Sammelabschiebung, die letzte am 12. September 2017. Im Gegenzug erhält die afghanische Regierung im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit mehr Geld aus Deutschland. Bei der letzten Abschiebung am 12. September wurden acht Afghanen per Flugzeug abgeschoben. Begleitet wurde diese Abschiebung von 40 Bundespolizistinnen und -polizisten. Die Gesamtkosten für diese Abschiebung beliefen sich auf circa 300 000 Euro.

Entgegen aller kritischen Stimmen des UNHCR und anderer humanitärer Organisationen stellte sich die Bundesregierung hinter den Satz des damaligen Innenministers Thomas de Maizière von den sogenannten sicheren Regionen in Afghanistan und erklärte ihn zum Grundsatz, der nicht mehr bewiesen werden muss. Was nach Newton für das Trägheitsprinzip in der Physik gilt, ist jedoch nicht tauglich für das reale Leben.

Nach der Einschätzung des UNHCR ist ein „pauschalierender Ansatz, der bestimmte Regionen in Afghanistan hinsichtlich der Gefahr von Menschenrechtsverletzungen,

wie sie für den Flüchtlingsschutz oder den subsidiären Schutz relevant sind, als sichere und zumutbare interne Schutzalternative ansieht, vor dem Hintergrund der aktuellen Situation in Afghanistan nicht möglich.“ Zwar hat sich die wirtschaftliche Lage in Afghanistan in den letzten Jahren tatsächlich verbessert, jedoch hat sich die Sicherheitslage im gleichen Zeitraum dramatisch verschlechtert.

Der Sachverständigenrat Deutscher Stiftungen für Integration und Migration hat in seinem im Frühjahr dieses Jahres herausgegebenen Jahresgutachten 2017 darauf verwiesen, dass der Staat Afghanistan im Gefährdungsindex – dieser Gefährdungsindex beschreibt das Risiko des Staatszerfalls – den gleichen Punktwert wie Syrien erreicht. Mit 2,7 Millionen Flüchtlingen ist Afghanistan nach Syrien das Land mit den zweitmeisten internationalen Flüchtlingen weltweit. Mit 12 262 Erstanträgen im Zeitraum von Januar bis August 2017 liegt laut dem Geschäftsbericht des BAMF Afghanistan nach Syrien und dem Irak mittlerweile auf Platz 3 der stärksten Herkunftsländer.

Die größte Zahl von Abschiebeverboten gemäß § 60, insbesondere Absätze 5 und 7, des Aufenthaltsgesetzes wurde aktuell bei Antragstellern aus Afghanistan festgestellt, und zwar für 20 258 Menschen.

Bei dem verheerenden Anschlag in Kabul im Mai dieses Jahres wurden große Teile der deutschen Botschaft zerstört, 160 Menschen getötet und über 450 Menschen verletzt. Das Botschaftspersonal wurde abgezogen, und der deutsche Botschafter musste Unterschlupf in der zur Festung ausgebauten US-Vertretung nehmen.

Als politische Reaktion aus Deutschland auf diesen Angriff wurde ein neuer Lagebericht in Auftrag gegeben und die Aussetzung der Abschiebung nach Afghanistan vereinbart. Richtig fanden wir das. Dass die Sicherheitslage in Afghanistan dramatisch ist, räumte im Grunde auch die Bundesregierung auf Nachfrage von Luise Amtsberg, Mitglied der Bundestagsfraktion der GRÜNEN, indirekt ein. Die Antwort des Bundesministeriums

des Innern zur Gefährdung begleitender Bundespolizisten in Kabul zeigt die verheerende, schlechte Sicherheitslage vor Ort.

Nur wenn man den Flughafen nicht verlässt, nicht übernachten muss und sofort zurückfliegen kann, ist es nicht gefährlich, in Afghanistan zu sein. Auch für abgeschobene Afghanen stellt sich spätestens nach Verlassen des Flughafens Kabul die Frage, wie sie ohne Gefahr für Leib und Leben an andere Orte in Kabul bzw. im Land gelangen sollen.

Nach unserer Auffassung ist damit klar: Afghanistan ist kein sicheres Land und verfügt auch nicht über einzeln auszumachende sichere Regionen. In 27 von 34 Provinzen ist mit Angriffen – vor allem der Taliban – gegen die afghanische Regierung zu rechnen. Auch Zivilistinnen und Zivilisten sind dadurch bedroht. Es besteht für zwangsweise Zurückgeführte eine Gefahr für Leib, Leben und Gesundheit. Eine Rückkehr ist daher in der Abwägung aus unserer Perspektive nicht zumutbar und damit auch bereits unter dem Gesichtspunkt des Schutzes des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit aus Artikel 2 des Grundgesetzes rechtlich nicht zu vertreten.

Somit sind – das ist auch der Inhalt unseres Antrags – Abschiebungen nach Afghanistan nicht auszuführen.

Dass die Fachministerinnen und Fachminister auf der 206. Sitzung der Innenministerkonferenz beschlossen haben, im Einzelfall Straftäterinnen und Straftäter, sogenannte Gefährder und Menschen, die sich nachhaltig und schuldhaft den Mitwirkungspflichten am eigenen Asylverfahren entziehen, wieder abzuschieben, lehnen wir aus den Gründen ab, die sich auch im Gesamtkontext des Antrags wiederfinden.

Der angekündigte Lagebericht liegt noch nicht vor. Der Zwischenbericht ist als Verschlusssache des Bundesministeriums des Innern eingestuft. Wie Sie der Stellungnahme der Staatsregierung entnehmen konnten, möchte sich der Innenminister jetzt beim BMI dafür einsetzen, dass wir gegebenenfalls diesen Bericht als Verschlusssache bekommen, er ist also nicht transparent. Es fehlt an Transparenz. Parlamentarische Kontrollmöglichkeiten sind nach unserer Auffassung nicht gegeben.

Es kann darüber hinaus nicht sein, dass deutsche Gerichte ihre Entscheidung über die Rechtmäßigkeit von Abschiebungen nach Afghanistan aktuell darauf gründen, was in dem Zwischenbericht steht, ohne dass die Inhalte auch nur im Entferntesten bekannt gemacht worden sind. Die Klärung der Frage, nach welchen überprüfbaren Kriterien eine Einstufung als Gefährder erfolgt und welche rechtlichen Konsequenzen daraus resultieren, ist nach wie vor offen. Ausweichende Antworten auf entsprechende Anfragen sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel und damit haben viele der Kolleginnen und Kollegen, die heute anwesend sind, ihre Erfahrung gemacht.

Auch wenn es im Moment nicht dem Mainstream entspricht: Wir machen keinen Unterschied zwischen Menschen, die Straftaten begangen haben, denjenigen, die bei

der Feststellung ihrer Identität nicht mitwirken und denjenigen, die als Gefährder eingestuft werden; denn die Lage in Afghanistan ist für alle gleichermaßen gefährlich.

(Beifall der Abg. Juliane Nagel, DIE LINKE)

Wir folgen dem menschenrechtsbasierten Grundsatz, dass es keine Menschen erster und zweiter Klasse gibt. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit ist nicht teilbar. Unsere rechtsstaatliche Ordnung gebietet es zudem, Straftäter einem fairen Verfahren zuzuführen und die Strafen auch entsprechend verbüßen zu lassen.

Darüber hinaus wird nicht klar, wie viele der sogenannten Gefährder tatsächlich ins Ausland abgeschoben werden können. Wir gehen davon aus, dass es in Sachsen nicht einen einzigen Gefährder gibt, der aus dem Freistaat nach Afghanistan abgeschoben werden könnte.

Unser Antrag – auch das möchte ich hier an dieser Stelle sagen, verehrte Kolleginnen und Kollegen – steht auch für die Kritik an der Abschiebepolitik des Freistaates Sachsen, die seit Jahren – zumindest in der Zeit, in der ich hier in diesem sächsischen Parlament bin – dem Ruf der Straße folgt. Unsäglich erscheint in diesem Kontext, dass Sie, Herr Staatsminister Ulbig, eine Woche vor der Wahl hier den starken Max markieren und öffentlichkeitswirksam eine Familie abschieben wollen. Damit haben Sie sich noch weniger Freunde gemacht, als Sie wahrscheinlich ohnehin nur hatten. Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite der Medaille ist, dass Sie damit das Geschäft derer betreiben, deren Politikansatz die Angst der Menschen ist. Zudem bleibt festzustellen, dass der Lohn für einen solchen Ansatz ausgeblieben ist.

Wir setzen uns mit unserem Antrag dafür ein, dass Sicherheit und Menschenwürde wieder die Oberhand gewinnen und dass staatliches Handeln nicht von Willkür bestimmt wird. Unstrittig ist aus unserer Perspektive, dass bei ernst zu nehmenden Hinweisen Personen, die womöglich kurz davor stehen, schwere Straftaten zu begehen, mit den zulässigen rechtsstaatlichen Mitteln observiert bzw. an der Ausführung der Straftaten gehindert werden; aber dieses Handeln muss auf rechtsstaatlicher Grundlage erfolgen.

Wir bitten Sie, unserem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)