Das heißt, schon aufgrund der Befassung der Gerichte war deutlich, dass eine Auslegung des Rechts nicht dazu führen wird, dass man dieser Ungerechtigkeit begegnen kann, sondern dass am Gesetz grundsätzlich etwas geändert werden muss. Das wird hiermit getan.
Hinzu kommt noch die Verlängerung der Frist, die, sagen wir, auch den praktischen Herausforderungen Rechnung trägt, um auch zukünftig eingehenden Anträgen noch abhelfen zu können. Dies führt vor allem dazu, dass diejenigen, die unter der bisher geltenden Rechtslage nicht zum Zuge gekommen sind, ihren Antrag nochmals stellen können und dann noch in den Genuss dieser Entschädigung kommen können.
Herr Staatsminister! Hat die Staatsregierung Kenntnisse, weshalb der vom Bundesrat beschlossene Gesetzentwurf durch den Bundestag nicht behandelt und beschlossen worden ist? Aus welchen Gründen? Das ist ja angreifbar.
Es ist so, dass die Bundesregierung diesen Antrag dem Bundestag zugeleitet hat und wohl ihrerseits noch Beratungsbedarf hatte. Deswegen ist es wohl zu keiner abschließenden Behandlung im Bundestag gekommen. Das ist die mir vorliegende Information. Worin die inhaltliche Auseinandersetzung bestand, kann ich an dieser Stelle nicht beantworten.
Zunächst vielen Dank für das Engagement des Freistaates in dieser Sache. Meine Frage wäre folgende: Sie haben selbst ausgeführt, dass es sich um eine überschaubare Gruppe handelt, das heißt, es werden künftig nicht mehr Menschen, sondern die Menschen sind bereits vorhanden und sie stellen ihre Anträge entweder zeitverzögert, weil ihre persönliche Aufarbeitung länger dauert, oder jetzt schon zum zweiten Mal. Es gibt ja Fristen für diese Anträge. Sind diese Fristen dringend notwendig? Oder wäre es auch eine Option, diese Fristen komplett wegfallen zu lassen? Was ist da zu befürchten? Was spricht inhaltlich oder formaljuristisch dagegen?
Vielen Dank für die Frage. Zunächst ist jetzt beabsichtigt, diese Antragsfrist noch einmal um zehn Jahre zu verlängern. Ich glaube, diese Frist ist erst einmal sehr großzügig bemessen, um wirklich all diejenigen zum Zug kommen zu lassen, die gegebenenfalls einen Anspruch auf diese
Entschädigung haben. Sollte sich das im Laufe der Zeit herausstellen, könnte man auf der einen Seite diese Frist sicherlich verlängern, wenn es dafür einen weiteren Bedarf gibt. Auf der anderen Seite muss aber eines Tages auch ein gewisser Rechtsfrieden hergestellt sein, das heißt, wenn es dafür keine Notwendigkeit mehr gibt, muss dann eine solche Entschädigung auch abgeschlossen sein.
Herr Staatsminister, eine Frage: Personen, die einen Antrag gestellt haben, der abgelehnt worden ist, haben jetzt die Möglichkeit, erneut einen Antrag zu stellen. Kann man nicht dafür sorgen, dass die Altanträge noch einmal neu bewertet werden, sodass eine Neuantragstellung zum Wohle derer, die betroffen waren, vermieden werden kann?
Grundsätzlich ist es so, dass ein neuer Antrag gestellt werden müsste. Ich glaube, das ist auch nachvollziehbar, weil diese Antragstellung möglicherweise schon viele Jahre in der Vergangenheit liegt, sodass es für eine Behörde gar nicht nachvollziehbar ist, wer von den Betroffenen – es sind zum Teil sehr alte Leute – überhaupt noch lebt und wer möglicherweise für sich selbst davon Abstand nehmen möchte. Ich glaube, hier muss es jedem Einzelnen auch überlassen sein, diese Entscheidung für sich zu treffen. Deswegen ist es nicht nur unter diesen verwaltungstechnischen Aspekten, sondern auch unter den ganz persönlichen Aspekten wichtig, dass es zu einer neuen Antragstellung kommen sollte und kommen kann. Wichtig wäre, dass das entsprechend bekannt gemacht wird. Ich glaube, das wäre vielleicht noch ein wichtiger Punkt; aber das ist eine Frage der Kommunikation. Ansonsten meine ich, dass dies über einen Neuantrag laufen muss.
Herr Staatsminister, vielen Dank für Ihre Einführung. Unabhängig vom Thema Beweislastumkehr ist ja der Zugang zu den Akten für viele Betroffene schon deshalb wichtig, um die eigene Biografie besser verstehen und aufarbeiten zu können. Nun ist gerade im Bereich Jugendhilfe und Heimerziehung dieser Zugang nicht ganz so einfach. Die Akten liegen da sehr verstreut bei den Landkreisen, in den Jugendämtern und in den Kreisarchiven, teilweise auch im Sächsischen Staatsarchiv. Gibt es hier Überlegungen und Bemühungen, den Zugang zu erleichtern, zu vereinheitlichen und zu vereinfachen – vielleicht auch durch Einrichtung eines zentralen Archivs, wo die Akten von DDR-Heimkindern zugänglich gemacht werden?
Es gibt dazu in dem Ressort, das ich verantworte, keine Überlegungen. Dies würde wahrscheinlich nicht nur wegen der dispers vorhandenen Bestände zu Schwierigkeiten bei der Antragstellung führen, sondern schlichtweg auch auf
grund der Tatsache, dass die Akten zum großen Teil überhaupt nicht mehr vorhanden sind. Sie sind bereits vernichtet worden, möglicherweise bereits nach Ablauf bestimmter Fristen. Während also Ihr Vorschlag vielleicht eine interessante Idee wäre, um überhaupt die Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie zu ermöglichen, sehe ich das für einen solchen Antrag als nicht notwendige Voraussetzung, weil wir gerade diese Beweislast erleichtern wollen. Wir wollen nicht als Anforderung an die Betroffenen in den Raum stellen, dass sie das zunächst erst alles durchgeackert haben und diese Unterlagen selbst beibringen müssen, sondern es wird hier zunächst vermutet, dass diese Unterbringung im Zusammenhang mit politischer Verfolgung der Eltern stand und diese Betroffenen daher ziemlich einfach in den Genuss der entsprechenden Entschädigung kommen können.
Damit ist die erste Runde abgeschlossen. Wir nehmen jetzt das zweite Thema hinzu: „Reaktionen der Justiz auf Beeinträchtigung ihrer Dienststellen und deren Bedienstete durch sogenannte Selbstverwalter und Reichsbürger“. Damit eröffne ich die zweite Runde. Wer möchte für die CDUFraktion die Frage stellen? – Herr von Breitenbuch, bitte.
Ich habe noch eine Frage zu dem ersten Thema. Dabei geht es auch um Geld, und zwar: Wie können wir uns das von Sachsen aus leisten und wie wird im Einzelfall der Ermessensspielraum ausfallen? Wie geht man an das Thema heran? Welche Entschädigung, welche Rehabilitierungsleistung ist jetzt angemessen? Das hätte ich gern noch einmal präzisiert.
Prinzipiell ist es so, dass die Kosten, die hier im Raum stehen, von den Mitteln, die hier zur Verfügung stehen, im laufenden Haushalt abgedeckt werden könnten. Darüber hinaus wäre es dann bei der Mittelfristigen Finanzplanung mit eingestellt. Ich gehe davon aus, dass das nicht die größte Herausforderung sein sollte.
Die Bemessung der Opferrente selbst besteht aus zwei Komponenten – zum einen aus der Kapitalentschädigung selbst und zum anderen aus der Opferrente, deren Höhe sich an den wirtschaftlichen Verhältnissen, also an den Einkommensverhältnissen der Betroffenen, bemisst.
Diejenigen, die bei uns in Sachsen in den Genuss dieser Opferrente kommen, sind zum überwiegenden Teil Rentner – das sind weit über 90 %. Deshalb wird dieser Höchstbetrag von 300 Euro, die maximal zur Verfügung stehen, regelmäßig ausgeschüttet werden. Im Übrigen bemisst sich am Einkommen der Betroffenen, wie hoch die Opferrente letztendlich ausfällt. Ich glaube, das geht bis zu einem Einkommen von 100 000 oder 200 000 Euro, ab dem dann diese Opferrente nicht mehr durchschlägt. Ansonsten wird sie mit Sozialleistungen oder Altersrente nicht verrechnet, mit Einkommen jedoch schon.
Herr Staatsminister, ich habe auch noch eine Frage zur Heimkinderproblematik: Sieht der Gesetzesansatz vor, dass die Antragstellerin bzw. der Antragsteller, um die Beweislast in Anspruch nehmen zu können, belegen muss, dass die Eltern selbst politisch rehabilitiert worden sind? Oder reicht es aus zu belegen, dass sie politisch verfolgt und inhaftiert wurden? Oder müssen sie auch rehabilitiert sein?
Frau Präsidentin! Herr Staatsminister! Wir hätten jetzt keine Fragen mehr zu dem ersten Fragekomplex, sondern kämen jetzt zu dem Fragenkomplex „Reichsbürger“.
Herr Staatsminister, im Zusammenhang mit dem Phänomen der sogenannten Reichsbürger gibt es vor allen Dingen zwei sogenannte Schwerpunktkomplexe, die, so glaube ich, für die Bediensteten der Staatsregierung von besonderer Bedeutung und Brisanz sind: Das betrifft zum einen die besondere Gefährdung von Gerichtsvollziehern, die bei der Ausübung ihrer Tätigkeit tätlich bedroht worden sind. Hier würde mich interessieren, wie die Staatsregierung damit umgeht und wie die Gerichtsvollzieher geschützt werden.
Zum anderen betrifft das die sogenannte Malta-Masche. Das ist die Nutzung eines maltesischen Inkassobüros, offensichtlich unter Ausnutzung der dortigen Rechtsverhältnisse, um Titel gegen sächsische Bedienstete zu erwirken und diese dann hier tatsächlich vollstrecken zu lassen, was offensichtlich viele Bedienstete in Bedrängnis gebracht hat. Mich würde interessieren, was das Staatsministerium in diesem Zusammenhang zum Schutz der Bediensteten unternommen hat.
Zum ersten Bereich, den Gerichtsvollziehern: Es ist tatsächlich so, dass gerade die Gerichtsvollzieher sehr häufig mit sogenannten Selbstverwaltern und Reichsbürgern bei der Ausübung ihres Dienstes zu tun haben. Das reicht von Beleidigungen und Bedrohungen bis hin zu körperlichen Angriffen – also im Prinzip das ganze Spektrum der Straftaten, die sich gegen Personen richten können, ist dort vertreten. Deswegen ist schon vor mehr als einem Jahr die Möglichkeit geschaffen worden, dass die Gerichtsvollzieher, wenn sie den Eindruck haben, dass sie es mit einer Person zu tun bekommen, die in diesem Reichsbürger-Milieu angesiedelt ist und die möglicherweise
auch aggressiv oder gefährlich ist, vorher bei der Polizei abfragen können, ob Vorstrafen im Raum stehen, um was für eine Person es sich handelt, um dann gegebenenfalls zu diesem Termin Polizisten mitnehmen zu können, die dann für ihren entsprechenden Schutz sorgen.
Im Übrigen hatten wir in der Region Meißen vor geraumer Zeit einen sehr dramatischen Vorfall, wo ein Gerichtsvollzieher von vielen Personen eines sogenannten Polizeihilfswerks bedroht, bedrängt und angegriffen worden ist. Ich glaube, die Gefährlichkeitsabfrage ist eine Möglichkeit für die Gerichtsvollzieher, bis zu einem gewissen Grad das Risiko einzuschätzen, dem sie dann am Ende begegnen.
Weiter haben wir die Möglichkeit eröffnet, dass die Gerichtsvollzieher Räumlichkeiten der Gerichte für bestimmte Termine nutzen können, die auswärts durchgeführt werden können, wenn klar ist, dass es sich um eine Person handelt, die aggressiv ist. Die Gerichtsvollzieher werden geschult. Sie haben auf der anderen Seite die Möglichkeit, aus der Kostenpauschale, die ihnen zur Verfügung steht – davon machen sie auch Gebrauch –, sich entsprechend Körperschutzausrüstung zuzulegen, was sicherlich der eine oder andere auch macht. Man muss tatsächlich sagen, Gerichtsvollzieher sind in einer Gesellschaft, in der die Sitten verrohen – wie wir alle miteinander schon in der letzten Debatte festgestellt haben – in besonderem Maße von diesen Auswirkungen betroffen.
Ein zweiter Fragenkomplex bezog sich auf die sogenannte Malta-Masche. Vielleicht skizziere ich einfach kurz, wie die Malta-Masche ungefähr funktioniert. Es ist so, dass unberechtigte Forderungen – üblicherweise in exorbitanten Größenordnungen, dabei geht es um 10, 20, 30 oder mehr als 100 Millionen Euro – in Forderungsregister in den USA eingetragen werden. In diese Register kann man einfach eintragen, ohne diesen Anspruch nachweisen zu müssen. Diese Forderungen werden dann wiederum mittels einer Firma, die in diesem Fall in Malta saß, einer Inkassofirma, quasi beigetrieben. Dann werden entsprechende Forderungen an Bedienstete – in diesem Fall in der sächsischen Justiz – zugestellt, was natürlich zu einer riesengroßen Verunsicherung der Bediensteten führt. Man sieht sich auf einmal – offensichtlich hochoffiziell – einer riesengroßen Forderung gegenüber, einer Forderung, die man nie bedienen kann. Man weiß natürlich im ersten Moment auch nicht, wie man damit umgehen soll. Es ist hoch kompliziert, man hat Auslandsbezug. Während vielleicht der erste Gedanke wäre, sich einen Anwalt zu nehmen, folgt dann wahrscheinlich der Gedanke, dass man sich so etwas nicht leisten kann.
Deswegen haben wir hier frühzeitig Maßnahmen ergriffen. Wir haben zunächst im Intranet bei uns für die Bediensteten eine Vorgehensweise im Zusammenhang mit diesen Konfrontationen skizziert. Jeder Bedienstete kann sich anschauen, was es damit auf sich hat, damit zunächst die erste Angst genommen wird. Darüber hinaus haben wir durch Gespräche mit dem Bundesjustizministerium
und dem Auswärtigen Amt erreicht, dass, wenn solche unberechtigten Forderungen eingetragen wurden, diese, sobald wir davon Kenntnis erlangen, direkt in den USA gelöscht werden können. Das ist der Ansatz an der Ursache dieses Problems.
Wenn wir noch einmal an die Auswirkungen herangehen, dann sehen wir, dass aktuell Strafverfahren gegen die Personen durchgeführt werden, die diese Masche angewendet haben. Es sind Strafverfahren wegen Nötigung, die momentan laufen. Es gab auch schon eine Verurteilung zu einigen Monaten Haft, allerdings auf Bewährung. Weitere Verfahren stehen noch an.
Das heißt, das Problem wird an der Wurzel angepackt, und wir werden auch künftig einem solchen Verhalten Sanktionen folgen lassen. Denn ich glaube, es sind ganz wichtige Signale nach außen, wenn jemand, der sich solcher Methoden bedient, damit nicht durchkommen kann. Das sind wir nicht nur unserer Gesellschaft, sondern auch dem Frieden in unserer Gesellschaft schuldig, aber letztlich auch den Bediensteten, die durch diese Vorgehensweisen hoch verunsichert sind.
Herr Staatsminister, noch eine Frage zur ersten Thematik. Es ist so, dass in der Zeit von 1949 bis 1990 etwa 500 000 Kinder und Jugendliche in Heimen untergebracht waren. Lediglich 6 bis 7 % derer haben überhaupt Anträge gestellt. Können Sie darlegen, woran das liegt? Gibt es Erhebungen, die eine Aussage treffen, warum so wenig Anträge gestellt werden?
Das ist an dieser Stelle schwer zu beantworten. Es ist, glaube ich, eine höchst persönliche Frage, die sich jeder der Betroffenen selber beantworten muss, warum er möglicherweise nicht den Antrag stellt. Ob diese Personen überhaupt noch leben, ist die andere Frage.
Ich habe jetzt deswegen geblättert, weil ich einmal schauen wollte, über welche Zahl wir hier insgesamt sprechen. Ich habe es nicht genau gefunden.
Ich würde es für Sachsen noch einmal benennen wollen. Wir haben in Sachsen um die 700 Betroffene, die solche Anträge gestellt haben. Wenn Sie es genau wissen wollen, würde ich es später noch einmal konkretisieren. Aber das ist etwa die Größenordnung, von der ein Großteil auf den Höchstbetrag bei der Opferrente kommt. Was die einzelne Motivation ist, kann ich Ihnen nicht erklären. Dazu gibt es jedenfalls unsererseits auch keine Erhebungen.
Herr Staatsminister, Sie haben sehr deutlich ausgeführt, warum die Fristverlängerung über das Jahr 2019 hinaus so wichtig ist. Deshalb haben Sie auch diese Initiative unternommen.
Kurze Frage und bitte kurze Antwort: Beabsichtigen Sie, eine solche Initiative zur Verlängerung über das Jahr 2019 hinaus auch im Hinblick auf die SED-Unrechtsbereinigungsgesetze anzustreben?
Eine konkrete Planung dazu ist bei uns nicht vorhanden. Aber ich würde das zum Anlass nehmen, einmal zu schauen, ob dies ein Punkt wäre, an dem man nachsteuern muss und nachsteuern kann. Insofern vielen Dank für die Anregung.
Ich wechsele zu dem Thema Reichsbürger, hochinteressant, vor allem auch für uns Juristen; denn diese gibt es ja schon länger, aber sie werden immer aggressiver.