Protokoll der Sitzung vom 15.11.2017

(Beifall bei der AfD)

Das war Herr Urban für die AfD-Fraktion. Nun kommt Herr Kollege Zschocke für die GRÜNEN.

(Interne Wortwechsel zwischen Christian Piwarz, CDU, und Carsten Hütter, AfD)

Vielen Dank. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im vorliegenden Antrag geht es um die Regierungsfähigkeit der Staatsregierung. Möglicherweise zielt der Antrag darauf ab, eine Regierungsunfähigkeit dieser Staatsregierung anzuklagen.

Vielleicht geht es auch darum, zu offenbaren, dass der amtierende Ministerpräsident zur Bewältigung vieler sächsischer Problemlagen weder Konzept noch Maßnahmen hat. Aber sicher geht es im vorliegenden Antrag nicht um die Lösung der drängendsten Probleme in Sachsen,

(Beifall bei den GRÜNEN)

sonst würde der Antragsteller nicht Lösungen von demjenigen fordern, der keine überzeugenden Vorschläge für Sachsens Zukunft mehr vorlegen konnte.

(Beifall bei den GRÜNEN – Christian Piwarz, CDU: Hör genau hin, Rico, der Mann ist besser als du! – Gegenruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE – Heiterkeit)

Was auch immer Ziel dieses Antrags ist, Kollege Piwarz: Er ermöglicht eine Auseinandersetzung über den Ausgang der Bundestagswahl in Sachsen und welche Wirkungen dieser auf die künftige Regierbarkeit des Freistaates hat.

(Carsten Hütter, AfD: Hört, hört!)

Für die sächsische CDU war die Wahl ein Debakel. Mit ihrem lange vor der Wahl eingeschlagenen Kurs hat sie viele Wählerinnen und Wähler den Rechtspopulisten regelrecht in die Arme getrieben, statt der völkischen Stimmungsmache im Land den Nährboden zu entziehen.

(Carsten Hütter, AfD: Da war ja alles drin in dem Satz!)

Die im Antrag geforderte Regierungserklärung müsste – und wird sicher auch – der neue Ministerpräsident oder die neue Ministerpräsidentin abgeben. Nun ist ja für dieses Amt momentan jemand vorgeschlagen, der die gescheiterte Strategie der sächsischen CDU maßgeblich mitzuverantworten hat. Ich frage ernsthaft, ob hier ein Umdenken erfolgen wird oder sich der Anschein bewahrheitet, dass mit der politischen Ausrichtung der Union die Anschlussfähigkeit zu rechtspopulistischen Parteien und Milieus in Sachsen vorbereitet werden soll; denn nicht umsonst unterstützt zum Beispiel Kollege Kupfer auch nach der Wahl die Vorbehalte gegenüber Multikulti, Moscheen oder dem Islam. Nicht umsonst wird bei den Dresdner Christdemokraten jetzt öffentlich über eine mögliche Zusammenarbeit mit der AfD nachgedacht, um Rot-Rot-Grün im Stadtrat zu beenden. Nicht umsonst übernimmt Michael Kretschmer die AfD-Parolen zum Familiennachzug fast eins zu eins, wie zuletzt bei seinem Auftritt in der Erzgebirgs-CDU.

(André Wendt, AfD: Da haben wir es: Die kopieren!)

Meine Damen und Herren! Wird dieser Weg fortgesetzt, sprechen wir in Sachsen bald nicht mehr über Regierungsfähigkeit oder Regierungsunfähigkeit, sondern über die Regierbarkeit des Landes. Der im Antrag vorgeschlagene Ausbau einer starken Demokratie statt eines starken Staates, Kollege Gebhardt, ist ja der richtige Ansatz, nur: Was, bitte schön, erwartet die Linksfraktion hier ausgerechnet von Stanislaw Tillich?

Wir werden den Antrag der LINKEN jetzt nicht ablehnen. Wenn die größte Oppositionsfraktion im Haus eine, ich will einmal sagen, letzte Regierungserklärung vom scheidenden Ministerpräsident haben möchte, die er gar

nicht abgeben kann, und dies als zielführend erachtet, werden wir uns dem nicht entgegenstellen. Bitte schön! Wir können allerdings überhaupt keinen Mehrwert einer solchen Erklärung erkennen. Einen Beitrag zur Problemlösung erwarten wir von Stanislaw Tillich nicht mehr.

Wir GRÜNEN haben ein Verständnis von Opposition, zu dem das Vorliegen eigener, konkreter Lösungen gehört. Es genügt uns nicht, einen Katalog dringender Probleme aufzuschreiben. Wir wollen diese konkret angehen, schnell und haushaltswirksam. Der schnellstmögliche Anfang, einen Großteil der im Antrag der LINKEN aufgelisteten Probleme zu lösen, ist die zusätzliche Bereitstellung von Haushaltsmitteln noch im Jahr 2018. Dazu legen wir Ihnen im übernächsten Tagesordnungspunkt einen konkreten und durchgerechneten Vorschlag vor.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das war Herr Zschocke für die GRÜNEN. Nun ergreift die Abg. Frau Dr. Petry das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Grundsätzlich ist eine Regierungserklärung zum Ende der Amtszeit nichts zu Kritisierendes. DIE LINKE liegt also mit ihrem Antrag nicht so falsch. Es ging zwar nicht um die Regierungsfähigkeit als solche, wohl aber um wichtige und überfällige Entscheidungen für den Freistaat und für die Sachsen.

Der Stil allerdings, mit dem DIE LINKE diesen Antrag eingebracht hat, einige der Forderungen, die sie aufstellt, indem sie einen funktionierenden Staat mit einem Obrigkeitsstaat verwechselt – wobei sie offenbar noch nicht verstanden hat, dass am Ende die Funktionsfähigkeit demokratischer Organe durch Kooperation allein nicht gewährleistet werden kann –, spricht Bände über ihre Anschlussfähigkeit an Realpolitik, Herr Gebhardt.

Der Ministerpräsident hat mit seinem angekündigten Rückzug einen konsequenten und sehr respektablen Schritt vollzogen. Allerdings hat er mit seiner Nachfolgeregelung im kleinen Kreis noch keinen Weg vorgezeichnet, wie die festgestellten Fehler und Fehlentwicklungen praktisch zu korrigieren wären, und auch sein designierter Nachfolger ist Antworten darauf bisher schuldig geblieben. Nun gut, er muss ja auch erst einmal gewählt werden.

Die Antworten liegen übrigens nicht in einem Ruck der CDU in irgendeine Richtung. Die Probleme haben nichts mit links oder rechts zu tun. Sie haben etwas mit dem Anpassen der offensichtlichen Probleme in diesem Land zu tun, und dass es diese gibt, ist unbestritten – dass sie nun mit der CDU oder diesem Ministerpräsidenten zu tun hätten, dagegen keineswegs, denn schließlich wird der Freistaat von einer Koalition aus zwei Parteien regiert. Der Unterschied zwischen diesen beiden Partnern ist nur, dass der eine Partner, der Ministerpräsident, stellvertre

tend für die CDU in Sachsen seinen Hut und damit Verantwortung übernimmt. Sein Partner von den Sozialdemokraten und sein stellvertretender Ministerpräsident zeigt sich stattdessen als Wahlgewinner und tut gerade so, als ob er mit dem Ergebnis nichts zu tun habe. Dies wirft auch die Frage auf, was in den kommenden Monaten von dieser Koalition noch zu erwarten ist. Insofern ist die Forderung der LINKEN einmal mehr als verständlich.

Eine meiner ersten Zuschriften aus meinem Wahlkreis in der Sächsischen Schweiz/Osterzgebirge stammte von einem Ortsvorsteher einer kleinen Gemeinde, verbunden mit der Einladung zum Gespräch. Worüber dort gesprochen werden soll, umreißt die Problemlage in diesem Freistaat ganz deutlich. Es geht um ein Protokoll des Versagens der Koalition in drei ganz essenziellen Fragen: der Aufbau der Breitbandversorgung in ländlichen Raum, das Thema der inneren Sicherheit im grenznahen Bereich und Probleme bei der Bildung und dem Schulbau.

Man kann die Wählerinnen und Wähler verstehen, dass sie gewählt haben, wie sie gewählt haben. Die Verzweiflung spricht aus den bloßen Zahlen.

Meine Damen und Herren! Noch einmal: Die Frage einer vernünftigen Politik in Sachsen ist keine Frage von rechts oder links oder was man vermeintlich und landläufig davon hält. Es ist eine Frage von richtigen Entscheidungen für ein lebenswertes Sachsen. Es ist eine Frage im wahrsten Sinne des Wortes von konservativer Politik, einer Politik, die bewahrt und trotzdem einen Blick für Neues offenhält, einer Politik, die den Staat an den richtigen Stellen stärkt, ohne die Privatautonomie der Bürgerinnen und Bürger außer Kraft zu setzen. Es geht im Wesentlichen um die Bereiche Infrastruktur, Bildung und Sicherheit.

Für die CDU wird das zusammen mit der SPD sicherlich weiterhin eine Herausforderung. Auch das Treiben in Berlin, obwohl es direkt im Sächsischen Landtag nichts zur Sache tut, lässt dabei wenig Hoffnung aufkommen. Aber das sind Fragen, meine Damen und Herren, die Sie als Koalition unter sich mit Ihrem neuen Ministerpräsidenten klären müssen.

Die Antworten, die DIE LINKE erwartet, die darf, die muss man als Bürger erwarten können. Insofern ist die Bitte um einen Kassensturz, einen politischen Kassensturz zum Ende einer neunjährigen Amtszeit sehr wohl zu verstehen, und vielleicht denkt der Ministerpräsident darüber noch einmal nach.

Die Frage, wie wir im Parlament mit den zukünftigen Fragen umgehen, ist eine Frage, bei der wir erwarten können, dass alle Partner bereit sind, über die parteiideologischen Gräben zu springen. Wir werden sehen, ob es in den kommenden anderthalb Jahren funktioniert.

Danke.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten)

Das war die Abg. Frau Dr. Petry. Wir sind am Ende der Rednerreihe ange

kommen. Gibt es bei der einbringenden Fraktion den Bedarf, eine zweite Rederunde zu eröffnen? – Gibt es Redebedarf aus den Fraktionen heraus? – Das kann ich nicht feststellen. Damit hat die Staatsregierung das Wort, und Herr Staatsminister Dr. Jaeckel, Sie ergreifen dasselbe.

Sehr geehrter Herr Präsident! Die Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag verbreitet hier plakative Allgemeinplätze. Dabei wird eine ganz typische Suggestion verwendet. Diese geht unter anderem davon aus – Herr Gebhardt, Sie haben es mehrfach in Ihrem Redebeitrag gesagt –, dass alles sehr schlimm sei und der Staat in einer tiefen Krise stecke.

Es ist sachlich nicht nachvollziehbar, für mich jedenfalls nicht, warum Sie diesen Antrag stellen. Zunächst haben Sie gesagt, dass das Parlament brüskiert werde, weil Mitglieder der Staatsregierung sich auf einer Chinareise befinden. Dazu kann ich Ihnen berichten, dass es darüber im Kabinett eine intensive Abstimmung gegeben hat, dass der Ministerpräsident heute zu seiner Reise aufbricht, Staatsminister Dulig und Staatsminister Schmidt aber erst morgen, um genau das sicherzustellen, dass nämlich die Staatsregierung im Parlament präsent ist.

China ist im Übrigen der wichtigste Exportpartner Sachsens. 1,3 Milliarden Euro Exportgüter werden jedes Jahr nach China exportiert. Wir sehen auch in Zukunft China als einen unserer wichtigsten Partner. Deshalb ist es gut, dass sich der Ministerpräsident mit 80 Unternehmern auf den Weg macht.

Ihr Antrag fordert die Abgabe einer öffentlichen Erklärung zur gegenwärtigen und zur künftigen Regierungsfähigkeit. Lassen Sie mich zur gegenwärtigen Regierungsfähigkeit bei der Bewältigung der Herausforderungen kurz etwas feststellen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesverwaltung arbeiten hervorragend. Die Regierung tut es auch. Frau Kliese hat dafür schon einen Dank ausgesprochen.

Wir haben als Koalition in den vergangenen drei Jahren eine Menge auf den Weg gebracht. Wir haben den Koalitionsvertrag zu drei Vierteln abgearbeitet. Wir gehen gerade das letzte Viertel an, und dort werden die Weichen neu gestellt. Was die vergangenen Wochen angeht, möchte ich Ihnen nur folgende Stichpunkte aus der Kabinettsarbeit nennen: Wir haben die Förderrichtlinie „Sozialer Arbeitsmarkt zur Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit“ des Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit auf den Weg gebracht und das Prostituiertenschutzgesetz in Umsetzung einer Bundesregelung. Wir setzen uns wöchentlich für die Siemensstandorte in Leipzig und in Görlitz und für weitere Ansiedlungen ein. Weitere positive Nachrichten stehen dazu aus. Dafür danke ich den Kolleginnen und Kollegen der SPD und der CDUFraktion sowie den Kolleginnen und Kollegen im Kabinett.

Der Ministerpräsident ist im Übrigen stark engagiert bei den Sondierungen in Berlin. Es hat Öffentlichkeitsarbeit dazu gegeben, was die ostdeutschen Ministerpräsidenten unter Führung unseres Ministerpräsidenten vorgebracht haben.

Noch ein Wort zur jetzigen Lage, denn Sie sagen auch, dass Sie eine Erklärung des Ministerpräsidenten zur künftigen Regierungsfähigkeit erbitten. In rund vier Wochen wird ein neuer Ministerpräsident gewählt. Seien Sie gewiss, dass hart und konsequent auch an den Themen und Herausforderungen gearbeitet wird, die in diesem Land anstehen. Sie müssen es schon dem künftigen Kabinett überlassen, was dann zu tun ist. Das ist mindestens aus Gründen der Staatspolitik auch so zu rechtfertigen.

Meine Damen und Herren! Es ist klar, dass die Staatsregierung im Plenum keine eigenen Anträge stellen kann. Wäre das möglich, hätte ich in diesen Tagen den Antrag gestellt: Die Fraktion DIE LINKE möge sich erklären zu ihrer inhaltlichen Oppositionsfähigkeit.

Deshalb als Fazit: Schüren Sie bitte kein Misstrauen. Sorgen um die Regierungsarbeit müssen Sie sich auch nicht machen. Zu beidem gibt es keinen Anlass.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Nach den Ausführungen von Herrn Staatsminister Dr. Jaeckel für die Staatsregierung kommen wir nun zum Schlusswort der einbringenden Fraktion. Bitte, Herr Kollege Gebhardt.

Sehr geehrter Herr Präsident! Ich weiß gar nicht, wo das Problem ist.

(Lachen des Abg. Christian Piwarz, CDU – Christian Piwarz, CDU: Das steht da vorn!)

Der Ministerpräsident ist von euch gewählt worden. Er wird vom Landtag gewählt. Es wäre doch ein Leichtes gewesen, bevor er nach China aufbricht, sich heute hier hinzustellen und zu erklären, vor welchen Herausforderungen dieses Land steht und warum er zurückgetreten ist.