Protokoll der Sitzung vom 15.11.2017

Bayern aktualisiert seinen Haushalt eigentlich in jedem Doppelhaushalt, um die Mehr- oder Mindereinnahmen dort korrektiv einzubringen. Baden-Württemberg macht es genauso. Ich könnte jetzt weitermachen:

(Zuruf von der CDU: Lieber nicht!)

Hessen macht es so, Nordrhein-Westfalen, RheinlandPfalz. Was ich sagen möchte: Alle gehen so vor, alle außer der Sächsischen Staatsregierung. Wenn „Wir haben verstanden“ aber tatsächlich einen „Wind of Change“ meint, dann heißt das hier und heute: Abrücken von der Prinzipienreiterei und zustimmen!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir GRÜNEN schlagen das passende Instrument vor und bringen es hier öffentlich in die Debatte ein.

Wie läuft das eigentlich bisher mit den Mehrausgaben in Sachsen? Das Mittel der Wahl nennt sich überplanmäßige und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen. Allein in dieser Wahlperiode – dabei reden wir über drei Jahre – hat das Finanzministerium 26 solcher Anträge auf nachträgliche Einwilligung des Landtags zu veränderten und zusätzlichen Ausgaben im nicht öffentlich tagenden Haushalts- und Finanzausschuss eingereicht.

Damit Sie alle eine Vorstellung davon bekommen, über wie viel Geld wir hier eigentlich reden: Es sind – mit der Stimmenmehrheit von SPD und CDU – 2,3 Milliarden Euro innerhalb des Haushalts über diese über- und außerplanmäßigen Ausgaben neu veranschlagt worden – und das an einer öffentlichen parlamentarischen Diskussion vorbei. Das ist nicht in Ordnung!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Von diesen 2,3 Milliarden Euro wurden – wenn wir uns das jetzt einmal genauer ansehen – über 1,5 Milliarden Euro aus dem laufenden Haushalt herausgenommen und in Fonds geschoben, unter anderem in meine Lieblingsfonds, in den Zukunftssicherungsfonds und in „Brücken in die Zukunft“.

(Beifall des Abg. Mario Pecher, SPD)

Aus dem Zukunftssicherungsfonds wird inzwischen so ziemlich alles finanziert. Ich sehe hier, das habe ich mehrfach gesagt, eine deutliche Überdehnung des Instruments der Fonds, die hart an der Grenze zum Bundeshaushaltsrecht liegt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Kollege Pecher, Sie haben es sich schon gedacht, aber der Vollständigkeit halber möchte ich es ergänzen: Es sind auch Ihre Stimmen, mit denen die letzten zwei Doppelhaushalte hier verabschiedet wurden. Die CDU konnte nur mit Ihren Stimmen das Verfahren mit den über- und außerplanmäßigen Ausgabenänderungen verstetigen. Sie tragen damit einen wesentlichen Teil der Verantwortung. Ich wünsche mir, dass neben dem verbalen Umsichschlagen ernsthaft etwas passiert und Sie sich nicht nur in der Presse austoben oder am Finanzminister abarbeiten.

Es braucht strukturelle Veränderungen in diesem Lande, die in die Tiefe gehen und wirklich grundsätzlich einiges verändern. Ein Haushalt schafft die Voraussetzungen dafür, und der Nachtragshaushalt, den wir Ihnen heute vorschlagen, ist das geeignete Instrument, in verschiedenen Bereichen eben jene Veränderungen zu ermöglichen. Wir konnten alle verfolgen, was von wem medial gefordert wurde. Jeder schien eine Meinung zu haben, die Opposition in der Koalition lief zur Hochform auf. Was folgte aber daraus konkret?

Im Antrag haben wir die wichtigsten Handlungsfelder als Serviceleistung unter der Rubrik „Betreutes Regieren“ noch einmal zusammengefasst, die aufgrund der Situation im Lande sofort angegangen werden müssen. Dazu gehört die gesamte Personalsituation im öffentlichen Dienst. Hier müssen Sofortregelungen geschaffen werden, die es Sachsen ermöglichen, im Wettbewerb um kluge Köpfe überhaupt mitzumachen. Es ist bekannt, dass in den nächsten dreizehn Jahren praktisch die Hälfe des öffentlichen Dienstes aus Altersgründen ausscheidet. Wir GRÜNEN sehen die Möglichkeit, umzusteuern und die Stellen vorzuhalten, um sofort geeigneten Nachwuchs in den sächsischen öffentlichen Dienst zu holen und damit auch mittelfristig die Arbeits- und Leistungsfähigkeit sicherzustellen.

Gutes Arbeiten, gutes Leben im Freistaat Sachsen sind weitere wichtige Themen. Wir legen Ihnen hier verschiedene Handlungsfelder vor, die das ausmachen: angefangen bei den strukturellen Verbesserungen des öffentlichen Personennahverkehrs bis hin zum Ausbau des flächendeckenden Breitbandinternets.

Es muss auch ein ganz klares Bekenntnis zum Erhalt unserer Lebensgrundlagen erfolgen. Mein Kollege hat das

beim vorherigen Tagesordnungspunkt schon erläutert. Auch der frühkindliche Bildungsbereich – es geht hier um Kinder, es geht um Zukunft – braucht dringend Verbesserungen. Hier können wir jetzt die haushalterischen Voraussetzungen dafür schaffen, die Betreuungsschlüssel in der Krippe und im Kindergarten spürbar zu verbessern. Im Nachtragshaushalt sollen natürlich auch Mittel zur Verfügung gestellt werden, um die Stärkung des gesellschaftlichen Miteinanders und den sozialen Zusammenhalt hier in diesem Lande voranzubringen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir legen mit unserem Antrag einen konstruktiven Vorschlag vor. Wir wollen den „Wind of Change“ für Sachsen genau so, wie Sie ihn als Regierungskoalition medial beteuern. Stimmen Sie zu und senden Sie damit ein Zeichen ins Land, dass Sie wirklich verstanden haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun die CDUFraktion, Herr Abg. Michel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir bewegen uns in einer politischen Fetischdebatte, und wir betreiben hier Symbolpolitik. Ich will erst einmal klarstellen: Alles, was hier von vermeintlichen Skandalen und Milliardenbeträgen, die wir im HFA hin- und herschieben, gesagt wurde, beruht auf einer gesetzlichen Grundlage. Der Zukunftssicherungsfonds beruht auf einer gesetzlichen Grundlage. „Brücken in die Zukunft“ beruht auf einer gesetzlichen Grundlage, und im Zweifel ist auch der Kapitelvermerk bei 15 10, also im Einzelplan 15, eine gesetzliche Grundlage.

(Zuruf der Abg. Franziska Schubert, GRÜNE)

Daran ist nichts ungesetzlich. Das will ich nur einmal klarstellen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Mario Pecher, SPD)

Klarstellen möchte ich auch, dass ein Nachtragshaushalt an sich überhaupt kein politischer Wert ist. Das ist nichts. Es ist politisch ohne Wert, ob man einen Nachtragshaushalt hat oder nicht. Es ist maximal von Bedeutung für diejenigen, die sich daran berauschen, dass wir jetzt ein Verfahren haben und einen Nachtragshaushalt aufstellen. Es mag für den einen oder anderen hier im Hohen Hause vielleicht einen persönlichen Wert haben, einmal den ersten Nachtragshaushalt aufgestellt zu haben. Ich sage Ihnen eines: Den Menschen im Lande ist das völlig egal. Sie möchten, dass es im Freistaat funktioniert.

(Zuruf von den GRÜNEN: Richtig!)

Es ist völlig nebensächlich, ob es ein Doppelhaushalt, ein Nachtragshaushalt oder ein Beschluss im HFA ist. Das ist denen völlig egal. Trotzdem führen wir hier immer wieder diese politische Insider- und Fetischdebatte um den Nachtragshaushalt.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Alle Jahre wieder kommt mit jeweils wechselnden Fraktionen aus der Opposition heraus der Antrag auf Aufstellung eines Nachtragshaushaltes. Im Übrigen kommen sie immer nur in den Jahren mit einer guten Konjunktur. In Jahren mit Steuereinbrüchen werden solche regelmäßigen Anträge nie gestellt. Dann soll, bitte schön, die Regierung ihr Ding allein machen. Nur wenn es etwas zu verteilen gibt, sind Sie da. Weil es bisher weder rechtlich geboten noch inhaltlich notwendig war, einen Nachtragshaushalt aufzustellen, lehnten die Mitglieder der CDU-Fraktion ein solches Ansinnen in der Vergangenheit richtigerweise immer wieder ab.

(Marco Böhme, DIE LINKE: Alles richtig gemacht!)

Die Antragsteller stellten dann immer wieder die armen gesetzestreuen CDU-Fraktionäre als Blockierer dar. Wenn sie Glück hatten, haben sie auch einen Journalisten gefunden, der ungeprüft ihr Ansinnen übernommen hat, und dann gab es wieder einmal eine Schlagzeile. Heute versuchen die GRÜNEN ihr Glück bei diesem immer wiederkehrenden Spiel. Es ist sicherlich auch nur ein Zufall, dass sie den Antrag am 26. Oktober eingereicht haben – einen Tag nach der letzten Sitzung des HFA. Okay, so müssen wir das hier erörtern und können es nicht im HFA tun. Wir können einmal ausführen, was alles dafür und dagegen spricht.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Machen Sie mal!)

Hätten wir Gelegenheit gehabt, das zu vertiefen, hätten wir feststellen müssen, dass vorlageberechtigt für den Staatshaushalt und auch für den Nachtragshaushalt nur die Staatsregierung ist. Jetzt bin ich Parlamentarier genug und denke, unter dem Strich ist es rechtlich haltbar, dass das Parlament den Aufforderungsbeschluss zum Nachtragshaushalt fasst. Ich denke, das sollte man als Recht für die Parlamentarier gelten lassen. Darüber diskutieren kann man sicherlich.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Schön!)

Jetzt will ich aber nicht kleinlich sein. Ich lade Sie sogar einmal zu einem kleinen theoretischen Denkspiel ein. Angenommen, wir hätten jetzt alle einen kollektiven Blackout und würden Ihren Argumenten folgen: Was würde dann passieren? Wir hätten die Aufforderung an die Staatsregierung, einen Nachtragshaushalt vorzulegen. Gemäß § 33 SäHO müsste dieser Entwurf bis zum Jahresende eingebracht werden. Das ist schon relativ sportlich, sechs Wochen bis zum Jahresende für einen Nachtragshaushalt bei dieser fulminanten Spannbreite, wie Sie es hier beantragt haben.

Aber okay, ich habe gesagt, ich will ausnahmsweise einmal nicht kleinlich sein. Wir gehen gedanklich den nächsten Schritt weiter und stellen uns vor, wie die Umsetzung ist. Die Regierung soll einen Einstellungskorridor für Polizei, für „Lehrer-Sternchen-innen“, Staatsanwaltschaften usw. bilden. Nun fehlt es mir schon an der

Bestimmtheit des gesamten Antrages. Ich weiß auch, dass es in vielen Fällen kein Problem des Geldes oder der fehlenden Stellen ist. Schlichtweg fehlt es uns an Bewerbern.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Insoweit lösen Sie, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, mit Ihrem Nachtragshaushalt gar nichts. Es gibt ganz andere Herausforderungen. Sie müssten eigentlich etwas dazu sagen, warum es der Personalrat verweigert, dass wir Seiteneinsteiger einstellen können.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Das ist doch keine Haushaltsfrage!)

Das sind doch eher die Probleme. Im Übrigen, gehen wir einmal weiter: eins zu eins Ersetzen der Altersabgänge in der allgemeinen Verwaltung. Das ist noch keine Garantie für eine moderne Verwaltung, finde ich. Es fehlt am Beispiel der im HFA benannten Digitalisierungsquote von 16 %. Wie wollen Sie damit umgehen? Wollen Sie das alles eins zu eins umsetzen?

Aber ich will Sie jetzt nicht mit einer Analyse aller Ihrer Punkte langweilen. Ich weiß nicht so richtig, was haushalterisch für den Erhalt natürlicher Lebensgrundlagen anzusetzen ist. Ich denke, wir haben einen sehr guten Haushalt. Aber was genau soll da angesetzt werden? Nebenbei gesagt: Ihr gesamter Antrag auf Vorlage eines Nachtragshaushaltes kommt ohne eine einzige Nennung einer Finanzsumme aus. Es ist relativ schwer, jetzt wissen zu können, was Sie wollen. Meinen Sie die Anträge, die Sie im Haushaltsaufstellungsverfahren teilweise zurückgezogen haben? Ich weiß es nicht. Es ist Ihr Geheimnis, wie Sie einen Nachtragshaushalt aufstellen wollen, ohne eine Zahl zu nennen.

Gehen wir weiter in dem Gedankenspiel des kollektiven Blackouts und überlegen uns, was passiert, wenn wir den Antrag letztendlich stellen: Die Regierung wird einen Nachtragshaushalt bis zum Jahresende vorlegen. Diesen müssten wir dann inklusive Anhörung im Landtag innerhalb von fünf Wochen beraten. Ich habe auch bei vorangegangenen Debatten behauptet, dass das relativ sportlich und fast nicht zu schaffen ist, in dieser Spannbreite erst recht nicht.

Aber was passiert in der Zwischenzeit mit den schon getroffenen und verabschiedeten Haushaltstiteln? Die sind praktisch blockiert. Was passiert mit den Haushaltstiteln für die Stärkung des sozialen Zusammenhaltes, den Sie gern möchten? Das ist spannend, denn die sind praktisch auch blockiert.

Jetzt möchte ich aufhören mit dem Gedankenspiel, wie es weitergeht. Ich bin mir sicher, dass Ihr Antrag keine Mehrheit finden wird. Von daher können wir das Gedankenspiel abbrechen. Nebenbei gesagt ist dieser Antrag auch nicht so geschrieben worden, dass er eine Mehrheit finden soll. Sie würden erschrecken, was dann herauskommt. Der Antrag ist für mich reine, wirklich reine politische Polemik und, wenn man das so sagen darf, fast

ein Gesinnungsantrag. Schauen Sie sich die Begründung an; die passt in großen Teilen gar nicht zu dem, was Sie beantragen. Also früher hätte ich gesagt: „Schwarzer Kanal“.

Lassen Sie mich den Punkt exemplarisch herausgreifen, Seite 3, 5. Anstrich Ihrer Begründung: Darin lesen wir, dass die nicht CDU-regierten Großstädte mit einem fehlenden finanziellen Infrastrukturansatz abgestraft

werden. Jetzt frage ich Sie: Wie ist das nun mit dem Programm „Brücken in die Zukunft“? Geht nicht überproportional die Hälfte des Programms in die kreisfreien Städte? Ist das nicht eine überproportionale Förderung, oder gibt es eine zusätzliche Förderung für die kreisfreien Städte?

Abschließend frage ich Sie, ob nicht die GRÜNEN erst vor fünf Tagen die Verlängerung des Programms „Brücken in die Zukunft“ verlangt haben, weil nicht genügend Geld abgeflossen ist und die Kommunen nicht mit dem Verbauen hinterherkommen. Heute stellen Sie sich hin und behaupten, dass wir die kreisfreien Städte abstrafen. Das passt alles nicht zusammen.

Meine Damen und Herren, der zahlenlose, substanzlose Antrag auf einen begründeten Nachtrag passt nicht, das hat damit nichts zu tun. Wir werden den Antrag ablehnen und ich bitte hiermit um Entschuldigung, dass ich mit dem Gedankenspiel versucht habe, Sie dazu zu bewegen.