Protokoll der Sitzung vom 15.11.2017

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf der LINKEN zur Einführung eines Beauftragten für Fragen der Migrationsgesellschaft und die damit verbundene notwendige Änderung der Gemeinde- und Landkreisordnung werden von einem Grundgedanken getragen, den wir als SPD-Fraktion durchaus unterstützen. Klar ist für uns auch: Städte und Landkreise in Sachsen sind die Orte, an denen das Ankommen, das Fördern, das Leben von Menschen mit Migrationshintergrund nicht nur geplant und finanziert, sondern tatsächlich auch organisiert und mit Leben gefüllt werden.

Schaut man sich nun die gegenwärtige Situation an, so sehen wir – Kollege Anton hat es eben erwähnt –, dass alle kreisfreien Städte und acht der zehn Landkreise bereits hauptamtliche Ausländer- oder Integrationsbeauftragte haben. Auch die Großen Kreisstädte weisen mehrheitlich hauptamtliche Strukturen in diesem Bereich auf, wenn auch oft in Doppelfunktionen in den unterschiedlichsten Variationen. Neben dem hauptamtlichen Personal wurde in den letzten Jahren auch ein Pool an Verantwortlichen in die Fläche gegeben. Zu nennen sind die Integrationskoordinatoren, sehr viele Sozialarbeiter, die in den letzten drei Jahren in die Fläche gekommen sind, die Bildungskoordinatoren oder auch die Arbeitsmarktmentoren und die vielen ehrenamtlichen Strukturen, verbunden mit den Richtlinien aus dem SMGI.

An welchen Stellen gerade die Beauftragten angebunden sind, unterscheidet sich jedoch stark. Wir sehen, dass vor allem die Landkreise ganz unterschiedliche Modelle entwickelt haben, wie sie die Integrationsarbeit vor Ort koordinieren und organisieren. Dies ist nicht zuletzt darin begründet, dass die Zahl der Menschen mit Migrationshintergrund innerhalb Sachsens sehr unterschiedlich ist und dementsprechend auch die Herausforderungen sehr unterschiedlich sind. Wenn der Gesetzentwurf dazu dienen soll, dass es mehr Klarheit und Rechtssicherheit bringt, so ist das ein Stück weit ein Trugschluss. Liebe Kollegin Nagel, Sie haben es auch gerade in Ihrer Vorstellung versucht, damit zu begründen. Mit der Gesetzesnovelle werden Aufgaben und Verpflichtungen definiert: wie die tägliche Arbeit am Menschen vor Ort läuft, welche Projekte wie gefördert werden, welcher Wohnraum benötigt wird, welche Sprachkurse laufen und wer in diese gehen kann sowie welche Kosten damit verbunden sind. Um dies für alle rechtssicher zu regeln, reicht eine Person in Funktion nicht aus. Ich denke, es ist kein Geheimnis: Dafür bräuchten wir eigentlich ein Integrationsgesetz.

Ein verpflichtender kommunaler Migrationsbeauftragter kann auch nicht die Frage der zunehmend ungleichmäßigen Verteilung klären. Er wird uns auch nicht helfen, die Städte zu entlasten und Anreize im ländlichen Raum zu schaffen. Der Gesetzentwurf schafft neue bürokratische Strukturen. Das haben uns auch der SSG und der Landkreistag in der Anhörung bestätigt. DIE LINKE übersieht damit auch bewusst, was in den letzten drei Jahren bereits aufgebaut wurde. Es ist nun einmal nicht das Nonplusultra, dem Kind einen Namen zu geben. Es muss auch laufen lernen, und dies tut es auf vielfältige Weise.

Auch ein gesellschaftlicher Wandel – wie es soeben begründet wurde, den wir sicherlich als SPD gern mit vorantreiben und positiv begleiten – kann nicht durch einen verpflichteten Beauftragten passieren. Die Ergebnisse der Anhörung zeigen – das wurde schon gesagt –, dass der Zuspruch nicht nur positiv, sondern auch negativ war. Es wäre wiederum ein Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung. Darüber müssen wir an dieser Stelle immer wieder nachdenken.

Mit der Ablehnung des Gesetzes von unserer Seite konterkarieren wir in keiner Weise die Feststellung, dass die Kommunen in Gänze mehr Rechtssicherheit im Bereich Asyl und Integration benötigen. Der uns vorliegende Vorschlag gibt lediglich einer Person eine Funktion, einen Titel. Die Ablehnung bedeutet auch nicht, dass wir nicht der Meinung wären, dass Migrantinnen und Migranten noch stärker in den Kommunen ankommen müssten. An dieser Stelle müssen wir sehr deutlich darüber reden, wie sie unsere Kommunen aktiver mitgestalten und mitreden können. Es geht um Beiräte, ja, es geht auch um kommunales Wahlrecht und um die kulturelle Öffnung unserer Verwaltung.

Ich möchte darauf verweisen – Kollege Anton hat es gemacht –, dass in der Koalition gerade sehr intensiv über die Novelle der Gemeindeordnung diskutiert wird und man sich auch angemessen mit der stärkeren Einlassung der Migrationsprozesse beschäftigt. Eine Zustimmung zu dem Gesetzentwurf würde dem sehr deutlich vorgreifen. Wir werden an dieser Stelle den Entwurf ablehnen.

(Beifall bei der SPD, vereinzelt bei der CDU und der Staatsregierung)

Wir kommen zur AfD-Fraktion; Herr Wippel, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Wir reden heute auf Wunsch der LINKEN über das Gesetz für die kommunalen Migrationsbeauftragten. Ich könnte jetzt sagen: Über die kommunale Selbstverwaltung könnte man mal reden, die schränken Sie ein. Sie wollen mal eben circa 4,5 Millionen Euro für Ihre Klientel ausgeben, damit sie hauptamtliche Stellen in den von Ihnen genannten im Gesetz bekommen. Wir könnten darüber reden, dass Sie das FAG bemühen, ohne das FAG tatsächlich anzufassen, also wie Sie es am Ende wirklich finanzieren wollen. Das allein reicht schon für die Ablehnung des Gesetzes.

Aber das Schlimmste, was Sie eigentlich vorhaben, ist die Implementierung einer sogenannten Migrationsgesellschaft. Sie wollen das Land verändern und das ist falsch. Das lehnen wir ab. Meine Damen und Herren, ich sage: Die AfD möchte gern Deutschland erhalten. Das Deutschland, wie wir es lieben und wie wir es heute kennen, ist von Deutschen geprägt und von Deutschen erbaut worden. Es gibt eine Kontinuität, die sich durch die Jahrhunderte zieht.

(Unruhe bei den LINKEN)

Wenn Sie Ihre Medikamente genommen haben, dann kann ich ja weitermachen, meine Güte!

Sachsen war bei Höchstleistungen, die in diesem Lande vollbracht worden sind, immer vorn dabei.

Wir werfen einmal einen kurzen Blick in die Geschichte. Wir haben in Sachsen hochpräzise mechanische Uhren in Glashütte gebaut, die Weltruhm haben. Wir haben die Saxonia, die erste funktionierende Dampflok, in Sachsen

gebaut. Diese können Sie sich unweit im Verkehrsmuseum in Dresden ansehen. Diese Kontinuität könnte ich weiterziehen. Im Jahr 1989 sind mutige Männer und Frauen auf die Straße gegangen, um sich vom Joch des Sozialismus zu befreien. Sie haben ihr Land dann fast allein in 28 Jahren aus den Ruinen des Sozialismus wieder aufgebaut, und jetzt kommen Sie. Sie haben Angst vor diesem Volk. Das gefällt Ihnen nicht. Sie können es einfach nicht verknusen. Deswegen wollen Sie den Souverän, Sie wollen das deutsche Volk durch eine sogenannte Migrationsgesellschaft ersetzen.

Damit wir uns nicht falsch verstehen. Wir haben überhaupt nichts gegen hoch qualifizierte Fachkräfte, die uns in unserem Land helfen. Wir haben nichts gegen Studenten und wir haben auch nichts gegen Gäste oder solche, die als Freunde zu uns nach Deutschland kommen. Diese Personen sind uns immer – auch als Alternative für Deutschland – willkommen in unserem Land. Sie brauchen keinen Migrationsbeauftragten. Wenn wir jetzt noch schauen, wer in der letzten Zeit gekommen ist, dann haben wir auch Personen, die zum Teil asylberechtigt und vom Krieg verfolgt sind. Auch diese Menschen dürfen hier sein, sofern der Rechtsanspruch dafür vorhanden ist. Es ist aber ein Schutzrecht auf Zeit, und es muss klar sein, dass diese Leute dann auch wieder nach Hause gehen. Es ist ihre Pflicht und Schuldigkeit, sich hier den Gepflogenheiten in unserem Land anzupassen und uns bei unserer Arbeit zu dieser Zeit in diesem Land zu unterstützen und nicht andersherum, dass wir ihnen ein wohliges Nest bauen. Deshalb brauchen auch diese Leute keinen Migrationsbeauftragten.

Ihr Gesetz ist überflüssig und schädlich und deswegen lehnen wir es ab.

(Beifall bei der AfD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Zais; bitte.

Eine Kurzintervention noch. Frau Abg. Zais, Sie können trotzdem schon vorkommen. Herr Abg. Kosel, bitte.

Ich möchte auf diese Rede, aus meiner Sicht schockierende Rede, mit einer Kurzintervention reagieren. Diese Rede zeigt zwei Punkte: erstens eine absolute Geschichtsunkenntnis, wenn es um die Geschichte Sachsens geht,

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

und zweitens eine Unkenntnis oder ein bewusstes Ignorieren von Artikel 5 unserer Verfassung, in dem es heißt: „Dem Volk des Freistaates Sachsen gehören Bürger deutscher, sorbischer und anderer Volkszugehörigkeit an“.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Jetzt hat Frau Zais das Wort.

Danke, Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Wippel, das Land verändert sich, ob Sie das wollen oder nicht. Das Land wird bunter. Wir sehen das auf den Straßen, in den Einkaufszentren und in den Schulen. Das ist ein Prozess, den Sie nicht rückgängig machen können. Ich finde es auch gut so, dass dieses Land bunter wird. Deutschland und Sachsen profitieren von der Vielfalt, die sich in den letzten Jahren entwickelt hat.

Zurück zum Gesetzentwurf der LINKEN. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN teilt das Anliegen des Gesetzentwurfs zur Wahrung der Belange von Menschen mit Migrationshintergrund und zur Förderung eines respektvollen Miteinanders in den großen Kreisstädten, kreisfreien Städten und in den Landkreisen des Freistaates Sachsen, hauptamtliche Migrationsbeauftragte zu bestellen, vollumfänglich. Wir werden diesem Gesetz deshalb zustimmen.

Zunächst möchte ich etwas grundsätzlicher werden und mich mit der Frage befassen, warum wir überhaupt Beauftragte brauchen. Kommunale Beauftragte vertreten in der Regel die Interessen und Belange einzelner Bevölkerungsteile oder auch spezielle Aufgabenfelder und unterstützen die Kommunalverwaltung durch sachkundige Hinweise. Im Übrigen haben wir mit unserem Ausländerbeauftragten, der aus der Mitte des Sächsischen Landtags gewählt wird, eine ähnliche Konstruktion.

Im Einzelfall sind Beauftragte ein durchaus geeignetes Instrument, um Defizite aufarbeiten zu können. Bei den Migrationsbeauftragten – das möchte ich zur Richtigstellung des Diskussionsbeitrages von Herrn Wippel noch einmal deutlich sagen – geht es nicht nur um die Rechte von Menschen, die neu zu uns gekommen sind, und Geflüchtete, sondern es geht auch um Menschen, die schon sehr lange bei uns leben. Wir haben sehr viele Ausländer, die hier leben. Wir haben – auch das muss man sich genau anschauen – im Rahmen der Niederlassungserlaubnis EU-Bürger, die auch in Sachsen, zum Teil unter schwierigen Bedingungen, leben. Das wäre eine Aufgabe, mit der sich hauptamtliche Migrationsbeauftragte beschäftigen könnten.

Wir haben ausländische Studentinnen und Studenten – wenn ich zum Beispiel an die TU Chemnitz denke – in sehr großem Umfang. Hierbei geht es um Defizite, die behoben werden können. Das ist schon ein relativ breites Spektrum. Es geht nicht nur um 100 Geflüchtete, die in den letzten zwei oder drei Jahren zum Beispiel in den Landkreisen untergebracht wurden. Das Aufgabenspektrum ist also deutlich größer.

Die Auffassung vertrete ich auch explizit. Ich bin ja Kommunalabgeordnete oder Stadträtin und habe auch mit Beauftragten zu tun. Das Instrument der Beauftragten sollte insgesamt wirklich behutsam verwendet werden. Es sollte damit zurückhaltend umgegangen werden, weil nicht jedwede Bevölkerungsgruppe einen eigenen kommunalen Beauftragten benötigt. Aber das ist ja auch in dem Gesetzentwurf der LINKEN nicht beabsichtigt.

Beauftragte sind insbesondere dann wichtig, wenn aufgrund von Benachteiligungen, von Vorurteilen oder von strukturellen Hindernissen die gleichwertige Teilhabe einer bestimmten Gruppe nicht mehr garantiert bzw. erschwert wird. Das ist bei Migrantinnen und Migranten zumindest potenziell der Fall. Das zeigen viele Befunde, die wir als Abgeordnete des Sächsischen Landtags wöchentlich bekommen. Ich erinnere nur an die umfangreiche Studie des Antidiskriminierungsbüros Sachsen, was die Situation für Migrantinnen und Migranten auf dem Wohnungsmarkt anbelangt.

Insofern sind wir der Auffassung, dass es im Interesse der Kommunalverwaltungen und der gewählten Organe in den Gemeinden liegt, dass diese Interessen der Menschen mit Migrationshintergrund angemessen berücksichtigt werden. Dazu braucht es letztlich auch verbindliche Regelungen.

Frau Kollegin Nagel ist ja schon auf die Stellungnahme der hauptamtlichen Migrationsbeauftragten der Stadt Chemnitz eingegangen. Ich kann Ihnen nur empfehlen, dem Antrag der Linksfraktion zuzustimmen, dass das, was wir in den Großstädten haben, nämlich hauptamtliche Migrationsbeauftragte, künftig in den Landkreisen, kreisfreien Städten und Großen Kreisstädten entsprechend möglich sein wird.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Herr Abg. Wurlitzer, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Die fraktionslosen Abgeordneten der blauen Gruppe im Sächsischen Landtag werden diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen.

(Christian Piwarz, CDU: Sie haben keinen Gruppenstatus im Sächsischen Landtag!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich frage mich, was tun wir hier eigentlich? Wir können das Problem mit der Integration nicht lösen, indem wir weitere Gesetze schaffen, während wir bestehende Gesetze verletzen. Die Strukturen in Sachsen ächzen unter der Last. Aber warum tun sie das? Warum greifen wir das Problem nicht bei der Wurzel an? Warum wenden wir die bestehenden Gesetze nicht einfach an, verlangsamen und reduzieren den Strom der Flüchtlinge durch kontrollierte Grenzen und Einhaltung der europäischen Vorschriften, beispielsweise Dublin III, oder die Einhaltung deutscher Vorschriften, beispielsweise das Asylgesetz § 18? Über die Abschaffung von Anreizen können wir stundenlang gesondert reden.

Asylgesetz § 18, ich zitiere: „Dem Ausländer ist die Einreise zu verweigern, wenn er aus einem sicheren Drittstaat einreist“. Die Bundesrepublik ist umzingelt von sicheren Drittstaaten. Satz zwei: „Dem Ausländer ist die Einreise zu verweigern, wenn der Anhaltspunkt dafür vorliegt, dass ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvor

schriften der europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist“ – Dublin III.

Hören wir endlich auf, Gesetz um Gesetz zu schaffen, Posten um Posten zu schaffen, nur weil wir nicht willens sind, bestehende Gesetze einzuhalten und durchzusetzen! Die Menschen draußen verstehen es nicht, und ich kann es zum Teil auch nicht verstehen. Am Ende wird sich überhaupt nichts ändern. Es wird mehr Verwaltung geben. Es wird einen undurchdringlichen Paragrafendschungel geben, und der Steuerzahler ist der Dumme. Er badet unsere Unfähigkeit, Probleme zu lösen, und unsere Trägheit aus und muss selbige auch noch bezahlen.

Wenn wir unsere Grenzen kontrollieren, bestehende Gesetze anwenden, wenn wir auch endlich abgelehnte Antragssteller und Straftäter abschieben, wenn der Familiennachzug ausgesetzt bzw. langfristig abgeschafft wird, dann brauchen wir ein solches Gesetz überhaupt nicht.

(Zurufe von den LINKEN)

Zur Zielstellung Ihres Gesetzes: Sie haben drei Tätigkeitsschwerpunkte für die Migrationsbeauftragten identifiziert. Es ist ziemlich schwammig formuliert, um es vorsichtig zu sagen. Einen möchte ich herausgreifen: „das Wirken in die kommunale Verwaltung hinein im Sinne einer interkulturellen Öffnung der Arbeitsweisen und Praxen derselben“.

Meine Damen und Herren, wir müssen uns nicht anpassen. Kein Mensch auf der Welt verlangt das von uns. Der Rest der Welt versteht das noch nicht einmal. Ich bitte Sie: interkulturelle Öffnung der Arbeitsweisen und Praxen. Sollen wir Korruption und Kriminalität aus Ländern übernehmen, aus denen die Menschen geflüchtet sind?

Das ist unlogisch und völlig inakzeptabel. Mir fehlen die Vorgaben für die Migranten, die für eine erfolgreiche Integration unabdingbar sind.

(Juliane Nagel, DIE LINKE: Es geht um Menschen!)