Diese Studie hatte eine verhältnismäßig kleine Stichprobe: Nur 5 000 Bürger sind über Fragebögen angeschrieben worden.
Es gibt dann natürlich einen gewissen Rücklauf und dieser Rücklauf ist zu gering. Wir brauchen hier eine deutlich höhere Quote, und wir sagen, wir brauchen das Fünffache, nämlich für jede Polizeidirektion so eine Größenordnung mit 5 000 verschickten Fragebögen,
Wer braucht es noch? Das Innenministerium muss natürlich wissen, wie es um die tatsächliche Kriminalität und um das Anzeigeverhalten der Bürger bestellt ist; denn das Innenministerium ist für die Sicherheit zuständig. Wenn man die subjektive Sicherheit stärken möchte, muss man natürlich auch dafür sorgen, dass der Bürger ein großes Vertrauen in die Polizei hat. Dafür brauchen wir ebendieses klare Bild der tatsächlichen Lage und keine nur gefühlte.
Wir müssen unsere Leistungsfähigkeit der Polizei verbessern. Wir müssen in den Ministerien natürlich auch Schwerpunkte für unsere Arbeit definieren und das Ministerium muss sich überprüfen, ob es auch die richtigen Schwerpunkte gesetzt hat. Es muss sich die Frage stellen: Warum zeigen eigentlich die Bürger viele Straftaten gar nicht an.
Dafür gibt es verschiedene Gründe. Ein Grund könnte zum Beispiel sein: Der Schaden ist zu gering. Stellen wir uns vor, es ist ein guter Spaten durch einen Dieb entwendet worden. Der Spaten hat vielleicht 50 Euro gekostet – dann war es schon ein teurer Spaten –; aber die Frage ist: Möchte ich diese Zeit aufbringen, um mich dann bei der Polizei auf die Wache zu setzen und eine Anzeige zu erstatten, noch die Wartezeit und die Fahrzeit in Kauf zu nehmen und vielleicht sogar noch einen Arbeitsausfall, den ich dann zu verzeichnen habe, wenn ich als Arbeit
nehmer, als Selbstständiger eine Stunde mehr Geld verdiene als diese 50 Euro? Dann ist es eine ganz klare wirtschaftliche Rechnung und dann spare ich mir möglicherweise die Anzeige.
Zum Zweiten könnte die Ursache dafür sein, dass man nichts mit der Polizei zu tun haben möchte. Was könnten das für Leute sein? Möglicherweise sind das Personen, die grundsätzlich kein Vertrauen in die Polizei haben oder die selbst in der Vergangenheit Straftaten begangen haben. Sie waren gestern Täter, sind heute Opfer und haben vielleicht Angst, dass sie, wenn sie zur Polizei gehen, nun erwischt werden könnten.
Die dritte Gruppe sind diejenigen, die vielleicht Angst vor dem Täter haben. Ein Fall, der sich so oder ähnlich abgespielt haben könnte: Eine Gruppe von Tätern überfällt einen alten Mann zu Hause und misshandelt ihn. Der alte Mann zeigt diese Tat nicht an. Nachdem sie herausgekommen ist und man mit ihm sprechen konnte, hat man ihn gefragt, warum nicht, und er hat geantwortet: Wenn ich sie anzeige, kommen sie ja wieder und misshandeln mich noch einmal. Hier muss man daran arbeiten, dass die Menschen mehr Vertrauen in die Polizei haben.
Es gibt noch diejenigen, die sagen: Eine Anzeige bei der Polizei bringt doch nichts. Da habe ich Arbeit, da sitze ich auf der Wache und am Ende bekomme ich nach ein paar Monaten eine schriftliche Anhörung oder gleich den Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft zugeschickt. Und wenn doch mal einer vor Gericht kommt, dann wird er vielleicht noch freigesprochen. Das macht man vielleicht ein- oder zweimal, und dann haben die Leute keine Lust mehr auf diesen förmlichen Rechtsweg und verzichten auf die Anzeigenstellung.
Das sind alles Gründe, die man kennen muss, die man angehen muss, auf die sich die Polizei einstellen muss und auch einstellen kann. Aber dafür muss man das tatsächliche Ausmaß kennen und abschätzen, um so gezielt zu arbeiten, um seine Ressourcen effizient und effektiv einzusetzen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Dunkelfeldforschung leistet trotz bestimmter methodischer Schwächen eine sinnvolle Ergänzung zur polizeilichen Kriminalstatistik, sodass sich aus den Forschungsergebnissen Rückschlüsse auf notwendige Schritte der Strafverfolgungsbehörden ziehen lassen, die helfen sollen, das Dunkelfeld zugunsten des Hellfeldes einzudämmen. Aufgrund dessen wurden in den letzten Jahren immer wieder einzelne Dunkelfeldstudien für sächsische Städte an der Hochschule der Sächsischen Polizei in Rothenburg durchgeführt – Herr Wippel, Sie haben ja selbst Zahlen genannt.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auf die sehr gute Dunkelfeldstudie von Patrick Baldauf, Mario Kreuziger und Maik Uhlig für das Gebiet der Polizeidirektionen Chemnitz und Zwickau hinweisen, in der die Reaktion zwischen Dunkel- und Hellfeld sehr gut herausgearbeitet wurde. Insofern halten wir die Durchführung von ähnlich gelagerten, sachsenweit durchgeführten Studien grundsätzlich für richtig.
Die Frage ist, wie häufig solche Studien durchgeführt werden sollten, um einen entsprechenden wissenschaftlichen Mehrwert zu generieren. Die Frage ist aus unserer Sicht derzeit noch offen. Erkenntnisse darüber könnten die Studien des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen e. V. geben, die seit 2015 regelmäßig aller zwei Jahre in Schleswig-Holstein und Niedersachsen durchgeführt werden. Wir werden uns diese Ergebnisse sehr genau anschauen und die entsprechenden Schlussfolgerungen ziehen.
Gleiches gilt für Studien zur subjektiven Sicherheit der sächsischen Bürger. Hier hat Sachsen in den letzten Jahren an bundesweiten empirischen Erhebungen zur subjektiven Sicherheit teilgenommen. Ähnlich forscht die Fachhochschule der Sächsischen Polizei in Rothenburg seit 1998 an diesem Thema. So wurden zwischen 1998 und 2012 sechs schriftliche Bürgerbefragungen zur subjektiven Sicherheit und Lebensqualität in den Städten Görlitz und Hoyerswerda durchgeführt, deren Befunde und Erkenntnisse der praktischen Präventionsarbeit und der Kriminalprävention der sächsischen Polizei auch zugänglich gemacht wurden. Wir haben zudem im aktuellen Doppelhaushalt Forschungsmittel für das Projekt Subjektive Sicherheit eingestellt.
Schwierig wird es allerdings in dem auch in Ihrem Antrag angesprochenen Themenkomplex Bereich organisierte Kriminalität. Das Bundeskriminalamt hat am 8. August 2017 das Bundeslagebild 2016 zur organisierten Kriminalität in Deutschland veröffentlicht. Das Lagebild gibt umfangreiche Auskunft über die polizeilich bekannt gewordene organisierte Kriminalität. Diese Zahlen zeigen jedoch nur einen Bruchteil der tatsächlichen Situation. Das weitgehend unerforschte Dunkelfeld wird dabei nicht berücksichtigt.
Forschungsarbeiten in diesem Bereich sind bisher äußerst rar, vor allem aufgrund der besonderen methodischen Schwierigkeiten gegenüber dem Bereich der Allgemeinkriminalität. Das heißt, nicht nur die Bekämpfung der organisierten Kriminalität stellt sich als eine erhebliche Herausforderung für Polizei und Strafverfolgungsbehörden dar, weil die einzelnen Gruppen zumeist über erhebliche finanzielle Mittel, ausgezeichnete Tarnungsmöglichkeiten und internationale Strukturen verfügen und auch professionell und arbeitsteilig vorgehen.
Auch die Untersuchung des Dunkelfeldes stellt die Forschung vor erhebliche Herausforderungen. Opferbefragungen wie in der Dunkelfeldforschung üblich lassen sich hier nicht sinnvoll durchführen, da die Opfer gar
nicht in der Lage sind einzuschätzen, ob sie eventuell Opfer von organisierten Tätern geworden sind.
Damit ist eine Erforschung dieses Feldes nicht ausgeschlossen – weil es ja auch noch andere Ansätze gibt –, aber gleichsam extrem aufwendig. Wir reden hier beispielsweise als Quelle über Täter- und Informantenbefragungen, die zumindest teilweise Ergebnisse liefern können.
Dennoch sind Forschungsvorhaben methodisch schwierig und vor allem aufwendig, da nur einzelne Deliktfelder, zum Beispiel das Deliktfeld Wohnungseinbruchsdiebstahl, auf OK-Potenzial hin abgeklopft werden können, was aber noch keine Aussage über die organisierte Kriminalität als solche zulässt. Aufgrund der zunehmenden internationalen Bezüge der organisierten Kriminalität ist die Anfertigung einer Dunkelfeldstudie für diesen Bereich zumindest auf Länderebene wenig zielführend, da allenfalls ein äußerst kleiner Teil des möglichen Dunkelfeldes beleuchtet werden könnte.
So wiesen im Jahr 2016 441 von 563 Ermittlungsverfahren im Bereich der organisierten Kriminalität, also 78 % der Verfahren, internationale Bezüge von Deutschland in insgesamt 122 verschiedene Staaten auf, vor allem Bezüge in unsere Anrainerstaaten und nach Italien, Spanien und Großbritannien. Insofern stehen aus unserer Sicht für Sachsen Aufwand und verwertbarer Nutzen einer Dunkelfeldstudie zu dieser Kriminalitätsform in keinem Verhältnis zueinander. Das ist ein Ansatz, der allenfalls auf Bundesebene verfolgt werden sollte.
Im Ergebnis bleibt von Ihrem Antrag – so wichtig das Thema ist – nicht viel übrig, was sich politisch für uns hier in Sachsen umsetzen ließe, außer der Erkenntnis, dass Dunkelfeldstudien ein wünschenswertes, sinnvolles Mittel sind, um die polizeiliche Arbeit in Sachsen in bestimmten Punkten effektiver zu gestalten.
Durchaus Danke, dass Sie uns das noch einmal vor Augen geführt haben. Aber Ihres Antrags dazu hätte es nicht bedurft. Ich denke, sowohl meinen Ausführungen als auch der Stellungnahme des Sächsischen Staatsministeriums des Innern zu Ihrem Antrag an den Innenausschuss dieses Hohen Hauses konnten Sie entnehmen, dass die Staatsregierung an dem Thema Dunkelfeldforschung dran ist, und zwar in dem Umfang, der nach der derzeitigen Erkenntnislage sinnvoll ist. Es besteht daher keinerlei Notwendigkeit, die Staatsregierung hier zu irgendetwas aufzufordern. Das würde ja Versäumnisse voraussetzen, die ich beim besten Willen nicht erkennen kann.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Aufgrund geringer Redezeit werde ich es im Eiltempo versuchen. – Erstens. Kollege Anton, ich bin Ihnen dankbar für Ihre Ausführungen. Ich sehe es genauso, was die erheblichen methodischen Schwächen der Dunkelfeldstudien angeht. Gerade die von Ihnen, Herr Wippel, angesprochenen Studien von Herrn Liebl weisen methodische Schwächen auf. Aufgrund der viel zu geringen Datenbasis – setzen Sie einmal die Fallzahlen dagegen – können Sie kein valides Ergebnis errechnen. Das ist also alles Unfug.
Zweitens. Ja, Opferbefragungen sollte man durchführen. In einigen Kriminalitätsbereichen ist das aber nicht oder nur in viel zu geringem Umfang möglich. Beispiele sind die Sexualdelikte und die Drogendelikte. Bei Letzteren fände ich es besonders interessant. Wir könnten ja einmal fragen, wer in den vergangenen drei Jahren regelmäßig Heroin gespritzt hat. Wer wird Ihnen das sagen? – Also: auch Unfug!
Was man machen kann – in aller Eile –, ist die Kriminalitätsfurchtbefragung. Da sollte man heran. Dabei sollte man nicht die Landesebene in den Blick nehmen, sondern man sollte es auf die kommunale Ebene herunterzoomen. Dort ist es sinnvoll und angebracht, weil die Furchtursachen oft sehr eng mit den kommunalen Bedingungen verbunden sind.
Sie hätten – auch angesichts der bereits vorhandenen Forschungsergebnisse zu diesem Bereich – viel mehr Sorgfalt bei der Formulierung Ihres Antrags aufwenden müssen. Dann wäre vielleicht etwas Sinnvolles herausgekommen.
Es geschehen noch Zeichen und Wunder. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute über einen Sachantrag zu der Problematik des Hell- und des Dunkelfeldes im Bereich der Kriminalität. Wir müssen am Ende entscheiden, ob es eines solchen Antrags bedarf und ob er inhaltlich zustimmungsfähig ist.
Ausgangspunkt ist – das haben wir gehört – die Polizeiliche Kriminalstatistik, also die Kriminalität, welche polizeibekannt ist. Das ist das Hellfeld. Nicht alle Straftaten werden angezeigt oder festgestellt; das ist das Dunkelfeld. – So weit, so richtig.
Es ist ein wichtiges Ziel von uns allen, Kriminalität zu verhindern, das Problem zumindest zu verkleinern. Natürlich muss man dafür den Ursachen auf den Grund gehen, ob sie in sozialen, gesundheitlichen oder sonstigen Problemen liegen.
Je mehr wir über das Dunkelfeld in den einzelnen Bereichen wissen, desto genauer können wir die Problemanalyse betreiben und Lösungsansätze suchen. Insoweit lohnt sich eine Befassung mit dem Gegenstand des Antrags durchaus.
Aber brauchen wir diesen Antrag? In den letzten Jahren hat es an der Hochschule der Sächsischen Polizei bereits Dunkelfeldforschung gegeben; wir haben gerade schon etwas dazu gehört. Ich selbst hatte im Rahmen meines Studiums die Freude und Ehre, unter Leitung von Prof. Karlhans Liebl an einer Studie mitzuwirken. Es bedurfte damals keines politischen Antrags oder einer Beschlussfassung im Sächsischen Landtag, um die Studie durchzuführen. Notwendig waren lediglich der Entschluss, die Planung in der Hochschule und die nötigen Ressourcen, die der damalige Landtag zur Verfügung gestellt hat. Ich denke, so herum gehört es sich auch.
Die Hochschule kann den Bedarf und die Häufigkeit von Forschungsprojekten schon selbst erkennen. Als Landtag sollten wir die notwendigen Ressourcen bereitstellen. Das haben wir als SPD zusammen mit unserem Koalitionspartner getan, indem wir im Doppelhaushalt die Mittel für die Forschung an der Hochschule erhöht haben. Einen Antrag auf Erstellung einer globalen Dunkelfeldstudie brauchen wir also nicht.
Natürlich bedarf es hin und wieder mancher Impulse, um Untersuchungen in bestimmten Feldern anzustoßen. So freue ich mich, dass ich heute erfahren habe – ich konnte es verifizieren –, dass das Innenministerium den Auftrag erteilt hat, eine Untersuchung zu dem Phänomenbereich des Crystal-Konsums – besser: des Crystal-Missbrauchs – durchzuführen.
An dieser Stelle noch ein kleiner Hinweis zu der methodischen Problematik: Sie beziehen sich auf das Mittel der Befragung. Ich denke, es ist klar geworden, dass eine Befragung nur Anhaltspunkte für ein bestimmtes Dunkelfeld liefern kann. Ob das, was die Befragten angeben, der Realität entspricht, ob es also tatsächlich eine Beleidigung, eine Bedrohung oder sonst was war, kann man natürlich nicht herausfinden. Deshalb ist die Feststellung wichtig, dass es im Bereich der Dunkelfeldforschung weitere Methoden gibt, die phänomenbezogen zur Anwendung kommen müssen. Beispiele sind Beobachtungen und – bei bestimmten Phänomenen – Experteninterviews. Damit kann man sich dem Problem wirklich in seiner Gesamtheit nähern. Befragungen allein bieten nur ein Zerrbild.