dann ist es egal, ob sie 90 % des Weges richtig gefahren sind. Sie sind gut beraten zu bremsen und umzukehren. Doch wenn man offenbar wie die CDU im Koordinatensystem gerade eine Polverschiebung hat, dann ignoriert man augenscheinlich beharrlich jedwede Wegbeschreibung.
Wir wollen eine 180-Grad-Wende für mehr Präsenz der Polizei in der Fläche; denn die CDU in diesem Land macht offenbar so weiter wie bisher, egal was wir GRÜNE, egal was Experten und egal was die Bevölkerung dazu für eine Meinung haben.
Zum Thema Polizei, das in den Wochen nach der Bundestagswahl in Ihren eigenen Reihen immer wieder genannt wurde, wenn von „Neuanfang“ und „Neuausrichtung“ gesprochen wurde, hieß es vergangenen Freitag nur noch lapidar, dass es bei dem beschlossenen Plus von 1 000 Stellen bleiben werde. Doch das ist eben nicht genug.
Wir brauchen in Sachsen endlich den Mut, die Probleme in diesem Land zu lösen und das große Rad zumindest anzustoßen, anstatt nur zu hoffen, man käme auf Dauer mit der Reparaturbrigade weiter.
Ein „Weiter so!“ bei der Revierstruktur in Sachsen kann es nicht geben. Nehmen Sie endlich zur Kenntnis, dass Sie mit dem Projekt „Polizei.Sachsen.2020“, mit dem darin festgeschriebenen Stellenabbau bei der Polizei und mit den Revierschließungen falsche Entscheidungen getroffen und damit eine falsche Politik für diesen Freistaat gemacht haben.
Die Reform sah nicht nur die Schließung von über 30 Revieren und damit einen massiven Rückzug der Polizei aus der Fläche vor, sondern auch einen drastischen Stellenabbau. Über 2 600 Stellen sollten im Zuge der Polizeireform zwischen 2011 und 2020 bei der Polizei abgebaut werden.
Sie haben sich selbst, den Polizeibediensteten und der sächsischen Bevölkerung damals weismachen wollen, dass sich an der Zahl der Streifenbeamten nichts ändern werde. Das war bestenfalls Augenwischerei, aber wohl eher bewusste Irreführung der Bevölkerung, wie man heute spürt. Werte Kolleginnen und Kollegen, verdeutlichen Sie sich einfach einmal die Zahlen der Polizeibediensteten und der Polizeireviere. Ich empfehle zur vertiefenden Lektüre die Antworten auf die Kleinen Anfragen der GRÜNEN zur Stellenausstattung bei der Polizei.
durchgängig besetzten Standort tätig und im Revier Meißen 103 Bedienstete, so sind heute im einzig verbliebenen Polizeirevier Meißen gerade noch 182 Stellen vorhanden. Auch diese sollen, wenn die Pläne des Innenministers weitergeführt werden, bis 2020 auf 160 Stellen schrumpfen.
Der noch vorhandene Polizeiposten in Radebeul, immerhin eine Stadt mit über 34 000 Einwohnerinnen und Einwohnern, ist jetzt montags bis freitags von 8 Uhr bis 18 Uhr besetzt. Da hat Lidl um die Ecke länger auf. Das bringt mittlerweile selbst die örtliche CDU auf die Palme, die nun per Stadtratsantrag die Wiedererrichtung des Polizeireviers fordert.
Ein ähnliches Bild zeigt sich in Heidenau, wo die CDU unser Anliegen zumindest unterstützt. Das zeigt doch, dass es hier um Probleme geht, die die Menschen vor Ort ernsthaft bewegen.
Auch die Polizei in Freital mit fast 40 000 Einwohnerinnen und Einwohnern hat kein eigenes Revier und – nach Angaben auf der Homepage – keine festen Öffnungszeiten. 2011 taten dort 103 Beamtinnen und Beamte ihren Dienst, heute sind es noch 57.
Egal, welches Polizeirevier oder welchen Polizeiposten Sie sich anschauen: Der Stellenabbau der letzten Jahre, der Rückzug aus der Fläche ist überall zu sehen.
Vor dem Hintergrund der Ereignisse in Heidenau und Clausnitz haben Sie, werte Koalition, auf dem direkten Weg in den Abgrund zumindest die Bremse gezogen. Sie haben beschlossen, den Stellenabbau zu stoppen und die Anzahl der Beamtinnen und Beamten sukzessive wieder auf 14 000 zu erhöhen. Das war ein erster Schritt, doch eben nicht genug.
Es geht darum, weitere Fehler zu korrigieren. Da ist es dann auch Quatsch, wenn das Innenministerium darauf verweist, dass man keine Reviere, sondern Polizisten auf der Straße brauche. Die Erfahrung der Polizeireform zeigt doch: Das eine bedingt mitunter das andere. Es muss in diesem Freistaat jetzt endlich einmal Schluss sein mit den Halbherzigkeiten in der Politik.
Wir stellen Ihnen heute einen Antrag zur Abstimmung, der zum Ziel hat, die Polizeireform von 2011 in weiteren Punkten zu überarbeiten. Wir fordern, in jeder Stadt mit mehr als 10 000 Einwohnerinnen und Einwohnern ein rund um die Uhr besetztes Polizeirevier einzurichten bzw. wieder einzurichten. Damit wollen wir GRÜNE die Polizeipräsenz insgesamt erhöhen und den Bewohnerinnen und Bewohnern auch kleinerer Städte 24 Stunden am Tag polizeiliche Ansprechpartner zur Verfügung stellen.
Zudem soll und muss die Revierstruktur gewährleisten, dass die Polizei eine Interventionszeit von 20 Minuten einhalten kann, denn die Menschen in unserem Land dürfen erwarten, dass die Polizei in Sachsen bei Gefahr für Leib und Leben in dieser Zeit vor Ort ist. Vor diesem Hintergrund muss man sich die derzeitige Revierstruktur
sicherlich auch noch einmal spezifischer anschauen, beispielsweise in der Lausitz, und dort konkrete Anpassungen vornehmen.
Wir machen Ihnen ein Angebot und einen konkreten Vorschlag, wie wir die Polizei in Sachsen vor Ort besser aufstellen können. Ja, jetzt folgt erwartbar eine Detaildebatte in diesem Hause, eine Debatte darüber, ob dieses Konzept zu 100 % ausgegoren ist – wo vielleicht das eine Revier nutzlos ist oder ein anderes sinnvoller sein könnte.
Ich sage Ihnen ganz klar: Es ist ein Vorschlag, den man aufseiten des Innenministeriums gerne anpassen und weiter fundieren kann, sofern man dem Grundgedanken einer Rückkehr der Polizei in die Fläche folgt. Hier und heute geht es erst einmal nur um die Überarbeitung des zugrunde liegenden Konzepts.
Für uns ist wichtig: Gibt es zukünftig wieder eine vor Ort präsente Polizei in den Mittelstädten? Daran werden die Menschen uns messen. Wie wichtig es den Bürgerinnen und Bürgern ist, dass die Polizei rund um die Uhr vor Ort ist und in brenzligen Situationen auch schnell vor Ort ist, haben wir in den vergangenen Tagen – auch für uns überraschend – in unserer Pressearbeit erlebt. Kaum eine Lokalausgabe einer Zeitung hat unsere Forderung nicht aufgenommen.
Das Thema ist also hochbrisant und den Menschen offensichtlich viel wichtiger als Forderungen nach einem schärferen Polizeigesetz. Die Menschen wollen Polizei im Straßenbild sehen. Es gibt ihnen ein gutes Gefühl, wenn der Polizeistandort in ihrem Ort auch nachts besetzt ist – und nicht beispielsweise nur zwei Mal im Monat wie in Frankenberg – und wenn der Einsatzwagen innerhalb von 20 Minuten vor Ort sein kann. Das müssen wir in Sachsen bei der Polizei wieder hinbekommen.
Werte Kolleginnen und Kollegen der CDU! Folgen Sie den Worten Ihres Bundestagskollegen Marian Wendt, der meinte, es müsse Schluss sein mit einer Auftragspolizei, und man brauche endlich wieder eine Streifen- und Präventionspolizei. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Union! 180-GradWenden sind gar nicht so schwierig, wie Ihr Fraktionsvorsitzender behauptet. Den ersten Schritt können Sie heute mit der Zustimmung zu unserem Antrag machen.
Ich schließe mit einer Bitte an die SPD. Ihr stellvertretender Ministerpräsident hat nicht nur auf dem SPDLandesparteitag angekündigt, dass es Änderungen bei der Revierstruktur in Sachsen braucht. Uns eint hier offensichtlich das gemeinsame Ziel. Lassen Sie uns einen gemeinsamen Weg beschreiten. Im Sinne des Wohles für die Menschen in Sachsen hoffen wir, diesen in Gang zu setzen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei der Entscheidung zur Reduzierung der Stellen und der angepassten Struktur im Polizeibereich ist man zum damaligen Zeitpunkt von Bedingungen und Prognosen ausgegangen, die sich im Nachhinein als nicht zutreffend dargestellt haben. Ein erhöhtes Demonstrationsgeschehen, vermehrte Polizeieinsätze bei Fußballspielen, die Flüchtlingsthematik oder auch der deutliche Anstieg der Straftaten im Zusammenhang mit dem Internet und in den Grenzgebieten haben gezeigt, dass der damals eingeschlagene Kurs nicht mehr der heutigen Realität entspricht.
Meine Damen und Herren! Verantwortungsvolle Politik heißt, auf Veränderungen zu reagieren. Wir haben erkannt, welche notwendigen Korrekturen wir vorzunehmen haben. Aus dieser Verantwortung heraus ist es das klar definierte Ziel der Regierungskoalition und der Staatsregierung, neben einer verbesserten technischen Ausstattung die Stellen bei der Polizei um 1 000 auf insgesamt 14 000 bis zum Jahr 2025 zu erhöhen. Dafür bilden wir jährlich 700 Polizisten aus. 2019 werden zum ersten Mal mehr Polizisten ihren Dienst antreten als ausscheiden.
Meine Damen und Herren, der Antrag der GRÜNEN kritisiert, dass das Feinkonzept des Projektes „Polizei.Sachsen.2020“ der Empfehlung der Expertenkommission bislang nicht angepasst wurde, und fordert daher eine Überarbeitung des Feinkonzeptes bis zum März 2018. Dieses soll darüber hinaus eine höchste Interventionszeit von maximal 20 Minuten gewährleisten. Zudem wird gefordert – wir haben es gehört –, Polizeireviere in jeder Gemeinde mit mehr als 10 000 Einwohnern einzurichten, die rund um die Uhr besetzt sind.
Natürlich klingt das gut. Doch zur Wahrheit gehört, dass dies nach unseren Recherchen die Einrichtung von Polizeirevieren in weiteren 35 Städten in Sachsen erfordern würde. Zur Realität gehört auch, dass in diesen zusätzlichen Revieren für eine 24-Stunden-Besetzung jeweils – so ist es bei uns üblich – rund 75 Beamte benötigt würden. Dies wären aber Kräfte, die derzeit im Polizeivollzug tätig sind, also im Streifendienst und in der Ermittlungstätigkeit. Hier, meine Damen und Herren, brauchen wir sie auch, präsent auf der Straße und eben nicht sitzend in weiteren Dienststellen.
Meine Damen und Herren, für uns ist der Weg, den die Fraktion GRÜNE vorschlägt, nicht der richtige. Wir haben andere Prioritäten. Wir möchten eine flächendeckende Polizeipräsenz in allen Regionen und Kommunen sicherstellen, und neben den genannten zusätzlichen 1 000 Stellen soll dabei aus unserer Sicht der verstärkte Einsatz von Bürger- und Wachpolizisten unterstützend wirken.
Der Fokus muss auf gut geschultem, gut ausgestattetem und hoch motiviertem Personal liegen. Personal und Präsenz, Herr Lippmann, haben für uns Priorität, wenn es um die Weiterentwicklung unserer sächsischen Polizei geht. Polizeibedienstete vor Ort, meine Damen und Herren, sorgen dafür, dass sich die Menschen in unserem Land sicher fühlen können. Diese Polizeikräfte müssen nicht vordergründig in den Revieren untergebracht sein, sondern sie müssen auf der Straße sein, und zwar sichtbar, ansprechbar und bürgernah. Sie sehen also, aus unserer Sicht gibt es ein „Weiter so“ bei dem Projekt „Polizei.Sachsen.2020“ nicht.
Im Übrigen kann es auch nicht so sein, da die Organisation und die Optimierung unserer Polizei ein Prozess ist. Der wird begleitet durch dieses Haus und bei Bedarf nachgesteuert. Herr Lippmann, ich kann nicht erkennen, wie der eingebrachte Antrag Ihrer Fraktion das Ziel erreicht, das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung im Allgemeinen zu erhöhen. Ich muss Ihnen stattdessen entgegenhalten, dass Sie mit dieser Vorgehensweise den Mitgliedern des Landtags oder der Staatsregierung dieselbe Salamitaktik vorschlagen, die Sie selbst gegenüber der Staatsregierung so gern kritisieren, zuletzt in einer Pressemitteilung im Oktober dieses Jahres.
Denken Sie doch bitte einen Schritt weiter. Was wäre denn das Ergebnis, wenn wir die Polizeireviere jetzt ad hoc addieren würden, wenn das Feinkonzept erneut überarbeitet werden müsste? Würde man Ihrem Antrag folgen, würden wir uns im Klein-Klein verlieren und das Gesamtkonzept infrage stellen. Auch Führungskräfte der Polizei sehen das kritisch, Herr Lippmann.
Die Erkenntnisse des Feinkonzeptes und der Fachkommission werden berücksichtigt und das Konzept fortgeschrieben. Dieser Prozess mündet auch in das Konzept Strategie der sächsischen Polizei. Hier heißt es unter anderem: „Anzahl und Standorte der Reviere orientieren sich primär an polizeifachlichen Erkenntnissen. Die Polizei gewährleistet angemessene Reaktionszeiten und ist präsent an Schwerpunktorten und zu Schwerpunktzeiten. Der Streifendienst ist die Hauptkraft für die Gefahrenabwehr im Alltag. Vor Ort gewährleistet er den Dienst rund um die Uhr.“
Meine Damen und Herren, das heißt für mich: Unser Augenmerk liegt ganz klar auf der Präsenz der Polizei vor Ort. Sind in der Fläche genügend Bedienstete vorhanden, so werden auch die Interventionszeiten entsprechend kurz ausfallen. Ein Polizeirevier, Herr Lippmann, das rund um die Uhr geöffnet hat, wird nachts von Bürgerinnen und Bürgern in der Regel gar nicht aufgesucht. In der Nacht muss die Polizei telefonisch erreichbar sein, in Notfällen
auch über die 110, und schnell reagieren können. Auf die Anwesenheit und die Sichtbarkeit im öffentlichen Raum kommt es an und daher auf die Anzahl der Bediensteten im Streifendienst. An diesem Plan, meine Damen und Herren, werden wir festhalten. Die Forderungen nach weiteren Dienststellen und längeren Sprechzeiten wären folgende Schritte.
Deshalb meine Bitte an Sie als einbringende Fraktion: Lassen Sie uns die Lösungen sachlich und analytisch angehen, ein Schritt nach dem anderen.