Protokoll der Sitzung vom 16.11.2017

(Enrico Stange, DIE LINKE: Das bringt nichts!)

Das ist nicht der Fall.

(Enrico Stange, DIE LINKE: Gegen die Wand reden!)

Dann bitte ich jetzt die Staatsregierung.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aus der Sicht der Staatsregierung gilt natürlich: Je mehr wir

über die tatsächliche Kriminalitätsbelastung in unserer Gesellschaft wissen, je mehr wir das Feld der sogenannten Dunkelkriminalität ausleuchten, umso gezielter können natürlich auch unsere Sicherheitsbehörden darauf reagieren.

Über den Unterschied zwischen Anzeige- und Kontrolldelikten hat Herr Pallas ausreichend vorgetragen, sodass ich darauf nicht weiter eingehen will.

Für mich und für die Staatsregierung steht außer Frage: Wissenschaftliche Untersuchungen, die dazu führen, mehr über die tatsächliche Kriminalitätsbelastung zu wissen, sind natürlich ein wichtiger Baustein der Kriminalitätsbekämpfung und der strategischen Ausrichtung unserer Polizei.

Wie ich es Ihnen bereits geschrieben habe, will ich es hier noch einmal vortragen: Aus diesem Grund engagiert sich Sachsen in vielfältiger Weise. Schon lange beteiligen wir uns an bundesweiten Dunkelfeldbefragungen, zum Beispiel am Viktimisierungssurvey im Jahr 2012.

Ganz aktuell werden wir auf der kommenden Innenministerkonferenz vom 8. bis 10. Dezember einen Beschluss über eine weitere Dunkelfeld-Opfer-Befragung fassen.

(Sebastian Wippel, AfD: Aha!)

Ziel ist eine umfassende Befragung von Opfern über 16 Jahren

(Sebastian Wippel, AfD: Aber das geht doch gar nicht! Haben wir doch gehört!)

unter Federführung des BKA, die alle drei, gegebenenfalls alle zwei Jahre wiederholt werden soll. Ganz konkret geht es dabei um Opfererfahrung, Anzeigeverhalten, Sicherheitsgefühl, Erfahrung mit der Polizei und, was mir besonders wichtig war, es wird auch Länderspezifika geben.

Ganz kurz zur Methode: Es sollen sowohl schriftliche Befragungen als auch Onlinebefragungen durchgeführt werden.

Über das Engagement und die Forschung an der Fachhochschule bei uns in Rothenburg ist eine ganze Menge vorgetragen worden. Deshalb will ich die Aufzählung an dieser Stelle überspringen und nur noch einmal deutlich sagen. Ja, es ist mir wichtig gewesen. Herr Wippel, es war vor Ihrem Antrag; im August dieses Jahres haben wir den Auftrag zur Anfertigung einer Dunkelfeldstudie zum Thema Crystal an die Fachhochschule in Rothenburg gegeben. Geplant ist auch, dass sich Bayern und Thüringen sowie die Tschechische Republik und die polnische Republik an der Untersuchung beteiligen.

Sie sehen also, dass wir uns einerseits als Freistaat, andererseits aber auch im Bund-Länder-Konzert auf diesem Themenfeld engagieren, dass wir engagiert sind.

Ich will an dieser Stelle auch noch einmal die Grenzen aufzeigen, die wissenschaftliche Untersuchungen durchaus haben. Es ist hier angesprochen worden: Wenn es zum Beispiel um organisierte oder Bandenkriminalität geht,

dann wird es schwierig; denn Opfer können in der Regel schlicht keine Aussagen darüber treffen, ob sie durch organisierte Täter oder Einzelpersonen geschädigt wurden. Hinzu kommt, Täter selbst sprechen naturgemäß nicht über Taten, die bislang nicht angezeigt wurden.

Aus all diesen Gründen, die ich vorgetragen habe, empfiehlt Ihnen die Staatsregierung, den vorliegenden Antrag abzulehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Das Schlusswort, bitte, Herr Wippel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Staatsminister! Wenn ich den Redebeiträgen aus den anderen Fraktionen gelauscht habe, dann müsste ich ernsthaft an Ihrer Kompetenz zweifeln. Sie wollen mit der Innenministerkonferenz quasi eine Opferbefragung

durchführen, haben sich aber vorher eigentlich von allen Leuten anhören müssen, warum Opferbefragungen völlig untauglich sind. Sie stellen bei der Innenministerkonferenz auf dieses einzige Mittel ab.

(Albrecht Pallas, SPD: Bleiben Sie bei der Wahrheit, Herr Wippel! Wir haben gesagt, das ist nicht das einzige Mittel! Bei der Wahrheit bleiben! – Enrico Stange, DIE LINKE: Zuhören!)

Das ist dann doch ein wenig zu kurz gesprungen. Ich denke, wir sind ein ganzes Stück weiter.

Im Grunde sind wir uns aber alle einig darin, dass wir Dunkelfeldforschung brauchen. Wir sind uns einig darin,

dass das Thema der subjektiven Sicherheit nicht ausreichend ist.

Ich freue mich, dass die Gewerkschaft der Polizei dieses Anliegen ebenfalls mitträgt. Ich denke, die anderen Gewerkschaften werden es auch mittragen.

(Staatsminister Markus Ulbig: Das Anliegen oder Ihren Antrag? – Albrecht Pallas, SPD: Wir alle, Herr Wippel, aber nicht so!)

Wenn wir über die organisierte Kriminalität reden und über die Probleme, die es bei der Erforschung gibt, dann sehen Sie es nicht als Problem und als Ausschlussgrund. Damit macht man sich das Ganze nämlich sehr einfach: Wir können uns nicht gleich die einfache Lösung vorstellen. Deshalb kümmern wir uns nicht um diesen Bereich. Nein. Sehen Sie es als Herausforderung. Geben Sie der Fachhochschule diesen Auftrag, sich mit diesem Thema intensiver zu befassen. Nachher sind wir schlauer.

Wir brauchen diese Dunkelfeldstudie, weil wir noch zu wenig über das Dunkelfeld wissen. Wir wollen es gern wissen. Ich weiß, dass Sie es eigentlich auch gern wissen wollen. Deswegen können Sie ruhig diesem Antrag zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren, ich lasse jetzt über die Drucksache 6/10642 abstimmen. Wer die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen. Wenige Stimmen dafür. Damit ist der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt worden.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 10

Kein „Weiter so“ beim Projekt „Polizei.Sachsen.2020“ –

Rückzug der Polizei aus der Fläche stoppen, Polizeireviere wieder

einrichten und Feinkonzept aktuellen Stellenentwicklungen anpassen

Drucksache 6/11182, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Hierzu können die Fraktionen wieder Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde: zuerst die Fraktion GRÜNE. Danach folgen CDU, DIE LINKE, SPD, AfD und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht.

Herr Lippmann, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! In diesen Tagen befindet sich die sächsische Union auf Harakirikurs. Einerseits erzählt sie, dass man beim Wahldebakel verstanden habe, andererseits bemüht sie sich seit Tagen, deutlich zu machen, dass es deshalb aber nicht an der Zeit sei, großartig etwas zu ändern.

Der große Logiker Frank Kupfer, seines Zeichens Fraktionsvorsitzender der CDU-Fraktion, moderierte vergangenen Freitag nach der dreitägigen Klausur der CDUFraktion für die CDU sämtliche Ansprüche, die Probleme im Freistaat zu lösen, mit den Worten ab – ich zitiere –: „Wenn wir eine 180-Grad-Wende machen würden, dann hieße das, wir haben 27 Jahre die falsche Politik gemacht. Das haben wir aber nicht.“

(Frank Kupfer, CDU: Das stimmt!)

Das ist ein Satz, der wie kein zweiter das Politikverständnis der hiesigen CDU auf den Punkt bringt.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn Sie falsch abgebogen sind und auf einen Abgrund zusteuern,

(Heiterkeit bei der AfD)

dann ist es egal, ob sie 90 % des Weges richtig gefahren sind. Sie sind gut beraten zu bremsen und umzukehren. Doch wenn man offenbar wie die CDU im Koordinatensystem gerade eine Polverschiebung hat, dann ignoriert man augenscheinlich beharrlich jedwede Wegbeschreibung.