Protokoll der Sitzung vom 16.11.2017

Bitter ist die Entscheidung jedoch für die Leichtbauexperten der TU Chemnitz ausgefallen. Der Folgeantrag für das Exzellenzcluster MERGE wurde nicht zur Antragstellung

aufgefordert. Hier geht es nun darum, einen geordneten Übergang zu organisieren und das Themenfeld weiter zu besetzen. Mit der Gründung der sächsischen Leichtbauallianz ist ein erster Schritt zur Kooperation unserer drei Technischen Universitäten getan.

Die Redezeit, Herr Kollege.

Jetzt sollte im zweiten Schritt der institutionelle Beitritt der TU Chemnitz erfolgen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Kollege Mann sprach für die einbringende SPD-Fraktion. Jetzt folgt für DIE LINKE Herr Jalaß, bitte.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren und AfD! Was wir heute erleben, war vermutbar keine kritische Debatte und wird auch keine werden, sondern es ist stattdessen eine Feierstunde der Koalition in Sachen Exzellenzstrategie. Getroffen wurde eine wichtige Vorentscheidung, und zwar hat ein internationales Expertengremium, wir haben es schon gehört, berufen von der Deutschen Forschungsgesellschaft, vom Wissenschaftsrat und der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz, 88 Projekte bestimmt, die in die Endrunde zur Förderlinie Exzellenzcluster kommen.

Aus Sachsen dürfen sich dabei die TU Dresden und die Uni Leipzig mit Vollanträgen für Exzellenzcluster bewerben. Die TU Freiberg und die TU Chemnitz sind ausgeschieden. Am 27. September kommenden Jahres wird sich entscheiden, was letztlich gefördert wird. Die Rahmenbedingungen – Herr Mann hat es gerade erklärt – haben sich insoweit verändert, dass die Exzellenzstrategie eine Dauereinrichtung mit Mitteln des Bundes werden soll. Diese sogenannten Eliteuniversitäten werden dann alle sieben Jahre überprüft, was mit jedem Mal ein Ausscheiden immer unwahrscheinlicher macht. Man könnte auch sagen, einmal Exzellenz immer Exzellenz, oder mit Blick auf die, die ausgeschieden sind, könnte man sogar vermuten und befürchten, einmal nicht Exzellenz, nie Exzellenz.

Ich denke, damit zementiert sich auch die fortgeschrittene Hierarchisierung in der deutschen Hochschullandschaft. Oder anders ausgedrückt, an der Spitze sammelt sich viel Geld und in der Breite kommt davon nichts an. Von Wettbewerb in der Forschung kann nicht ernsthaft die Rede sein. Man muss sogar befürchten, dass sich eventuell Bundesuniversitäten herausbilden, die dann mehrheitlich vom Bund finanziert international agieren sollen.

Wenn wir schon eine Feierstunde haben, dann müssen wir überlegen, wem wir diesen Erfolg zu verdanken haben. Beispielsweise haben sich mehr als 500 Mitglieder der TU Dresden bei der Erstellung des Zukunftskonzeptes für die Exzellenzinitiative 2010 eingebracht. Wir reden vor allem von wissenschaftlichen und nicht wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das sind genau

jene, die sich derzeit in Sachsen und bundesweit zusammentun, um gegen prekäre Beschäftigung anzugehen. Das sind auch diejenigen, die vor Kurzem in Berlin dagegen demonstriert haben. Hier gilt der Dank und die Anerkennung tatsächlich mal nicht dem Bund, sondern Hunderten, gar Tausenden ausgebeuteten und prekär Beschäftigten.

(Beifall bei der LINKEN)

Und um das mit einem offiziellen Bericht zu illustrieren – es gibt die internationale Expertenkommission zur Evaluation der Exzellenzinitiative, die zu folgendem Ergebnis kam: Der ganze bisherige Weg hat sich letztendlich kontraproduktiv auf den akademischen Nachwuchs ausgewirkt. Junger akademischer Nachwuchs verbringt seine produktivsten Jahre auf schlecht bezahlten und befristeten Stellen. Der endgültige Einstieg in die wissenschaftliche Laufbahn findet nicht früher, sondern mittlerweile sehr viel später statt. Die Ironie dabei ist, dass die Hochschulen davon auch noch profitieren und vor allem Frauen von einer Laufbahn in der Wissenschaft massiv abgeschreckt werden. Bravo, meine Damen und Herren, wenn Sie das Erfolg nennen.

(Dr. Stephan Meyer, CDU: Thema!)

Der Weg zur Exzellenz hat für die Hochschulen in Sachsen eigentlich kaum irgendetwas verbessert. Vor allem steht die Lehre vor großen Problemen. Die Zahl und Qualität der Studierenden ist nicht eigenständig steuerbar, die Basisfinanzierung ist von der Zahl der Studierenden abhängig, die zugrunde liegende Kapazitätsverordnung bestraft aber die Schaffung neuer Professuren, die Lehrverpflichtung der Dozierenden ist gleichzeitig zu hoch und ein gefährliches Ziel der Exzellenz ist gleichzeitig die Absicht, demokratische Strukturen innerhalb der UniGovernance abzubauen. Man wünscht sich viel straffere Strukturen.

(Dr. Stephan Meyer, CDU: Thema verfehlt!)

Die vertikale Differenzierung gerät damit auch in Schieflage, die Ungleichheit zwischen den Hochschulen wird ausgebaut und letztlich wird prekäre Beschäftigung – ich erwähnte es schon – immer weiter gefördert.

Meine Damen und Herren! Es tut mir leid – nein, das war Spaß –, es tut mir nicht leid, aber es ist tatsächlich nicht alles Gold, was heute hier als glänzend beschrieben und abgefeiert wird. Mehr dazu gern in der zweiten Runde.

(Beifall bei den LINKEN)

Das war Herr Jalaß für die Fraktion DIE LINKE und jetzt kommt Frau Wilke für die AfD zu Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Große Worte und Berge von Geld, aber keine Exzellenz, die sich im internationalen Ranking sehen lassen könnte.

(Staatsministerin Dr. Eva-Maria Stange: Was?)

Wir leben aber von erstklassiger Forschung.

Mit der Exzellenzstrategie soll die Spitzenforschung in Deutschland weiter gefördert werden. Dafür stehen im Jahr 2017 rund 80 Millionen Euro und ab dem Jahr 2018 jährlich 533 Millionen Euro zur Verfügung. Auf den ersten Blick ist das ein stolzer Betrag, auf den zweiten allerdings nicht mehr so.

Wir müssen uns fragen, ob es ausreicht, allein die Spitzenforschung zu fördern, oder es den deutschen und sächsischen Hochschulen doch an ganz anderen Dingen mangelt. Wo stehen eigentlich die deutschen Universitäten im internationalen Vergleich und wo die sächsischen?

Im Academic Ranking of World Universities 2017 belegen nur vier deutsche Hochschulen einen Platz unter den Top 100: Platz 42 Universität Heidelberg, Platz 50 TU München, Platz 57 Universität München, Platz 95 Universität Göttingen. Die Exzellenzuni Dresden teilt sich den Platz 151 bis 200 mit mehreren anderen Universitäten, darunter auch Leipzig. In dieses Ranking fließen als Parameter neben den wissenschaftlichen Ergebnissen vor allem die Qualität der Lehre mit 40 % und die Qualität der Bildung mit 10 % ein.

Im Times Higher Education Ranking 2018 schneiden die deutschen Universitäten leicht besser ab: zehn deutsche Unis unter den Top 100. Aber auch hier steht die Exzellenzuni Dresden auf Platz 155. Auch in dieses Ranking fließen Lehre und Forschung zu je 30 % in die Bewertung mit ein.

Wir sehen also, die deutschen Unis schneiden im internationalen Vergleich trotz der Exzellenzinitiative schlecht ab. Mit der Exzellenzstrategie wird es kaum besser werden. Von Deutschland als einem Hort der universitären Spitzenforschung und Spitzenlehre kann also keine Rede sein. Das wird uns ganz klar durch die Rankings bestätigt. Wir wollen den Erfolg der TU Dresden nicht kleinreden, aber ganz objektiv gesehen spielt die einzige Exzellenzuniversität Mitteldeutschlands international

keine Rolle.

Wieso ist es eigentlich die Uni Dresden, die sechs Vollanträge einreichen darf und die Uni Leipzig nur einen?

(Staatsministerin Dr. Eva-Maria Stange: Ja, das ist die Frage! Die kann man beantworten!)

Ganz einfach: Die Uni Dresden wurde durch ihren Titel „Exzellenzuniversität“ vom Personalabbau ausgenommen.

(Lachen der Staatsministerin Dr. Eva-Maria Stange)

Der Uni Leipzig fehlen – wie anderen Unis auch – unter anderem schlicht und einfach die personellen Ressourcen, um in diesem Wettbewerb bestehen zu können. Ein fairer Wettbewerb sieht anders aus. Unter dem hohen Ressourceneinsatz für die Fördermittel leidet nicht zuletzt die Lehre in einem erheblichen Maß.

Wir können also attestieren, dass die Investitionen in die Hochschulen insgesamt viel zu niedrig sind.

Was nutzt es, nur in Leuchtturmprojekte der Spitzenforschung zu investieren, wenn die Grundinvestitionen in die Hochschulen viel zu gering sind? Ein Beispiel ist der Sanierungsstau.

In den Jahresberichten 2015 und 2016 stellte der Sächsische Rechnungshof einen Investitionsbedarf an der TU Dresden in Höhe von 500 Millionen Euro, an der Uni Leipzig in Höhe von 140 Millionen Euro und an der Hochschule Mittweida in Höhe von 29,5 Millionen Euro fest. In der Summe ergibt das fast 700 Millionen Euro für drei Hochschulen. Für die elf anderen Hochschulen und die Berufsakademie wurde der Sanierungsbedarf dabei noch nicht mit berücksichtigt.

Den Hochschulen fehlt das Fundament, auf dem sie eine Spitzenforschung aufbauen können, die im internationalen Vergleich mit den Besten mithalten kann.

Schaffen Sie, also CDU, Staatsregierung und SPD, zuerst dieses Fundament, bevor Sie sich angesichts des Exzellenzstatus gegenseitig auf die Schultern klopfen; denn dieser Status findet international keinerlei Beachtung.

Warum ist das so? – Achten wir neuerdings mehr auf Abiquoten als auf Begabung und Leistungsfähigkeit? Ist die Exzellenzinitiative nur ein Feigenblatt, um genau das zu verbergen: einen Verlust an Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft, der schon in der Schule beginnt?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD – Staatsministerin Dr. Eva-Maria Stange: Lesen hilft manchmal!)

Das war Frau Wilke für die AfD-Fraktion. Jetzt kommt Frau Dr. Maicher für die Fraktion GRÜNE zu Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich beim Lesen der Aktuellen Debatte schon gefragt, was daran aktuell ist. Die Entscheidung für die zweite Runde ist bereits im September gefallen. Vielleicht ist es aber der viel beschworene politische Neuanfang der Koalition, dass jetzt Bildung und Wissenschaft zum immer aktuellen Thema werden. Das würden wir sehr begrüßen, weil das bitter notwendig ist.

(Beifall bei den GRÜNEN – Dr. Stephan Meyer, CDU: Bisher auch schon!)

Zunächst möchte ich aber auch die Gelegenheit nutzen, den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der erfolgreichen Universitäten Dresden und Leipzig zu diesem wichtigen Zwischenziel zu gratulieren. Es ist ihr wissenschaftlicher, aber eben auch der verwaltungslastige Aufwand dahinter, der zu würdigen ist und der zu diesem wichtigen Erfolg geführt hat. Das zeigt aus meiner Sicht auch, welches Potenzial unsere Universitäten haben.

Nichtsdestotrotz bleibt der Wermutstropfen des Ausscheidens des Chemnitzer Leichtbauclusters MERGE. Ich finde, es hätte doch Aktualität bedeutet, wenn Sie dieses Thema gewählt hätten: Wie geht es dort nach dem Jahr

2019 weiter? Was ist, wenn die Auslauffinanzierung nicht mehr da ist? Welchen Plan verfolgt die Staatsregierung, um das wissenschaftliche Know-how und die Forschungsstrukturen, die dort aufgebaut worden sind, tatsächlich vor Ort zu halten?

Ich habe das die Ministerin vor vier Wochen im Wissenschaftsausschuss gefragt und jetzt eine Antwort bekommen. Sie zeigt mir, dass offensichtlich kein Plan B vorhanden ist, dass man einfach darauf gehofft hat, schon erfolgreich zu sein. Ich glaube, das reicht nicht aus.

Statt sich hier und heute dafür zu loben, dass es die beiden Universitäten im Exzellenzwettbewerb in der ersten Runde geschafft haben, sollten wir doch mehr über die Rahmenbedingungen sprechen, für die der Freistaat selbst verantwortlich ist.

Ich finde nicht, dass es am Thema vorbeigeht, darüber zu reden, wenn Sie den Titel gewählt haben, dass wir den Wissenschaftsstandort in Sachsen stärken wollen. Dabei geht es eben um eine viel höhere Grundfinanzierung als derzeit. Es geht um eine ordentliche Stellenausstattung und vor allem um attraktive Arbeitsplätze. Natürlich geht es um eine ordentliche Infrastruktur, eine ordentliche Forschungsinfrastruktur für eine ordentliche Lehre.