Protokoll der Sitzung vom 13.12.2017

Artikel 1, Sächsisches Lehrerbildungsgesetz. Ich bitte um das Handzeichen bei Zustimmung. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Eine ganze Anzahl von Stimmenthaltungen, trotzdem abgelehnt.

Artikel 2, Folgeänderungen. Bei Zustimmung bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Eine ganze Anzahl von Stimmenthaltungen, trotzdem abgelehnt.

Artikel 3, Änderung des Sächsischen Hochschulfreiheitsgesetzes. Ich bitte Sie um das Handzeichen bei Zustimmung. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Eine ganze Anzahl von Stimmenthaltungen, trotzdem abgelehnt.

Artikel 4, Inkrafttreten. Ich bitte bei Zustimmung um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Wiederum ist bei einer ganzen Anzahl von Stimmenthaltungen auch Artikel 4 abgelehnt.

Nachdem sämtliche Teile des Gesetzentwurfs abgelehnt wurden, findet über diesen Gesetzentwurf gemäß § 47 der Geschäftsordnung eine Schlussabstimmung nur auf Antrag des Einbringers statt. Ich frage daher die Fraktion GRÜNE, ob sie diese Schlussabstimmung wünscht.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Nein!)

Das ist nicht der Fall. Damit ist die Beratung abgeschlossen. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 11

Fit für die Zukunft – Digitalisierung von Archivgütern und

langfristige Archivierung elektronischer Unterlagen

Drucksache 6/11347, Antrag der Fraktionen CDU und SPD

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen.

Die Reihenfolge in der ersten Runde ist: CDU, SPD, DIE LINKE, AfD, GRÜNE, die Staatsregierung, wenn gewünscht. Für die CDU spricht jetzt Herr Kollege Fritzsche.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der vorliegende Antrag der Koalitionsfraktionen von CDU und SPD widmet sich einem Zukunftsthema und greift gleichsam zurück in die Vergangenheit.

Es geht darum, unsere sächsischen Gedächtnisorganisationen, unsere Archive, in das Zeitalter der Digitalisierung zu führen, die Herausforderungen anzunehmen und die sich bietenden Chancen zu nutzen. Doch was heißt das konkret? Grundsätzlich bietet digitales Archivgut die Möglichkeit, über das Internet nicht nur zeitgemäß präsentiert zu werden, sondern dies auch orts- und zeitunabhängig zu tun. Damit kann ein nutzergerechter Beitrag zur Wissensvermittlung geleistet werden und dies bei gleichzeitigem Schutz und Schonung des Originals. Es können

quasi beliebig viele digitale Duplikate angefertigt und an unterschiedlichen Orten gespeichert werden.

Zweifelsohne stellen die Anfertigung, die Speicherung und nicht zuletzt die Zugänglichmachung der digitalen Archivgüter neben hohen finanziellen Anforderungen – Stichwort: IT-Technik – auch enorme organisatorische Anforderungen an die Träger der Archive.

Insbesondere diesem Themenfeld wollen wir uns mit dem folgenden Antrag nähern. Dieser gliedert sich im Wesentlichen in einen Berichtsteil und in einen Prüfauftrag an die Staatsregierung. Den gewünschten Inhalt der Berichte können Sie im vorliegenden Antrag gut nachvollziehen. Wichtig ist uns dabei, auch auf eine aktuelle und vorausschauende Bewertung der Fachkräftesituation bei den Archivaren im Freistaat Sachsen einzugehen.

Eine zentrale Frage ist für uns dabei, wie insbesondere die kommunalen Archive im Prozess der Digitalisierung unterstützt werden können. „Sachsen digital“, die Digitalisierungsstrategie des Freistaates Sachsen, wendet sich

dem Thema der Archivierung im Wesentlichen im Rahmen eines Landesdigitalisierungsprogramms für Wissenschaft und Kultur des Freistaates Sachsen unter Federführung des SMWK sowie in dem bereits angedeuteten Projekt unter Federführung des SMI, dem sogenannten SAX.Archiv, zu.

Dabei handelt es sich um eine Plattform beim Sächsischen Staatsarchiv, erreichbar unter sachsen.de, auf der in der Perspektive alle Archive im Freistaat Sachsen ihre Erschließungsdaten und Digitalisate im Archivportal-D in der Deutschen Digitalen Bibliothek sowie der Europeanar als nationalem bzw. europäischem Portal bereitstellen.

Diese hohen Erwartungen an die kommunalen Archive können ohne entsprechende Unterstützung nicht erfüllt werden. Daher bitten wir die Staatsregierung um Prüfung der Auflage eines Landesprogramms zur Digitalisierung der Archive. Dabei soll es ausdrücklich nicht nur um die Förderung der Digitalisierung an sich oder der notwendigen IT-Infrastruktur gehen, sondern im besonderen Maße um die Bereitstellung von Strukturen zur Steuerung von Digitalisierungsprojekten, um die fachliche Beratung und den Wissenstransfer in die kommunalen Archive hinein und um die Unterstützung bei der dauerhaften und infrastrukturell sowie rechtssicheren Speicherung der digitalen Archivgüter.

Ein Ansatz könnte hier die Schaffung einer kommunalen Archivberatungsstelle sein. Ein positives Beispiel bietet Hessen. Dort ist die Aufgabe der kommunalen Archivberatung mit Hessen bei der Zuständigkeit als zentrale Aufgabe des Hessischen Landesarchivs am Hessischen Staatsarchiv in Darmstadt angegliedert. Die Beratung folgt einem pragmatischen Ansatz, geht vor allem auf die Bedürfnisse des jeweiligen Archivs ein und bietet zugeschnittene, praktische Hilfestellung. Es geht dabei sowohl um technische Fragen der Digitalisierung, um Fragen der Langzeitarchivierung, um rechtliche Fragen – Stichworte sind hier das Urheberrecht und der Datenschutz – als auch um Fragen der Wiederauffindbarkeit und nicht zuletzt auch um Fragen der Wahl des richtigen bzw. zukunftsfesten Speicherformates.

Die reiche sächsische Archivlandschaft steht vor enormen Herausforderungen, aber es bieten sich auch große Chancen. Archive als Gedächtnisorte können im Zuge der Digitalisierung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, einen Beitrag zur Wissensvermittlung leisten und nicht zuletzt für mehr Bürgernähe sorgen. Daher bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Für die CDU-Fraktion war das Kollege Fritzsche. Jetzt spricht für die SPDFraktion Frau Kollegin Kliese.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gar nicht so einfach, nach einem aufregenden Tag um diese Uhrzeit über das

Thema Archive zu sprechen. Aber ich möchte mich bemühen, Ihnen zu zeigen, dass es ein sehr spannendes Thema ist. Ich persönlich empfinde das so und hoffe, dass ich Sie auch begeistern kann, indem ich Ihnen einfach einmal drei Belege dafür nenne, warum Archive wichtig und hochinteressant sind.

Erstes Beispiel: Im Herbst 2001 fand der deutsche Historiker Sönke Neitzel im Britischen Nationalarchiv London Gesprächsprotokolle deutscher Kriegsgefangener. Auf insgesamt 150 000 Seiten wurden hier die Verbrechen der deutschen Wehrmacht dokumentiert. Es sind Dokumente des Grauens, der Lust am Unmenschlichen. Das daraus entstandene Buch heißt „Soldaten. Protokolle vom Kämpfen, Töten und Sterben“. Wer das gelesen hat, wird wissen, weshalb es sich verbietet, die Wehrmacht zu würdigen. Es ist eine Mentalitätsgeschichte von Mördern, die ohne Archive nicht hätte geschrieben werden können.

Zweites Beispiel: Im Jahr 2009 erschien ein Aufsatz, der die Ermordung Benno Ohnesorgs, die das Schlüsselereignis in der Radikalisierung der deutschen Studentenbewegung ist, als Tat eines SED-Mitglieds und Stasispitzels offenlegte. Ein Beleg dafür, dass die Tat von der Stasi beauftragt wurde, ist den Akten jedoch nicht zu entnehmen.

Drittes Beispiel: Vor einem Jahr wurden durch eine Publikation die Studienstiftungsakten der RAF

Terroristen und ehemaligen Stipendiaten der Studienstiftung des Deutschen Volkes Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin und Horst Mahler offengelegt. Die Stiftung versprach sich laut Aktenlage von Gudrun Ensslin, Horst Mahler und Ulrike Meinhof – ich zitiere – „hervorragende Leistungen im Dienst des Volksganzen“.

Diese Zitate belegen, wie wichtig für uns Archive sind. Sie beweisen, was Heribert Prantl zum Bundesarchivtag so schön formulierte: „Archive sind demokratierelevant. Sie sind das Gedächtnis von Demokratie und Diktatur.“ Ihre Aufgabe besteht im Wesentlichen aus zwei Komponenten: Auswahl und Ordnung.

Wer dabei jetzt an seinen Schreibtisch, seinen Dachboden oder seinen Keller denkt, weiß, wie schwierig das mit Auswahl und Ordnung ist. An Auswahl und Ordnung sind in den letzten Jahren völlig neue Aufgaben gestellt worden. Das liegt in erster Linie an der elektronischen Sintflut, der wir ausgesetzt sind. Wer nicht Zufall oder Zerfall über die Auswahl bestimmen lassen will, braucht Personal und Technik. In diese Richtung zielt unser Antrag.

Die Arbeit des Archivars ist heute anders als früher, und doch sind einige Aufgaben gleich. Der Archivar muss die Daten und die Unterlagen auf ihre Archivwürdigkeit bewerten. Er muss die Daten und die Unterlagen langfristig sichern, er muss speichern und er muss dafür sorgen, dass das Archiv auch genutzt werden kann, es zugänglich ist. Die digitale Welt bringt für die Archive große Herausforderungen mit sich, denen wir uns als Gesellschaft stellen müssen.

Zwei wesentliche Aspekte sind die Herstellung von Digitalisaten und die Bereitstellung der Infrastruktur, und diese sowohl mit Blick auf die dauerhafte Speicherung als auch mit Blick auf die Nutzung des digitalen Archivs. Für all diese Aufgaben brauchen wir Fachkräfte. Pflege der IT, Verwaltung, Digitalisierung und Bereitstellung und Aufarbeitung von Daten sind zusätzliche neue Aufgaben. Mit dem Sächsischen Staatsarchiv sind wir dafür relativ gut aufgestellt. Relativ gut bedeutet: Im letzten Haushalt haben wir die Mittel für die Herstellung von Digitalisaten aufgestockt. Digitalisate sind elektronische Abbildungen vorhandener Unterlagen. Mit diesen konnten auch zusätzliche DFG-Mittel eingeworben werden.

Dennoch braucht man dafür nicht nur Geld, sondern auch Manpower. Die Menschen, die in den Archiven arbeiten, müssen die große Menge Arbeit, die jetzt auf sie zukommt, auch leisten können.

Wir haben heute eine elektronische Sintflut. Ich habe dieses sprachliche Bild schon einmal verwendet, und ich möchte das fortführen mit einem Bild, das Heribert Prantl beim Archivtag verwendet hat und das ich sehr passend fand: Es wäre schön, wenn die Archive eine Art Arche Noah sein könnten. Die Arche Noah – das wissen Sie – war nach dem biblischen Buch Genesis ein schwimmfähiger Kasten, mit dem Noah versuchte, die Tiere vor der Sintflut zu retten. Noah hat sich einigermaßen leicht getan. Offenbar hatte er viel Platz und die Tierarten waren wohl nicht so zahlreich. Die sächsischen Archivare haben es da deutlich schwerer als Noah. Der Platz ist begrenzt und die Arten sind schier unüberschaubar.

Unser Antrag soll dazu dienen, ihnen die Arbeit etwas zu erleichtern, Auswahl und Ordnung auch in Zukunft möglich zu machen. Dafür bitten wir um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der SPD und der Staatsregierung)

Auf Frau Kollegin Kliese folgt jetzt Frau Kollegin Dr. Pinka.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seien Sie nicht erstaunt, dass ich jetzt an das Rednerpult trete. Ich darf das eingangs mit wenigen Worten erklären.

In meiner geliebten Heimatstadt Freiberg wurde vor mehr als zehn Jahren der Beschluss gefasst, das Schloss Freudenstein zu kaufen und mit dem Freistaat Sachsen einen Vertrag abzuschließen. Seitdem befinden sich in diesem Gebäudekomplex nicht nur die wunderschöne Mineralienausstellung terra mineralia, sondern auch das Bergarchiv Freiberg, das sämtliche Überlieferungen in Bezug auf die Bergverwaltungen sowie zahlreiche Dokumente bezüglich der sächsischen Bergbau- und Hüttenbetriebe bewahrt. Ursprünglich sollten damals diese Kulturgüter fotografiert und entsorgt werden. Es ist einzelnen Menschen zu verdanken, dass diese wertvollen Unterlagen in Papier vollumfänglich für Forschung und Lehre dauerhaft einen guten Bewahrungsort gefunden haben.

Es gibt einen zweiten Aspekt, warum ich zu Ihnen spreche. Vor einem Jahr habe ich mich hier zum Sächsischen Umweltinformationsgesetz und dem Sächsischen Geodateninfrastrukturgesetz geäußert. Diese sind ganz kleine Teilaspekte zur Umsetzung der europäischen INSPIREDatenstrategie und zu einer Open-Data-Strategie des Freistaates Sachsen – wenn es sie denn gäbe. Mit diesem jetzt zu diskutierenden Antrag picken Sie sich wieder nur ein Bruchstück heraus, nämlich das der Digitalisierung von Archivgütern und der langfristigen Archivierung elektronischer Unterlagen.

Ich möchte es gleich am Anfang sagen: Ich finde es unsäglich, einen Berichts- und Prüfantrag zu stellen, ohne dem Ministerium die Möglichkeit zu geben, allen Abgeordneten eine schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der Plenumsdiskussion zu geben. Ich finde es auch unsäglich, warum man solch ein strategisch wichtiges Thema nicht öffentlich mit Sachverständigen über mehrere Fachausschüsse hinweg anhören lässt.

Vielleicht hätten Sie dann erfahren können, welche großen Aufgaben mit dem Anspruch einer digitalen Archivwelt vor uns stehen.

(Zuruf der Abg. Dagmar Neukirch, SPD)

Dann wäre Ihnen vielleicht auch bewusst geworden, dass der vormalige strategische Ansatz des Personalabbaus Spuren hinterlassen hat: Seit 2009 ist mehr als jede vierte Personalstelle in den Staatsarchiven Sachsens dem Rotstift zum Opfer gefallen. Sie hätten auch gehört, dass das Standortekonzept zum Teil nicht aufgeht. So ist der Anspruch auf die Belebung des ländlichen Raumes durch eine Behörde, beispielsweise einer Werkstatt des Sächsischen Staatsarchivs in der Hubertusburg in Wermsdorf zwar löblich, aber wenn nicht für guten Bus- und Bahnanschluss gesorgt wird, dann ist die Chance, dass junge Menschen aus der Stadt dort hinfahren und vielleicht mittelfristig ihren Wohnort dorthin verlagern, sehr gering.

Aktuell sind von 55 Planstellen 13 besetzt. Zum dritten Mal in Folge wurde die Stelle des dortigen Filmarchivs vergeblich ausgeschrieben. Das heißt im Umkehrschluss: Es fehlen bereits jetzt Fachkräfte für die Grundaufgaben der Archivierung, geschweige denn, dass es genügend Personen gibt, die als IT-Spezialisten eingesetzt werden könnten. Mittlerweile ist es wohl so, dass es für die Archive kein finanzielles Problem im Haushalt mehr gibt, aber die Personaldecke so dünn ist, dass konzeptionelle Arbeit, zum Beispiel für die Digitalisierung der Staatsarchive, geschweige denn der kommunalen Archivunterlagen nicht angegangen werden kann. Personal für Ausschreibung oder Begleitung von Vergaben oder Betreuung von externen Büros sind im Moment nicht umsetzbare Leistungen. Die Gründe für fehlenden Nachwuchs sind die gleichen, wie bei den anderen Berufsgruppen im Landesdienst, zum Beispiel die deutlich schlechtere Bezahlung als im Westen.