Protokoll der Sitzung vom 01.02.2018

Das tut mir leid, aber – –

Vielen Dank.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten – Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Gibt es weiteren Redebedarf? – Herr Sodann, ist das jetzt eine Kurzintervention? – Gut.

Ja, ich habe eine Kurzintervention auf den Beitrag von Herrn Wurlitzer. Ich bedanke mich.

Das heißt, ich bedanke mich überhaupt nicht. Ich bin entsetzt, Herr Wurlitzer,

(Beifall bei den LINKEN)

und verwahre mich hier dagegen, diese Dinge gleichzusetzen. Ich habe, wir haben das in den Kontext des Nationalsozialismus gestellt. Ich bin außer mir, wie Sie dieses immer gleichsetzen können. Das ist nämlich die Gefährlichkeit. Das ist der Grund, warum da draußen anders diskutiert wird. Meines Erachtens ist es von riesengroßer

Wichtigkeit, dass wir genau in diesem Moment, da 47 % der Jugendlichen nichts mehr mit Auschwitz-Birkenau anfangen können, genau das thematisieren. Das gehört in die Bildungsarbeit dieses Landes.

(Beifall bei den LINKEN)

Herr Wurlitzer, bitte.

Es ist ja wunderschön, dass Sie sich ein kleines bisschen darüber aufregen. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich gebe Ihnen völlig recht. Aber warum wollen Sie denn das andere überhaupt nicht in die geschichtliche Bildung einführen? Warum denn nicht?

(Widerspruch bei den LINKEN)

Nein, Sie tun es nicht. Sie nehmen immer nur den Nationalsozialismus. Das ist absolut wichtig; das ist überhaupt nicht die Frage, da bin ich total bei Ihnen.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das geht nicht in seinen Kopf!)

Aber wenn Sie immer nur das eine bearbeiten und das andere außen vor lassen,

(Staatsministerin Dr. Eva-Maria Stange: Das ist nicht gleichzusetzen!)

dann müssen Sie sich nicht wundern, wenn Leute sich wundern. Ich zum Beispiel bin in der DDR groß geworden. Ich habe über die Verbrechen der Russen und über das, was hier in Sachsen in der Wismut stattgefunden hat, erst erfahren, nachdem die DDR verschwunden ist, im Geschichtsunterricht erst etwas davon gehört, nachdem wir in die Bundesrepublik eingegliedert worden sind.

(Zuruf: Davon haben Sie gar keine Ahnung!)

Jetzt wollen Sie genau den gleichen Fehler schon wieder machen.

Wenn Sie an dieser Stelle beide Seiten ansehen, wenn Sie an dieser Stelle ganz klar und deutlich sagen, wir müssen unsere Geschichte auf beiden Seiten aufarbeiten, dann bin ich ganz bei Ihnen, aber wenn Sie es nur auf der einen Seite machen, dann definitiv nicht.

Danke.

(Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Es geht um Antisemitismus, haben Sie das mitbekommen?)

Meine Damen und Herren, ich schaue jetzt noch einmal in die Runde. – Es gibt jetzt keinen Redebedarf vonseiten der Fraktionen mehr. Dann bitte ich jetzt Staatsminister Herrn Piwarz um seine Ausführungen.

Vielen Dank, Frau Präsidentin!. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte eigentlich mit den Worten beginnen, dass ich mich über die gute und ni

veauvolle Debatte bei diesem doch sehr ersten Thema gefreut habe. Ich muss mich leider korrigieren; das ist leider Gottes nicht bis zum Schluss durchgehalten worden, was ich sehr bedauerlich finde. Daran haben einige der letzten Redner durchaus ihren Anteil. Das wird dem Thema insgesamt nicht gerecht. Ich will ein Stück vorher wieder an das anknüpfen, was wir miteinander sehr gehaltvoll diskutiert haben, und noch einige Punkte aus Sicht der Sächsischen Staatsregierung anfügen.

Erinnerungskultur ist das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels vieler Akteure, von Debatten und Traditionen. Erinnern ist für einzelne Menschen oder auch für einzelne Gruppen die Grundlage der Selbstvergewisserung und auf die Zukunft bezogenen Handelns. Inhalte und Art des Erinnerns können sich im Laufe der Zeit verändern und müssen auf der Basis der Werteordnung, der Menschenrechte und des Grundgesetztes immer wieder neu gestaltet werden.

Erinnern und Erinnerungskultur sind Teil historisch politischer Bildung und somit Gegenstand auch des schulischen Lernens. Lernende sollen angeregt werden, dieses Wissen zu reflektieren und es mit ihrer Gegenwart zu verbinden. Viele sächsische Schulen integrieren Gedenktage oder den Besuch von Gedenkstätten und Museen und somit Orte der Erinnerung in ein langfristig wirkendes pädagogisches Konzept historisch-politischer Bildung. Seit vielen Jahren gibt es für die Umsetzung solcher Konzepte Unterstützungsmöglichkeiten. Ich

verweise hierzu auf die Verwaltungsvorschrift Schulfahrten, die Sächsische Ganztagsangebotsverordnung, das Programm „Weltoffenes Sachsen“ oder die Förderung der interregionalen und grenzübergreifenden Zusammenarbeit sowie des Europagedankens.

Lassen Sie uns noch einmal gemeinsam die Zahlen in Erinnerung rufen. Frau Kollegin Firmenich hatte sie schon genannt. Laut einer Selbstauskunft aller sächsischen Schulen besuchten im Schuljahr 2016/2017 insgesamt 1 200 Klassen inländische und 223 Klassen ausländische Gedenkstätten. Im ersten Moment erscheint diese Zahl überschaubar. Uns ist es aber auch wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler solch einen Besuch nicht nur abhaken, sondern sich intensiv mit dem Thema auseinandersetzen. Dazu will ich Bezug nehmen auf Herrn Sodann. In der Tat war unser Besuch letzte Woche in Theresienstadt mit dem Ministerpräsidenten sehr bewegend und eindrucksvoll. Es waren dort Schulklassen aus dem Gymnasium aus Pirna und aus einer Oberschule in Gersdorf anwesend. Mich hat sehr bewegt, dass die Schülerinnen und Schüler insbesondere ein Angebot angenommen haben, nicht nur einen Tag in eine Gedenkstätte zu fahren, sondern sich eine gesamte Woche dafür Zeit zu nehmen, sich intensiv damit auseinanderzusetzen, den Ort, den Schrecken dieses Ortes wirken zu lassen und dann ganz anders mit der Geschichte unseres Landes, mit der Geschichte Europas, mit der Geschichte der Menschheit umzugehen und sich auseinanderzusetzen.

Ich bin lieber in der Situation, dass ich derartige Projekte weiter unterstütze, als dass ich in die Gefahr komme, es zu etwas zu machen, das verpflichtend ist. Man macht es an einem Tag, damit man es dann auch gemacht hat. Denn so fördern wir, glaube ich, das Bewusstsein historisch politischer Bildung nicht. Deswegen finde ich es ganz klasse, was diese Schulen, diese Klassen machen, und sehe es als ein Modell auch für die Zukunft für uns.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsministerin Dr. Eva-Maria Stange)

Ich stimme Ihnen, meine Damen und Herren von den LINKEN, in einem Punkt zu, und das ist, glaube ich, auch Konsens in der Debatte gewesen: Wir müssen die vorhandenen Unterstützungsmöglichkeiten noch besser kommunizieren und die Zugänge vereinfachen – ohne Frage. Hier setzt auch eine der 31 Handlungsempfehlungen des Konzeptes „W wie WERTE“ an, dass wir im November sehr intensiv diskutiert haben und jetzt Stück für Stück umsetzen werden.

Im Gegensatz zur Position meiner verehrten Kollegin Prien aus Schleswig-Holstein, die im Dezember letzten Jahres diese bundesweite Debatte ins Rollen gebracht hat, stehe ich auf dem Standpunkt, dass verpflichtende Besuche in der Schulzeit nicht angeordnet werden sollen. Vielmehr bitte ich die Lehrerinnen und Lehrer, mit ihren Schülerinnen und Schülern eine Erinnerungsstätte an das Nazi-Regime oder an die andere Diktatur zu besuchen und sich aktiv mit deutscher Geschichte und Vergangenheit auseinanderzusetzen. Dieser Anspruch geht einher mit der Verpflichtung aus § 1 des Sächsischen Schulgesetzes, dass Schülerinnen und Schüler lernen sollen, „Ursachen und Gefahren der Ideologie des Nationalsozialismus sowie anderer totalitärer und autoritärer Regime zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken“.

In Anlehnung an das Handlungskonzept „W wie WERTE“ ist ab dem Schuljahr 2019/2020 geplant, für Schülerinnen und Schüler ab Klassenstufe 7 verstärkt Schul- und Klassenfahrten zu KZ-Gedenkstätten und anderen Erinnerungsorten der Opfer der deutschen Diktaturen im 20. Jahrhundert zu ermöglichen. Dafür werden wir für den Doppelhaushalt 2019/2020 – der Finanzminister ist gerade nicht anwesend – zusätzliche Mittel benötigen. Wir müssen hierüber im Hohen Haus befinden, wie wir das miteinander umsetzen wollen.

In der Zusammenarbeit mit der Stiftung Sächsischer Gedenkstätten und der Landeszentrale für politische Bildung bieten wir Lehrerinnen und Lehrern unterstützende pädagogische Materialien und regionale Fortbildungen an. Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Gedenkstätten, Archiven und relevanten Museen werden qualifizierend und beratend zur Seite stehen. Wir tun also eine ganze Menge.

Nun zu Ihrem Antrag: Trotz gewisser Übereinstimmungen Ihrer formulierten Interessenlage mit der des Kultusministeriums lehne ich Ihren Antrag ab, weil er nicht zielgruppengenau und passfähig ist. Im Lehrplan Geschichte an

Oberschulen wird bereits in der Klassenstufe 8 im Lernbereich 4 „Herrschaft und Alltag im Nationalsozialismus“ empfohlen, eine Exkursion zu einer Gedenkstätte durchzuführen. Den Beratungsauftrag sehe ich darüber hinaus auch nicht beim Landesamt für Schule und Bildung, sondern in den dafür aufgestellten Institutionen. Ich hatte sie bereits genannt. Von daher empfehle ich dem Hohen Haus die Ablehnung dieses Antrages.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Wir kommen jetzt zum Schlusswort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich zunächst für die inhaltlich sehr gute und sachliche Diskussion. Ich habe auch die Zeichen vernommen, sowohl von der CDU als auch von der SPD, gerade an diesem Thema einen Schwerpunkt für den Doppelhaushalt 2019/2020 zu setzen. Sicherlich kann man sagen, dass es nicht zielgruppengenau ist, Herr Staatsminister Piwarz. Ich hatte extra noch einmal darauf hingewiesen, dass gerade in der Oberschule dieses Angebot sehr häufig erst ab der 9. oder 10. Klasse als sinnvoll erachtet wird. Da haben wir im Wahlpflichtbereich den Lernort Gedenkstätte im Lehrplan formuliert. Ich weiß, dass es in der 8. Klasse inhaltlich behandelt wird. Aber sehr häufig ist es auch das Alter, das Verständnis und die Reife des Schülers, das eine Rolle spielt. Deswegen wird auch von vielen Pädagogen, von vielen Menschen, die sich mit Gedenkstättenarbeit gerade in diesem Bereich auseinandersetzen, empfohlen, es möglichst erst ab der 9. Klasse durchzuführen. Deshalb kann ich das Argument, nicht zielgruppengenau zu sein, nicht akzeptieren.

Ich kann auch nicht verstehen – wir sind da gar nicht so weit auseinander –, dass Sie den Antrag ablehnen müssen.

Der Antrag besagt nur, Maßnahmen und Vorkehrungen dafür zu treffen, dass Schulklassen solche Klassenfahrten ermöglicht werden. Das steht auch in der Überschrift. Das heißt, wir haben gar nicht, Herr Piwarz, nur an einen Tag gedacht, sondern es geht um Klassenfahrten. Wie das die Schulen organisatorisch machen wollen, ist ihre Sache. Deswegen ist es auch eine Frage der Förderung. Wir wissen nur – und das möchte ich noch einmal deutlich sagen –, dass in den letzten zwei Jahren sehr häufig Klassen an unsere Fraktion herangetreten sind, um zu berichten, sie könnten die Gedenkstättenfahrt nicht mehr durchführen, weil sie keine Förderung bekommen hätten, da die genannten Förderrichtlinien nicht funktionieren bzw. auskömmlich seien. Deswegen hatten wir auch das Beispiel des Friedrich-Schleiermacher-Gymnasiums.

Diese hatten eine Fünftagesfahrt nach Auschwitz mit sehr viel Projektarbeit und zwei Klassen unternommen. Das kostete 10 000 Euro. Das heißt, das Geld muss die Schule finanzieren. Dafür braucht man zurzeit relativ viele Träger. Das wollen wir nicht. Wir wollen, dass es im Rahmen des Unterrichts für alle Schulen ermöglicht wird.

Bitte zum Ende kommen.

Deshalb auch unser Antrag – ich sehe, dass wir da sehr nah beieinander sind. Ich bitte um Ihre Unterstützung.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 6/5447 zur Abstimmung. Wer die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenstimmen, bitte? – Gibt es Stimmenthaltungen? Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist der Antrag dennoch mehrheitlich abgelehnt worden. Ich schließe den Tagesordnungspunkt.

Wir kommen nun zu

Tagesordnungspunkt 7