Protokoll der Sitzung vom 01.02.2018

Insoweit wird es an dieser Stelle auch weiterhin eine nationalstaatliche Verantwortung geben müssen, zumindest ist das unsere feste Überzeugung.

(Beifall des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Aber das ist auch kein Widerspruch zu einer europäischen Lösung, denn wenn alle 28 Mitgliedsstaaten gemeinsam zu Regeln kommen, die einen Ausgleich schaffen, dann ist das ein sehr vernünftiger Ansatz, und zwar nicht nur in der Frage, wie wir verteilen. Das ist zu besprechen – eine faire Lastenverteilung nach Einwohnerzahl, Wirtschaftsgrad –, sodass alle 28 Länder eine Verantwortung in dem Prozess tragen.

Dazu gehören einheitliche Standards, dazu gehört auch – und deswegen sind wir da etwas weniger aufgeregt –, im Rahmen eines solchen Zielkorridors die Frage zu beantworten, dass auch Familien möglichst zusammengeführt werden. Wenn es sich um Zahlen und Strukturen in einer überschaubaren, europäisch getragenen Lösung handelt, dann ist es überhaupt nicht die Frage, dass eine solche entsprechende Zuteilung auch die Familienfrage in einem Ausgleich berücksichtigen kann. Gleichwohl gilt die Zuweisung nach einem entsprechend konkreten Verteilungsschlüssel. Dazu gehört auch aus unserer Sicht die enge Definition eines Familienbegriffes.

Wir sind auch der Überzeugung, dass eine solche europäische Lösung, die einen vernünftigen Ausgleich zwischen allen Zielen und auch einen Sanktionsmechanismus haben muss und sollte, wenn man diesen Verpflichtungen nicht folgt, das Ziel sein muss.

Aber es bedingt auch der Lösung von Grenzsicherungsfragen und der Frage – da sind wir beispielsweise bei Frontex und Grenzpolizei –, ob wir dann über Größenordnungen steuern, und das ist der Unterschied.

Wir als Union verschließen uns nicht einer humanitären Verantwortung und sagen auch nicht, dass wir als Insellösung die Probleme der Welt ignorieren wollen. Dieser Verantwortung sind wir uns sehr stark bewusst und sicherlich wird es noch mehr Engagement zur Fluchtursachenbekämpfung und der Hilfe vor Ort geben.

Wir sind uns aber auch darüber bewusst, dass es eine unkontrollierte und unbeschränkte Zuwanderung von Flüchtlingen nicht geben kann. Immerhin – das ist zumindest unser Anspruch als Parlamentarier dieses Hohen Hauses – haben wir eine Verantwortung vor den Menschen, die uns gewählt haben, und damit auch die Interessen der Wählerinnen und Wähler in unserem Land zu beachten.

(Beifall bei der CDU und des Staatsministers Prof. Dr. Roland Wöller)

Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, braucht es eines Ausgleichs zwischen beiden Positionen, nämlich der Verantwortung einer humanitären oder christlichen Nächstenliebe und Hilfe und dem Erkennen der beschränkten Möglichkeiten von Zuwanderung. Es muss in Maß und Mittel definiert werden.

Es ist in der Tat so – und davon werden Sie uns nicht abbringen –, dass auch unsere Gesellschaft, die sicherlich einiges verkraften und gestalten kann – in einem Land, das nicht zu den ärmsten der Welt gehört –, trotzdem an die Grenzen von Hilfsfähigkeit kommt, sowohl organisatorisch, strukturell, finanziell als auch gesellschaftspolitisch. Genau deswegen gilt es alles in Einklang zu bringen, und deswegen machen wir es uns nicht so einfach, Nein oder Ja zu sagen, sondern ein Sowohl-als-auch klar zu definieren: progressive Verteilung, unnötige Bürokratisierung und – Sie haben davon gesprochen, Frau Nagel – ein Staatenbund, der seiner humanitären Pflicht gegenüber Flüchtlingen nachkommen muss. Ja, aber eben beschränkt und nicht ohne Grenzen und unter Beachtung der nationalstaatlichen Interessen.

Weil dem so ist, werden wir und wird auch die Bundesregierung im Rahmen des Europäischen Rates verantwortungsvoll darüber diskutieren müssen, wie mit dem vorliegenden Vorschlag des Europäischen Parlaments umzugehen ist. Auch wir werden uns an dieser Diskussion beteiligen.

Der hier vorliegende Antrag ist aus unserer Sicht aber nicht geeignet, diese Fragestellung vernünftig und abschließend zu klären, weil es nicht darum geht zu sagen, wir lehnen eine Neuregelung der Dublin-Verordnung ab. Wir stehen ja dafür, dass wir eine Neufassung der DublinVerordnung mit klaren Mechanismen und Restriktiven brauchen. Aber wir stehen auch dafür – –

(André Barth, AfD: Dann stimmen Sie nicht so einem Quatsch zu!)

Herr Barth, was möchten Sie? Dann müssen Sie aufstehen und die Präsidentin fragen – dazu sind Sie jetzt nicht in der Lage, in Ordnung.

(Leichte Heiterkeit)

Insoweit, meine sehr geehrten Damen und Herren, werden wir diese Diskussion führen, aber nicht anhand Ihres Antrags.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der SPD und des Staatsministers Prof. Dr. Roland Wöller)

Möchte die Linksfraktion noch sprechen? – Dann frage ich jetzt in die Runde, wer von den Fraktionen noch Redebedarf hat. – Das scheint niemand mehr zu sein. Somit bitte ich jetzt die Staatsregierung; Herr Minister Prof. Wöller.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Diskussion hat gezeigt, dass die Emotionen sehr hochkochen – das ist auch sehr verständlich bei einem solchen Thema –; aber wir sollten uns doch bemühen, zu einer sachlichen Diskussion zurückzukommen. Das sind wir den Menschen in diesem Land schuldig und natürlich auch den Menschen, die berechtigterweise zu uns kommen.

Dublin III regelt, wer die Zuständigkeit bei der Aufnahme von Asylbewerbern hat. Zuständig ist der Staat, in dem die betreffende Person zuerst den Fuß auf den Boden setzt. Das System – das hat die Debatte klar gezeigt – ist seit 2015 nicht mehr funktionsfähig. Schweden und Deutschland tragen die Hauptlast bei der Aufnahme von Flüchtlingen und Asylbewerbern. Es ist völlig klar, dass Änderungsbedarf besteht. Die Frage ist: in welcher Weise?

Wir sollten zurück zum Kern der Dublin-Regelung kommen, und die heißt, dass es eben nicht zulasten Deutschlands gehen darf. Das haben wir im Übrigen weit vor der Antragstellung schon erkannt; dafür bedarf es dieses Antrags nicht.

Was wir aber nicht wollen, ist ein erweiterter Familienbegriff, und was wir einfordern, ist die Solidarität in der Europäischen Union, auch für Deutschland. Was wollen wir und was steht zur Diskussion bei der Änderung der Dublin-III-Verordnung im Verhältnis zur Dublin-IVVerordnung?

Wir wollen eine gerechte Verteilung – notfalls auch mit einem System von Quoten – und wir wollen funkionierende Verfahren, die klar Wirtschaftsmigranten und Gefährder vom Einreiseland identifiziert und schnell zurückführt. Wir wollen insgesamt rechtssichere Verfahren – auch das ist Bestandteil der Diskussion über die Dublin-Verordnung. Was mich sehr verwundert – wir haben ja in den letzten Tagen die europapolitische Diskussion geführt, für die ich sehr dankbar bin –: Europa ist eben nicht nur eine Verteilungsmaschinerie, auch wenn in diesem Hohen Hause über Kohäsionsfonds, ESF-Fonds und andere finanzielle Programme diskutiert wird.

Wir sind eine Wertegemeinschaft. Diese Wertegemeinschaft basiert auf dem Recht und auch auf der Solidarität von Hilfsbedürftigen. Wir sind ganz klar ein Rechtsstaat. Ich wende mich dagegen, dass wir alle den Eindruck erwecken, dass es Europa à la carte geben sollte. Das geht auf Dauer nicht gut.

Was wollen wir? – Wir wollen keine Mehrbelastung Deutschlands. Freiheit ist ohne Grenzen nicht möglich. Grenzen sind insbesondere die Voraussetzung für die Integration von berechtigten Asylbewerbern und von Menschen, die zu Recht Hilfe von uns wollen. Ansonsten gefährden wir den Zusammenhalt dieser Gesellschaft auf Dauer. Das kann weder im Interesse unseres Landes und unseres Volkes sein noch derjenigen, die zu uns kommen.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Gunter Wild und Uwe Wurlitzer, fraktionslos)

Das Trilogverfahren zwischen Kommission, Europäischem Parlament und Rat ist noch nicht abgeschlossen. Ziel und Zweck der Diskussion ist es gerade, die Haltung Sachsens und Deutschlands in diesem Trilogverfahren zur Geltung zu bringen mit den Punkten, die ich eben genannt habe.

Zum Antrag zwei Punkte: Erstens. Sie gehen von Voraussetzungen aus, die nicht mehr stimmen. Das wurde in der

Debatte bereits gesagt, von den Kollegen Schiemann und Baumann-Hasske. Es ist den Antragstellern bereits heute möglich, insbesondere Minderjährigen, zu Familienangehörigen in anderen Mitgliedsstaaten zu kommen.

Zweitens. Ihr Antrag löst kein einziges Problem. Deshalb bitte ich darum, ihn abzulehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Wir kommen zum Schlusswort. Herr Abg. Barth.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Herr Staatsminister, ich danke Ihnen erst einmal für Ihre relativ klaren Worte dahin gehend, dass Wohlstand für ein Land auch bedeutet, dass man eine Außengrenze haben muss. Diese Feststellung vermisst man bei der Bundeskanzlerin seit Jahren.

Ich danke auch der Abgeordneten der GRÜNEN, Frau Zais, dafür, dass sie alle politischen Positionen, die heute hier vorgetragen worden sind, als legitim bezeichnet hat. Frau Nagel, ich bezeichne Ihre Position auch als legitim.

(Juliane Nagel, DIE LINKE: Das ist mir vollkommen egal! – Heiterkeit bei den LINKEN)

Ob es aber schlau ist, was Sie hier vortragen,

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das brauchen Sie nicht bewerten, Herr Barth! – Carsten Hütter, AfD: Darf er aber!)

alle Menschen der Welt womöglich nach Deutschland einzuladen,

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ach, Herr Barth!)

um im Rahmen eines Asylverfahrens eine Berechtigung festzustellen oder abzulehnen?

(Zuruf der Abg. Juliane Nagel, DIE LINKE)

Dabei gehe ich davon aus, wenn wir Sozialstaat bleiben wollen, wenn wir auch hinreichend finanzielle Mittel für die sozial Schwachen, für die Hilfsbedürftigen, für die nicht ganz so leistungsfähigen Menschen langfristig zur Verfügung stellen wollen, dann müssen wir notwendigerweise Zuwanderung begrenzen. Ob Sie das gerne oder ungerne hören,

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Wir haben eine andere Auffassung!)

es ist einfach eine Wahrheit.

(Juliane Nagel, DIE LINKE: Sehen Sie sich einmal den Libanon an oder die Türkei, was da los ist!)

Wirkliche Fluchtursachenbekämpfung, dazu könnte ich platt sagen: Merkel muss weg, aber das ist zu einfach.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das geht auch zu weit!)