Protokoll der Sitzung vom 15.03.2018

Die SPD Fraktion, Frau Abg. Lang, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Crystal Meth ist oft nicht das zerstörte Gesicht, das wir im Zusammenhang mit Berichten über Drogenmissbrauch aus vielen Vorher

/Nachherbildern kennen. Wenn Sie Drogenkonsumenten anschauen, dann können darunter die Krawatte eines Unternehmers, die Arbeitsmontur eines Schichtarbeiters, die lockeren Sachen einer Kindergärtnerin oder vielleicht auch eine Uniform zu sehen sein.

Crystal-Meth-Abhängige treffen wir mitten in der Gesellschaft, in allen Schichten, auch hier in Sachsen. Sehr oft sieht man es den betreffenden Menschen überhaupt nicht an, dass sie Drogen konsumieren. Crystal ist ein Dopingmittel für Menschen, das dem Körper und später dem Geist eine bittere Rechnung präsentiert. Es macht extrem schnell abhängig, ist gesundheitsschädigend und hat bleibende Schäden zur Folge, vor allem im kognitiven Bereich.

Als das Thema vor zwei Jahren schon einmal während einer Aktuellen Stunde hier im Landtag eine Rolle spielte, erzählte ich Ihnen von Billy. Sie erinnern sich vielleicht daran: Es ging um eine Studie, bei der ein Vergleich von Cannabis- und Crystal-Konsumenten durchgeführt wurde.

Vertreter beider Gruppen sollten einzeln das einfache Ikea-Regal Billy aufbauen. Die Wissenschaftler beobachteten sehr unterschiedliche Verhaltensweisen der Probanden. Unter Einfluss von Crystal Meth benötigte eine Testperson 25 Minuten. Sie benutzte weder die Gebrauchsanleitung noch eine legitime Technik, und das Bauwerk erinnerte nur entfernt an Billy. Beim Hinweis auf die Fehler reagierte der Crystal-Abhängige aggressiv und wollte seine Fehler nicht einsehen.

Doch das eigentliche Dilemma zeigt sich dann, wenn die Entgiftung kommt. Während der einstige CannabisKonsument hoch angespannt dazulernt und seine Fehlerquote senken kann, steigern sich die Fehlerzahlen beim einstigen Crystal-Konsumenten von 17 auf 21. Er braucht nun länger, wirkt noch unsicherer, ist angespannt, schwitzt und scheint unterschwellig gereizt.

Fachleute leiten daraus die Erkenntnis ab, dass Crystal eine deutlich anhaltende Beeinträchtigung der kognitiven Fähigkeiten hat, also dauerhafte Schäden am Gehirn

verursacht. Das Schlimme an dieser synthetischen Droge ist, dass sie leicht herzustellen ist und nicht viel kostet.

Hier in Sachsen haben wir mit Dealern und Produzenten in der Tschechischen Republik den größten europäischen Produzenten direkt vor der Haustür. Gleichfalls wird Crystal auch bei uns produziert. Eine Schlagzeile vom vergangenen Freitag lautete: „Chemnitz hat europaweit das meiste Crystal im Abwasser.“ Übrigens lag Dresden in der Statistik auch ganz weit vorn. Fairerweise muss man dazu sagen: Es beteiligten sich nicht alle Städte an der Untersuchung der Abwässer, und von einem Test kann man auch nicht unmittelbar ableiten, was tatsächlich in unseren Kommunen los ist.

Kommen wir zum 10-Punkte-Plan der Staatsregierung. Er kann durchaus einige Erfolge verbuchen, wie auch in der Beantwortung der Großen Anfrage zu lesen war. Erreicht haben wir mehr und eine bessere Zusammenarbeit vieler Akteure: Ministerien, Polizei, Drogen- und Suchtberatung. Es gibt eine bessere Datenlage, um mehr Informationen zu bekommen. In den vergangenen Jahren haben wir uns vor allem darauf konzentriert, die Hilfestruktur stärker zu gestalten. So sind die Mittel für die Suchtbehandlung und Beratungsstellen gestiegen und ebenso die Fördermittel für sozialtherapeutische Wohnstätten für chronisch mehrfachabhängigkeitsgeschädigte Drogenkonsumenten. Es gibt stationäre Wohnformen für suchtkranke Mütter und Kinder.

Trotzdem müssen wir uns unterm Strich die Frage stellen: Wie erfolgreich waren wir mit unseren bisherigen Anstrengungen? Die Antworten auf die Große Anfrage geben dazu einen guten Überblick – erst recht, wenn man sie zusammen mit dem jährlichen Suchtbericht der Sächsischen Landesstelle für Suchtgefahren auswertet. Doch letztlich sagt die Statistik bisher nur: Die Zahlen stagnieren. Sie tun dies aber auf einem recht hohen Niveau. Absolut unklar bleibt, wie hoch die Dunkelziffer ist.

Ich denke, wir müssen ehrlich sein und uns unbedingt die Frage stellen: Reicht es wirklich aus, was wir bisher getan haben? Ich frage weiterhin, was wir noch tun können, zumal wir noch andere Suchtmittel und Substanzen ins Auge fassen müssen. Alkohol ist die Droge Nummer eins. Den Plan auf diese Suchtproblemlagen auszuweiten oder zumindest anzupassen sollte die direkte Reaktion auf das Steigen der Zahlen zum Missbrauch in diesem Bereich sein.

Eine Verantwortung zum Wohle von Kindern und Jugendlichen steht außer Frage. Wir müssen Angebote schaffen, die auch und vor allem im ländlichen Raum nicht erst Suchtverhalten aufkommen lassen oder Suchtpotenzial summieren. Die Spätfolgen und Kosten beweisen, dass es allemal besser ist, Prävention in Größenordnungen zu fördern, statt Nachsorge zu betreiben. Prävention – das zeigt die Erfahrung – muss immer das Herzstück von Suchtpolitik sein. Darauf sollten wir uns weiterhin stark konzentrieren.

Deshalb setze ich mich seit zwei Jahren mit Experten für eine Veranstaltungsreihe zur Drogenprävention in Schulen

zusammen – sehr erfolgreich und immer wieder nachgefragt. Regelmäßig führe ich Veranstaltungen für Schüler ab dem elften Lebensjahr durch, bei denen Eltern, Großeltern, Sozialarbeiter, Wohnungsunternehmen, Arbeitgeber und Interessierte anwesend sind.

Es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, was dort vom Präventionsteam der Landespolizei und einem Arzt der Suchtklinik begleitet wird. Einschneidend sind die Erinnerungen für die meisten Betroffenen, wenn dort jemand von seinem rasanten Abstieg, seinem langen Weg aus der Kriminalität und dem sozialen Absturz erzählt.

Unser 10-Punkte-Plan und somit die gesamte Drogen- und Suchtpolitik Sachsens steht zum Glück auf mehreren Pfeilern. Auch die Polizeiarbeit ist in diesem Zusammenhang enorm wichtig, bedarf aber viel massiver finanzieller Unterstützung. Sicherheit ist ein Bedürfnis. Das sollten und dürfen wir nicht vergessen. Ja, es ist auch richtig, den Verfolgungsdruck konstant aufrechtzuerhalten. Genau zu diesem Thema spricht in der zweiten Runde mein Kollege Albrecht Pallas.

(Beifall bei der SPD und der Staatsregierung)

Die AfD Fraktion; Herr Abg. Wendt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielen Dank an die Staatsregierung für die Beantwortung der Großen Anfrage der Fraktion GRÜNE, aber auch der Anfrage der AfD zum Thema „Drogen und Crystal“.

Mit Blick auf die beiden Großen Anfragen ist festzuhalten, dass die Staatsregierung das Crystal-Problem immer noch nicht im Griff hat und der 10-Punkte-Plan bis dato nur unzureichend umgesetzt worden ist. Ich denke, das lässt sich nicht bestreiten.

Auch wenn die Zahlen derjenigen, die eine Suchtberatung aufsuchen, stagnieren, so stagnieren diese doch schon seit mehreren Jahren auf einem weiterhin sehr hohen Niveau, nämlich bei circa 5 000 Personen im Jahr.

Des Weiteren ist festzustellen, dass an Schulen immer mehr Drogen umgeschlagen und konsumiert werden. So ist bei Vorkommnissen wegen des Besitzes, Handels oder Konsums von Drogen an sächsischen Schulen die Zahl von 13 im Jahr 2013 auf 40 im Jahr 2017 angestiegen. Die Dunkelziffer dürfte um einiges höher liegen. Ebenso stieg die Zahl der Straftaten an Schulen mit Drogenbezug von 115 im Jahr 2013 auf 214 im Jahr 2017 an.

Aber auch die Behandlungszahlen von Kindern und Jugendlichen sind massiv in die Höhe geschnellt. Beispielsweise stieg die Zahl der 15- bis 18-Jährigen mit einer fast ausschließlich Crystal-bezogenen Diagnose von 11 im Jahr 2010 auf 55 im Jahr 2016. Hinzu kommt, dass besonders besorgniserregend die Zahlen des ungeborenen und geborenen Lebens sind, sprich: die Schäden der Föten, aber auch der Neugeborenen. Diese Zahl hat sich ebenfalls sehr stark nach oben entwickelt, von 37 im Jahr 2010 auf 185 im Jahr 2016.

Das sind alarmierende Zahlen, denen wir uns nicht verschließen dürfen, werte Staatsregierung. Das sollten wir uns auch in die Statuten schreiben. Es sind Probleme, die wir im Freistaat Sachsen auf jeden Fall lösen müssen.

Zuletzt möchte ich auf das jährliche Monitoring von Drogenrückständen im Abwasser in Großstädten Europas, welche vom European Monitoring Center of Drugs and Drug Addiction durchgeführt wird, eingehen. Hier zeigt sich ganz klar, dass mitnichten von sinkendem, sondern eher von steigendem Crystal-Konsum gesprochen werden kann. In der Studie konnte ermittelt werden, dass die Rückstände von Crystal in Dresdens Abwasser von 136,6 Milligramm pro 1 000 Einwohner pro Tag im Jahr 2013 auf 180,2 Milligramm pro 1 000 Einwohner pro Tag im Jahr 2017 gestiegen sind. Der Messwert für Chemnitz beträgt, sage und schreibe, 240,6 Milligramm pro 1 000 Einwohner pro Tag und ist damit europaweit der höchste. Das Abwassermonitoring stellt einen objektiven Indikator für den Drogenkonsum einer Bevölkerung dar, der nicht dadurch beeinflusst wird, wie gut ein Suchthilfesystem ausgebaut ist und in Anspruch genommen wird.

Aber auch – ich komme zum Schluss – die von den linksgrünen Aktivisten angestoßene Cannabis-Legalisie

rungsdebatte,

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Oh!)

die mittlerweile – und das ist sehr bitter – auch unter Vertretern von CDU, CSU und FDP Befürworter findet, hat dazu geführt, dass Drogen im Allgemeinen verharmlost werden, obwohl doch bekannt ist, dass mit dem Cannabis-Konsum physische und psychische Störungen einhergehen und viele Konsumenten danach zu stärkeren Drogen greifen.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Wir müssen das Drogenproblem endlich in den Griff bekommen. Aus diesem Grund haben auch wir einen Entschließungsantrag erarbeitet, auf den ich später eingehen werde.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Wir beginnen wieder mit der Fraktion GRÜNE. Herr Abg. Zschocke, möchten Sie sprechen? – Nein. Wird von der CDUFraktion noch das Wort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall. DIE LINKE, Herr Jalaß? – Die SPD war angekündigt. Herr Pallas, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Antwort auf die Große Anfrage der GRÜNEN und die Debatte zeigt das Ausmaß der individuellen und gesellschaftlichen Auswirkungen des Konsums von Crystal. Ich danke den GRÜNEN ausdrücklich für das Dranbleiben an dem Thema und auch insgesamt für die sachliche Debatte hier im Landtag.

Bereits durch den 10-Punkte-Plan der Staatsregierung von 2014, aber auch heute wird deutlich, dass viele Stellen beteiligt sind, geeignete Maßnahmen ergriffen werden und wir alle das Problem gemeinsam angehen müssen, um es irgendwann in den Griff zu bekommen. Ich möchte in der zweiten Runde noch einmal näher auf den repressiven und den polizeilich-präventiven Bereich eingehen.

Im Bereich der polizeilichen Ermittlungen und der Strafverfolgung geschieht ja bereits einiges. Nur schlaglichtartig möchte ich aufführen: die regelmäßigen polizeilichen Lagebilder, um gezielte Maßnahmen treffen zu können, die Bekämpfungskonzeption Crystal mit Einzelmaßnahmen wie die Stärkung der Auswertung bis in die Fachkommissariate der Polizeidirektionen, die Einrichtung von Analyseteams, die Zusammenarbeit mit dem Zoll in der Gemeinsamen Ermittlungsgruppe Rauschgift und schon jetzt die personelle Stärkung von Betäubungsmittelkommissariaten in einigen Polizeidirektionen.

Aber es hakt auch an einigen Stellen. So gehen die Kontrollen und damit auch die Feststellungen von Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz zurück. Das sehen wir an der Polizeilichen Kriminalstatistik. Wir haben vor allem eine sinkende Zahl von Kontrollen in Bezug auf die sinkende Zahl festgestellter Verstöße identifiziert.

Wir brauchen außerdem wieder einen stärkeren Verfolgungsdruck auf der Straße. Aber auch dort gibt es Fragezeichen; denn was passiert unter dem Stichwort Verfolgungsdruck eigentlich auf der Straße? Konsumenten und kleinere Dealer werden festgestellt, die großen Fische aber bleiben meist im Verborgenen. Es ist trotzdem richtig, auf der Straße den Verfolgungsdruck auch auf die Konsumenten zu erhöhen – in Kombination mit besonderen, zielgerichteten präventiven Angeboten. Der eine oder andere lässt deshalb vielleicht von der Droge ab oder kann an Hilfestrukturen vermittelt werden.

Wichtig ist aber, die kriminellen Strukturen dahinter aufzudecken. Die Stärkung der Ermittlungseinheiten und die Kooperation mit anderen Behörden sind hier der richtige Weg. Dabei gibt es erste Fortschritte, meine Damen und Herren. Ich erinnere an den Ermittlungserfolg der Gemeinsamen Ermittlungsgruppe Rauschgift, bestehend aus Zoll und sächsischer Polizei, gegen organisierte Drogenkriminalität in Ostsachsen; er ist erst einige Wochen alt: Deutsche Täter unterhielten in einer Halle in einem Dresdner Gewerbegebiet ein großes Labor zur Herstellung von Crystal. Es wurden auch große Mengen an Betäubungsmitteln und Geld festgestellt.

Es ist ein großer Erfolg, doch mir macht die Tatsache Sorgen, dass auch vier scharfe Schusswaffen, darunter drei Maschinenpistolen des Typs Scorpion, bei den deutschen Drogendealern gefunden wurden. Wir alle wollen hier keine amerikanischen Verhältnisse; aber wer, bitte schön, hat Zugang zu solchen Waffen? Das sind keine Kleinkriminellen, sondern Profis, gut organisierte kriminelle Strukturen, die wahrscheinlich zum Äußersten bereit sind.

Angesichts solcher Erkenntnisse muss der Staat insgesamt mehr tun, um das Crystal-Problem in den Griff zu bekommen. In der Koalition haben wir schon für mehr Geld bei der Ausrüstung für die Polizei gesorgt. Wir bilden mehr Polizisten aus, und ab dem kommenden Jahr wird die Zahl der Beschäftigten bei der Polizei erstmals seit einigen Jahren wieder effektiv steigen. Die zusätzlichen Kolleginnen und Kollegen sollen vorrangig in den Streifendienst und in die Kriminalpolizei gehen. Das wird helfen.

Wir müssen aber auch an die Verkehrspolizei und die polizeiliche Prävention denken. Auch dort gibt es einiges zu tun. Ich finde, die polizeiliche Prävention muss wieder den gleichen Stellenwert haben wie noch in den Neunzigerjahren: als gleichberechtigte Säule der polizeilichen Aufgaben. Diese polizeiliche Präventionsarbeit muss zukünftig wieder in den Polizeirevieren geleistet werden. Dazu brauchen wir in den Dienststellen vor Ort regionale Präventionsteams. Auch das muss bei der Verteilung der neuen Polizistinnen und Polizisten und bei der nächsten Stellenbedarfsberechnung berücksichtigt werden.

Diesen Bedarf kann man auch aus der Antwort auf die Große Anfrage herauslesen. Ich rege in diesem Zusammenhang an, dass auch die Koordination dieser präventiven Angebote durch den Landespräventionsrat noch deutlich ausgebaut wird.

Ich bleibe dabei: Wenn wir das Crystal-Problem in Sachsen irgendwann in den Griff bekommen wollen, dann müssen wir von allen Seiten mit aller Kraft vorgehen: bei der Prävention, bei der Beratung, Hilfe und Therapie und eben auch bei der Ermittlung und Strafverfolgung. Der 10-Punkte-Plan muss weiter umgesetzt werden, und nach nunmehr vier Jahren können wir auch über eine Weiterentwicklung diskutieren. Die SPD-Fraktion beteiligt sich sehr gern daran.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Möchte die AfDFraktion noch sprechen? – Dies ist nicht der Fall. Somit bitte ich nun die Staatsregierung; Frau Staatsministerin Klepsch, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Antwort auf die Große Anfrage liegt Ihnen ein sehr umfangreiches Daten- und Faktenmaterial zum vielfältigen Engagement unterschiedlicher Akteure zur Umsetzung des 10-PunktePlans zur Prävention und Bekämpfung des CrystalKonsums vor. Besonders sind die Bereiche Sensibilisierung und Aufklärung über diese gefährliche Substanz sowie Ausbau der Beratungs- und Behandlungsangebote angesprochen.