Protokoll der Sitzung vom 15.03.2018

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Antwort auf die Große Anfrage liegt Ihnen ein sehr umfangreiches Daten- und Faktenmaterial zum vielfältigen Engagement unterschiedlicher Akteure zur Umsetzung des 10-PunktePlans zur Prävention und Bekämpfung des CrystalKonsums vor. Besonders sind die Bereiche Sensibilisierung und Aufklärung über diese gefährliche Substanz sowie Ausbau der Beratungs- und Behandlungsangebote angesprochen.

Wenn man sich das Datenmaterial speziell bei Drogen konsumierenden Schwangeren sowie die Folgen anschaut, dann, denke ich, berührt das wohl jeden sehr, sehr tief.

Drogen konsumierende Schwangere frühzeitig zu erkennen und darauf Unterstützung aufzubauen ist ein wesentliches Ziel. Zum Beispiel werden Fortbildungsveranstaltungen wie Schwangerschaft & Co. in der Schwangerschaft durch die Landesärztekammer organisiert, und darüber hinaus fanden zahlreiche trägerinterne Weiterbildungen für Fachkräfte in den Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen statt.

In unserer Antwort auf die Große Anfrage haben wir, denke ich, eine sehr umfangreiche Auflistung der Fortbildungsveranstaltungen zur Verfügung gestellt, und ich bitte um Verständnis, dass diese nicht vollständig war bzw. dies auch nicht sein konnte, da dem Sozialministerium keine komplette Statistik in diesem Umfang vorliegt.

Noch einmal kurz auf die Zahlen geblickt; meine Vorredner haben bereits einzelne Zahlen in ihren Redebeiträgen genannt: Die Zahl der Klientinnen und Klienten in der Suchtberatung ist im Verlauf der Jahre 2015 und 2016 zwar gleich geblieben, aber – auch das ist bei den Vorrednern deutlich zum Ausdruck gekommen – auf gleich hohem Niveau. Die Auswertung der Inanspruchnahme sächsischer Suchtberatungs- und -behandlungsstellen für 2017 ist in der Großen Anfrage noch nicht beinhaltet. Diese Auswertung wird erst Ende des ersten Quartals 2018 vorliegen, und wir werden natürlich genau auf die Zahlen schauen.

Nach der Auswertung der Krankenhausstatistik sind Steigerungen zu verzeichnen, und auch hier einmal zwei Diagnosen explizit herausgegriffen – zum einen die Schädigung des Fötus und des Neugeborenen durch Einnahme von abhängigkeitserzeugenden Arzneimitteln oder Drogen durch die Mutter –: Die Zahlen sind von 37 Fällen im Jahr 2010 auf 185 Fälle gestiegen; das hatte Herr Wendt bereits angesprochen. Ich denke, das sind Zahlen, die uns in der Tat nicht in Ruhe lassen. Ebenfalls sind die Entzugssymptome bei Neugeborenen gestiegen: von 49 Fällen im Jahr 2010 auf 85 Fälle 2016. Auch dies ist eine Zahl, die uns tief berührt, da die kleinen, unschuldigen Wesen bereits mit Abhängigkeitssymptomen auf die Welt kommen.

Die steigenden Zahlen zeigen aber auch, dass Konsumenten durch Aufklärungsarbeit besser erkannt werden. Wir sollten auch darüber sprechen, dass die Zahlen aufgrund verschiedener Substanzen zeigen: Wir brauchen nicht nur die Prävention bei Crystal, sondern wir müssen auch über Cannabis diskutieren. Es sind sozusagen alle Drogen angesprochen. Ich wiederhole es: Die Droge Nummer eins ist Alkohol.

Hierbei dürfen wir nicht nachlassen. Deswegen waren auch die Maßnahmen zur Erhöhung der Mittel für die Suchtberatungs- und Behandlungsstellen richtig und notwendig. Noch einmal zurückgeblickt: In den Jahren 2013/2014 hatten wir 4 Millionen Euro für die Unterstützung zur Verfügung. Im diesjährigen Doppelhaushalt 2017/2018 konnten wir den Landkreisen und kreisfreien Städten jeweils 5,4 Millionen zur Verfügung stellen.

Darüber hinaus brauchen wir weitere Bemühungen und Maßnahmen, um den Crystal- und Drogenkonsum zu verhindern und seine Folge für die Betroffenen und ihr Umfeld gut zu bewältigen. Hierbei denke ich an die Unterstützung für Kinder konsumierender Mütter und Eltern, wie das Projekt „PICKNICK“ der Diakonie Stadtmission Chemnitz oder das Projekt „Kind sucht Eltern“ vom AWO-Kreisverband Weißeritzkreis e.V., aber auch die Beratungsstelle adäquater Therapieangebote, wie Herr Zschocke es schon angeführt hat, die Evangelischen Fachkliniken Heidehof gGmbH/Weinböhla. Auch das sind wichtige Angebote.

Ich persönlich konnte mir von der sehr guten Arbeit der „Alten Flugschule“ in Großrückerswalde ein Bild machen. Dort stehen Entwöhnungsbehandlungen im Mittelpunkt, und zusätzliche Bildungs- und Arbeitsangebote werden vorgehalten. Auch das ist eine sehr wichtige Einrichtung.

Ich denke aber auch an die Perspektiven nach einer absolvierten Therapie, wie die durch den Freistaat Sachsen geförderte Sozialtherapeutische Wohnstätte für junge chronisch mehrfach geschädigte drogen- und insbesondere crystalabhängige Menschen. Zu diskutieren – das ist bei Herrn Pallas noch einmal deutlich geworden – sind ebenso die Ressourcen der sächsischen Polizei, die für eine konsequente Verfolgung der Dealer und die Aufdeckung der Vertriebswege zwingend notwendig sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Drogenprävention und Suchtberatung sind eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Hier müssen wir gemeinsam – wenn ich von „wir“ spreche, dann meine ich natürlich das Land, ich meine die Kommunen, ich meine die, die im Hilfesystem zusammenarbeiten – weitere Angebote schaffen. Mit unserer „Arbeitsgruppe Crystal“, in der Staatssekretärin Frau Krauser die Federführung hat, sind Ende Januar weitere wichtige Schritte besprochen worden. Wir müssen mit aller Kraft an der Umsetzung des 10-Punkte-Planes zur Prävention und Bekämpfung des Crystal-Konsums weiter arbeiten. Auch das ist eine wichtige und wesentliche Aufgabe, die bei uns gemeinsam auf dem Tisch liegt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. – Meine Damen und Herren! Die Aussprache zur Großen Anfrage ist beendet. Wir haben noch über zwei Entschließungsanträge zu entscheiden; zunächst der Entschließungsantrag der AfD-Fraktion, Drucksache 6/12697. Herr Wendt, Sie möchten hierzu sprechen? – Bitte sehr.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Damit endlich etwas gegen Crystal und die damit verbundenen negativen Auswirkungen auf unsere Gesellschaft unternommen wird, ist unser

Entschließungsantrag mehr als notwendig und mehr als nötig.

Was möchten wir mit unserem Entschließungsantrag erreichen? Wir möchten beispielsweise prüfen lassen, unter welchen Bedingungen ein Meldesystem für erstauffällige Konsumenten etabliert werden kann, um eine schnelle Überführung in das Suchthilfesystem zu gewährleisten.

Weiterhin möchten wir, erstens, ein aufsuchendes Beratungsangebot etablieren, welches bei bekannt gewordenem Erstkonsum Hilfe anbietet, zweitens, den Engpässen und den sehr langen Wartezeiten in den SBB durch Aufstockung der Personalkapazitäten entgegenwirken und hierdurch ein zeitnahes Hilfsangebot gewährleisten, drittens, dass sofort eine wissenschaftliche Evaluation des 10-Punkte-Planes gegen Crystal durchgeführt wird und dabei insbesondere den Punkt 7 „Soforthilfe für erstauffällige Konsumenten, Abhängigkeit frühzeitig verhindern“ fokussieren, viertens, unverzüglich den Kontroll- und Repressionsdruck im Bereich der Rauschgiftkriminalität zu erhöhen und die personelle sowie die technische Ausstattung des Polizeivollzugsdienstes der schwerpunktmäßig im Bereich der Rauschgiftkriminalität agierenden Polizeieinheiten zu verbessern, fünftens, die Erkenntnislage der Sicherheitsbehörden im Bereich der organisierten Drogenkriminalität zu erhöhen und Kontrollen an den Außengrenzen zur Tschechischen Republik und zur Republik Polen zu intensivieren und stärker als bisher, den Internethandel und Postversand von illegalen Drogen in den Blick zu nehmen; und zu guter Letzt endlich gezielte Maßnahmen zu ergreifen, um den Handel mit illegalen Drogen an Schulen einzudämmen.

All diese Punkte sollten wir in Sachsen umsetzen oder zur Umsetzung bringen, denn Sie wissen: Angriff ist die beste Verteidigung. Lassen Sie uns angreifen und stimmen Sie unserem Antrag zu!

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Wird hierzu das Wort gewünscht? – Herr Zschocke, bitte sehr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wendt, die Trittbrettfahrerei der AfD ist nicht neu. Aber wenn Sie es noch nicht mal geschafft haben, Ihre Große Anfrage auf die Tagesordnung zu setzen und Ihren Entschließungsantrag an unsere Drucksache hängen, dann ist das schon recht – –

(André Barth, AfD: Das ist legitim und vor allen Dingen effizient, Herr Zschocke!)

Das ist legitim, und das können Sie machen.

Aber zu Ihrem Antrag. Ich weiß nicht, welche Drogen Sie kennen oder konsumieren, aber in unserem Antrag geht es nicht um Cannabis, es geht auch nicht um Alkohol und auch nicht um Nikotin, sondern es geht um Methamphe

tamin. Das ist eine synthetische Droge, und diese hat die Kurzbezeichnung „Crystal“.

Wenn man sich Ihren Antrag anschaut, dann offenbart dieser Ihren ausgeprägten Drang, so will ich es einfach sagen, nach Überwachung. Sie haben offenbar keinerlei Scheu vor massiven Eingriffen in die Privatsphäre. Sie wollen ein Meldesystem für Erstauffällige. Dazu sage ich eines: In der „Falldatei Rauschgift“ werden Straftäter erfasst, die die Polizei im Zusammenhang mit Drogendelikten ermittelt. Diese Daten wollen Sie jetzt an Dritte weitergeben. Also, ich bin heilfroh, dass ich in einem Land lebe, in dem die Polizei nicht nach Lust und Laune Daten von Tatverdächtigen weitergibt.

Wer einen Eindruck von diesem ausgeprägten, ich sage mal „Schnüffelstaatverständnis“ der AfD haben will, kann sich einmal die Fragestellungen der AfD-Fraktion in der Großen Anfrage anschauen; man kann es aber auch lassen.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Dann lassen wir es mal lieber!)

Bei Ihren Vorstellungen einer schnellen und gezielten Überführung von Konsumenten in das Suchthilfesystem fühle ich mich sehr an die DDR erinnert. So eine Idee von einer staatlichen Zwangsvermittlung in die Suchthilfe ist nicht nur datenschutzrechtlich untragbar, sondern auch komplett widersinnig; denn ohne Motivation zur Verhaltenänderung wird keine Suchthilfe Wirkung entfalten können. Natürlich haben Drogen in Schulen und auf Schulhöfen nichts verloren. Sie nennen aber keine einzige Maßnahme, wie der Schutz der Kinder vor Drogenmissbrauch konkret aussehen könnte. Einen Zustand anzuprangern, aber keine Lösung zu nennen, ist noch keine Politik. Aber wem sage ich das.

(André Wendt, AfD, steht am Mikrofon.)

Herr Zschocke, wollen Sie eine Zwischenfrage zulassen?

Können Sie mir einmal erklären, wo in unserem Antrag von Zwang gesprochen wird? Das würde mich mal interessieren. – Danke.

Lesen Sie sich die Begründung – ich habe den Antrag jetzt nicht vorliegen – zu Ihrem Antrag durch, in dem es um die Überführung von Konsumenten in das Suchthilfesystem geht. Diese Begründung „atmet“ die Vorstellung einer staatlichen Zwangsvermittlung.

(André Barth, AfD: Alles klar!)

Nun haben die Antworten, die polizeilichen Zahlen und Statistiken leider nicht die von der AfD gewünschte hohe Dealerquote bei Nordafrikanern gebracht. Auch das können wir in Ihrer Begründung nachlesen. Weil Sie die hohe Ausländerkriminalität für die Stigmatisierung von Migranten brauchen, haben Sie in Ihrem Antrag kurz ein

neues Statistikinstrument entwickelt, und zwar das – ich zitiere, ich habe mir das aufgeschrieben – der „zu beobachteten Lebenswirklichkeit“. Das ist wirklich ein tolles Erfassungsverfahren für Kriminalität, weil es je nach Brille, die man dabei aufsetzt, immer das gewünschte Ergebnis bringt.

Jeder Bürger kann dieses Verfahren ganz einfach anwenden.

(André Barth, AfD: Was hat das mit Ausländern zu tun? Überhaupt nichts!)

Bitte zum Schluss kommen!

Mit diesem populistischen Unsinn haben Sie die eigentlich richtige Forderung, nämlich die Erkenntnislage der Sicherheitsbehörden im Bereich der organisierten Drogenkriminalität zu verbessern, wirklich selbst ad absurdum geführt.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren, gibt es weitere Wortmeldungen? – Bitte sehr.

Danke, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte an der Stelle nur ankündigen, dass die Koalition diesen Entschließungsantrag ablehnen wird. Zu den Gründen werde ich in der Debatte zum zweiten Antrag näher ausführen. – Vielen Dank.

Weitere Wortmeldungen? – Sehe ich nicht.

Wer der Drucksache 6/12697 seine Zustimmung geben möchte, der zeigt das jetzt bitte an. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen, bitte? – Danke sehr. Gibt es Stimmenthaltungen? – Danke sehr. Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist die Drucksache mit großer Mehrheit nicht beschlossen worden.

Meine Damen und Herren, ich rufe die Aussprache zum zweiten Entschließungsantrag auf, Drucksache 6/12714. Herr Zschocke, zunächst die Einbringung; bitte, Sie haben das Wort.