Protokoll der Sitzung vom 15.03.2018

Meine Damen und Herren, ich rufe die Aussprache zum zweiten Entschließungsantrag auf, Drucksache 6/12714. Herr Zschocke, zunächst die Einbringung; bitte, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte hat gezeigt, die Herausforderung im Umgang mit dem hohen CrystalKonsum erfordert kontinuierliche und ressortübergreifende Zusammenarbeit.

Was ist nun konkret zu tun? Wir haben in unserem Entschließungsantrag circa 20 Maßnahmen zusammengetragen. Also, notwendig sind mehr präventive Angebote online, an den Schulen, in der Jugendarbeit und vor allem mit Blick auf die Risikogruppen. Aus- und Weiterbildung sind zu koordinieren, gerade für die Fachkräfte, die in betroffenen Familiensystemen wirken, also Ärzte, Heb

ammen, in der Sozialarbeit, bei der Familienhilfe, in den Jugend- und Gesundheitsämtern. Wir brauchen auch mehr Fortbildung für die Beratungslehrerinnen und Beratungslehrer.

In der Suchthilfe brauchen wir einen Ausbau der Rehabilitationsangebote in Sachsen, vor allem auch für die Crystal-abhängigen Eltern mit Kindern. Es ist im Sozialausschuss mehrfach darüber gestritten worden, dass eine pauschale Mittelverteilung an die Städte und Kreise über die Förderrichtlinie Psychiatrie und Sucht nicht zielführend ist. Das haben nicht nur wir deutlich gemacht, Frau Klepsch. Vielmehr muss die Suchthilfe am regionalen Bedarf ausgerichtet werden, nicht pauschal an der Einwohnerzahl pro Stadt oder Kreis. Die seit 2015 neu entstandenen Projekte müssen auch im nächsten Doppelhaushalt des Landes weiter gefördert werden.

Wir brauchen in allen Regionen Sachsens und in der Frauenjustizvollzugsanstalt in Chemnitz stationäre Suchttherapiestationen, denn wer suchtkrank ist, braucht doch vor allem Hilfe statt Strafe. Wir schlagen zudem vor, Konzepte zu entwickeln, um die Selbsthilfe für CrystalAbhängige zu fördern.

Leider – Kollege Jalaß hat davon gesprochen – gibt es Abhängige, die ihren Konsum nicht dauerhaft beenden werden. Auch diese müssen bestmöglich beraten und unterstützt werden, um den Schaden zu minimieren.

Die Polizeidirektion benötigt ausreichend Personal zur Bekämpfung des grenzüberschreitenden Handels und Schmuggels von Crystal. Hier muss das Innenministerium jetzt die „Bekämpfungskonzeption Crystal“ auch wirklich fortschreiben und ein umfassendes Lagebild nicht immer nur ankündigen, sondern aller zwei Jahre erstellen.

Die Anhörungen, die wir im Sozialausschuss zu diesem Thema hatten, haben gezeigt – und das haben Wissenschaftler und Mediziner deutlich gemacht –, dass die Entwicklung eines wissenschaftlich abgesicherten Konzepts zur Versorgung und Behandlung von Crystalgeschädigten Säuglingen und Kindern dringend notwendig ist. Auch das ist Gegenstand unseres Antrags.

Es braucht nachstationäre Behandlungs- und Hilfsangebote für diese Kinder, auch eine landesweite Handlungsempfehlung für ein Hilfeplanverfahren bei Crystal-abhängigen Eltern, um auf den starken Anstieg der Kosten im Heimbereich zu reagieren.

Meine Damen und Herren, Frau Staatsministerin Klepsch! Natürlich müssen Umsetzung und Wirkung der im 10Punkte-Plan benannten Maßnahmen jetzt auch evaluiert und fortgeschrieben werden – nach vier Jahren ist das der richtige Zeitpunkt.

Deswegen bitte ich um Unterstützung unseres Antrags.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Zschocke. Gibt es hierzu Wortmeldungen aus den Reihen der Fraktionen? – Bitte sehr, Herr Pallas.

Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Zschocke! Meine Damen und Herren! Ich schließe nochmals an den Dank von vorhin an: Danke für diesen sehr umfassenden und anregenden Entschließungsantrag.

Danke auch nochmals für die sehr sachliche Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt.

Ich finde, in beiden Anträgen stecken Punkte drin, über die es sich nachzudenken lohnt. Einiges ist noch nicht ausgereift, anderes kann man politisch unterschiedlich bewerten. Aber die Problematik, vor der wir stehen, ist so groß, dass man mögliche Lösungsansätze nicht pauschal beiseiteschieben, sondern einfach darüber nachdenken sollte.

Sie werden verstehen, dass die Koalition beiden Anträgen dennoch nicht zustimmen kann. Das liegt an diesem Grundton beider Anträge, wie es bei typischen Oppositionsanträgen ist: dass alles schlecht sei, die Regierung nichts tue und sich nur durch Beschluss dieses Antrags die Situation verbessern werde.

Im Maßnahmenteil ist es so, dass einige Punkte bereits umgesetzt werden – andere wurden bereits umgesetzt. Man muss darüber reden, ob das reicht oder man nachsteuern muss. Das ist alles kein Problem. Es finden sich aber auch einige gute neue Ansätze, die alle Teil der heutigen Debatte waren.

Ich möchte abschließend noch ergänzen, dass ich es durchaus für wichtig halte, was Herr Jalaß angeregt hatte: wirklich eine drogenpolitische Debatte zu führen; denn es geht um weit mehr als die Fokussierung auf so einen Maßnahmenkatalog zu einem Phänomen. Es ist ein bundesweites Thema und ich nehme wahr, dass die Debatte durchaus anhaltend geführt wird, schwillt mal auf, schwillt mal ab. Tatsächlich können auch da viele Punkte erreicht werden, die hierbei helfen könnten. Aber man muss es trennen, und ich denke, es ist sinnvoll, dass wir uns weiterhin mit dem Thema befassen. Allerdings können wir heute den Anträgen nicht zustimmen.

Ich danke Ihnen trotzdem.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Es gibt weitere Wortmeldungen. Herr Wehner, bitte, am Mikrofon 6.

Herr Präsident! Noch einmal zu dem Entschließungsantrag: Zu suggerieren, dass die Staatsregierung die Evaluation zu dem 10-PunkteProgramm nicht vornehmen würde, halte ich für nicht angebracht; deswegen können wir auch nicht zustimmen.

Wir sind bereits auf einem guten Weg, das muss man konstatieren. Wenn der Antrag davon spricht, dass die Ministerien ressortübergreifend zusammenarbeiten

müssen, dann muss man natürlich sagen, dass das längst der Fall ist. Hier neue Konzepte zu fordern ist etwas zu kurz gedacht, denn es gibt bereits viele Suchtangebote vor Ort. Diese gilt es weiter auszubauen und zu unterstützen und nicht das zu entwerten, was bereits stattfindet.

Deswegen lehnen wir diesen Antrag ab.

Vielen Dank, Herr Wehner. Jetzt noch für die Fraktion DIE LINKE Herr Jalaß.

Ich versuche mich ebenfalls kurzufassen. Suchtpolitisch den Schwerpunkt auf Prävention und Weiterbildung, Jugendarbeit, Therapie und Rehabilitationskapazitäten und grundsätzlich auf evaluierte und wissenschaftlich fundierte Konzepte zu legen halte ich für den richtigen Weg.

Ich kann diesem Antrag also sehr viel abgewinnen und möchte nur noch eine kleine Anmerkung für unsere Fraktion machen: Unter Punkt I.1 ist erwähnt, dass Crystal die am meisten konsumierte illegale Droge in Sachsen sei. Ich bin der Meinung, dass Cannabis die am meisten – noch – illegalisierte Substanz ist, die hier konsumiert wird. Das sagt auch der Suchtbericht der Staatsregierung. Allerdings ist Crystal, um formal-direkt zu bleiben, die vorherrschende Problemsubstanz im Hellfeld der Suchtkrankenhilfe. Diese Formalität wollte ich für uns protokollarisch festgehalten haben. Ansonsten stimmen wir dem Antrag zu.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Vielen Dank. Es gibt noch eine weitere Wortmeldung; Herr Abg. Wendt, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Werte Fraktion GRÜNE! Ich konstatiere zunächst, dass unsere Änderungsanträge in großen Teilen gar nicht so weit auseinanderliegen. Genannt sei die Feststellung, dass der 10-Punkte-Plan gegen Crystal bis dato keinen Erfolg erzielt hat und dies vor allem an seiner Umsetzung liegt.

Richtig ist daher auch, dass wir das Ganze evaluieren.

Aber schon dem ersten Punkt Ihres Antrags muss ich widersprechen. Sie konstatieren, dass Crystal die meist konsumierte illegale Droge in Sachsen sei. Entweder betrachten Sie Cannabis nicht als illegale Droge oder Sie kommen darauf, weil Sie einen entscheidenden methodischen Fehler gemacht haben.

Sie schließen von Behandlungszahlen im Suchthilfesystem auf die Konsumentenzahlen.

Wir haben in unserer Großen Anfrage zur gleichen Thematik die entsprechenden Zahlen erfragt. Sie wären also durchaus verfügbar gewesen, sodass es nicht zu Falschbehauptungen kommen müsste. Die 12-Monats-Prävalenz liegt für Cannabis bei 8 % und für Crystal bei 2 %. – So viel dazu.

Zusätzlich möchte ich Sie auf einen Widerspruch aufmerksam machen: Sie fordern in Ihrem Antrag die Erhöhung des Verfolgungsdrucks der Rauschgiftkriminalität unter anderem durch die Einstellung von mehr Polizisten. Damit sind Sie natürlich voll auf AfD-Linie. Herzlichen Glückwunsch zu dieser Erkenntnis.

(André Barth, AfD: Genau!)

Wie kommen Sie plötzlich darauf? – Wenn man sich Ihr Wahlprogramm zur Bundestagswahl zur Hand nimmt, dann muss man in Bezug auf Cannabis lesen, dass statt sinnfreier Strafverfolgung die Prävention ausgebaut werden muss. Warum so inkonsequent, werte GRÜNE?

(Zuruf des Abg. René Jalaß, DIE LINKE)

Cannabis und Crystal sind illegale Drogen. Handel und Konsum dieser und anderer illegaler Drogen gilt es entschieden zu bekämpfen.

Wir lehnen Ihren Antrag ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Drucksache 6/12714 zustimmen möchte, der hebt jetzt die Hand. – Vielen Dank. Es sind alle sehr aktiv. Wer ist dagegen?

(Albrecht Pallas, SPD: Wir sind aktiver!)

Gibt es Stimmenthaltungen? – Auch hierbei Stimmenthaltungen und Stimmen dafür, aber nicht die erforderliche Mehrheit. Damit ist auch dieser Entschließungsantrag abgelehnt worden. Meine Damen und Herren! Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 6