Protokoll der Sitzung vom 15.03.2018

Tagesordnungspunkt 6

E-Health im Freistaat Sachsen

Drucksache 6/12063, Antrag der Fraktionen CDU und SPD,

mit Stellungnahme der Staatsregierung

Die Fraktionen nehmen wie folgt Stellung: zunächst CDU und SPD, danach DIE LINKE, AfD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; die Staatsregierung, sofern das Wort gewünscht wird.

Wir beginnen mit der Aussprache. Für die CDU-Fraktion Herr Abg. Wehner. Herr Wehner, Sie haben das Wort.

Lieber Herr Präsident! Vielen Dank für das Wort. – Wir befassen uns jetzt mit einem

Thema der Gesundheitspolitik, das uns in den nächsten Jahren, ja gar Jahrzehnten in besonderer Weise hier im Freistaat Sachsen beschäftigen wird. Es wird den Freistaat Sachsen auch in besonderer Weise verändern, und zwar positiv.

E-Health, ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, was ist das eigentlich? Was steht eigentlich hinter dem Wort? – Das sind Anwendungen von Kommunikations- und Informationstechnologien im Gesundheitswesen. Es umfasst die Gesundheitstelematik, also die administrative, vernetzte Onlineanwendung, wie die elektronische Gesundheitskarte, oder die Telemedizin als Anwendungen, die einen medizinischen Bezug über eine räumliche Distanz aufwenden. Diese räumliche Distanz ist gerade im Freistaat Sachsen mit ländlich geprägten Gebieten so wichtig.

Zum Hintergrund gibt es zu sagen, dass es ein E-HealthGesetz gibt. Es ist bereits Anfang 2016 in Kraft getreten. Ziel ist es, Ärzten, Krankenhäusern und Apotheken die Möglichkeit zu geben, in sicherer, strukturierter und medienbruchfreier Weise medizinische Informationen ihrer Patienten an weiterbehandelnde Kollegen elektronisch zu vermitteln. Das klingt erst einmal sperrig, ist aber in der Praxis besonders wichtig und wertvoll.

Bis zum Jahr 2018 sollen Arztpraxen, Krankenhäuser und Apotheken an die entsprechende Infrastruktur angeschlossen werden und soll sich das medizinische Personal auf die Anwendung der Infrastruktur und der angesprochenen Gesundheitskarte einstellen.

Weiterhin sieht das Gesetz beispielsweise das Anbieten von Videosprechstunden, das Eintragen von Notfalldaten auf der elektronischen Gesundheitskarte und die Einrichtung der elektronischen Gesundheitsakte ab dem 1. Januar 2019 vor.

Diese Gesetzgebung hat einen langen Vorlauf. Bereits im Jahr 2004 hat der Gesetzgeber mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz die Grundlage für die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte und der Telematikinfrastruktur gelegt. Heute ist die elektronische Gesundheitskarte flächendeckend bei den Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung angekommen. Die Anwendungen der Telematikinfrastruktur lassen jedoch auf sich warten. Das muss man fairerweise konstatieren.

Welchen Vorteil hat also nun das Gesetz? – Erstens. Es gibt Videosprechstunden. Das ist die telemedizinisch gestützte Betreuung von Patienten. Gerade bei langen Anfahrtswegen oder nach Operationen können telemedizinische Leistungen eine sinnvolle Hilfe sein. Ärzte können im Rahmen dieser Videosprechstunden ihren Patienten die weitere Therapie am Bildschirm erläutern oder den Heilungsprozess einer Operationswunde begutachten. So muss der Patient nicht für jeden Termin in die entsprechende Arztpraxis kommen.

Folgende Arztgruppen dürfen beispielsweise aktuell die Videosprechstunden durchführen und entsprechend

abrechnen: Hausärzte, Kinder- und Jugendärzte, Anästhe

sisten, Augenärzte, Chirurgen, Hals-, Nasen- und Ohrenärzte oder auch Orthopäden.

Die Onlinevideosprechstunde ist aber zunächst für bestimmte Indikationen vorgesehen. Das ist der Vollständigkeit halber hier zu sagen. Eine Erweiterung des Leistungsspektrums ist für die Zukunft allerdings geplant.

Derzeit können Videosprechstunden für folgende Anlässe eingesetzt werden: die visuelle postoperative Verlaufskontrolle einer Operationswunde beispielsweise oder die visuelle Verlaufskontrolle einer Dermatose nach einer strahlentherapeutischen Behandlung. Es gibt noch weitere, die hierbei eingegrenzt sind, aber diese Beispiele sollen exemplarisch der Veranschaulichung dienen und auch ausreichen.

Die Onlinevideosprechstunde dient also nicht dem Erstkontakt zwischen Arzt und Patient, sondern der Verlaufskontrolle oder für Patientenrückfragen bei einer bereits eingeleiteten Behandlung. Das ist hierbei zu unterstreichen. Der Erstkontakt soll nicht über diesen Videodialog laufen, sondern beim Arzt stattfinden.

Zweitens: die Notfalldaten auf der elektronischen Gesundheitskarte. Seit dem 1. Januar 2018 soll allen Versicherten die Möglichkeit eingeräumt werden, notfallrelevante Informationen – man kann beispielsweise nennen: Diagnosen, Medikation, Allergien, Unverträglichkeiten – auf der elektronischen Gesundheitskarte eintragen und speichern zu lassen.

Drittens: die elektronische Patientenakte. Ab dem 1. Januar 2019 haben die Versicherten Anspruch auf eine elektronische Patientenakte, in der wichtige Dokumente wie Arztbriefe, der Medikationsplan, ein Notfalldatensatz, der Impfausweis oder anderes aufbewahrt werden. Um auf diese Akte zugreifen zu können, wird ein elektronischer Arztausweis benötigt. Die Akte liegt nicht beim Arzt, sondern ist direkt in der Hand des Patienten.

Ein weiteres Anwendungsbeispiel für die Telemedizin will ich hier auch noch nennen. Das ist die Teleradiologie. Sie verdeutlicht noch einmal mehr die Chance, nämlich in der Radiologie, dass der begutachtende Arzt radiologische Bilder auf einem dafür geeigneten Monitor bereits hat. Die mithilfe des Röntgengeräts oder des Kernspintomografen durch den medizinisch-technischen Assistenten erstellten Bilder liegen also bereits digital vor.

Sie können dann in strukturschwachen Regionen mit radiologischen Zentren einen großen Bereich mit mehreren Krankenhäusern versorgen; denn die Daten können von den einzelnen Krankenhäusern direkt an das Zentrum zur Begutachtung durch den Radiologen geschickt werden.

Ebenso profitiert davon der Patient; denn für seine individuelle Erkrankung steht immer ein Facharzt zur Begutachtung zur Verfügung.

Ein aktuelles Beispiel aus Sachsen ist, dass 1,4 Millionen Euro für das Telemedizin-Forschungsvorhaben

„NeuroESP – Assistenzsystem zur Warnung vor epilepti

schen Anfällen“ der Technischen Universität Dresden und der SIGMA Medizintechnik GmbH aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung übergeben worden sind. Ziel des Forschungsvorhabens ist die Entwicklung eines mobilen Systems, das eine telemedizinische Überwachung und Behandlung der Epilepsiepatienten sowie eine zuverlässige Vorhersage der Anfälle ermöglichen soll. Ziel der mobilen telemedizinischen Überwachung ist es, die Versorgung von Epileptikern entscheidend zu verbessern, damit die Betroffenen ein weitgehend normales Leben im Alltag führen können.

Abschließend und zusammenfassend sei gesagt, warum wir diesen Antrag hier eingebracht haben: Es ist das Ziel, über die stärkere Anwendung von E-Health einen wesentlichen Beitrag zur Sicherstellung und auch zur Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung hier im Freistaat Sachsen zu leisten. So erlaubt beispielsweise die intelligente Nutzung von Gesundheitsdaten bislang unvorstellbare Einblicke in die Entstehung und in den Verlauf von Volkskrankheiten wie Krebs, Diabetes oder auch Depressionen. Das Beispiel der Teleradiologie, das ich nannte, erlaubt eine fachärztliche Versorgung auch über weite Strecken hinaus. Um das zu erreichen, müssen aber die entsprechenden Rahmenbedingungen verbessert werden. So gilt es, Sicherheit und Interoperabilität standardisiert und einheitlich zu klären, aber auch zu prüfen, ob internationale Standards genutzt werden können, statt hier separat im Freistaat eigene zu entwickeln.

Ein Fokus ist dabei auf die Schnittstellenproblematik zu richten. Wenn jeder Leistungserbringer eine eigene Software oder Hardware verwenden würde, welche mit den anderen Anbietern dann nicht kompatibel wären, würde es sehr schwierig werden. Diese Fehler kann man eben in der jetzigen Phase noch vermeiden. Auch gilt es zu prüfen, ob der Kreis der Akteure umfassend einbezogen ist und ob dieser dann doch noch erweitert werden kann. Also, das Thema E-Health wird uns in den nächsten Jahren und Jahrzehnten ganz besonders beschäftigen. Auch der Sächsische Landtag wird sich damit noch weiter und intensiv beraten und deswegen bin ich froh, dass wir heute diese Möglichkeit haben.

Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der SPD)

Deswegen jetzt die SPD-Fraktion, Frau Abg. Lang. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Wir reden gern aneinander vorbei. Wir haben ein gewisses Talent dafür, uns über ein Thema zu unterhalten, aber gleichzeitig an verschiedene Dinge zu denken. Besonders häufig passiert das, wenn wir über Begriffe reden, unter die vieles fällt. Digitalisierung ist dafür wahrscheinlich im Moment das beste Beispiel. Fragen wir querbeet unser Gegenüber, was es gerade meint, wenn wir von Digitalisierung sprechen, dann bekommen Sie viele Antworten. Vernünftiges Internet, schnelle Datenverbindung, dass alle unsere Haushaltsge

räte miteinander kommunizieren oder dass Roboter bei der Arbeit helfen. Wir bekommen dann wahrscheinlich immer noch den Eindruck, dass wir aneinander vorbeireden.

Wenn wir über Digitalisierung im Gesundheitsbereich sprechen, über E-Health, ist das nicht anders. Bei EHealth müssen wir uns endlich diesen ganz großen Gedanken trauen und wir müssen vermutlich immer wieder feststellen, dass ganz große Gedanken lange brauchen, bis sie wirklich bei den Menschen ankommen, bis sie das Leben von uns allen einfacher machen. Das hat teils berechtigte Gründe, etwa im Zusammenhang mit dem Schutz persönlicher Daten, und ich bin auch sehr froh, dass es in Deutschland ein hohes Augenmerk auf den Datenschutz gibt. Andererseits gibt es aber Gründe, die frustrieren, nämlich wenn großartige Ideen ewig hängen bleiben, weil sich die Beteiligten wegen der Finanzierung oder der Zuständigkeit nicht einigen können. Die großen Gedanken müssen am Ende im ganz Kleinen ankommen, dort, wo wir alle leben, das heißt, bei unseren Hausärztinnen und Hausärzten oder bei unseren Fachärztinnen und Fachärzten.

Deswegen müssen wir die großen Begriffe wie Digitalisierung oder E-Health herunterbrechen und aufteilen in leichter Fassbares. Ich stamme aus dem Erzgebirge und wir sind dort schon ein besonderes Völkchen: fleißig, liebenswert, aber auch immer sehr auf Tradition bedacht. Das ist sicher etwas ganz Schönes, macht es aber manchmal ziemlich spannend, wenn ich in Veranstaltungen über die neuen Themen diskutiere. Dann merke ich, wie weit wir wirklich bei den Themen sind und vor allem auch, wo sich die ganzen offenen Fragen und Bedenken befinden, auf die wir Antworten haben müssen.

Vor nicht allzu langer Zeit habe ich den Begriff E-Health bei uns in Annaberg-Buchholz unter dem Aspekt Doktor Digital diskutiert. Was ich dort immerzu gehört habe, ist: Egal was kommt, der Arzt oder die Ärztin dürfen nicht durch digitale Medien ersetzt werden. Doch die digitale Hilfe ist dringend notwendig und sollte in jedem Fall kommen. Um dies zu realisieren, müssen sicher alle Beteiligten noch etwas mutiger werden. In diesem Zusammenhang finde ich es übrigens gut, dass das sogenannte Fernbehandlungsverbot anscheinend gelockert werden soll. Es gibt ganz sicher Arztkonsultationen, die nicht persönlich sein müssen, zum Beispiel bei einer regelmäßigen Kontrolle oder wenn man einen FolgeCheck-up machen lassen muss. Um es ganz deutlich zu sagen: Der Bildschirm wird nicht den persönlichen Kontakt zum Arzt oder zur Ärztin ersetzen.

Das bisschen mehr Mut auf allen Seiten braucht vor allem Information und Wissen, etwa dahin gehend, dass wir keine Arztstellen streichen wollen, sondern dass es darum geht, das Leben einfacher zu gestalten und zu zeigen, dass es manchmal auch einfach funktionieren kann. Diesbezüglich gibt es viel zu tun. Deshalb soll dieser Antrag einen Anschub dazu geben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Nun die Fraktion DIE LINKE. Frau Pfau, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich müsste jetzt meine Kollegin Frau Schaper die Rede zu diesem Antrag halten, da sie von Anfang an darauf hingewiesen hat, wie wichtig das Thema ist. Frau Schaper befindet sich aber, wie jedes Jahr, gerade in Vietnam und hilft dort Kindern. Wir möchten ihr von hier aus viel Erfolg bei der Behandlung der jungen Patientinnen und Patienten wünschen.

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Als ich das erste Mal von der Platzierung dieses Antrags der Koalition auf der heutigen Tagesordnung hörte, war mein erster Griff zum Tablet, denn ich hatte dessen Inhalt in Zeiten des Internets nicht im Kopf und es ist schließlich auch nicht mein Fachgebiet; zusätzlich können wir unsere Dokumente ja alle online abrufen. Zum Glück gibt es seit Kurzem im Landtag überall WLAN. Zusätzlich war ich auch noch in Dresden in einem Gebiet mit relativ schnellem Internet.

Als wir im letzten Jahr mit dem Sozialausschuss in Vietnam waren, haben wir dort feststellen können, dass es in einer sozialistischen Republik in jeder Ecke WLANVerbindung gab. Zu Hause im Vogtland sieht es schon ganz anders aus. Ich weiß, am Ausbau wird gearbeitet, aber eine ordentliche Abdeckung im ländlichen Raum wird noch länger auf sich warten lassen.

Im heutigen Antrag handelt es sich wieder einmal darum, dass von der Staatsregierung weitgehend Berichte abgefordert werden, Anträge, die nicht abgelehnt werden können, weil sie immer stimmen, aber auch keine wesentlichen Beiträge zur Entwicklung in Sachsen leisten können, eben weil sie vordergründig dazu dienen, über die Pressemitteilungen der Ministerien hinaus darauf hinzuweisen, dass irgendetwas getan wird.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Selbstverständlich hält DIE LINKE das Thema E-Health mit all den schon jetzt praktizierten, bereits entwickelten, immerhin geplanten und auch noch nicht vorstellbaren auf elektronischer Datenverarbeitung beruhenden Anwendungen im Gesundheitssystem für so wichtig, dass es unbedingt einen höheren Stellenwert bekommen sollte. Es gibt eine Menge Chancen für eine Verbesserung und individuellere medizinische Versorgung, die in peripheren Regionen ebenso zur Anwendung kommen können wie in den urbanen Räumen. Ich meine damit zum Beispiel die telemedizinischen Möglichkeiten des Expertenaustauschs oder die Beratung von Patientinnen und Patienten, die Führung elektronischer Gesundheitsakten, auch über die Sektorengrenzen von ambulant und stationär hinaus, oder die Online-Geschäftsstelle einer Krankenkasse. Ohne Frage, es gibt schon jetzt viele Beispiele, die beweisen, dass die

Digitalisierung viel Potenzial für die Entwicklung eines modernen patientenorientieren Gesundheitswesens

enthält.

Selbstverständlich gibt es, wie bei jeder neuen Technologie, nicht zu unterschätzende Risiken, zum Beispiel die Gefahr, ethisch vertretbare Grenzen aufgrund von Technikgläubigkeit und Machbarkeitswahn zu überschreiten. Ich denke, sie dürfen nicht unterschätzt werden, aber wir werden lernen damit umzugehen; denn ob wir wollen oder nicht, wir können uns technologischen Entwicklungen nicht entziehen. Deshalb ist es mit Sicherheit klüger, sich mit diesem Thema wesentlich intensiver und offensiver zu befassen, und zwar mit den Chancen ebenso wie mit den Risiken. Leider ist davon im Freistaat bisher noch nicht besonders viel zu merken. Da es bei diesem Thema insbesondere auch um Geld geht, fange ich damit an.