Protokoll der Sitzung vom 15.03.2018

Neuntens. Wir schlagen vor, dass es in Deutschland Sozialtarife für Strom gibt. Ähnlich wie bei Sozialtarifen beim ÖPNV, was es in Leipzig und Dresden gibt und vielleicht auch bald in Chemnitz geben wird, wollen wir, dass es das auch für den Energiesektor gibt. Wir wissen, dass im Hartz-IV-Regelsatz Kosten für Strom enthalten sind. Doch wir wissen auch – das ist wie im Bereich Nahrung und Bildung –, dass es zu wenig ist. Nun könnte man sagen, man solle einfach einen höheren Hartz-IVSatz fordern. Da wäre ich voll bei Ihnen. Ich fordere auch eine gänzlich höhere Grundsicherung, aber Sie eben nicht. Daher gehen wir heute diesen Weg und fordern ein entsprechend günstigeres Angebot für Strompreise für einkommensschwache Menschen. Da aber gleichzeitig das Stromsparen belohnt und nicht zu kurz kommen soll, gibt es wiederum von vielen Umwelt- und Sozialverbänden die Idee von Gratissockeln für eine gewisse Strommenge im Monat, die kostenfrei sind. Dieser soll die Grundversorgung sicherstellen und Verschwendung

eindämmen.

Zehntens und letzens. Wir wollen wieder die Einführung der staatlichen Strompreisaufsicht, weil wir meinen, dass

es nicht schaden kann, wenn sich Energieversorger Preiserhöhungen in Zukunft genehmigen lassen müssen.

Insgesamt bietet Ihnen dieser Antrag die Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass bei der Energiewende möglichst viele Menschen mitgenommen werden; denn nur so funktioniert sie und nur so ist sie sozial gerecht. Es gibt noch viele weitere Ideen, doch wir haben es zunächst bei diesen Vorschlägen belassen, die Ihnen bei diesem doch sehr umfangreichen Vorschlag heute vorliegen.

Ich freue mich auf die Debatte und danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Nun ist die CDU-Fraktion an der Reihe. Für die Fraktion spricht Herr Abg. Hippold. Bitte sehr, Herr Hippold, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meinen Ausführungen zum Antrag der LINKEN möchte ich voranstellen, dass ich eine fachliche und inhaltliche Diskussion über konkrete Lösungswege, wie wir das politisch vorgegebene Ziel erreichen, die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2050 um 80 % zu senken, sehr begrüße. Fakt ist, dass hierzu selbstverständlich auch Überlegungen zu Energieeffizienzmaßnahmen an Gebäuden gehören. Liest man allerdings Ihren Antrag, so findet man eine Mischung aus populistischen Forderungen, zum Beispiel ein Stromfreikontingent, und Themen mit klarer Bundeszuständigkeit, sodass ich beim Lesen streckenweise das Gefühl hatte, Sie hätten sich in der Zuständigkeit des Parlaments geirrt.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ja!)

Als Abgeordneter des Sächsischen Landtags möchte ich mich allerdings zunächst gegen den in Ihrem Antrag unterschwellig formulierten Vorwurf, es gebe zu wenig Fördermöglichkeiten für energieeffizientes Bauen, klar zur Wehr setzen. Wir haben im Freistaat Sachsen eine sehr ausgewogene Förderlandschaft, welche Energieeffizienz gezielt unterstützt. Exemplarisch nennen möchte ich dabei die Richtlinien „Zukunftsfähige Energieversorgung“ und „Klimaschutz“ oder das Programm „Energieeffizient bauen“. Mit diesen Richtlinien bzw. Programmen werden unter anderem Investitionen von kleinen und mittelständischen Unternehmen, Kommunen und Privatpersonen in Energieeffizienz und Energieeffizienzhäuser unterstützt. Wichtig ist bei einem so lebenswichtigen Thema wie der Energieversorgung, dass wir alle Maßnahmen gut abwägen und keine undurchdachten Schnellschüsse, wie von Ihnen vorgeschlagen, wagen.

So ist zum Beispiel die Pflicht für ein Stromfreikontingent der Energieunternehmen nicht mehr als eine populistische Forderung, ohne Grundlage und vor allem ohne realistisches Konzept. Andere Forderungen, wie die staatliche Strompreisaufsicht – Herr Böhme, Sie haben gerade dazu ausgeführt –, würden einen riesigen Verwaltungsmehraufwand produzieren und weder zum Einsparen von

Strom noch zur notwendigen Absenkung des Strompreises führen. Mehr Staat und weniger Wettbewerb werden auch hier nicht zur Senkung der Energiepreise beitragen.

Statt auf populistische Forderungen setzen wir in der Energiepolitik auf fundierte Daten. So dienen die kommunalen Wärmenutzungspläne als erstes Mittel zur Erhebung von Versorgungs- und Verbrauchsstrukturen von Gebäuden in unseren Kommunen. Dabei werden die Daten zu Versorgungsart und -menge der einzelnen Gebäude erhoben und mit weiteren zum Beispiel sozioökonomischen Informationen verknüpft. Wärmenut

zungspläne ermöglichen eine detaillierte und variable Betrachtung der Rahmenbedingungen, um die geplante Steuerung der Energieeffizienz über die kommunale Bauleitplanung praxisorientiert, zielgerichtet und für Gebäudeeigentümer umsetzbar auszugestalten.

Um unsere Energieversorgung zukunftsfähig zu machen, braucht es allerdings noch mehr. Wir benötigen darüber hinaus eine detaillierte Analyse des Bestandes und eine daraus abgeleitete Bedarfsentwicklung für den Zielhorizont 2050. Unter der Berücksichtigung der voraussichtlichen Bevölkerungsentwicklung müssen wir deshalb zunächst den Energieverbrauch des sächsischen Gebäudebestandes ermitteln. Mit anderen Worten: Nur mit genauen Daten und Lösungen, die auf die Herausforderungen vor Ort angepasst sind, können wir unser im Koalitionsvertrag festgehaltenes Ziel einer wettbewerbsfähigen klima- und umweltverträglichen Energiepolitik vollends erreichen.

Daher ist zu empfehlen, eine möglichst detaillierte Datenerhebung aller relevanten Energieverbraucher in Sachsen auf lokaler Ebene erstellen zu lassen. Dies wird mit der Fortschreibung des Energie- und Klimaprogrammes innerhalb eines geplanten Weiß- oder Grünbuchprozesses durch die Staatsregierung initiiert.

Genau aus diesem Grund ist es heute mehr als verfrüht, bereits festgelegte Technologiepfade zur Sicherstellung der nachhaltigen Energieversorgung vorzugeben. Alle zukünftigen Versorgungsszenarien müssen ausreichend flexibel sein, um auf veränderte Umstände reagieren zu können. Es ist beispielsweise denkbar, dass im ländlichen Raum, geprägt durch den Bevölkerungsrückgang und niedrige Immobilienpreise, mittelfristige Investitionen wie zum Beispiel Biomasseheizkessel gegenüber langfristigen Investitionen wie zum Beispiel Dämmmaßnahmen an Gebäuden zu bevorzugen sind. Der wesentliche Anteil der Energieerzeugung in Deutschland wird zukünftig aus fluktuierender Wind- und Solarenergie kommen. Weitere Technologien wie Power-to-gas-Anlagen, Pumpspeicher, Batterien oder Blockheizkraftwerke werden als flexible Elemente dieses stark dezentral geprägte System komplettieren.

Das notwendige Rückgrat werden jedoch weiterhin zentrale Netze bilden, die sehr viel stärker miteinander verknüpft sein werden: Stromnetz, Gasnetz, Kommunikationsnetze und Wärmenetze. Ob und in welchem Umfang Wärmenetze einen Zubau oder einen Rückbau erfahren

werden, hängt von den technologischen, ökonomischen, ökologischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen ab.

Ich möchte zum Schluss kommen. Für mich steht fest, dass wir heute handeln müssen, um die Energieversorgung von morgen sicherzustellen.

Das bedeutet erstens Fortschreibung des Energie- und Klimaprogrammes des Freistaates Sachsen. Dieser Prozess ist eingeleitet, aber erst nach Vorlage eines EKP können Konsequenzen und dezidierte Maßnahmen getroffen werden.

Zweitens, gezielte Förderung von privaten Energieeffizienzmaßnahmen durch den Freistaat. Hier werden wir unsere Anstrengungen und weitere Fördermöglichkeiten auch in Zukunft zielführend umsetzen.

Drittens, Schaffung von Rahmenbedingungen für flexible Zukunftstechnologien, die vor Ort Sinn ergeben und nicht grundlos, überreguliert und von oben diktiert werden.

Daher finden wir, dass der vorliegende Antrag abzulehnen ist.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der SPD und des Staatsministers Prof. Dr. Roland Wöller)

Nun kommt die SPDFraktion. Herr Abg. Vieweg, das Geburtstagskind, hat das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Böhme, Ihr Antrag ist ein ganz schön wildes Sammelsurium. Die Energieeinsparverordnung ist Thema in Berlin. Die Richtlinie Energetische Sanierung ist Landesthema. Die Erstattung von Kosten der Unterkunft gehört auf kommunale Ebene. Sie scheuen sich auch nicht, Abschaltungen zu verbieten, und greifen damit in das Privatrecht von Stromversorgern ein. Das ist ganz schön harter Tobak.

Sie tun in Ihrem Antrag so, als könnten Sie die wichtige Frage des Klimaschutzes, die wichtige Frage der CO2Einsparungen mit der sozialen Frage verbinden und das handstreichartig im Sächsischen Landtag beschließen.

Der Weg, sehr geehrter Kollege Böhme, zu mehr sozialer Gerechtigkeit, zu einer sicheren, sauberen und bezahlbaren Energieversorgung ist eine Ochsentour durch alle Ebenen. Es gehört für mich zur Redlichkeit dazu, als Abgeordneter, als verantwortlicher Politiker zu sagen, was geht und was nicht geht, und dies klar abzugrenzen. Wer das wie Sie nicht tut, sorgt nur für eines: für mehr Politikverdrossenheit.

(Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Was macht die SPD?)

Dazu kommt noch der Verbraucher, das unbekannte Wesen. Dem würden Sie gern Ihren Willen aufzwingen. Fakt ist aber, dass viele von Energieeinsparung reden, es aber nur die wenigsten wirklich machen. Obwohl alle

Gründe klar sind, warum man energieeinsparende Geräte kaufen sollte, wird das in der Realität nicht umgesetzt – aus Bequemlichkeit, aus ökonomisch kurzfristigem Handeln, aber vielleicht auch, weil man in seinen Alltagsroutinen verhaftet ist.

Oder um es Ihnen mit einfacheren Worten zu sagen: Der Kunde ist immer noch König in diesem Land. Er entscheidet selbst in einer mündigen, in einer eigenverantwortlichen Entscheidung, was er kauft, ob er die 200 Euro für eine Waschmaschine mit Energieeffizienzklasse B oder C ausgibt oder die 400 Euro in die Hand nimmt und AA++ kauft.

(Zurufe der Abg. Kerstin Köditz und Nico Brünler, DIE LINKE)

Auch wenn es Ihnen nicht gefällt, sehr geehrter Kollege Böhme, so entscheiden sich die Kunden anders, als Sie es sich wünschen. Sie wollen die Menschen erziehen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Natürlich.

Herr Böhme, bitte.

Herr Vieweg, ist Ihnen bewusst, dass der Kunde auch nach unserem Antrag König bleibt? Es geht doch nur darum, dass er die Förderung für energieeffiziente Geräte bekommt. Ist Ihnen das bewusst? Ich habe nie verlangt, dass er nur noch das kaufen soll. Das steht nirgendwo in dem Antrag.

Ich werde in meiner Rede noch darauf eingehen, Herr Kollege Böhme.

Natürlich könnten wir alle Menschen dazu zwingen, energieeffiziente Geräte zu kaufen. Da würden wir ihnen die Entscheidung abnehmen und die 400 Euro gleich noch mit. Das wollen wir nicht. Wir setzen auf eine individuelle Entscheidung. Wir setzen auf den mündigen Verbraucher, der eine individuelle Entscheidung treffen können muss.

Sehr geehrter Kollege Böhme, hilft Ihr Antrag wirklich, so wie Sie es suggerieren, sich für die Menschen einzusetzen und für sie in Sachsen etwas ganz konkret zu verbessern? – Ich sage: Nein, er verschleiert, er vermischt die Themen und behauptet sogar offensichtlich Falsches. Damit verbessert er nichts, sondern würde dieses ohnehin schon komplizierte System von Energieversorgung, Sozialgesetzgebung und Verbraucherschutz nur noch unübersichtlicher machen. So etwas lehnen wir ab. Allein aus diesem Grund ist Ihr Antrag abzulehnen, Herr Kollege Böhme.

Etwas verschweigen Sie ganz bewusst: Um für gerechte und bezahlbare Energiepreise zu sorgen, hat Rot-Grün den Energiemarkt geöffnet. Ich sage nach 20 Jahren Energiewirtschaftsgesetz, dass es eine richtige und vernünftige Entscheidung war, dies so umzusetzen. Mittlerweile ist die Zahl der Energieversorger angestiegen.

Davon haben ganz konkret die Kommunen profitiert. Jeder, der Kommunalpolitik macht, weiß, wie wichtig es ist, einen kommunalen Energieversorger zu haben. Die Kommunen haben davon profitiert. Auch die Verbraucher haben profitiert, weil sich jeder mittlerweile seinen Stromanbieter selbst aussuchen kann.

Sie müssen darum eine Frage beantworten, Herr Kollege Böhme: Wollen Sie zurück zu den Energiemonopolen? Wollen Sie das wirklich? Wir wollen das nicht. Wir wollen, dass jeder in diesem Land seinen Energieversorger nach seinen Bedürfnissen selbst aussuchen kann.

Weil das ein guter Weg ist, wacht seit 2005 die Bundesnetzagentur im Rahmen von Genehmigungsverfahren auch über die Strompreise. Das ist nur eine Komponente. Aber eine Genehmigung im Stromsektor setzt immer eine Genehmigung der Bundesnetzagentur voraus. Hier spielt der Strompreis eine wichtige Rolle.

Das heißt, Ihre Behauptung, es würde am politischen Willen und an Aufsicht durch die öffentliche Hand fehlen, ist einfach falsch, Herr Kollege Böhme.

Wir wollen eine sichere, saubere und bezahlbare Energieversorgung. Wir sagen: Der Weg dazu führt nicht über Bevormundung und noch mehr Regeln. Wir sagen: Wir brauchen einen mündigen, einen eigenverantwortlichen Verbraucher. Wir brauchen die Regeln und Prinzipien der fairen sozialen Marktwirtschaft, und zwar – das ist uns wichtig – unter Kontrolle der öffentlichen Hand. Das heißt faire soziale Marktwirtschaft.

Für die Strompreise, für die Energieeffizienz heißt das aus meiner Sicht: Die umweltschonenden Geräte müssen aus der Öko-Ecke heraus. Es muss sich wirtschaftlich lohnen, sich so ein Gerät anzuschaffen. Das unterstützen wir als Koalition.