Protokoll der Sitzung vom 29.01.2015

Die SPD ist noch von sich selbst berauscht und sagt unterm Strich, wir kommen mit unseren Vorschlägen viel zu zeitig, man müsse erst einmal anfangen zu schauen. Die CDU sagt wieder, wir seien viel zu spät. Also, das lässt mich schon fragen, wie das mit dem Monitoring tatsächlich auf den Weg kommt, ob es überhaupt auf den Weg kommt.

Die Diskussion zeigt mir nur, dass dieser Antrag genau richtig war. In diesem Sinne, meine Damen und Herren, bitte ich Sie um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Wer der Drucksache 6/719 seine Zustimmung geben möchte, zeigt das jetzt bitte an. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Danke sehr. Gibt es Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist dem Antrag dennoch nicht entsprochen worden. Meine Damen und Herren, der Tagesordnungspunkt 3 ist beendet.

Wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 4

Familienbildung stärken

Drucksache 6/702, Antrag der Fraktionen CDU und SPD

Die Fraktionen nehmen wie folgt Stellung: CDU, SPD, DIE LINKE, AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn sie das Wort wünscht.

Meine Damen und Herren! Wir beginnen mit der Aussprache. Für die CDU-Fraktion Herr Abg. Krauß. – Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Familie – man kann das nicht oft genug sagen – ist die wichtigste Gemeinschaft in der Gesellschaft überhaupt. Was ist Familie? Familie ist für uns dort, wo Eltern für Kinder und Kinder für Eltern Verantwortung übernehmen.

(Beifall bei der CDU)

In der Sächsischen Jugendstudie wird immer wieder gefragt, was man von der Familie hält. Bei der letzten Jugendstudie 2013 kam folgendes Ergebnis heraus – ich zitiere: „In der Gesamtheit sächsischer Jugendlicher in allen Altersgruppen bei jungen Männer und vor allem bei jungen Frauen hat der Wunsch nach eigenen Kindern in der Lebensplanung seit 2009 deutlich zugenommen.“ Man sieht also, das Thema Familie ist wirklich aktuell. Das interessiert die jungen Menschen. Sie wollen Familie gründen, und ich finde, das ist toll.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Für viele ist Familie auch der Raum, wo man Geborgenheit erfährt, wo man aufgenommen ist, wo man sich darauf verlassen kann, dass die Gemeinschaft hält, gerade auch in der Not. Johann Wolfgang von Goethe hat einmal so schön gesagt: „Wenn alle Bande sich auflösen, wird man zu den häuslichen zurückgewiesen.“ Ich glaube, das ist ein Punkt, den man sich als Politiker manchmal vergegenwärtigen sollte – bei aller Wichtigkeit unseres Amtes.

Wenn es hart auf hart kommt, kann man sich vermutlich mehr auf seine Familie verlassen als auf viele Parteifreunde. Ausnahmen natürlich in der CDU, wo das anders ist.

(Heiterkeit – Beifall bei der CDU)

Ich glaube, jeder weiß, dass Familie wirklich etwas ist, auf das man sich verlassen kann und das ein Leben lang hält.

Auch in der Wirtschaft stellen wir fest, dass die meisten Familie und Karriere miteinander vereinbaren wollen. Wenn es darauf ankommt, ist es für viele Frauen – und jetzt auch für mehr und mehr Männer – klar, dass sie eher die Familie vornan und die Karriere vielleicht erst einmal ein Stück zurückstellen, wenn wir uns die Vätermonate anschauen. Wir sehen also, die Familie hat eine Renaissance.

Welche Aufgabe hat nun der Staat? Wir sind auch in einer gewissen Weise die Vertreter des Staates. Ich glaube, der Staat sollte sich im Regelfall aus der Familie heraushalten, weil die Eltern am besten wissen, was gut für ihr Kind ist.

(Beifall bei der CDU)

Das gilt für 95 % der Eltern. Im Grundgesetz heißt es so schön: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst Ihnen obliegende Pflicht.“ Also Recht und Pflicht.

(Beifall bei der CDU und der AfD)

Kindererziehung ist also in erster Linie Aufgabe der Eltern und nicht des Staates. Danach kommt aber auch im Grundgesetz der Satz über ihre Betätigung. Darüber, ob die Eltern ihrer Pflicht nachkommen, wacht die staatliche

Ordnung. Notfalls greift bei uns zum Beispiel das Jugendamt ein, wenn etwas nicht funktioniert. Aber das muss das letzte Mittel sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die meisten Eltern wollen ihre Kinder anständig erziehen. Sie tun es auch. Die meisten Eltern – gerade wenn das erste Kind da ist – kaufen sich Unmengen von Erziehungsliteratur. Die Buchhandlungen sind voll davon. Das spricht dafür, dass man sich damit beschäftigt.

In diesem Monat hat die Zeitschrift „Eltern“ eine Umfrage veröffentlicht. Drei Viertel der befragten Frauen sagen, dass sie sich in ihrer Mutterrolle häufig oder gelegentlich unzufrieden fühlen, weil sie das Gefühl haben, sie kommen ihr nicht ausreichend nach. Bei den Männern sind es zwei Drittel, die manchmal an ihrer Vaterrolle zweifeln, ob sie dieser immer gerecht werden.

Wichtig ist für mich aber der Gedanke, dass sich die Eltern fragen, ob sie gute Eltern sind und wie sie ihre Kinder erziehen sollen. Es ist berechtigt, dass man darüber spricht und sich auch selbst hinterfragt. Übrigens – das fand ich bei dieser Umfrage der Zeitschrift „Eltern“ auch ganz spannend – sagen 90 % der befragten Kinder: Wir glauben, dass unsere Eltern die besten Eltern der Welt sind. Auch das ist toll, finde ich.

Deshalb, glaube ich, sollten wir den Eltern auch helfen, dass sie ihrer Erziehungsverantwortung nachkommen können, dass auch die anderen 10 % der Kinder sagen: Ich habe die besten Eltern der Welt. Es wäre toll, wenn uns das gelänge.

Deshalb reden wir heute über das Thema Familienbildung. Wir haben bereits eine ganze Menge Familienbildungsangebote. Wir haben Familienzentren, Mehrgenerationenhäuser, Beratungsstellen für Ehe- und Lebensberatungsfragen, für Erziehungsberatung. Wir haben die sozialpädagogische Familienhilfe, wo Frauen und Männer in die Familien hineingehen und Frauen und Männer begleiten, ihre Kinder zu erziehen, dass sie einmal mit zum Arzt oder zum Einkaufen gehen und bei Alltagsfragen helfen, wie man das organisiert. Ich glaube, das ist sehr gut.

Wir wollen uns diese Angebote einmal in einem Bericht anschauen. Deshalb fordern wir einen Bericht ein, in dem über die Anzahl gesprochen wird, was es in den Regionen, den Landkreisen, in den Städten und Gemeinden bereits gibt. Wir stellen die Frage, ob die richtigen Zielgruppen erreicht werden. Wir wollen ebenfalls darstellen, welche überregionalen Angebote es gibt; denn wir fördern auch die überregionale Familienbildung. Hier leisten die Familienverbände in Sachsen eine sehr gute Arbeit. Ich denke zum Beispiel an Eltern-Kind-Kurse, die über landesweite Familienverbände vor Ort getragen werden, oder an Angebote für Alleinerziehende.

Wir wollen diese Angebote gern in eine Datenbank aufnehmen, damit sie leichter zu finden sind. Wir glauben aber auch, dass die Angebote ausgebaut werden müssen. Wenn ein Kind in den Brunnen gefallen ist, läuft bei uns

eine Maschinerie an. Es ist auch richtig so, dass ein Kind im Notfall aus der Familie herausgenommen werden muss und in eine Pflegefamilie oder in ein Heim kommt. Dann ist der Staat immer bereit, pro Monat 3 000 oder 4 000 Euro für einen Heimplatz zu zahlen. Das ist alles richtig.

Aber ich glaube, wir müssen uns die Frage stellen, wie wir es schaffen, dass möglichst wenig Kinder aus der Familie herausgenommen werden müssen. Vielleicht sollten wir uns dann auch die Frage stellen, ob wir zum Beispiel mehr Geld für Eltern-Kind-Kurse bereitstellen müssen, wo Eltern die Grundlagen der Erziehung lernen, wenn sie das möchten. Wir sollten uns eine weitere Frage stellen: Erreichen wir mit den Angeboten, die wir haben, die richtigen Eltern?

(Annekatrin Klepsch, DIE LINKE: Das ist die richtige Frage, Herr Krauß!)

Klar ist: Bildung schadet niemandem. Sie ist für einen Hochqualifizierten gut. Auch für uns ist es gut, sich mit Erziehungsfragen zu beschäftigen, keine Frage. Aber die richtige Frage ist, noch einmal zu schauen, ob wir wirklich diejenigen erreichen, die es am nötigsten haben. Wir werden feststellen, dass das vielleicht noch nicht optimal läuft.

Wir haben in Sachsen gute Erfahrungen mit dem Modellprojekt „Familienbildung in Kooperation mit Kindertageseinrichtungen“ gemacht. Ich sage noch einmal: Wir haben nicht ganz so gute Erfahrungen beim Thema Familienbildung in Kooperation mit Schulen gemacht. Woran lag das möglicherweise? Ich habe den Eindruck, im Kindergarten ist es so: Die Mutter oder der Vater gehen morgens hin und geben das Kind ab. Man ist dort, und nachmittags holt man das Kind wieder ab. Da gibt es einen engen Kontakt. Es gibt ein sehr großes Vertrauensverhältnis auch zu den Erzieherinnen und Erziehern. Sie haben ein sehr hohes Ansehen. Bei der Schule ist es anders. Dorthin gehen die Kinder im Regelfall allein.

(Annekatrin Klepsch, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Herr Krauß, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte schön.

Bitte, Frau Klepsch.

Vielen Dank.

Es freut mich, Herr Krauß, dass Sie das Modellprojekt „Familienbildung in Kooperation mit Kindertagesstätten“ angesprochen haben. Vielleicht können Sie mir bitte einmal erklären, warum sich die alte Landesregierung unter der vorhergehenden Sozialministerin, Frau Clauß, leider nicht dazu durchringen konnte, dieses Projekt dauerhaft fortzuführen und in allen Kitas zu implementieren, sondern Sie die Ergebnisse im Raum verpuffen lassen?

Lassen Sie mich noch einmal die Gedanken kurz fortsetzen, weil ich glaube, dass wir uns darüber einig sind, dass es ein gutes Modell ist. Es gab viele niederschwellige Angebote. Die müssen nicht unbedingt Geld kosten. Das hat sich bei dem Modellprojekt gezeigt. Gut ist es, wenn es uns gelingt, zum Beispiel Elterncafés zu etablieren, wo Eltern sagen, wir treffen uns einmal am Nachmittag. Dort unterhält sich dann die Mutter des einen Kindes mit der Mutter des anderen Kindes. Die eine sagt: Mein Kind schreit in der Nacht immer. Die andere sagt: Das war bei mir auch so, und ich habe dies oder jenes gemacht. Allein das ist schon ein Bildungsprozess, den man anstoßen muss. Es muss nicht unbedingt viel sein. Es ist auch die Frage, was man bei Elternabenden macht, wie gut man sie aufzieht. Das sind Dinge, die nicht unbedingt viel Geld kosten müssen.

Sind Sie noch bei der Beantwortung der Frage?

Man muss die Fragen auch ein bisschen auseinanderhalten, weil wir für den § 16 SGB VIII das Geld an die Kommunen geben und die Kommunen das selbst entscheiden können. Ich glaube auch, dass die Jugendpauschale an sich der richtige Weg ist. Aber man kann sich trotzdem die Frage noch einmal stellen: Wollen wir diesen Bereich stärken, weil es auf der anderen Seite vielleicht zu einer Entlastung führt, weil es eine Geldfrage ist?

So einfach ist das. Man muss Schwerpunkte setzen. Ich glaube, man kann noch einmal darüber nachdenken, ob es gelingt, dort mehr Geld hineinzubringen. Aber das ist nicht nur eine Frage, die in erster Linie an den Freistaat gehen soll, sondern die natürlich an die Kommunen gehen sollte, weil wir über die Jugendpauschale gesagt haben, dass die Kommunen für das Thema Familienbildung zuständig sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der erste Baustein, den wir zur Stärkung der Familien jetzt in dieser neuen Wahlperiode präsentieren wollen, ist dieser Antrag, die Familienbildung zu stärken, und ich bitte Sie, uns dabei zu unterstützen. Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung.

Vielen Dank.