Protokoll der Sitzung vom 29.01.2015

Genau das ist das Problem: Es gibt einige schwarze Schafe, die gutgemeinte arbeitsmarktpolitische Instrumente ausgenutzt haben, um damit selbst zum Lohndumping beizutragen. Damit haben sie auch dazu beigetragen, dass zum Beispiel gute Instrumente wie Zeitarbeit und Leiharbeit jetzt in Misskredit geraten sind. Deshalb ist eine Misstrauenskultur entstanden, die wir eigentlich überwinden müssen.

Wir überwinden sie vor allem dann, wenn wir auch den Mindestlohn überwinden. Das Ziel kann doch nicht sein, uns mit dem Mindestlohn zufriedenzugeben. Das war ein einmaliger staatlicher Eingriff, der eine Sittlichkeitsgrenze eingeführt hat. Wir müssen wieder zu dem Normalzustand hin, der auch die deutsche Wirtschaft starkgemacht hat, nämlich die Sozialpartnerschaft.

(Beifall bei der SPD)

Die Realität ist – Sie haben darauf hingewiesen –: In Sachsen liegt die Tarifbindung unter 40 %. Wir haben eine große Aufgabe vor uns. Die eigentliche Aufgabe muss sein, dass wir wieder zu einer Sozialpartnerschaft kommen, in der Arbeitgeber selbstverständlich in Arbeitgeberverbänden organisiert sind und starke Gewerkschaften mit der Arbeitgeberseite Verhandlungen führen und zu Tarifverträgen kommen.

(Dr. Stefan Dreher, AfD: Und warum soll das Aufgabe des Parlaments sein?)

Das wiederum schaffen wir nur, wenn wir unsere Wirtschaft stärken. Das schaffen wir natürlich auch nur, wenn wir in das Größenwachstum unserer Unternehmen investieren. Darum geht es uns: um eine Balance zwischen einer starken Wirtschaftspolitik und einer guten Arbeits

marktpolitik. Das bedingt einander. Wir werden nur dann gute Löhne bezahlen können, wenn unsere Wirtschaft gestärkt wird, wenn sie größer wird.

Bei Ihrem Antrag bin ich doch etwas ins Grübeln gekommen, nämlich bei Ihrem Vorschlag, einen sogenannten Subventionsfonds einzurichten. Da habe ich mich schon gefragt: Was wollen Sie denn konkret subventionieren? Löhne? Aber Entschuldigung, ist es nicht genau das, was wir überwinden wollen? Haben wir nicht genau deshalb den Mindestlohn eingeführt, um endlich die „Aufstocker“ wegzubekommen? Und jetzt fordern Sie das ein. Ich verstehe das nicht.

Genau dieses System wollen wir überwinden, deshalb gibt es Mindestlöhne. Und deshalb ist ein Subventionsfonds, der Löhne subventioniert, der falsche Weg. Wir müssen andere Formen finden, um den Unternehmen ganz konkret zu helfen, wo wir helfen können.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja.

Herr Scheel, bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatsminister, ist Ihnen aufgefallen, dass bei diesem Subventionsfonds, den Sie gerade meinten kritisieren zu müssen, von einer Befristung und einer Übergangsfrist ausgegangen wird, bis die Unternehmen das aus eigener Kraft finanzieren können?

(Alexander Krauß, CDU: Es ist trotzdem ein Subventionsfonds!)

Es geht um einen Anpassungsprozess. Das kann doch wohl nur im Interesse auch der kleineren, finanzschwachen sächsischen Unternehmen sein. Bei einer Anpassung an ein so gewaltiges Gesetzesvorhaben, wie es der Mindestlohn in Deutschland nun einmal ist, können auch Verwerfungen entstehen. Wir als Freistaat sind gefordert, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie man damit vielleicht umgehen kann – über zeitlich befristete Räume. Ist Ihnen das entgangen?

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN)

Diesen Widerspruch müssen Sie selbst auflösen. Der Widerspruch liegt ja gerade darin, dass wir den Mindestlohn eingeführt haben, um die Zahl der Aufstocker endlich zu minimieren, am besten auf null zu fahren. Das ist der Grund, weshalb Mindestlöhne eingeführt wurden. Nun sagen Sie: Nein, das muss zeitlich befristet fortgesetzt werden, und wir wollen weiterhin staatlich finanzierte Subventionsprogramme.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Sie sind doch Wirtschaftsminister für die Unternehmen! Das muss reingehen in den Kopf!)

Noch einmal: Wollen Sie Löhne subventionieren, oder was wollen Sie?

(Zuruf von den LINKEN: Nein!)

Dann erklären Sie doch einmal, was Sie subventionieren wollen.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Unglaublich!)

Sie haben doch nur die Möglichkeit, Löhne zu subventionieren oder mit bestimmten Förderprogrammen zu agieren – was weiß ich: Messeauftritte, Unterstützung von Forschungs- und Entwicklungsprogrammen. Solche

Förderprogramme haben wir doch. Was wollen Sie mit Ihrem Subventionsfonds?

(Zuruf von den LINKEN)

Ich lehne einen Subventionsfonds, der Löhne subventioniert, ab; denn genau das ist das System, das wir überwinden wollen. Wir wollen, dass Löhne gezahlt werden, von denen die Leute leben können, ohne dann auch noch zum Amt gehen zu müssen. Diesen Widerspruch müssen Sie tatsächlich auflösen.

(Beifall bei der SPD und der CDU – Unruhe)

Wir haben in Sachsen tatsächlich eine große Aufgabe. Unsere Koalition hat sich das Ziel gestellt, unsere Wirtschaft zu stärken, damit angemessene Löhne gezahlt werden und wir nicht mehr über Mindestlohn zu sprechen brauchen. Wir wollen zu dem Normalzustand kommen, dass Tariflöhne gezahlt werden. Das ist eine Aufgabe, die in Sachsen größer ist als vielleicht in anderen Bundesländern, weil die Lohnunterschiede hier tatsächlich etwas größer sind. Wir haben uns deshalb vorgenommen – ich formuliere es positiv –, dass Sachsen ein Land werden soll, in dem gute Löhne gezahlt werden und in dem die Zeiten vorbei sein sollen, in denen es anders war.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Mindestlohn ist beschlossene Sache. Jetzt liegt es in unserer Verantwortung, dass wir in den nächsten Jahren dazu beitragen, dass der Mindestlohn tatsächlich zu einer Erfolgsgeschichte auch für Sachsen wird. Es geht um mehr als nur um den Mindestlohn; es geht um eine starke Wirtschaftspolitik. Das ist auch eine Interessenvertretung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Politik – deshalb die Balance zwischen Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik.

Vor allem geht es auch darum, dass wir mit Sachsen einen Standort haben, wo man gerne lebt und arbeitet. Auch hier geht es um eine Kultur, wo Menschen gerne leben und arbeiten, wo Unternehmer Unternehmer sein können, wo Leute und Unternehmen sich ansiedeln. Das alles gehört zusammen. Unsere Aufgabe ist es, für gute Arbeit zu sorgen, von der Menschen leben können.

Wir kümmern uns auch darum, dass die Einphasung und die Begleitung durch das Monitoring geschieht. Dazu brauchen wir Ihren Antrag nicht. Wir sind da schon weiter.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Meine Damen und Herren, das Schlusswort hat die Fraktion DIE LINKE. Es wird gehalten von Herrn Abg. Brünler.

Meine Damen und Herren! Ich bin nahezu überwältigt, welche überschäumenden Emotionen unser Antrag hier ausgelöst hat.

(Alexander Krauß, CDU: Wir wollen es nur spannend machen!)

Ja, ist ja hervorragend. Diskussion muss sein, auch wenn gerade Ihre Beiträge zum Teil unfreiwillig satirisch waren.

Sie haben gesagt, das Monitoring stand bereits im Koalitionsvertrag. Das mag sein, meine Damen und Herren. Dazu gehört aber auch, dass es nur deswegen im Koalitionsvertrag steht, weil Sie es vorher vom DGB abgeschrieben haben.

(Oh-Rufe von der CDU)

Der DGB hat genau das Gleiche schon im letzten Jahr mit anderen Parteien diskutiert, unter anderem auch mit uns. Das gehört unter dem Strich dazu. Das müssen Sie schon so sagen.

(Ines Springer, CDU: Wir reden auch mit dem DGB!)

Was noch dazugehört: Wenn es im Koalitionsvertrag steht, heißt das unter dem Strich nur, dass es erst einmal von Parteien oder Parteitagen beschlossen ist, aber es ist noch lange kein Gesetz. Die Staatsregierung ist nicht im Auftrag von SPD und CDU unterwegs, sondern der Landtag ist das oberste gewählte Gremium und die oberste Vertretung des Volkes.

(Beifall bei den LINKEN)

So zumindest steht es in Artikel 3 der Sächsischen Verfassung, meine Damen und Herren. Ich gehe immer noch davon aus, dass dies gilt.

Ich glaube einfach nur, wir vergeben uns hier aus parteipolitischem Kalkül etwas, wenn wir diesem Antrag nicht zustimmen und wenn wir der Staatsregierung zur Umsetzung dieses Passus aus dem Koalitionsvertrag nicht eine breite Unterstützung aus dem Landtag mitgeben.

Was Sie tun, meine Damen und Herren, ist kleinkariert und reflexartig, aber daran muss ich mich als Neuer wohl noch gewöhnen, dass das im Umgang miteinander hier der Standard ist.

(Zuruf des Staatsministers Martin Dulig)

Wenn Sie sagen, es stehe im Koalitionsvertrag, dann haben Ihre Aussagen eben allerdings zutage gebracht, dass es unterm Strich doch nicht so eindeutig ist. Die CDU sprach schon wieder von Ausnahmen und von Nachjustierungen, die unbedingt notwendig sind. Herr Heidan hat sich sogar darauf versteift zu sagen, dass das, was im Koalitionsvertrag steht, ein Angriff auf die Wirtschaft und die Tarifautonomie ist, weil wir es im Antrag angeblich übernommen haben.

Die SPD ist noch von sich selbst berauscht und sagt unterm Strich, wir kommen mit unseren Vorschlägen viel zu zeitig, man müsse erst einmal anfangen zu schauen. Die CDU sagt wieder, wir seien viel zu spät. Also, das lässt mich schon fragen, wie das mit dem Monitoring tatsächlich auf den Weg kommt, ob es überhaupt auf den Weg kommt.