Protokoll der Sitzung vom 25.04.2018

– „weiterdenken“ – nein, gestatte ich gerade nicht – und „groß denken“.

(Dr. Stephan Meyer, CDU: Feigling!)

Wir empfehlen vor der Antragstellung zunächst einmal „zu Ende denken“. Hinter einem „groß denken“ steht nicht zwingend auch ein großer Gedanke. Immerhin war man sich einig, dass die Gedenkstätte möglichst groß werden soll. Einer Nutzung als sozialistische Kaderschmiede und Treffpunkt der Antifa mit einer kleinen Gedenkecke steht dann nichts mehr im Wege.

(Widerspruch bei den LINKEN)

Für die entsprechende Verpflegung ist auch schon gesorgt – dank der wahrscheinlich gleich mitfinanzierten Imbissbude.

Schwierig und unklar ist auch die Eigentumssituation. Eigentümer des Geländes ist Herr Marcel Hett. Auf seiner Webseite bietet er Räume des ehemaligen KZ zur Vermietung an. Aktuell sind es zwei Wohnungen und vier Gewerberäume. Bis vor Kurzem war auch noch die sogenannte Kommandantenvilla zu haben. Wird der Freistaat oder die Kommune demnächst Mieter einer KZGedenkstätte oder ist die verdeckte Sanierung einer leer stehenden Industriebrache mit Fördermitteln geplant?

Damit hier nichts in den falschen Hals kommt, meine Damen und Herren: Abschließend unterstreiche ich noch einmal, dass sich die AfD-Fraktion zur geschichtlichen Verantwortung Deutschlands bekennt, insbesondere zu den Verbrechen in der Zeit des Nationalsozialismus. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, geschichtlich relevante Anlagen des KZ Sachsenburg zu erhalten und zu fördern. Begrüßenswert sind auch der ehrenamtliche Einsatz und die aktiven Bürgerinitiativen. Beides ersetzt aber nicht wissenschaftlich fundierte Arbeit.

Zunächst ist ein wissenschaftlicher Beirat zu bilden. Maßstab ist allerdings Fachkompetenz und nicht die politisch bevorzugte Strömung. Sodann sind Land, Kommune und Bürger angemessen zu beteiligen. Am Ende einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung steht ein klares und tragfähiges Konzept. Die Ausgestaltung und der Umfang des Gedenkens sind klar umrissen. Die Eigentumsverhältnisse und die Finanzierung sind geklärt.

Vorliegend fehlt alles, sodass der Antrag der LINKEN abzulehnen ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Bevor ich die nächste Abgeordnete aufrufe, ihren Redebeitrag zu halten, möchte ich noch auf die Hausordnung hinweisen. Sie wissen genau, welche Dinge Sie mit in den Saal bringen dürfen. Auch hier gilt, dass ich bei Gelegenheit zur Ordnung rufe.

Nun ist die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an der Reihe. Frau Abg. Dr. Maicher, Sie haben das Wort.

(André Barth, AfD: Nicht mal Benehmen haben die LINKEN!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kurz zum Vorredner: Sie können durch Ihre Einlassung am Anfang Ihrer Rede nicht verhindern, dass das, was Sie gesagt haben, genau Teil einer nationalistisch-völkischen Bewegung ist, die eine Kehrtwende in der Erinnerungskultur fordert. Das hat jeder andere Satz Ihrer Rede ausgestrahlt.

(Carsten Hütter, AfD: Aber Sie haben mir schon zugehört, Frau Kollegin, aber nicht verstanden!)

Die historische Bedeutung des ehemaligen KZ Sachsenburg ist kaum zu überschätzen. Dieser Ort steht für das Kalkül der politischen Verfolgung im Nationalsozialismus und wie kein zweiter für die grauenvolle Experimentierfreudigkeit beim Aufbau des KZ-Wesens.

Sachsen war Spitzenreiter bei den frühen Konzentrationslagern. Sachsenburg nahm dabei eben eine zentrale Rolle ein und hatte vor allen Dingen auch am längsten Bestand. Hier wurde gefoltert, getötet und vor allem ausgebildet, viele Hunderte Aufseher, die später in den großen KZ eingesetzt wurden. Es ist ein Ort, an dem die Strukturen des Naziterrors vorgedacht und vorbereitet wurden. Deswegen darf dieser Ort nicht in Vergessenheit geraten. Deshalb darf kein Gras darüber wachsen.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Trotzdem ist eine institutionelle Förderung durch die Gedenkstättenstiftung trotz der gesetzlichen Verankerung im Jahr 2012 bis heute nicht absehbar.

Es gibt Zwischenschritte der Erforschung und Fotodokumentation. Das haben wir vor allem dem enormen Durchhaltevermögen der Initiative Klick und der Lagerarbeitsgemeinschaft zu verdanken. Ich bin dafür sehr dankbar.

Deshalb, Frau Firmenich, finde ich es unverfroren, wenn Sie der Initiative Übermotiviertheit vorwerfen. Ohne diese Initiative hätten wir selbst diese kleinen Schritte bisher nicht erreicht an der KZ-Gedenkstätte Sachsenburg, die entstehen soll.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Was in Sachsenburg fehlt, das ist eine klare Zielperspektive. Die Stadt Frankenberg und die Gedenkstättenstiftung müssen sich entscheiden, was sie eigentlich mit der Gedenkstätte wollen, was sie beinhalten soll. Deshalb zählen jetzt kein Aussitzen mehr und kein Herumdrücken.

Ich will noch einmal an die gesetzliche Aufgabe der Stiftung erinnern. Im Gesetz steht: Gedenkstätten sollen als Orte der außerschulischen sowie politischen Bildung entwickelt werden. Was heißt das für Sachsenburg?

Wir haben hier, an dieser Stelle, zum ersten Mal den Fall, dass eine Gedenkstätte von Anfang an ohne Zeitzeugen und Zeitzeuginnen auskommen muss. Das ist Teil einer Umstellung der Erinnerungskultur in Sachsen, welche diese insgesamt zu leisten hat, wenn sie sich früher oder später nicht in Luft auflösen will.

Wenn junge Menschen keinen persönlichen Bezug mehr haben, keine Erzählungen der Großeltern, dann können wir eben nicht voraussetzen, dass ihnen überhaupt noch ein Bewusstsein für die Notwendigkeit des Erinnerns innewohnt, dass sie es als wichtig erkennen. Deshalb rückt die Bildungsarbeit so in den Vordergrund.

Das ist die entscheidende Voraussetzung für die Frage, welche Art von Gedenkstätte dort eigentlich entstehen soll. Reicht eine kleine Dauerausstellung? Was ist zeitgemäße Bildungsarbeit? Welches Personal und vor allem welche Räume werden dafür benötigt?

Wenn diese Gedenkstätte erfolgreich sein soll, dann muss sie eben Ort lebendiger Auseinandersetzung mit der Geschichte sein. Ich finde, deshalb darf nicht zu kleinlich gedacht werden. Dann sollte eben auch die Nutzung der Räume im Fabrikgebäude und in der Kommandantenvilla nicht leichtfertig vom Tisch gewischt werden.

Ich glaube auch, dass in Frankenberg und in der Region das Bewusstsein dafür wächst, dass eine Gedenkstätte kein Manko ist. Das möchte ich ausdrücklich bekräftigen. Wenn jetzt sowohl die Stadt Frankenberg als auch die Stiftung Sächsische Gedenkstätten ihre Chance nutzen, dann erhalten sie dort bald ein vorbildliches, modernes Zentrum für historisch-politische Bildung. Ein selbstbewusster und offener Umgang mit der eigenen Vergangenheit ist ein Gewinn und kein Makel.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dafür müssen eben in diesem Jahr die Weichen gestellt werden. Der Landtag wird mit dem Doppelhaushalt 2019/2020 über den Etat der Gedenkstättenstiftung entscheiden. Wir hoffen, dass sich der Stiftungsrat in seiner nächsten Sitzung im Mai mit dem Gesamtkonzept so befasst, dass ein konkreter Fahrplan aufgestellt und ein Antrag zur Errichtung der Gedenkstätte vorbereitet werden kann. Die Intransparenz der Planung muss endlich ein Ende haben, vor allem auch den Engagierten gegenüber, die sich vor Ort engagieren. Sie sind der Motor beim Aufbau der Gedenkstätte.

Verlässliche Unterstützung, Transparenz und Planbarkeit für bürgerschaftliches Engagement beim Aufbau von Erinnerungsorten, beim Aufbau von Gedenkstätten, das ist eine zentrale Forderung der Initiativen in einem Fachgespräch meiner Fraktion zur Weiterentwicklung der Stiftung Sächsische Gedenkstätten.

Dabei wurde auch klar, dass von Ihnen, Frau Staatsministerin Stange, immer wieder eine aktivere Rolle eingefordert wird, und das zu Recht. Deshalb ist es notwendig, dass wir als Landtag dem Anliegen Nachdruck verleihen. Deswegen stimmen wir dem Antrag der Fraktion DIE LINKE zu.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Das war Frau Dr. Maicher. Jetzt kommt der fraktionslose Abg. Herr Kollege Wurlitzer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die vorliegende Antwort der Staatsregierung auf den Antrag der Fraktion der LINKEN differenziert zu Recht zwischen dem übergeordneten Anliegen, an die Verbrechen des Nationalsozialismus zu erinnern, und der konkreten Forderung in dem Antrag, eine Gedenkstätte zu errichten. Dem übergeordneten Anliegen ist zu folgen, dem konkreten Antrag unseres Erachtens eigentlich nicht.

Gedenkstätten zu errichten heißt, die Vergangenheit zu bewahren. Vergangenheit zu bewahren eröffnet die Möglichkeit, aus der Vergangenheit zu lernen, um die Zukunft zu gestalten und fatale Entwicklungen zu verhindern. Bezogen auf diesen vorliegenden Antrag heißt dies, dass sich Derartiges wie in Sachsenburg, Sachsenhausen, Buchenwald oder Auschwitz nicht wiederholen darf. Es hierbei zu belassen wäre allerdings fatal.

Die fraktionslosen Abgeordneten der blauen Partei sind keine Befürworter der andernorts geforderten erinnerungspolitischen Kehrtwende.

(André Barth, AfD: Welche Partei?)

Es ist allerdings genauso falsch, die von den LINKEN immer wieder geforderte Erinnerung an die Vergangenheit auf einen Teil zu beschränken, und zwar auf diesen Teil, der den LINKEN gerade so ins politische Konzept passt. Viel wichtiger ist es, alle Facetten der Vergangenheit im Auge zu behalten, daran zu erinnern und die Lehren aus den Fehlern unserer Geschichte zu ziehen. Nur so wird es uns gelingen, die Zukunft für unser gesamtes Volk lebenswert zu gestalten.

Die Erinnerung und das Gedenken an geschichtlich und gesellschaftlich relevante Vorgänge der Vergangenheit ergeben nur dann einen Sinn, wenn sie glaubwürdig sind, wenn mit dem Gedenken ehrlich umgegangen wird und wenn das Verhalten in der Gegenwart dem gelebten Gedenken nicht widerspricht. An diesem Punkt könnte

man auf die Opfer des Stalinismus und der SED-Diktatur verweisen.

Man sollte also genau aufpassen, wo sich der Moralapostel mit dem erhobenen Zeigefinger selbst infrage stellt.

Der erhobene moralische Anspruch, die Verbrechen der Vergangenheit anzuprangern, verliert dann an Rechtfertigung und moralischem Ethos, wenn der Mahnende Verbrechen in der eigenen Geschichte leugnet und verdrängt oder verschweigt.

(Beifall des Abg. Gunter Wild, fraktionslos)

Unabhängig davon sollte man bei Investitionen in die Errichtung von Gedenkstätten ebenfalls in die Waagschale werfen, dass eine sinnvolle Investition in die Zukunft die Errichtung oder Sanierung von Schulen und Kindergärten sein können, die Vorzug haben sollten. Wenn wir aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und die Erinnerung bewahren wollen, wo kann das dann besser und effektiver umgesetzt werden als in Schulen?

Wir brauchen eine differenzierte Geschichtsbetrachtung. Wir brauchen einen ehrlichen Umgang mit Geschichte in allen Epochen, einen unideologischen und im Parteiensinne ungefärbten Unterricht.

Da dieser Antrag diesem Ziel nicht dient und ideologisch nur rot eingefärbt ist, werden die fraktionslosen Abgeordneten der blauen Partei diesen Antrag ablehnen.

Vielen Dank.