Protokoll der Sitzung vom 25.04.2018

Es sprach Frau Kollegin Nicolaus. Jetzt ergreift Frau Kollegin Pfeil-Zabel von der ebenfalls einbringenden SPD-Fraktion noch einmal das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht meine Aufgabe, die angewendete Methodik in irgendeiner Art und Weise zu verteidigen. Ich bin selbst etwas skeptisch aufgrund der Kürze der Zeit und bin schon gespannt, ob der Minister Zahlen dazu präsentieren wird, wer sich jetzt schon beteiligt hat. Ich glaube, dass das gar nicht schlecht aussehen wird.

Aber mich macht schon etwas stutzig: dass die Art der Beteiligung an einer Umfrage mit Worten wie „unanständig“, „unfair“, „hilflos“ und „unredlich“ bezeichnet wird, an der Hinz und Kunz teilnehmen könne. Das finde ich an dieser Stelle nicht fair.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Ich finde es auch nicht fair – das ist bei dieser Umfrage explizit nicht so gewesen –, dass man vom Hort als Stiefkind spricht. Der Hort ist in den letzten Jahren bei der Absenkung des Schlüssels nicht bedacht worden, richtig. Aber in dieser Umfrage ist er eben explizit enthalten. Wenn wir über Vor- und Nachbereitungszeit, auch über die Schlüsselabsenkung, über Brennpunkt usw. reden, dann ist der Hort als Kindertagesstätte genauso erfasst wie die Krippen und die Kindergärten. An dieser Stelle wird der Hort nicht das Stiefkind sein. Das war uns allen wichtig.

Ich glaube auch nicht, dass man das als hilflos bezeichnen kann, denn alle Forderungen oder Fragen, die jetzt dort enthalten sind, sind ja nicht vom Himmel gefallen. Es ist

also nicht so, dass sich diese jemand ausgedacht hätte, was man denn jetzt einmal fordern könnte. Das sind alles Forderungen, die an uns in den letzten Monaten und Jahren ganz präsent herangegengetragen wurden. Deswegen ist auch jede einzelne davon richtig und sinnvoll. Genau deswegen sage ich auch: Egal, was dabei herauskommt – wir können sie umsetzen, und wir können sie mit gutem Gewissen umsetzen, und das sollten wir auch tun.

Ich möchte an dieser Stelle dafür kurz Werbung machen: Beteiligen Sie sich alle an der Umfrage! Sie sind heute auch Hinz und Kunz. Wie Sie gerade gelernt haben, können Sie sich direkt beteiligen. Sie alle haben, wenn vielleicht auch keine Kinder, aber Enkelkinder oder die Nachbarskinder in den Kindertageseinrichtungen. Ihnen ist bei Besuchen vor Ort präsent, wie die gegenwärtige Situation ist. Daher mein Appell an das Hohe Haus: Ich wünsche mir eine hohe Beteiligung von vielen Personen. Bis zum 1. Mai ist noch Zeit. Wir sind dann auf das Ergebnis gespannt.

(Beifall bei der SPD)

Es spricht jetzt, wie schon angekündigt, erneut Frau Kollegin Junge für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Nicolaus, niemand hat hier in irgendeiner Rede gesagt, dass wir schlecht aufgestellte Kitas hätten.

(Zuruf von der CDU)

Das haben weder Frau Zais noch ich behauptet; wir haben die Umfrage sehr kritisch dargestellt. Wir sehen auch sehr engagierte Erzieherinnen und Erzieher, das durfte ich vergangene Woche in vielen Einrichtungen bei vielen Bildungsträgern erleben. Ich war fünf Tage lang sachsenweit unterwegs, hatte meine Kita-Touren und habe dabei ganz gezielt Gespräche geführt. Deswegen möchte ich die gute Arbeit der Kitas nicht in Abrede stellen. In den Gesprächen vor Ort wurde aber deutlich, dass wir mit dem jetzigen System am Ende unserer Kräfte sind. Wir haben schon alles getan, um diesen Bildungsplan umzusetzen, aber es fehlt uns an Ressourcen. Deswegen stimme ich Ihnen nicht zu, dass die gesetzten Prioritäten die richtigen sind, Frau Nicolaus. Wir müssen hier korrigieren – deswegen stehen wir hier und führen diese Debatte.

Die Erwartungen an uns, an die Politik, sind sehr hoch. Das wurde deutlich. Auch der interne Frust spielt in der öffentlichen Wahrnehmung eine geringe Rolle, aber in der internen Arbeit spielt er eine massive Rolle. Es gibt Langzeitkranke sowie ältere Kolleginnen und Kollegen, die sich überfordert fühlen. Kollegen sagen, sie können den Personalschlüssel jetzt schon nicht mehr absichern. Wenn ich noch weitere Aufgaben und künftige Entwicklungen sehe, dann frage ich mich: Wie sollen wir das alles

stemmen? Das wird intern verhandelt und in den Einrichtungen als riesengroßes Problem angesehen.

Ich zitiere noch einmal eine Äußerung einer Erzieherin, die das ganz deutlich formuliert hat: „Wenn die Landespolitik ihre Hausaufgaben nicht macht, dann müssen wir den Sächsischen Bildungsplan aussetzen.“ Das war nicht die einzige Äußerung, sondern es ist der größte Teil der Leute, die gesagt haben, dass sie es einfach nicht mehr schaffen.

Genau diese Entwicklung wäre völlig fatal, wenn das passieren würde. Deswegen fordere ich Sie auch heute noch einmal auf, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Koalition, die Rahmenbedingungen und den Personalschlüssel der sächsischen Kindertagesstätten gesetzlich verbindlich und nachhaltig zu verbessern. Die Anerkennung der Vor- und Nachbereitungszeit für die Erzieherinnen und Erzieher ist seit zehn Jahren überfällig.

(Zurufe des Abg. Sebastian Fischer, CDU)

Sie haben den Bildungsplan im Jahr 2016 eingeführt. Der Bildungsplan beinhaltet sehr viel mittelbare pädagogische Arbeit. Sie haben diese Arbeit jedoch überhaupt nicht anerkannt. Das ist genau das Problem: dass alles aus diesem Programm herausgequetscht wird. Das betrifft letztendlich auch die Eltern-Kind-Zentren. Diese machen das gern, aber ihnen fehlt die personelle Unterstützung, weil Sie nicht in das Personal investieren.

(Zuruf von der CDU)

Das ist die Kritik, die wir hauptsächlich in der heutigen Debatte deutlich machen wollten.

(Zurufe von der CDU)

Nun komme ich noch einmal auf Ihre Umfrage zurück: Sie sagen, eine Auswahl wäre die Vor- und Nachbereitungszeit hinsichtlich des Maßnahmenplans I, also der Ersten Kategorie. Dort setzen Sie die Priorität, zwei Stunden Vor- und Nachbereitungszeit seien entsprechend machbar, sofern das von einer Mehrheit gewünscht wird. Jedoch setzen Sie das an die 40 Stunden normaler Arbeitszeit hintendran. Sie wissen ganz genau, dass die überwiegende Mehrzahl der Erzieherinnen und Erzieher teilzeitbeschäftigt ist. Das heißt, die zwei Stunden Vor- und Nachbereitungszeit erhält nicht jede Erzieherin und jeder Erzieher, obwohl ihnen viel mehr zusteht. Die Bertelsmann-Stiftung hat Ihnen das auch ins Stammbuch geschrieben: 25 % der Vollarbeitszeit steht für die Vor- und Nachbereitungszeit zu. Das betrifft alle im System mit zwei Stunden Vor- und Nachbereitungszeit. Warum machen Sie dann eine solche Pirouette hinsichtlich der 40-Stunden-Vollbeschäftigung, die eigentlich fast nirgends vorhanden ist?

(Zurufe von der CDU)

Das ist wirklich schwach, und es ist auch letztendlich überhaupt nicht motivierend für Erzieherinnen und Erzieher.

Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Es gibt sicherlich noch viel mehr hinsichtlich Änderungsbedarf, Betreuungsschlüssel, Erzieherausbildung zu sagen, zu dem ich jetzt keine Zeit mehr habe. Ich werde jedoch dazu sicherlich noch eine entsprechende Veröffentlichung in der Presse bringen.

(Beifall bei den LINKEN)

Ich darf die Kolleginnen und Kollegen daran erinnern, dass wir uns an die Redezeit halten und daher auch andere Mittel nutzen müssen, um dieses und jenes noch in die Debatte einzubringen. – Für die AfD-Fraktion spricht jetzt die Kollegin Wilke von der AfD.

Auf das Personal können wir leider nicht setzen, denn es ist nicht vorhanden.

Nun noch etwas zur politischen Situation im KitaBereich: Nicht erst seit gestern geistert die fixe Idee einer Kita-Pflicht durch die Politik, und zwar einer Pflicht spätestens ab dem dritten Lebensjahr, wenn nicht schon früher. Die neue Bundesfamilienministerin Giffey war nicht die Erste, die diese Pflicht formulierte. Es sind die alten Träume von Olaf Scholz, der schon unter Gerhard Schröder die Lufthoheit über den Kinderbetten forderte. Selbst wenn so etwas technokratisch sinnvoll sein könnte wie beispielsweise bei der Integration von Migranten, so müssen wir doch die Vorbilder, also die Erwachsenen, und nicht die Kinder in die Pflicht zur Integration nehmen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Jetzt könnte die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort ergreifen. Frau Zais? – Es besteht kein Bedarf. Damit sind wir mit der zweiten Runde fertig. Wir könnten jetzt eine dritte Rederunde eröffnen. Gibt es Redebedarf aus den Fraktionen hierfür? – Das ist nicht der Fall. Dann spricht jetzt Herr Staatsminister Christian Piwarz für die Staatsregierung.

(Jörg Urban, AfD: Oh, der Herr Piwarz schon wieder! – Lachen)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin zunächst den Koalitionsfraktionen dankbar, dass sie die Umfrage zum Anlass genommen haben, dass wir uns hier im Hohen Hause zu so prominenter Stunde mit dem Thema „Frühkindliche Bildung“ beschäftigen.

(Jörg Urban, AfD: Selbstbeweihräucherung nennt man das!)

Wenn man über die Umfrage diskutiert, dann kann man zumindest eines festhalten: Diese Umfrage hat dazu geführt, dass wir nicht nur hier im Hohen Hause, sondern auch in der Öffentlichkeit im Freistaat Sachsen über

frühkindliche Bildung diskutieren. Damit haben wir schon den ersten Erfolg erreicht.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Seit nunmehr 13 Tagen läuft etwas bei uns in Sachsen, was es in Deutschland noch nicht gegeben hat. Dass eine Landesregierung, bevor sie eine Haushaltsentscheidung gemeinsam mit dem Hohen Hause trifft, die direkt Betroffenen befragt und ein Meinungsbild einholt, hat es in Sachsen und nach unserer Kenntnis auch in ganz Deutschland so noch nicht gegeben. Auch wenn es für einige hier im Hohen Haus vielleicht ein wenig schwierig erscheinen mag, wird diese Kita-Umfrage damit zu einem Stück direkter gelebter Demokratie und zu einem Stück gelebter Mitbeteiligung der Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei der CDU – Jörg Urban, AfD: Wow! – Zurufe der Abg. Rico Gebhardt und Marco Böhme, DIE LINKE)

Ich finde es ja bemerkenswert, aus welchen beiden Ecken, linker Hand und rechter Hand von mir, hier Widerspruch kommt. Das ist bezeichnend und spricht Bände.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ich möchte ganz kurz darauf eingehen, dass ich sehr dankbar dafür bin, dass wir diese Umfrage in der Kürze der Zeit möglich gemacht haben. Frau Junge, weil Sie es erwähnt haben, möchte ich an dieser Stelle noch einmal deutlich machen: Ich bin auch froh, dass wir die TU Dresden, dass wir Herrn Prof. Hagen mit seinem Team gewinnen konnten – nicht, weil es um kommunikationswissenschaftliche Erkenntnisse oder Schlussfolgerungen geht, sondern weil Herr Prof. Hagen und sein Team schlicht und ergreifend als Einzige in der Lage waren, diese Umfrage darzustellen.

Somit ist es uns möglich, nicht nur tausend oder zweitausend Personen im Rahmen einer Stichprobe zu befragen, sondern alle Erzieherinnen und Erzieher, alle Eltern im Freistaat Sachsen an dieser Umfrage teilhaben zu lassen. Das ist ein Grund, dankbar zu sein – anstatt hier kleingeistig herumzukritisieren.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Manche kritisierten ja, dass es bei dieser Umfrage unterschiedliche Interessen von Eltern und von pädagogischen Fachkräften gebe und dass diese hier möglicherweise gegeneinander ausgespielt werden könnten. Ich möchte ganz deutlich machen: Dem ist nicht so. Wir wollen in der Abwägung der weiteren Schritte, die wir gehen, alle geäußerten Interessen berücksichtigen.

Wenn wir die frühkindliche Bildung in Sachsen in den Blick nehmen, gibt es viele Perspektiven: die der Fachkräfte, die der Eltern, natürlich auch die der Kinder und sicherlich auch die Sicht der Träger von Kindertageseinrichtungen. Kerstin Nicolaus hat das kurz gestreift.