Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Winkler, Sie haben vollkommen recht. Wir brauchen eigentlich nur die baden-württembergischen Vorschläge umzusetzen. Wir können zum Beispiel gleich mit der Agrarstruktur anfangen; denn die würde sich wahrscheinlich deutlich von Sachsen unterscheiden. Aber ich möchte gern noch etwas dazu sagen, was man operationell machen kann und wie wir etwas erreichen könnten.
Als Erstes wären die ökologischen Vorrangflächen zu nennen. Diese müssen nämlich meines Erachtens aufgewertet werden. Wir wissen, dass wir seit 2015 bei den Landwirten, die mehr als 15 Hektar Ackerfläche haben, 5 % als Vorrangflächen mit den sogenannten Greenings ausweisen müssen. Nun ist es aber an der Zeit, einmal darüber nachzudenken, was diese Greenings erreicht haben. Vielleicht müssen wir darüber nachdenken, ob wir die Typen, die einen Mehrwert für den Naturschutz erbringen, besser systematisieren.
Beispielsweise wurde vom Bundesamt für Naturschutz eine Studie erstellt. Sie haben einmal gewichtet, was etwas bringt, und festgestellt, dass zum Beispiel vor allem großkörnige Leguminosen keinen deutlichen Mehrwert für den Naturschutz erbringen. Zwischenfrüchte und Untersaaten haben vielleicht nur eine relativ geringe Auswirkung auf die biologische Vielfalt. Das Bundesamt geht davon aus, dass auf einem Flächenumfang von 80 % der Mehrwert für den Naturschutz gering war, dass es kaum biodiversitätsfördernde Maßnahmen gab und dass
es den größten Mehrwert aus den Blühflächen und Streifenelementen gab, gefolgt von den Brachen. Wir müssen darüber nachdenken, die Typen zu verifizieren, aber vielleicht auch darüber, den Anteil der ökologischen Vorrangflächen von 5 auf 7 % zu erhöhen.
Zweitens. Der Gründlandumbruch muss erschwert werden. Wir wissen, dass in Deutschland Vogelschutzgebiete und weitere naturschutz- und klimaschutzrelevante Grünlandflächen wie Moore, Überschwemmungsgebiete oder erosionsgefährdete Flächen nicht zu den umweltsensiblen Gebieten gezählt werden. Man darf also dort Grünland umbrechen. Man muss es natürlich ausgleichen, aber wir wissen, wenn einmal etwas zerstört ist, dann dauert es eine Weile, bis es sich wieder aufbaut und die Biodiversität wieder gegeben ist. Das heißt, die Definition von umweltsensiblem Dauergrünland sollte erweitert werden, insbesondere zum Beispiel in den gesamten Natura-2000-Gebietskulissen.
Drittens. Es muss mehr Geld in die zweite Säule fließen, und biodiversitätsfördernde Maßnahmen müssen deutlich besser gefördert werden. Allein in den flächenbezogenen Agrarumweltmaßnahmen aus der sogenannten zweiten Säule sind in den Jahren 2009 bis 2013 nur 31 % der Ausgaben für Maßnahmen mit unmittelbarer Biodiversitätsrelevanz ausgegeben worden. Die Fläche betrug gar nur 13 % der gesamten Fläche. Das heißt, wir brauchen hier eine Umverteilung. Von daher ist eine konsequente Umsetzung der Möglichkeiten einer Erhöhung des Umschichtungsansatzes von der ersten in die zweite Säule dringend notwendig, auch wenn es im Hinblick auf den Vertrauensschutz bei den Betrieben, Schulden abzubezahlen, keine EU-rechtlichen Möglichkeiten gibt, bis auf 15 % zu gehen. Aber aktuell sind wir bei 4,5 % der Umschichtungsmaßnahmen, und da hat Herr Minister Schmidt schon Angst, irgendwie in die Landwirtschaft einzugreifen, bezeichnet es sogar als Teufelszeug.
Viertens. Wir haben bei den jungen Landwirtinnen und Landwirten die Möglichkeit – das habe ich letztens angesprochen – der Umschichtung bei sehr großen Betrieben. Herr Minister Schmidt hat gesagt, ohne Boden keine Landwirtschaft. Da gebe ich ihm recht. Aber vielleicht müssen wir manchmal hohe Hürden überwinden und an junge Landwirte unterverpachten. Vielleicht müssen wir da andere Möglichkeiten finden.
Wir haben eine bevorstehende neue GAP-Periode, und da müssen wir in der Biodiversität einen merklichen Sprung machen und das nicht nur aus Naturschutzgründen – ich sagte es am Anfang –, sondern wegen der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des gesamten Naturhaushaltes, weil er uns eine Lebensgrundlage bildet. Wir laden die GRÜNEN auch angesichts der Redebeiträge der anderen hier ein, gemeinsam mit den LINKEN vorwärtszugehen. Wir hatten schon gemeinsame gute Anträge. Jetzt haben wir die Aktuelle Debatte. Sie merken es.
Wir brauchen Beschlüsse, und wir müssen die Koalition und die Regierung drängen. Das gern gemeinsam.
Nach Frau Dr. Pinka könnte die SPD-Fraktion – – AfD-Fraktion? – Da gibt es Redebedarf. Das Wort hat erneut Herr Kollege Urban.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Kommen wir also zum Handeln: Was macht der Freistaat Sachsen gegen das Artensterben? Warum sage ich, dass der Naturschutz in Sachsen ziellos ist? Der einzige große Zielansatz, den der Naturschutz nach 1990 jemals hatte, war ein landesweiter Biotopverbund. Auch wenn diese Planung noch zahlreiche fachliche Mängel enthielt, so hatte sie doch eine klare Zielsetzung. Diese landesweite Biotopverbundplanung verstaubt in den Schubladen des Landesamtes und des Ministeriums. Das ist schade.
Es gibt aber auch äußerst fragwürdige Beispiele für das Handeln der sächsischen Naturschutzbehörden. Beispiel Nummer 1: Der Freistaat Sachsen gibt jährlich Millionen für ein Wolfsmanagement aus, das bisher weder die Wiederansiedlung des Wolfes gefördert noch gedämpft hat. Das Wolfsmanagement dient nicht der Natur. Es dient einzig und allein der Selbstrechtfertigung der CDU, die den Wolf lange Zeit als neues sächsisches Naturschutzmaskottchen betrachtet hat.
Beispiel Nummer 2: Finanziert mit Millionen Euro, beobachten Wissenschaftler bei Leipzig seit Jahren das Sterben der letzten sächsischen Feldhamsterpopulation – völlig unnötige Ausgaben. Der Feldhamster ist vor Jahrhunderten aus Osteuropa hier eingewandert. Dort in Osteuropa gibt es ihn auch heute noch massenhaft. Er wird sogar als Schädling gejagt.
Ein drittes Beispiel: Der landeseigene Sachsenforst vertreibt den äußerst seltenen und störungsempfindlichen Schwarzstorch von seinen Brutplätzen, weil er in der Ruhezone der Horste unbedingt noch Bäume fällen will. In einer Imagebroschüre wirbt der Sachsenforst sogar mit einem Brutbaum des Schwarzstorches, der seit Jahren verlassen ist, weil die Störche durch Forstarbeiten vertrieben wurden.
So kann man niemals eine Trendwende beim Artensterben in Sachsen bewirken. Der Freistaat muss sich endlich abrechenbare Ziele beim Naturschutz setzen, zum Beispiel eine landesweite Biotopverbundplanung, die jedes Jahr nachweist, wie viele Kilometer Naturverbund neu entstanden sind. Auch für den ehrenamtlichen Naturschutz könnte viel getan werden, wenn es wieder ein Schulfach Heimatkunde gäbe, in dem unseren Kindern die Liebe zur heimischen Natur vermittelt würde,
anstatt unsere Kinder für fragwürdige Regenwaldprojekte in Südamerika oder Kanada Spenden sammeln zu lassen.
Die Politik könnte sehr viel gegen den Verlust der Biodiversität tun. In Sachsen tut sie es nicht. Sie schaut im Wesentlichen nur zu und finanziert den Status quo, meist ohne Kosten-Nutzen-Vergleich der einzelnen Maßnahmen untereinander. Im schlimmsten Fall finanziert die Staatsregierung nutzlose Projekte.
Das war Herr Kollege Urban für die AfD-Fraktion. Jetzt kommt eine Kurzintervention von Herrn Kollegen Sebastian Fischer.
Herr Präsident, vielen Dank. Ich möchte einige bewusste Unwahrheiten, die Herr Urban eben verbreitet hat, klarstellen. Es ist mitnichten so, dass an sächsischen Schulen die Heimatliebe nicht gelehrt würde. Ich empfehle Ihnen dringend, einmal die eine oder andere Grundschule zu besuchen. Schulgärten, die regelmäßig gepflegt werden, sind dort an der Tagesordnung. Es geht auch um das Thema Heimat und Heimatkunde. Sie mögen es in Ihrer verqueren Ideologie nicht sehen wollen, aber die Realitäten sind anders.
Zum Thema Wolf: Sie stellen sich hin und erklären den Wolfsgegnern, man müsse den Wolf nur abschießen. Man könne das einfach so machen. Das ist unredlich, und Sie wissen, dass es falsch ist. Die Europäische Union hat klare Artenschutzrichtlinien. Man muss sich an diesen Richtlinien entlangarbeiten, wenn man die Begrenzung der Wolfspopulation erreichen will. Dabei müssen alle ins Boot: die Landratsämter, die Viehzüchter. Aber wir müssen auch daran denken, dass wir alles, was wir tun, kommunizieren.
Was Sie in Ihrer Ideologie immer wieder vollkommen ausblenden, ist die Tatsache, dass es zum Thema Wolf unterschiedliche Ansichten gibt.
Es gibt auf der anderen Seite Leute, besonders in den großen Städten, die eher für den Wolf sind und ihn als eine Bereicherung betrachten. Aufgabe von Politik ist es nicht, zu spalten und beide Gruppen gegeneinander auszuspielen. Aufgabe von Politik muss es sein, zu einen und eine sinnvolle Lösung für die ganze Gesellschaft zu erarbeiten.
Ich rufe Sie dringend auf, die Ideologie bei dem Thema endlich beiseitezulegen und die Realitäten anzuerkennen.
(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD – Carsten Hütter, AfD: Was gibt’s denn da zu klatschen?)
Das war eine Kurzintervention von Herrn Kollegen Sebastian Fischer. Sie bezog sich auf den Redebeitrag von Herrn Kollegen Urban, und der reagiert jetzt.
Herr Fischer, es erstaunt mich natürlich nicht, dass Sie sich als CDU-Fraktionsmitglied sozusagen regierungstragend die Naturschutzwelt in Sachsen schönreden und Ihre Regierung hier verteidigen.
Meine beiden Kinder sind in die sächsische Grundschule gegangen. Ich weiß, was in der Grundschule in Sachkunde vermittelt wird. Das Fach heißt eben Sachkunde und nicht mehr Heimatkunde. Natürlich ist es ein bisschen hanebüchen, den Naturschutzgedanken am Schulgarten festzumachen. Nichts gegen Schulgärten, aber am Schulgarten den Naturschutz zu messen zeigt auch, wie abgehoben die CDU-Politik inzwischen von der Lebenswirklichkeit ist.
Jetzt noch einmal zum Wolf. Wenn Sie unseren Debattenbeiträgen hier im Landtag aufmerksam gefolgt wären, dann hätten Sie festgestellt, dass wir eben nicht fordern, dass der Wolf einfach abgeschossen wird, ohne dass wir die gesetzlichen Regelungen der EU beachten. Wir haben von Ihrer Fraktion sehr, sehr frühzeitig gefordert, dass sich die CDU endlich auf den Weg macht und im Bund und in der EU die Gegebenheiten so ändert, dass ein Abschuss möglich wird. Der soll natürlich nicht zur Ausrottung des Wolfes führen, nein, er soll dazu führen, dass der Wolf als heimisches Wild gehegt wird wie jede Wildart auch. Da hilft es auch nichts, wenn Sie immer sagen, die AfD-Ideologie will spalten. Nein, Sie reden sich die Welt schön. Das ist kein Wunder, Sie verteidigen Ihre Regierung. Aber ich denke, wir und auch die Menschen draußen wissen das durchaus einzuordnen.
Wir sind jetzt am Ende der zweiten Rederunde angekommen und könnten jetzt eine dritte eröffnen. Die einbringende Fraktion GRÜNE hat noch sagenhafte 1:30 Minuten und, Herr Kollege Günther, Sie nutzen die auch. Bitte, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Heinz, es hat mich erstaunt, dass der Ökolandbau keinen Beitrag zur Biodiversität leistet. Das ist mittlerweile in so vielen Studien belegt.
Sie hätten vor zwei Jahren den Naturschutztag in Freiberg besuchen können. Der Landwirt Kai Pönitz aus Mittelsachsen hat es dargelegt. Der größte Umsteller, den wir in Sachsen haben, lässt in Eichigt im Vogtland die Umstellung genau unter diesem Gesichtspunkt wissenschaftlich begleiten. Das kann man einfach so nicht stehen lassen.
Ich komme zu den Insektiziden und dass dort alles nicht so schlimm sei. Ich erinnere nur an die Aufschrift „Bienenfreundlichkeit“ auf LD 50. Das heißt, dass nur 50 % der Individuen nicht gleich tot umgefallen sind, wenn man das eingesetzt hat. Das ist dann bienenfreundlich. Alle Forscher wissen mittlerweile, dass „nicht ganz tot“ noch lange nicht gesund heißt.
Danke für die Aufzählung all der Maßnahmen, die wir schon machen, aber wir sehen doch die Ergebnisse. Der Trend bleibt unverändert und ist dramatisch. Wenn die Insekten hier verschwinden und mit ihnen all die anderen Arten, Pflanzen, die von ihrer Bestäubung abhängig sind, und alle die, die sie fressen, dann bekommen wir hier ein riesengroßes Problem. Ich stelle mir die Frage: Fangen wir jetzt an zu handeln, und zwar angemessen der Aufgabe, oder warten wir weiter ab? Und dann wird es auch ein Ergebnis geben. Der Stopp wird dann schlagartig kommen, spätestens dann, wenn die Bestäuber weg sind. Deshalb würde ich doch vorschlagen, wir fangen jetzt an zu handeln, damit wir noch irgendetwas in dem Prozess gestalten können. Das soll nicht auf dem Rücken der Landwirte ausgetragen werden, dass man wieder abwiegelt und sagt, da ist doch nichts, und irgendwann geht es Schlag auf Schlag, dass wir einsteigen müssen.