Protokoll der Sitzung vom 26.04.2018

21. Jahrhundert nicht ein Hemmschuh, sondern ein Standortvorteil ist, werden wir in Sachsen vorankommen.

Das Gesetz ist ein Weg dahin, allerdings noch ein etwas unausgegorener, weswegen wir uns enthalten werden, sollte der Änderungsantrag keine Mehrheit finden.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, jetzt spricht der fraktionslose Abg. Herr Wurlitzer.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie sollten sich heute genau überlegen, ob Sie diesem Gesetzentwurf zustimmen. Wir sind hier, um für unsere Bürger und Unternehmen zu handeln und nicht gegen sie. Kommen sie mir jetzt bloß nicht mit der Einhaltung und Umsetzung europäischen Rechts! Sie nehmen das europäische Recht doch sonst auch nicht so ernst: Was die Schuldenunion und die Einwanderungspolitik betrifft, haben Sie europäisches Recht mehrfach bewusst gebrochen. Dass Sie dabei Deutschland und Sachsen geschadet haben, steht auf einem anderen Blatt, das sollte allerdings untersucht und geahndet werden.

Heute können Sie zum Nutzen unseres Landes der EU einmal zeigen, dass wir nicht jedem Unsinn aus Brüssel zustimmen und diesen auch nicht umsetzen müssen. Sie können heute entsprechend Ihrem Eid Schaden von der Bevölkerung abwenden.

(Zurufe von den LINKEN: Es geht hier aber um Fortschritt, nicht um Rückschritt! – Zuruf des Abg. Dirk Panter, SPD)

Ich habe hier ein Schreiben eines Gewerbetreibenden aus Sachsen, den das am Ende konkret betrifft. Diesen interessiert das Blabla, dass wir in der vergangenen Stunde gehört haben, relativ wenig. Es handelt sich um einen Stahlbaubetrieb aus dem Landkreis SOE, der Inhaber ist Herr Thiele aus Pirna. Er ist Geschäftsführer, hat drei Gesellen, einen Azubi und zwei Bürokräfte.

Herr Wurlitzer, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Momentan noch nicht – vielleicht wenn Sie den Beitrag jetzt gehört haben und ich den Brief vorgelesen habe.

Befürchtungen eines Geschäftsinhabers: Ich weiß noch gar nicht, was auf mich zukommt. Zwar kamen über die Innung schon Informationsveranstaltungen und das Fazit der Dozenten lautete: Wie es einmal genau wird, wird die Zukunft zeigen. Was ich dabei herausgehört habe, war erstens: Ich muss meine Datenspeicherung, ob digital oder analog, dokumentieren. Das bedeutet, eine Verfahrensanweisung zu erstellen, wie damit umgegangen wird. Ich habe keine Ahnung, wie ich das rechtssicher machen soll.

Zweitens muss ich einem Kunden auf Verlangen innerhalb kurzer Frist mitteilen, welche Daten ich über ihn gespeichert habe, wie lange und wo ich diese herhabe. Beispiel: Ich erhalte von einem Architekten eine Handy

nummer und einen Namen, suche mir Adresse und Telefonnummer aus dem Telefonbuch und erhalte von ihm eine E-Mail-Adresse. Fünf Jahre später will er das alles von mir noch einmal genau wissen.

Drittens: Ich muss Daten nach einer gewissen Frist löschen. Inwieweit das mit den Aufbewahrungsfristen des Finanzamtes kollidiert, kann ich nicht sagen.

Viertens: Ich benötige einen Datenschutzbeauftragten, den ich mir aufgrund der Größe meines Unternehmens extern einkaufen muss.

Fünftens: Ich muss meine Mitarbeiter schulen, wie mit Zetteln umzugehen ist, auf denen Adressen von Kunden stehen.

Sechstens: Abmahnfähigkeit: Das ist für mich wahrscheinlich das größte Problem. Die Abmahnanwälte und -vereine stehen bereit, um Internetadressen von kleinen Firmen auf Verschlüsselung zu prüfen und eine Welle von Abmahnungen an ahnungslose Handwerker und Kleinbetriebe zu versenden.

Siebtens: Wiederum wird eine Sache geschaffen, die nur kleine Firmen schwer belastet und wo Geld in die Hand genommen werden muss, wo bei Einführung keine Rechtssicherheit herrscht, wobei man ein unkalkulierbares Risiko eingeht ohne zu wissen, warum.

Achtens – und das ist ein allgemeinpolitisches Problem –: Es wird wieder eine Aufsichtsbehörde geschaffen mit wahrscheinlich Hunderten von Mitarbeitern, die der freien Wirtschaft entzogen werden und Geld kosten. Das würde nach Mindestlohn und Gewerbeabfallverordnung der nächste große Bürokratiemoloch in kürzester Zeit sein. Das Risiko, in diesem Zusammenhang strafrechtlich verfolgt zu werden, wird immer größer. Darauf habe ich bald keine Lust mehr. Deshalb bitte ich um Ablehnung dieser Datenschutz-Grundverordnung.

(Juliane Nagel, DIE LINKE: Aber die können Sie doch gar nicht ablehnen!)

Die fraktionslosen Abgeordneten der blauen Partei sind für Datenschutz, aber wir sind dagegen, dass der Datenschutz die Arbeit unserer Wirtschaft behindert, einschränkt oder zum Teil unmöglich macht. Es verhält sich hier wie beim Umweltschutz: Wenn der Umweltschutz so weit geht, dass am Ende der Mensch verschwinden muss, damit der Umweltschutz vollumfänglich eingehalten werden kann, dann hat er das Ziel verfehlt.

Bitte bedenken Sie, dass es für kleine und Kleinstunternehmen enorme Belastungen mit sich bringt, wenn diese Verordnung in Sachsen umgesetzt wird. Bitte stimmen Sie zum Wohle unserer Unternehmen, damit zum Wohle des Bundeslandes und zum Wohle unserer Bürger gegen dieses Gesetz! Bitte stimmen Sie gegen diesen Bürokratiewahnsinn!

Vielen Dank.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten – Widerspruch des Abg. Albrecht Pallas, SPD)

Das war die erste Rederunde in der allgemeinen Aussprache. Gibt es eine Wortmeldung dazu? Herr Abg. Lippmann, bitte.

Ich möchte einiges richtigstellen von dem, was wir gerade gehört haben. Herr Kollege Wurlitzer, wir reden hier nicht über die EUDatenschutz-Grundverordnung. Wenn man dieses Gesetz hier heute nicht beschließen würde, dann würde die EUDatenschutz-Grundverordnung trotzdem unmittelbare

Geltung und Wirkung entfalten. Von daher ist das, was Sie hier vorgeschlagen haben, ein frommer Wunsch. Es geht nicht mehr anders – die Geltung ist vorhanden. Selbst wenn Sie das als fraktionsloser Abgeordneter ablehnen und selbst wenn das ganze Haus es ablehnen würde, würde es an der Geltung der EU-Datenschutz-Grundverordnung nichts ändern. Das Einzige, was kommen würde, wäre, dass wir in den Bereichen, in denen wir Probleme haben und das dann nicht so regeln, wie es die EU vorgibt, ein Vertragsverletzungsverfahren riskieren. Ich hoffe, dass die Kosten für ein solches Vertragsverletzungsverfahren dann aus der Parteikasse der nicht sonderlich großen blauen Partei bezahlt werden.

Möchten Sie darauf erwidern, Herr Wurlitzer?

Sehr geehrter Herr Lippmann, ich bin Abgeordneter hier im Hohen Haus – genau wie Sie. Daran ändern auch Ihre abfälligen Bemerkungen nichts. Was die Größe unserer Partei und unserer Parteikasse angeht, so geht Sie das nichts an.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Sie haben hier im Hohen Haus auf die Bevölkerung in Sachsen einen Eid abgelegt. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Mir ist es relativ egal, was in Europa beschlossen wird, wenn es zum Schaden unserer Bürger hier in Sachsen ist. Wenn Sie sich dann hier hinstellen und sagen, wir könnten dort nichts machen, dann frage ich mich in aller Deutlichkeit, wieso die Bundesregierung bei der Einwanderung Gesetze gebrochen hat. Als die Bundesregierung bei Flüchtlingen europäische Gesetze gebrochen hat, hat das niemanden interessiert. Auch als es um die Schuldenunion ging, war das ebenfalls europäisches Recht. Das haben wir auch gebrochen, das hat auch niemanden interessiert.

Nun sage ich an dieser Stelle: Wenn das zum Schaden der Bevölkerung gebrochen ist, wäre es doch sinnvoll, wenn Sie an dieser Stelle den Arsch in der Hose hätten, das für die Bevölkerung zu tun und im positiven Sinne zu sagen: Hier in Sachsen setzen wir es nicht um, egal ob es jemandem passt oder nicht passt. Das ist eine ganz einfache Sache. Immer der EU hinterher zu rennen, wie es gerade in den eigenen Kram passt, funktioniert nicht.

(Zurufe der Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE, und Klaus Bartl, DIE LINKE)

Herr Wurlitzer, sind Sie jetzt fertig?

Ja, ich bin fertig.

Nun Herr Pallas, bitte.

Ich möchte in einer Kurzintervention auf den ursprünglichen Redebeitrag von Herrn Wurlitzer reagieren. Er hat in seinem Redebeitrag nahegelegt – –

(Unruhe im Saal)

Meine Damen und Herren, ich muss Sie um Aufmerksamkeit bitten! Ich kann den Abgeordneten nicht hören.

Herr Wurlitzer hat nahegelegt, das Gesetz, das wir heute im Landtag beschließen und welches das europäische Recht der Datenschutz-Grundverordnung in Landesrecht überführt, gegen die Interessen der Bevölkerung sei. Das ist genauso undifferenziert wie falsch. Er hat als Zeugen dafür einen Unternehmer aus dem Landkreis SOE zitiert, den ich persönlich nicht kenne. Er blendet damit völlig aus, dass es bei der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung nicht um den Unternehmer geht und deren Umsetzung, sondern es geht um die Daten seiner Mitarbeiter sowie seiner Kundinnen und Kunden, mit denen er umgehen muss, und mit ihm andere Unternehmerinnen und Unternehmer, Vereine, weitere Institutionen und auch Privatpersonen. Ich muss Ihnen da noch einmal entgegenhalten: Ihnen scheint das Bewusstsein dafür zu fehlen, dass es auch im Interesse der Bevölkerung, der Bürgerinnen und Bürger ist, deren Privatsphäre und deren Daten angemessen zu sichern. Um genau das zu erreichen, beschließen wir heute das Datenschutzdurchführungsgesetz sowie die Änderungen in 45 weiteren Gesetzen und Verordnungen.

Vielen Dank.

(Uwe Wurlitzer, fraktionslos, steht am Mikrofon.)

Herr Abg. Wurlitzer, Sie möchten erwidern? – Bitte.

Sehr geehrter Herr Pallas! Ich gebe zu, dass ich mit diesem einen Gewerbetreibenden möglicherweise nicht alle abdecke, und ich muss an der Stelle auch einräumen, dass ich nicht für alle Sachsen sprechen kann. Aber wenn Ihnen das so wichtig ist und wenn Sie sagen, dass das die Sachsen alle so gut finden, warum gibt es dann keine Umfrage? Machen Sie doch einmal eine Umfrage, ob die Sachsen das tatsächlich wollen. Ich würde gar nicht so weit gehen, dass es eine Volksabstimmung geben muss. Aber machen Sie doch einmal eine Umfrage, so wie wir das gerade mit den Kindertagesstätten machen. Da wollen wir doch einmal sehen, was am Ende herauskommt. Das wäre sinnvoll. Das wäre gelebte Demokratie.

(Zurufe des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE, und Albrecht Pallas, SPD)

Dann sind Sie vielleicht auch mal nicht so abgehoben, sondern hören den Leuten einfach mal zu, die das betrifft. Sie betrifft es nämlich nicht. Sie kriegen jeden Monat Ihre Diät in aller Ruhe überwiesen,

(Luise Neuhaus-Wartenberg, DIE LINKE: Sie auch!)

und der Geschäftsführer, der die kleine Firma hat, muss sich die Ohren abbrechen und gegebenenfalls Know-how von außen einkaufen. Den betrifft es direkt. Machen Sie eine Umfrage, dann können Sie für alle sprechen.

(Zurufe von den LINKEN)

Vielen Dank.