Ich stelle die Drucksache 6/13082 zur Abstimmung. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und wenige Stimmen dafür ist der Antrag mit sehr großer Mehrheit abgelehnt worden.
Dazu liegt Ihnen die Stellungnahme der Staatsregierung vor. Es beginnt die einreichende Fraktion, die Fraktion GRÜNE, mit Herrn Abg. Lippmann, danach folgen CDU, DIE LINKE, SPD, AfD und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht. Herr Lippmann, Sie haben jetzt das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn es im Innenministerium mal wieder schnell gehen muss, kommt bekannterweise meistens Käse raus. So auch letzte Woche, als Innenminister Prof. Wöller das neue Polizeigesetz für den Freistaat Sachsen vorstellte. Fernab des gruseligen Inhalts, der uns dort kredenzt wurde, vergaloppierte sich der Innenminister schon offenbar – hoffentlich – in Unkenntnis, dass er nur den Referentenentwurf vorstellt, bei der Frage, ob der Entwurf nun öffentlich zugänglich sei oder nicht.
Seitdem versuchte das Innenministerium – mehr oder minder erfolgreich –, die Bevölkerung über einen geplanten erheblichen Angriff auf unsere Bürgerrechte im Unklaren zu lassen, bis dann gestern – nun ja, wenig überraschend – der Entwurf vorgelegt wurde, der all unsere Befürchtungen zur Schwere der geplanten Grundrechtseingriffe bestätigte.
Werte Kolleginnen und Kollegen, bei Grundrechtseingriffen ist Transparenz gegenüber denen, die es betrifft, gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern oberste Priorität. Und da legt man entweder alle Karten auf den Tisch oder man schweigt gänzlich zur Materie, aber man macht nichts dazwischen, wie der Innenminister. Denn sensibelste Grundrechtseingriffe eignen sich einfach nicht für eine Publicityshow des Ministers; das gebietet schlicht das Wesen unserer Verfassung.
Wenn es mit dieser Intransparenz im Verfahren weitergehen soll, dann ist mir klar, wo das endet: Geheimniskrämerei, schmallippige Begründungen und eine große Portion Gesetzgebungspfusch, wie wir es in der Vergangenheit erlebt haben.
Damit wir uns nicht noch zusätzlich hier in den kommenden Monaten im Landtag in der Märchenstunde ergehen, was angeblich alles notwendig sei, um den Freistaat zu schützen, wollen wir GRÜNE jetzt Klarheit über geplante und eventuell noch dazukommende Eingriffe in unser aller Freiheit.
Erstens. Sie erzählen die Mär von Lücken im Polizeigesetz, weshalb Sachsen zum Rückzugs- und Ruheraum für Verbrecher aller Art und Terroristen werden könnte, weshalb man beispielsweise Maßnahmen wie die präven
brauche. Daran bestehen erhebliche Zweifel. Glauben Sie ernsthaft, dass potenzielle Terroristen vorher ein Lektüreseminar der Polizeigesetze besuchen, um zu schauen, wo es am günstigen ist, sich niederzulassen? Dazu kommt: Die Mittel der Strafverfolgung und der Bereich der strafbaren Handlungen sind in den letzten Jahren auf Bundesebene bis ins Vorfeld von Straftaten und bis an die Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen ausgeweitet worden.
Gleiches gilt für die Befugnisse des Bundeskriminalamtes und der Bundespolizei bei der Bekämpfung des Terrorismus und der Grenzkriminalität. Kurzum, es gibt gar keine Notwendigkeit, Maßnahmen ins Vorfeld zu verlagern, weil das Vorfeld an sich schon weit nach vorn verlagert wurde.
Deshalb wollen wir, dass das Innenministerium darlegt, wie es sich in anderen Bundesländern und beispielsweise beim Bund in welchen konkreten Fällen verhalten hat, wie sich das bisherige Fehlen eines solchen Instrumentariums auf das sächsische Polizeirecht ausgewirkt hat, wie es angeblich konkrete Ermittlungen erschwert hat und vor allen Dingen, welche Anforderungen die Sächsische Verfassung und das Grundgesetz an die Einführung solcher Maßnahmen stellt.
Denn, werte Kolleginnen und Kollegen, schwere Eingriffe in Grundrechte eignen sich eben nicht für das „Nerzmantelprinzip“ nach dem Motto: „Mein Nachbar hat es, dann will ich es auch“. Der Maßstab ist hier nicht Neid oder „Wünsch dir was“, sondern unsere Verfassungsordnung.
Auch wenn die Onlinedurchsuchung und die QuellenTKÜ noch nicht Teil des Gesetzes sind, so hätten wir auch gern dazu eine Analyse hinsichtlich der Auswirkungen eines solchen Instrumentariums auf die Grundrechte; denn die CDU hat das ja ausweislich ihrer Presseverlautbarung bereits auf dem Wunschzettel ihres Schreckens notiert.
Zweitens. Sie erzählen das Märchen, dass die geplanten Maßnahmen mehr Sicherheit bringen würden. Auch das gilt es zu hinterfragen und vor allem zu belegen. Jeder hier im Raum dürfte wissen, dass Videoüberwachungen oder Fußfesseln keine Straftaten verhindern. Jede Straftat, die auf einer Überwachungskamera zu sehen ist, und jeder sogenannte Gefährder, der es schafft, mit einer Fußfessel per Flugzeug aus der Bundesrepublik Deutschland auszu
Drittens. Sie erzählen uns jetzt etwas von der Ausgewogenheit und Balance Ihres Gesetzgebungsvorhabens. Nach Blick auf den Referentenentwurf, der nun öffentlich zugänglich ist, empfehle ich der Staatsregierung und dieser Koalition an dieser Stelle schon einmal den Gang zum Hals-Nasen-Ohren-Arzt wegen akuter Gleichgewichtsprobleme. Denn die intelligente Videoüberwachung und die stationäre automatisierte Kennzeichenerfassung sind Ausdrucksformen einer neuen Dimension von Überwachung der Bürgerinnen und Bürger durch den Staat.
Hier braucht es eine Analyse, die über jeden kleinsten Zweifel erhaben ist, dass Grundrechte für eine bloße Illusion der Sicherheitsbehörden geopfert werden. Schon die mobile automatisierte Kennzeichenüberwachung, die massenhaft Fahrzeuge erfasst, personenbezogene Daten im Millionenbereich erhebt und im letzten Jahr zur Feststellung von sage und schreibe 14 gestohlenen Kfz geführt hat, dient momentan in erster Linie zur Feststellung von Verstößen gegen das Pflichtversicherungsgesetz. Das ist schlicht unverhältnismäßig und einen solchen Datenabgriff wollen Sie offenbar jetzt auch noch ausweiten.
Die geplante Verschärfung des Polizeigesetzes, das umfassende Befugnisse zur Rund-um-die-Uhr-Überwachung von Personen einräumt, macht potenziell jede Bürgerin und jeden Bürger im Freistaat Sachsen verdächtig. Grundsätzlich könnte doch jeder in absehbarer Zeit eine Straftat begehen, wenn der zuständige Polizist nur ganz lange und ganz fest daran glaubt.
Werte Kolleginnen und Kollegen, deshalb braucht es jetzt Klarheit, bevor der Gesetzentwurf diesen Landtag erreicht. Wenn wir eines in den letzten Jahrzehnten beobachten konnten, dann ist es doch, dass einmal eingeführte Befugnisse der Sicherheitsbehörden und die damit verbundene Verschärfung von Sicherheitsgesetzen nicht wieder rückgängig gemacht werden können. Wir GRÜNE haben daher in den vergangenen Jahren mehrere Anläufe unternommen, das Polizeirecht und die darauf gestützte Überwachung von sächsischen Bürgerinnen und Bürgern auf ein verfassungsrechtlich unbedenkliches Fundament zu stellen.
Wir haben bereits 2016 eine umfassende Evaluation der sächsischen Sicherheitsgesetzgebung gefordert. Im
vergangenen Jahr haben wir nach der Ankündigung des neuen Polizeigesetzes die Einrichtung einer Task Force gefordert, die die polizeilichen Datenbanken auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft und bewertet. Alle Anträge wurden in diesem Hohen Hause abgelehnt.
Die Evaluation zur Regelung der Bestandsdatenauskunft nach § 42 des Polizeigesetzes sind Sie übrigens bis heute schuldig geblieben, Herr Minister, und das, obwohl Sie gesetzlich verpflichtet gewesen wären, diese bis 2016
Werte Kolleginnen und Kollegen, schaffen Sie mit der Zustimmung zu unserem Antrag vor allem Transparenz über die Hintergründe und die Folgen geplanter Grundrechtseingriffe gegenüber dem Parlament, aber auch gegenüber der Bevölkerung, die ein Anrecht hat, darüber informiert zu werden.
Sie brüsten sich jetzt in Teilen der Koalition damit, dass das vorliegende Polizeigesetz doch längst nicht so schlimm wie in Bayern sei. Ja, herzlichen Glückwunsch!
Ich habe die schlichte Erwartung, dass sich eine SPD nicht auf CSU-Niveau begibt – andernfalls können Sie sich gleich einbuddeln.
Ich verwahre mich auch dagegen, dass wir uns in Sachsen am schlechtesten orientieren und uns am Ende darüber freuen, dass wir die Einäugigen unter den Blinden sind.
Vielleicht sind wir GRÜNEN mit unserem Kampf für Freiheit und Bürgerrechte etwas altmodisch geworden, aber bei schweren Grundrechtseingriffen ist unser Anspruch, größtmögliche Zurückhaltung zu üben und im Zweifel die Freiheit über die wirren Träume des Innenministeriums zu stellen.
Zum Schluss, weil Sie uns alle erzählen werden, wie toll es alles ist: Wenn es alles so großartig ist, wie es die Koalition jetzt gleich im Brustton der Überzeugung und am Ende wahrscheinlich auch der Innenminister ausführen werden, dann können Sie dem Antrag getrost zustimmen; denn Wissen schadet dann zumindest nicht.
Wenn Sie aber Angst haben, diesem Antrag zuzustimmen, weil Ihnen die Antworten vielleicht absehbar nicht passen, dann sollten Sie auch die Finger von der Novelle des Polizeigesetzes lassen.
Wenn Koalition und Staatsregierung bei Grundrechtseingriffen lieber die Drei-Affen-Methode spielen, als alle Karten auf den Tisch zu legen, dann ist größtmögliche Wachsamkeit geboten und dieser Antrag schlicht notwendig. Ich bitte daher um Zustimmung.
Meine Damen und Herren, für die CDU-Fraktion spricht Herr Abg. Hartmann. Herr Hartmann, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Fast reflexartig, könnte man meinen, meldet sich die Opposition und vor allen Dingen die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN zu Wort, wenn die Staatsregierung, die CDUFraktion wieder einmal vermeintlich die Grundrechte der Bürger beschneiden und einen überbordenden Sicherheitsapparat installieren wollen.