Protokoll der Sitzung vom 31.05.2018

Sie müssen nicht antworten. Aber genau da liegt das Problem. Sie sehen, es ist wichtig, die Zielgruppen direkt anzusprechen und mögliche Barrieren abzubauen.

Dies untermauert auch der Präventionsbericht der gesetzlichen Krankenkassen. Daraus ergibt sich zudem, dass gerade einmal 2 % der Angebote speziell an Männer gerichtet sind. Wir sind der Ansicht, dass dieser Anteil ausgebaut werden muss angesichts des Erkenntnisstandes, der sich aus der medizinischen Genderforschung ergibt.

Die Forschung hat dies bereits erkannt. Nun müssen die Praxis und die Ausbildung von medizinischem Personal entsprechend angepasst werden.

Im Übrigen kann man für das Thema schon in der frühkindlichen Bildung sensibilisieren, indem Kinder spielerisch – und mit zunehmendem Alter immer wissenschaftlicher – an das Thema Gesundheitsvorsorge mit einem

Blick für geschlechterspezifische Problematiken herangeführt werden.

Kurzum, die Stellungnahme der Staatsregierung zeigt die Dringlichkeit unseres Antrags auf. Daher bitte ich um Zustimmung.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Für die SPDFraktion Frau Abg. Lang.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Bitte gehen Sie einmal in Gedanken Ihre Geburtstagsglückwünsche durch, die Sie in den vergangenen Monaten ausgesprochen haben: Ganz gewiss war der Wunsch nach Gesundheit immer dabei. Denn ohne Gesundheit kann man alles andere im Leben eigentlich kaum genießen. Etwas wissenschaftlicher ausgedrückt – ich zitiere –: „Das gesundheitliche Wohlbefinden jedes Einzelnen ist Bedingung für die Entfaltung seiner psychischen, physischen und sozialen Leistungsfähigkeit. Gesundheit ist somit Ziel und Voraussetzung für Entwicklung.“

In der Medizin jedes einzelnen Menschen ist es ein hoher Anspruch, jeder Herausforderung dort gerecht zu werden, um das zu realisieren. Deswegen hat sich in der Vergangenheit der Blick der Mediziner auf die Unterschiede zwischen den Geschlechtern geweitet. Es sind nicht nur die rein biologischen Gründe, auf die ich hier eingehen möchte. Es sind darüber hinaus auch soziale Faktoren und Lagen, die Leben und Gesundheit bestimmen. Rollenbilder beispielsweise haben Konsequenzen und können gesund oder krank machen. Risikofaktoren und berufliche Belastungen müssen ebenso wie Einsamkeit berücksichtigt werden.

Mit unserem Antrag und unseren Redebeiträgen möchten wir einerseits das Thema überhaupt in die Öffentlichkeit heben und andererseits dafür sorgen, dass Forschung, Lehre und Aufklärung verbessert werden können. Das Bedürfnis nach spezifisch männlicher und spezifisch weiblicher Medizin wächst meiner Meinung nach auch, weil wir immer älter werden. Da ältere Menschen naturgemäß häufiger mit Krankheiten konfrontiert sind als junge, treten auch die Unterschiede zwischen Männer- und Frauengesundheit deutlicher zutage.

Ein Beispiel: Auch bei Männern wird heutzutage öfter Osteoporose diagnostiziert. Diese Erkrankung galt früher als frauentypisch. Strukturen und vermeintliche Gewissheiten ändern sich nur langsam. Dass sie es tun, kann jedoch Leben retten.

Nehmen wir ein anderes Beispiel: Leider passiert es immer noch, dass Frauen ein Medikament einnehmen müssen, das von seiner Menge her eigentlich für einen 75 Kilogramm schweren Mann gemacht ist. Warum? Bis zum Jahr 2000 durften Frauen aus medizinischen Studien ausgeschlossen werden. Patientinnen bekamen also Medikamente, die ausschließlich an Männern erprobt waren. Bekannt ist inzwischen auch, dass sich biologische

Unterschiede zwischen Männern und Frauen darauf auswirken, wie Medikamente und Wirkstoffe vom Körper aufgenommen werden. Manchmal wäre schon die Änderung der Menge eines Wirkstoffes in einem Medikament erfolgreicher als der Wechsel zu einem anderen Medikament. So trägt zum Beispiel der unterschiedliche Hormonhaushalt wesentlich dazu bei, dass Medikamente von weiblichen und von männlichen Organismen unterschiedlich verstoffwechselt werden.

Da jedoch die Datenlage auf diesem Gebiet mehr als mangelhaft ist, brauchen wir die Evidenz durch Studien. Neben Diagnostik und Therapie sollten ganz besonders die geschlechterspezifischen Präventionsangebote differenzierter zugeschnitten werden. Das würde neben Gesundheit und Wohlbefinden auch ökonomische Vorteile bringen. So könnten etwa Erkrankungen schneller und besser diagnostiziert sowie Therapien personalisierter und damit effektiver angewandt werden. Dass gesündere Menschen für unsere Gesellschaft und damit für uns alle Vorteile bringen, darüber müssen wir, glaube ich, hier nicht diskutieren.

Ein Feld, das mir persönlich am Herzen liegt, ist die Prävention. Meistens wird sie unterschätzt, weil man ihre Ergebnisse nur indirekt bemerkt. Oft ist der Bereich der Prävention unterfinanziert. Wenn jemand nicht krank wird, dann fällt dies eigentlich nicht auf; es ist trotzdem ein Erfolg.

Deshalb sollten wir unsere Aufgaben hier sehr ernst nehmen. In das Präventionsgesetz wurde ausdrücklich das Thema Gesundheit der Geschlechter aufgenommen. Dennoch sollten wir alle bezüglich dieser Sache noch viel sensibler werden. Dazu gehört unter anderem, dass wir uns gewisse Dinge überhaupt erst einmal ins Bewusstsein holen. Ein Beispiel: Frauen in Industrienationen leben laut Statistik länger als Männer, fühlen sich dabei gesundheitlich aber schlechter. Männer hegen gefährliche Unverletzlichkeitsillusionen, sind mehr von seelischen Störungen und Einsamkeit betroffen – und gehen trotzdem seltener zum Arzt.

Auf der einen Seite nehmen Ärztinnen und Ärzte Frauen anders wahr als Männer, und sie behandeln diese auch entsprechend anders. Auch dort muss nachgesteuert werden. Es muss deutlich werden, dass der medizinische Anspruch, gesundheitliches Wohlbefinden eines jeden Einzelnen, ob Mann oder Frau, zu erreichen, Ziel dieses Antrags ist. Deshalb bitte ich um Ihre Unterstützung.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Für die Linksfraktion Frau Abg. Schaper.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben es schon mehrfach gehört: Frauen und Männer sind verschieden. Das ist so simpel und logisch, dass es hier eigentlich niemanden geben dürfte, der das bestreitet. Neben den psychologischen Unterschieden und dem

Anderssein – ganz konkret: im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt – gibt es auch Differenzen, die aus der unterschiedlichen Erziehung und aus unterschiedlichem Verhalten herrühren. Es gibt geschlechterspezifische Krankheiten und Krankheitsverläufe.

Sehr deutlich konnte man das zuletzt in der „Sächsischen Zeitung“ vom 26. Januar 2017 lesen. Unter der Hauptüberschrift „Das unterschätzte Frauenproblem“ heißt es: „Der neue Herzbericht zeigt einen überraschenden Geschlechterunterschied. Doch es lässt sich vorsorgen.“

Der zweite Themenbeitrag trug den Titel: „Männer kommen oft nicht in das Alter für Herzschwäche.“ Auch wenn es sich ziemlich drastisch anhört – wie so oft in einer Headline –, lässt sich, so finde ich, das Grundanliegen des vorliegenden Antrags der Koalitionsfraktionen nicht sehr viel anschaulicher beschreiben, welches unsererseits in der Sache selbstverständlich unterstützt wird.

Das Thema der geschlechtersensiblen Gesundheitspolitik, Medizin oder Berichterstattung blieb in Deutschland lange Zeit unbeachtet. Die Unterschiede waren aber schon damals selbst für Leute, die nicht im medizinischen Bereich arbeiteten, durchaus sichtbar. Ganz abgesehen von Erkrankungen, die es aufgrund der Biologie entweder nur bei Frauen oder nur bei Männern geben kann, ist es beispielsweise offensichtlich, dass Männer im Durchschnitt kürzer als Frauen leben und dass ihr Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wesentlich höher ist.

Auch im Suchtverhalten zeigen sich deutliche Unterschiede: Frauen sind öfter von Medikamenten abhängig, Männer – das wird Sie nicht überraschen – häufiger vom Alkohol. Dennoch gab es bis in die Neunzigerjahre keine geschlechterdifferenzierte Gesundheitsberichterstattung

oder entsprechende Ansätze einer geschlechtersensiblen Versorgung in Deutschland für Krankheiten, die bei Frauen wie bei Männern auftreten, aber eben mit Unterschieden bei den Symptomen, zum Beispiel Angina Pectoris und Herzinfarkt.

Auch im Jahr 1998, als vom Statistischen Bundesamt der erste Gesundheitsbericht für Deutschland herausgegeben wurde, waren noch sehr wenige Daten nach Geschlechtern differenziert. Selbstverständlich wurde dies kritisiert; denn die Frauengesundheitsforschung gab es damals immerhin schon seit 20 Jahren.

Nur Gehör fand sie nicht, was bei den sogenannten Frauenthemen durchaus heute noch zutrifft. Ich denke dabei nur an die aktuelle Pflegedebatte. Es war damals nur zu begrüßen, als Mitte 2001 der von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Bericht zur gesundheitlichen Situation von Frauen in Deutschland erschien, ein etwa 700 Seiten dicker Wälzer, der noch heute als Meilenstein oder Wendepunkt in der geschlechtersensiblen Medizin in Deutschland gilt. Der Titelzusatz „Eine Bestandsaufnahme unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Entwicklung in West- und Ostdeutschland“ zeigt, dass selbstverständlich sehr viel mehr Faktoren als das Geschlecht berücksichtigt werden müssen, wenn wir unsere medizinische Versorgung und Forschung wirklich passge

nau und wirkungsvoll gestalten wollen. Deshalb brauchen wir in allen Gesundheitsbereichen ein Verständnis, dass biologische, psychische und soziale Bedingungen und Faktoren gleichermaßen erfasst werden müssen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Koalition trägt meines Erachtens eindeutig die Handschrift des kleineren Koalitionspartners und erinnert inhaltlich an den Antrag der SPD aus der 5. Wahlperiode, Titel „Geschlechterspezifische medizinische Forschung und Versorgung in Sachsen stärken“, Drucksache 5/11181. Damals wurde er noch durch die Regierungsmehrheit aus CDU und FDP abgelehnt. Mit dieser Vorgeschichte ist es im Grunde zu begrüßen, dass Sie als SPD-Fraktion diesmal die CDU von der Notwendigkeit dieses Themas überzeugen konnten. Und weil wir das Anliegen teilen, werden wir zustimmen.

Ich kann aber auch nicht verhehlen, dass mich etwas an dem Antrag stört, oder anders gesagt, wäre ich nicht ich und der eine oder andere Kollege aus der Regierungskoalition wäre jetzt besorgt um mich, wenn ich hier nichts zu kritisieren hätte. Das ist vor allem, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Zeitschiene. Ich komme zu dem Schluss, dass zumindest Punkt 1, der beschriebene Bericht, und das in Punkt 2 geforderte Konzept bereits fertig in der Schublade im Sozialministerium liegen müssten.

(Mario Pecher, SPD: Das ist der Trick!)

Es würde mich sehr überraschen und würde mich an sonstige Arbeitsabläufe erinnern; denn wie sonst soll bereits am 30. November dieses Jahres dem Landtag der Punkt 3, benannter Bericht zur Umsetzung des Konzepts, vorgelegt werden? Die uns zur Verfügung stehende Stellungnahme der Staatsregierung zu Punkt 1 kann in ihrer Kürze, Oberflächlichkeit und Selektivität in keinem Fall den Maßstäben des beantragten Berichtsanteils genügen. Mit einer solch mangelhaften Ausgangsbeschreibung kann auch das beste Gremium kein tragfähiges Konzept entwickeln. Eigentlich müsste das Konzept sogar schon weitgehend umgesetzt sein; denn wie sonst sollte innerhalb von ein paar Monaten ein akzeptabler Umsetzungsstand erreicht werden, über den sich zum 30. November das Berichten überhaupt lohnt?

Skeptisch bin ich auch, weil für mich die Umsetzung von geschlechtersensibler Medizin in Sachsen ein Prozess ist und absehbar nicht abzuschließen ist. Aber sei es drum, meine Fraktion unterstützt den Antrag dennoch, damit endlich etwas in Gang kommt. Ich möchte aber betonen, dass es uns bei diesem wichtigen Thema lieber ist, wenn ein gründliches längerfristiges Konzept erstellt, öffentlich gemacht und umgesetzt wird. Dafür würden wir gern eine Zeitüberschreitung in Kauf nehmen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN und des Abg. Albrecht Pallas, SPD)

Ich rufe die AfDFraktion auf, Herr Abg. Wendt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! § 2 b SGB V fordert, dass bei allen Leistungen der Krankenkassen geschlechtsspezifischen Besonderheiten Rechnung zu tragen ist. Es müssen also die Prävention und die Kuration stärker auf die Bedarfe von Männern und Frauen ausgerichtet werden. Dass das notwendig ist, zeigt schon die Epidemiologie. Beispielsweise sind bei Herzkrankheiten mit 58 % mehr Männer als Frauen betroffen. Andersherum verhält es sich zum Beispiel bei den meisten psychischen Krankheiten. An einer Angststörung, die zu den häufigsten psychischen Krankheiten gehört, erkrankt in Deutschland rund jede fünfte Frau, bei den Männern ist es jeder zehnte.

Doch kommen wir zurück zum Krankheitsbild des Herzinfarktes. Hier gilt das männliche Geschlecht seit Jahrzehnten als unbeeinflussbarer Risikofaktor. Doch warum ist das so? Zum einen liegt es an der unterschiedlichen Inanspruchnahme von Präventionsangeboten. Frauen nehmen Präventionsangebote bis zu 50 % häufiger wahr als Männer. Zum anderen liegt es am unterschiedlichen Risikoverhalten von Männern und Frauen. So sind zum Beispiel 31 % der Männer Raucher, bei den Frauen sind es nur 26 %. Einen riskanten Alkoholkonsum hat jeder dritte Mann, aber nur 9 % der Frauen. Die Erkenntnislage ist also hier sehr eindeutig. Deshalb geht es darum, diese Erkenntnisse zu nutzen und die Prävention entsprechend anzupassen. So bedarf es unterschiedlicher Strategien zur Erreichung der Zielgruppe Mann und Frau. Hier kommt der Gestaltung der Kampagnen besondere Bedeutung zu.

Aber nicht nur die Prävention, sondern die gesamte Gesundheitsversorgung muss geschlechtsspezifischer

werden. Das geht schon bei einfachen Dingen, wie der Diagnostik von Erkrankungen, los. Die klassischen Symptome eines Herzinfarkts sind vor allem bei Männern und weniger bei Frauen zu beobachten. Das führt unter Umständen dazu, dass der Herzinfarkt bei Frauen erst sehr spät erkannt wird und die Behandlung dadurch nicht immer optimal verläuft. Damit Prävention und Kuration geschlechtsspezifischer ausgerichtet werden können, bedarf es weiterer Forschungsergebnisse und abgestimmter Konzepte als Grundlage für die Umsetzung der Anforderungen des § 2 b SGB V.

Lassen Sie mich aber noch etwas Grundsätzliches anmerken. Es bedarf nicht nur einer stärkeren geschlechtsspezifischen Gesundheitsprävention und -versorgung, da die Gesundheit von mehreren Faktoren beeinflusst wird. Genannt seien zum Beispiel der sozioökonomische Faktor oder auch das Alter. Das Präventionsgesetz mahnt nicht nur die geschlechtsspezifische Unterscheidung an, sondern eben auch die Berücksichtigung von besonderen sozialen Lagen. Deshalb frage ich Sie, werte Staatsregierung, werte CDU- und SPD-Fraktion: Wo sind denn Ihre Bemühungen für die Personengruppen, die sich in besonderen sozialen Lagen befinden? Hier hätte ich mir gewünscht, dass Sie auch auf diese besonderen Lebenslagen eingehen, aber da bin ich leider enttäuscht worden.

(Daniela Kuge, CDU: Es geht aber um Männer- und Frauengesundheit!)

Aber wir geben die Hoffnung nicht auf und wünschen uns, dass Sie nach diesem Antrag nicht wieder die Hände in die Hosentaschen stecken und sich zurücklehnen. Wir hoffen, dass Sie mit weiteren Initiativen am Ball bleiben, bevor es mal wieder zu spät ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Als Nächste spricht Katja Meier für die Fraktion GRÜNE.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Koalitionsfraktionen haben sich mit ihrem Antrag erfreulicherweise einem wirklich wichtigen gesundheits- und gesellschaftspolitischen Thema gewidmet und es aufgegriffen.

(Beifall des Abg. Mario Pecher, SPD)