Protokoll der Sitzung vom 27.06.2018

Liebe Staatsregierung, Sie könnten sich doch einmal als abschreckendes Beispiel vor eine Schulklasse stellen und sich rechtfertigen, warum Sie dieses Bildungschaos verursacht haben, warum Sie Lehrer ungleich bezahlen, warum immer mehr Unterricht ausfällt und warum fast nur noch Seiteneinsteiger eingestellt werden.

(Staatsminister Christian Piwarz: So ein Unsinn, Frau Wilke! Schauen Sie sich doch die Zahlen an!)

Und das jüngste Verbrechen der Staatsregierung

(Staatsminister Christian Piwarz: Sie erzählen einen Unsinn! Unglaublich!)

anders kann ich das nicht nennen – wurde gestern spruchreif: Die Senkung der Wochenstundenzahl, allein in der Oberschule von 31 auf 28 bis zur Klasse 10. Weniger Deutsch in der Grundschule, weniger Mathe und Sport in der Oberschule

(Staatsminister Christian Piwarz: Ein Unsinn!)

und am Gymnasium und natürlich auch Kürzungen bei Kunst und Musik, aber Hauptsache mehr Gemeinschaftskunde.

(Staatsminister Christian Piwarz: Bei Kunst ist überhaupt nichts gekürzt worden! Frau Wilke, erzählen Sie nicht solchen Unsinn!)

Waren oder sind Sie eigentlich bei klarem Verstand? Soll Sachsen in zehn, 20 Jahren ein Entwicklungsland sein?

(Gelächter bei der CDU – Valentin Lippmann, GRÜNE: Wo leben Sie denn!)

Der Bildungswissenschaftler Prof. Hurrelmann sagte heute im Deutschlandfunk:

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Leben Sie auf dem Mond?!)

„Rund 20 % der 15-Jährigen in Deutschland sind zu ungebildet, um zum Beispiel einen Beruf zu erlernen.“

(Staatsminister Christian Piwarz: Wenn Sie wenigstens Ahnung hätten von dem, was Sie erzählen!)

Sie schaffen es womöglich, diese Zahl in Kürze auch für Sachsen zu realisieren.

Daher fordern wir, den Gemeinschaftskundeunterricht nicht schon ab der 7. Klasse anzubieten, sondern die bisherigen Stundentafeln beizubehalten.

Zu Punkt 2 unseres Antrages komme ich in der nächsten Runde.

(Beifall bei der AfD – Sebastian Fischer, CDU: Besser nicht! Besser nicht!)

Für die CDU-Fraktion Herr Abg. Bienst. Bitte sehr, Herr Bienst.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Wilke, ich hatte vermutet, dass Sie in Ihrer Rede auf Ihren Antrag „Keine Staatsbürgerkunde 2.0“ eingehen, was Sie auch angesagt hatten. Ich habe nicht vermutet, dass Sie hier wieder eine gesamte Bildungsdiskussion mit vielen Un- und Halbwahrheiten bringen.

Sie sprechen von Bildungschaos, schlimmen Seiteneinsteigern und Lohnungleichheiten. Sie sprechen von einer Wochenstundenzahl, interpretieren diese aber nicht.

(Jörg Urban, AfD: Stimmt alles für Sachsen!)

Ich denke, dass man das tun sollte. Man sollte Hintergründe aufdecken bzw. darlegen, warum bestimmte Maßnahmen notwendig sind, um das Bildungssystem qualitativ gut zu halten.

Zurück zu Ihrem Antrag. Ich möchte den Mitgliedern der AfD-Fraktion nicht zu nahe treten oder Sie beleidigen, aber bitte klären Sie mich auf, wer bei Ihnen auf solch einen Stuss kommt.

(Beifall bei der CDU, der SPD und des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Ich maße mir nicht an, von einem unsinnigen Antrag zu sprechen, aber der Urheber dieses Papiers kann nur jemand sein, der die demokratischen Grundsätze in diesem Land noch nicht verstanden hat und die Schule und die damit verbundene freiheitliche demokratische Bildung nicht kennt. Oder es ist jemand, der über die DDR, den Staatsbürgerkundeunterricht absolut nicht Bescheid weiß bzw. diesen nicht erlebt hat. Es ist einfach eine Frechheit, den Gemeinschaftskundeunterricht mit dem Staatsbürgerkundeunterricht zu vergleichen.

(Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜNEN, des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE, und der Staatsregierung)

Das schlussfolgere ich aus der Überschrift Ihres Antrages und Ihrer ersten Forderung, den Gemeinschaftskundeunterricht nicht schon in der 7. Klasse anzubieten. Im Übrigen heißt das Fach an den Oberschulen Gemeinschaftskunde/Rechtserziehung und am Gymnasium

Gemeinschaftskunde/Rechtserziehung/Wirtschaft. Das sei noch einmal zur Klarstellung gesagt.

Bevor ich inhaltlich auf Ihren Antrag eingehen will, den ich dann gleich zu Protokoll gebe, habe ich noch zwei Verständnisfragen. Die eine hat sich schon ein wenig geklärt. Sie verlangen in Ihrem Antrag, den GK-/Rechtsunterricht nicht schon in Klasse 7 anzubieten. – Fragezeichen? Wenn man Ihren Antrag liest, dann stellt sich die Frage: Wollen Sie den Unterricht vielleicht schon in Klasse 5 oder 6 – ich wäre natürlich strikt dagegen, denn das wäre verfrüht – oder in Klasse 8 einführen? Oder wollen Sie gar keinen Gemeinschaftskunde-/Rechtserziehungsunterricht? Damit würden Sie sich selbst widersprechen. Dazu in meiner Begründung später, die ich dann zu Protokoll gebe. Aus Ihrem Antrag ist nicht ersichtlich, was Sie eigentlich wollen.

(Heiterkeit bei der CDU und der SPD)

Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass Sie gegen die Einführung des GK-/Rechtsunterrichtes ab Klasse 7 sind.

Nun die zweite Verständnisfrage: Was hat Ihre zweite Forderung nach Umbenennung des Faches Sachkunde in Heimatkunde mit dem Antragstitel „Keine Staatsbürgerkunde 2.0“ zu tun? Wollen Sie ernsthaft den bewährten Sachkundeunterricht, der mehr ist als reine Heimatkunde, begrifflich in Heimatkunde umwandeln?

Ich bin mit meinen 61 Jahren im sozialistischen Schulsystem groß geworden. Als ich mich mit Ihrem Thema beschäftigt habe, kam mir der Begriff Heimatkunde irgendwie bekannt vor. Ich habe in mein sozialistisches Schulzeugnis geschaut, und ich hatte tatsächlich das Fach Heimatkunde. Hat jemand aus Ihrer Fraktion plötzlich den Hang zum sozialistischen Bildungssystem für sich erkannt?

(Jörg Urban, AfD: So schlecht war das nicht! – André Barth, AfD: Da ist wenigstens kein Unterricht ausgefallen!)

Zur inhaltlichen Betrachtung möchte ich nichts weiter ausführen, denn die Zeit ist schon ziemlich fortgeschritten. Ich gebe meine Rede zu Protokoll.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Wobei Sie schon sehr viel vorgetragen haben, Herr Abg. Bienst. – Für die Fraktion DIE LINKE Frau Abg. Falken.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der uns heute vorliegende Antrag der AfD ist ein typischer AfD-Antrag. Er hat keinerlei stichhaltige Begründung und er strotzt nur so vor Unterstellungen, die wir soeben im Vortrag der Kollegin der AfD gehört haben.

Sie schüren Misstrauen in die Unterrichtspraxis der Schulen, der Lehrerinnen und Lehrer. Wo ich gestutzt habe – das will ich deutlich sagen –, ist: Die Landesregierung gerät sogar in den Verdacht totalitärer Bestrebungen, die sie im Freistaat Sachsen an den Schulen ausübt. So hat nach Ihrer Auffassung das sächsische Kultusministerium ein blindes Vertrauen in die Lehrerinnen und Lehrer und in die Schulleiterinnen und Schulleiter. Sie unterstellen dem Kultusministerium und der Verwaltung, dass es keinerlei Kontrollen der Lehrerinnen und Lehrer gibt. Das ist eine Unwissenheit schlechthin, die Sie hier darstellen.

Selbstverständlich gibt es Kontrollen von Lehrerinnen und Lehrern an den Schulen. Es gibt Beratungen für Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen. Es gibt sehr viele Möglichkeiten, inhaltliche Arbeit an den Schulen durchzuführen, und zwar nicht nur in der politischen Bildung, sondern weit darüber hinaus.

Das will ich hier ganz klar benennen: Auch ein Lehrer hat eine pädagogische Freiheit, und diese pädagogische Freiheit wollen wir den Lehrern nicht nehmen. Wir wollen sie im Gegenteil unterstützen, eine solche pädagogische Freiheit im Freistaat Sachsen auszuüben. Offensichtlich haben Sie davon überhaupt noch nichts gehört.

Unsere Positionen als LINKE zum Thema politische Bildung sind klar und deutlich. Im vergangenen Jahr haben wir hier im Hohen Haus zu diesem Thema unseren Antrag „Politische Bildung in Schulen erneuern, Gemeinschaftskunde modernisieren und ausweiten“ diskutiert und beraten.

Zwei Punkte daraus will ich benennen. Nach unserer Auffassung ist es zwingend notwendig, die politische Bildung nicht erst in Klasse 7, sondern bereits in Klasse 5 als Zweistundenfach durchgängig zu vermitteln.

Und wir halten es für zwingend notwendig, Rahmenlehrpläne zu diesem Bereich zu erarbeiten und sie auch wirklich umzusetzen. Es geht um Erkenntnisgewinn und um Fähigkeiten von Schülerinnen und Schülern, sich zu artikulieren, sich zu streiten, sich auszutauschen zu aktuell-politischem Geschehen, aber natürlich auch zu geschichtlichen Themen, und das halten wir für sehr, sehr notwendig und wichtig.

Zum Thema Sachunterricht, den Sie in Heimatkundeunterricht umbenennen wollen, muss ich Ihnen sagen, finde ich das besonders kurios. Im ersten Teil Ihres Antrages – das haben Sie gerade in Ihrem Redebeitrag noch einmal ganz deutlich gemacht – rücken Sie die Politik der Landesregierung in die Nähe der DDR. Das finde ich schon mal spannend. Im zweiten Teil Ihres Antrages wollen Sie aber genau diese Bezeichnung für ein Unterrichtsfach aus

der DDR zurückhaben. Das ist für mich sehr, sehr widersprüchlich.

Inhaltlich teilen wir die Kritik des Kultusministers in seiner Stellungnahme, wo er noch einmal ganz klar begründet, dass der Sachunterricht in den Grundschulen klar dafür da ist, Inhalte aus Biologie, Psychologie, Geschichte, Physik und Geografie darzustellen, natürlich kindgemäß und bezogen auf die Umwelt und das, was die Schülerinnen und Schüler in ihren Bereichen erleben. Insofern ist das sinnvoll und vernünftig. Herr Minister, ich hoffe, Sie haben registriert, dass ich Sie jetzt gerade gelobt habe.

(Staatsminister Christian Piwarz: Ich habe das registriert, jawohl!)

Dieser Antrag ist nach unserer Auffassung eine Frechheit an sich, und Sie haben das Thema politische Bildung sowohl in der Formulierung wie auch im Inhalt überhaupt nicht nachvollziehen können. Das können wir nur ablehnen.