Protokoll der Sitzung vom 27.06.2018

Sie müssen bitte zum Ende kommen.

Frau Präsidentin, ich komme zum Schlusssatz.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren der Staatsregierung! Der Schutz des sorbischen Volkes ist Verfassungsauftrag. Nichterfüllung heißt hier Verfassungsbruch. Dies nicht zuzulassen ist unsere gemeinsame Verantwortung.

(Beifall bei den LINKEN)

Für die SPDFraktion Herr Baumann-Hasske, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der heutigen Aussprache an prominenter Stelle auf der Tagesordnung des Sächsischen Landtags endet das Beratungsverfahren zu den beiden vorliegenden Berichten, die zur Lage des sorbischen Volkes Auskunft geben. Wir haben mit der öffentlichen Ausschussbefassung und Anhörung der Mitglieder des Rates für sorbische Angelegenheiten einen neuen Standard gesetzt, der hoffentlich in der kommenden Legislaturperiode ebenso Bestand haben wird.

Ein besonderer Dank geht einerseits an die ehrenamtlichen Mitglieder des Rates für sorbische Angelegenheiten, andererseits an die vielen Menschen, die an den Berichten mitgewirkt haben. Hier sei stellvertretend für ihr Ministerium meine Fraktionskollegin und Staatsministerin Dr. Eva-Maria Stange genannt. Schließlich gilt mein Dank allen, die sich aktiv für den Erhalt der sorbischen Sprache und Kultur einsetzen, wie sich den Berichten eindrucksvoll entnehmen lässt.

Meine Damen und Herren! Es sind die kleinen Dinge, die wir alle beitragen können, um dem Auftrag aus Artikel 6 unserer Verfassung zum Schutz des sorbischen Volkes und dem Erhalt seiner Kultur nachzukommen. Damit dies gelingt, ist ein regelmäßiges Controlling zu den ergriffenen Maßnahmen erforderlich. Daher begrüßt die SPDFraktion die angekündigte Fortschreibung und Aktualisierung des Maßnahmenkatalogs der Staatsregierung.

Die Aussprache im Kulturausschuss hat sicherlich aufgezeigt, welche weiteren Schritte unternommen werden können. Die Diskussion hat unmittelbare Erfolge nach sich gezogen. Schon heute ist absehbar, dass wir demnächst den Sächsischen Landtag auch in sorbischer Sprache beschildern. Das klingt nach einer Kleinigkeit, es ist sicherlich eine Kleinigkeit, aber es ist ein weiterer Schritt, um das sorbische Volk auch im politischen Zentrum des Freistaates ständig ins Bewusstsein zu rücken.

Wir werden aber auch die Kommunen im sorbischen Siedlungsgebiet verstärkt finanziell unterstützen, um mehr Dolmetscher- und Übersetzungsleistungen anbieten zu können.

Meine Damen und Herren! Aktuell stehen wir, glaube ich, vor drei großen Herausforderungen: erstens die Ausbildung von sorbischsprachigen Erzieherinnen und Erziehern, Lehrerinnen und Lehrern in ausreichender Zahl, um der nächsten Generation auch das Erlernen der sorbischen Sprache zu ermöglichen. Nur durch einen aktiven Sprachgebrauch wird der Erhalt der sorbischen Kultur und Identität gelingen. Auf diesem Gebiet hat die Koalition beispielsweise die Zulassungshürden zum Lehramtsstudium für sorbischsprachige Bewerberinnen und Bewerber gelockert.

Zweitens: Der Wandel unserer Gesellschaft durch die Digitalisierung. Wir alle müssen dafür werben, dass das Sorbische auch bei Facebook, bei Amazon oder im Amt24 ankommt bzw. aufgenommen wird. Nur so kann ein Verdrängen der sorbischen Sprache bei Digitalisierungsprozessen vermieden werden. Es ist ein Fortschritt, digitale Wörterbücher und Bibliotheken in sorbischer Sprache anbieten zu können. Aber genauso wichtig ist, dass das Sorbische auch in der alltäglichen Kommunikationsstruktur und in Verarbeitungsprozessen seine Berechtigung und Anwendung findet.

Drittens: Die Vertretung des sorbischen Volkes muss unter den Sorben geklärt werden. Die Domowina ist seit vielen Jahren die privatrechtlich organisierte Interessenvertretung und Lobby des sorbisches Volkes. Die Anhörung hat ergeben, dass sie aber nicht berechtigt ist, Rechte aus dem

Sorbengesetz oder aus der Verfassung gegebenenfalls gerichtlich geltend zu machen.

Nun gibt es die Initiative „Serbski Sejm“, die eine öffentlich-rechtliche Vertretung von allen Sorben wählen lassen will. Die SPD-Fraktion unterstützt jeden legitimen Ansatz, rechtliche Lücken zu schließen und die Vertretung der Sorben zu verbessern. Das kann durch eine demokratisch gewählte Vertretung geschehen, wenn es denn dazu kommt. Andernfalls müsste man gesetzgeberische Maßnahmen in Erwägung ziehen.

Meine Damen und Herren! Die heutige Debatte entbindet uns nicht, kontinuierlich zu schauen, welche weiteren kleinen und großen Hürden aus dem Weg geräumt werden können, um zum aktiven sorbischen Sprachgebrauch beizutragen. Die SPD-Fraktion wird weiterhin ihren Beitrag dazu leisten, so wie wir das auch in der Vergangenheit getan haben, sei es beim Schulgesetz, der Hochschulzulassung, dem Minority SafePack oder dem digitalen Lehrbuch.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Für die AfDFraktion Herr Dr. Weigand, bitte.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Identität bewahren, Tradition pflegen, Kultur und Geschichte an die nächste Generation weitergeben. Ja, das sind Werte, die auch wir mit Nachdruck befürworten. Die Sorben sind stolz auf ihre Heimat, und das ist wirklich schön. Die Volksgruppe der Sorben umfasst geschätzte 60 000 Menschen und bedarf schon aufgrund ihrer geringen Zahl besonderen Schutzes und Förderung. Die weitere finanzielle Förderung durch den Bund und die Länder Sachsen und Brandenburg stellt dabei ein sehr wirksames und unverzichtbares Instrument dar. Die sorbische Sprache muss dabei als wichtiges Gut erhalten und gefördert werden. So sehen wir die steigende Anzahl der Gruppen in Kindertagesstätten von 96 in 2014 auf 108 in 2018, die neben der deutschen auch die sorbische Sprache intensivst pflegen, sehr positiv.

Nichtsdestotrotz haben wir einige Punkte die zukünftig hinterfragt und geklärt werden sollten.

Erstens. Die tatsächliche Anzahl von Angehörigen der sorbischen Volksgruppe. Seit 1989 gibt es keine aktuellen und verlässlichen Zahlen zur sorbischen Bevölkerung. Es gibt nur aktuelle Schätzungen. Hier besteht unserer Meinung nach dringend Nachholbedarf.

Zweitens. Das Fortbildungsangebot. Durch das SMWK wird das Fortbildungsangebot „Interkulturelle Kompetenz – nationale Minderheiten in Europa am Beispiel des sorbischen Volkes im Vergleich zu anderen Minderheiten“ angeboten. Es wird seit 2013 angeboten und konnte nur in 2014 damals mit 10 Anmeldungen durchgeführt werden. Hier, Frau Ministerin, sollte dringend hinterfragt werden, warum so wenig Mitarbeiter in den Ministerien das Fortbildungsangebot nutzen. Liegt es am Kursinhalt, an

der Attraktivität oder an der Bekanntheit des Kurses? Was kann getan werden, damit dieses Angebot in den Ministerien bekannter wird?

Drittens. Das Witaj-Projekt und der Übergang in die Schule. Das Erlernen der sorbischen Sprache im Kindergarten ist auch für die überwiegend deutschsprachigen Kinder möglich. Es wurde erstmals 1998 angeboten und wird mittlerweile in 30 Einrichtungen und 108 Gruppen angewandt. Je Gruppe kann der Träger 5 000 Euro Zuschuss erhalten. Die Frage ist aber: Wie geht es nach der Schule weiter? Die Schülerzahlen an den Schulen für deutsch-sorbisches Konzept 2plus sind seit 2013 gleichbleibend. Verliert sich hier die Sprache nach dem Kindergarten wieder? Hier müssen die Hintergründe erfragt werden, sonst verpufft die Maßnahme und das entsprechende Geld leider.

Insgesamt sehen wir aber die besondere Heimatverbundenheit des sorbischen Volkes als positive Basis für den Erhalt von Kultur und Sprache. Darauf aufbauend können wir nur befürworten, die Maßnahmen insbesondere für den Erhalt und die Belebung der Sprache weiter durchzuführen. Aber vor allem die Ergebnisse und Misserfolge müssen regelmäßig und mit Nachdruck überprüft werden, um sie zu verbessern.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Für die Fraktion BÜNDNIS/DIE GRÜNEN Frau Schubert, bitte.

Wažena knjeni prezidentka! Česćene kolegowki, česćeni kolegojo! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bedankt sich sehr herzlich beim Rat für sorbische Angelegenheiten für sein Engagement.

Ich freue mich, dass der Bericht über die Lage des sorbischen Volkes nach mehr als einem Vierteljahrhundert erstmals öffentlich in einem Kulturausschuss besprochen wurde. Ich freue mich auch, dass sich im Bereich der digitalen Angebote in den letzten drei Jahren dank thematisch zielgerichteter Finanzierung doch Beeindruckendes getan hat. Onlinekurse, ein digitales Lehrwerk, das digitale Wörterbuch mit Wortgenerator – all dies kann einen großen Beitrag dazu leisten, dass es künftig einfacher wird, Sorbisch auf moderne Art und Weise zu lernen und zu nutzen. Das zeigt uns, dass auch kleine Sprachen in allen Lebensbereichen einsetzbar sind.

Übersehen dürfen wir aber nicht, dass der Umfang sorbischer Sprachräume und damit die Möglichkeiten, im Alltag Sorbisch zu sprechen, in den letzten 20 Jahren insgesamt weiter abgenommen haben. Das geschah nicht nur aus demografischen Gründen, weil auch zahlreiche Sorben ihre Heimat verlassen, sondern auch durch die Schließung sorbischer Schulen wie in Crostwitz oder Panschwitz-Kuckau, welche durch CDU-geführte Landesregierungen zu verantworten ist und die ich als besonders

schwerwiegend einschätze. Die sorbische Mittelschule von Crostwitz war eine der letzten, in der Sorbisch die allgemeine Umgangssprache war.

An dieser Stelle sehen wir sehr deutlich, dass sorbische Probleme oft aus allgemeinen infrastrukturellen Problemen hervorgehen. Die Schließung kleinerer Schulen bedeutet in diesem Fall nicht nur längere Schulwege für die Kinder, sondern bedroht ganz direkt die Zukunft der zweiten in Sachsen heimischen Sprache. Auch der chronische Lehrermangel ist kein spezifisch sorbisches Problem. Er bedroht aber sorbische Schulen und damit den gesamten Unterricht in einer von zwei Sprachen Sachsens besonders massiv, denn sorbische Lehrerinnen und Lehrer kann man eben nicht aus anderen Bundesländern abwerben – schlicht aufgrund der nötigen Sprachkenntnisse.

Es war eine lobenswerte Initiative, in den slawischen Nachbarländern auf die Suche zu gehen. Ob es nun an zu hohen Erwartungen oder doch an der mangelnden Flexibilität der sächsischen Bürokratie gelegen hat, die Bilanz ist jedenfalls ernüchternd. Mein Kollege Heiko Kosel hat darauf schon hingewiesen. Von mehr als 30 tschechischen Interessenten hat es gerade eine überhaupt bis in die Lausitz geschafft. Das Bildungsangebot in sorbischer Sprache ist jedoch kein freiwilliges Gimmick, sondern Verfassungsauftrag! Es sicherzustellen hat höchste Priorität für die Zukunft der sorbischen Sprache. Hier müssen zur Not eben auch unorthodoxe Wege gegangen und bürokratische Hürden durchbrochen werden.

Was die Präsenz des Sorbischen in der Öffentlichkeit angeht, so haben wir in den letzten Monaten zumindest kleine Fortschritte erzielt. Auf Wegweisern sollen deutsche und sorbische Ortsnamen künftig gleich groß sein. Auch der Sächsische Landtag – Kollege Baumann-Hasske hat es bereits angesprochen – soll endlich sein zweisprachiges Türschild bekommen. Ich hoffe, dass die Schriftgrößen darauf ebenfalls gleich groß sein werden. Wir werden das beobachten.

Es fallen auch jene Bereiche ins Auge, in denen der sorbische Sachse vergeblich nach seiner Sprache sucht. Sorbische Anzeigen und Ansagen in Bus und Bahn? Fehlanzeige. Sorbische Ortsnamen auf Radwegweisern wurden in der entsprechenden Richtlinie einfach vergessen. Formulare und Anträge in sorbischer Übersetzung sind Mangelware. Auch die Praxis der unterschiedlichen Schriftgrößen auf Ortsschildern ist und bleibt eine faktische Diskriminierung, für die es keinen Sachgrund gibt.

All dies wird nicht über die Zukunft der sorbischen Sprache entscheiden. Aber gleichberechtigte Zweisprachigkeit in der Öffentlichkeit könnte ein sichtbares, wenn nicht gar das sichtbarste Zeichen sein, dass man es ernst meint mit Artikel 6 der Sächsischen Verfassung, laut dem die Sorben ein – Zitat – „gleichberechtigter Teil des Staatsvolkes“ sind. Das mag man für Symbolpolitik halten, und zwar völlig zu Recht. Sowohl für die Sorben als auch für die Mehrheitsbevölkerung ist dies aber ein bedeutendes Symbol, eines, das Gleichwertigkeit ausdrückt.

Die meisten dieser Themen haben wir bereits vor einem Jahr in ähnlicher Weise besprochen. Leider sind die Schritte, die bisher unternommen wurden, noch nicht ausreichend.

Die Sprachenpolitik des Freistaates erinnert vielerorts an Flickwerk. Von einem ambitionierten und langfristigen Plan ist wenig zu spüren. Erhalt, Stärkung und Weiterentwicklung unserer zweiten Landessprache sind jedoch eine Aufgabe, die uns alle angeht.

Sakska je dwurěčna – Sachsen ist zweisprachig. Tun wir etwas dafür, dass das so bleibt.

Wutrobny dźak.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Dr. Muster, bitte.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema muttersprachliche Lehrer für sorbische Schulen ist die Staatsregierung beherzt angegangen. Trotzdem ist noch viel zu tun. Seit dem Schuljahr 2017/2018 haben wir exakte Teilnehmerzahlen für Sorbischunterricht an Schulen, und zwar dank Schulverwaltungsprogramm.

Wie viele Sorben tatsächlich in Sachsen leben, wissen wir allerdings nicht. Ich würde mir eine freiwillige Volkszählung der Sorben wünschen. Die grobe Einwohnerzahl von circa 40 000 Sorben in Sachsen ist doch sehr ungenau und verhindert punktgenaue Förderung. Die Einwohnerzahl im sorbischen Siedlungsgebiet wird bis 2030 jedenfalls auf 165 000 sinken.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Dr. Muster?

Ja, für Frau Schubert.

Bitte, Frau Schubert.

Sehr geehrte Frau Dr. Muster, ist Ihnen bekannt, warum wir eine Bekenntnisfreiheit in diesem Land haben? Halten Sie die für sinnvoll oder für überholt?

Frau Kollegin