Welche Bedeutung der 8. Mai in der Geschichte und für die Geschichte dieses Landes hat, hat DIE LINKE versucht in ihrem Gesetzentwurf 6/1094 darzulegen. Gerade Sie, die Abgeordneten der selbsterklärten erinnerungspolitischen Wende, haben diesen Tag damals als „zu wenig wichtig“ abqualifiziert. Auch das spricht Bände.
Sie wollen einen Tag der Demokratie und Freiheit. Sie offenbaren damit, dass Sie weder von dem einen noch von dem anderen tatsächlich etwas verstanden haben. Demokratie ist, anders als Sie glauben, eben nichts einmal Vollendetes. Demokratie entwickelt sich weiter. Sie ist ein gesellschaftlicher Aushandlungsprozess zwischen Regierenden und Regierten, aber auch innerhalb der Gesellschaft. Demokratie muss jeden Tag und Stück für Stück verbessert werden. Um die demokratischen Freiheiten währt ein steter Kampf zwischen Staat und Gesellschaft. Da sollten Sie durchaus prüfen, auf welcher Seite in diesem Kampf Sie als Partei oder Fraktion stehen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Demokratie und Freiheit sind untrennbar mit den Grundrechten verbunden, denn Demokratie und Freiheit bilden den Boden, auf dem die Ausübung der Grundrechte gelingen kann und garantiert ist. Ich darf Sie an die Debatte um den 8. Mai erinnern, und ich darf wiederum die AfD aus dem Protokoll von damals zitieren, bezogen auf den Gesetzentwurf „8. Mai als Gedenk- und Feiertag“: „Letztlich ist der Antrag aber schon aus einfacheren Erwägungen heraus
abzulehnen“, so darf ich Sie zitieren. „Gedenktage müssen vom Volk aus erwachsen. Ihre gesetzliche Verankerung ist dann nur eine logische Konsequenz daraus, dass die Menschen schon seit Langem einem bestimmten Tag einen bestimmten Stellenwert in der gemeinsamen Erinnerung einräumen. Genau das kann aber vom 8. Mai als Tag der Befreiung im Sinne des Antrags der Fraktion DIE LINKE nicht gesagt werden.“
Meine Damen und Herren! Wenn man das jetzt einmal auf Ihren Gesetzentwurf überträgt, sollten Sie bemerken, wie falsch es ist, mit einem Tag, der ein Gedenktag in unserer Geschichte ist, genau ein solches Zitat zu verbinden. Das heißt, er muss aus dem Volk erwachsen, und außerdem ist er bereits Gedenktag.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf, mit dem wir uns ja schon im Ausschuss befassen durften, ist aus meiner Sicht, wenn man sich ihn einmal genau durchliest, an inhaltlicher Inkonsistenz und Unschärfe schwer zu überbieten. Das mit der historischen Unschärfe könnte daran liegen, dass Sie Ihr Fachwissen aus der alleinigen Quelle von Fernsehhistoriker Guido Knopp beziehen. So liest sich Ihr Antrag dann auch, als seien Sie beim Verfassen des Antrags eben von Guido Knopps unvermeidlichem Kunstnebel umgeben gewesen. Doch die Vergangenheit lässt sich eben nicht im Directors Cut abbilden, und Sätze wie: „Die Fesseln einer sozialistischen Diktatur wurden endlich abgestreift“ umschreiben doch den Gesamtprozess des Zerfalls des Eisernen Vorhangs eher kognitiv verkürzt.
Erstaunlich ist aber, dass Sie von einem Leben in Freiheit schreiben, das nun die Diktatur ersetze, wo Sie doch täglich so viel Mühe darauf verwenden, zu behaupten, ebenjene Freiheit gebe es gar nicht. Die Mär von der Gesinnungs- und Meinungsdiktatur, in der wir vermeintlich leben, passt ja nun so gar nicht zu der verlangten Huldigung der Freiheit, die wir gewonnen haben. Wie Sie diese beiden Feststellungen miteinander vereinbaren wollen, das müssen Sie noch genauer erklären. Die Widersprüchlichkeit Ihres Freiheitsbegriffs ist ja bereits gestern Abend und heute Vormittag in der Kulturdebatte auffällig geworden.
Deshalb möchte ich Ihnen noch einmal sagen: Freiheit bedeutet, dass es auch Menschen gibt, die nicht gut finden, was Sie tun, und das sind nicht Menschen, die staatlich indoktriniert sind, sondern das entspringt zumeist einer Kombination aus Verstand und Anstand und hat eben nichts mit Ideologie zu tun.
Ein weiterer Widerspruch ist Ihr Einsatz für die Opfer der SED-Diktatur im Gegensatz zu Ihrer Personalpolitik. Während Sie nicht müde werden, beispielsweise
DIE LINKE wegen ihrer Vergangenheit anzuzählen, stellen Sie selbst wissentlich und mit Erfolg ehemalige Stasi-Mitarbeiter für den Bundestag auf. Wie erklären Sie das eigentlich den Opfergruppen, bei denen Sie sich mit diesem Gesetzentwurf gerade einkratzen wollen?
Der 17. Juni als Gedenktag hat in der alten Bundesrepublik inhaltlich leider nicht sehr viele Menschen erreicht, wie auch der Kollege Hartmann schon ausgeführt hat. Das ist bedauerlich. Das Schicksal der politisch Inhaftierten in der DDR spielte im Alltag der Westdeutschen oftmals keine Rolle. Mit dem Ausrufen eines staatlichen Gedenktages geht nämlich leider nicht zwangsläufig ein Zuwachs an politischer Bildung einher.
Begangen wird der 17. Juni allerdings gerade bei uns in Sachsen sehr würdevoll. Jedes Jahr treffen sich in vielen Regionen Hunderte Menschen zum Gedenken. Vereine organisieren Veranstaltungen und Lesungen. In Chemnitz beispielsweise haben wir seit Jahren ein würdevolles Gedenken durch die Vereinigung der Opfer des Stalinismus, die von der Oberbürgermeisterin, von Abgeordneten von CDU und SPD flankiert werden.
Vertreter der AfD habe ich bei der Gedenkveranstaltung allerdings nicht gesehen, nicht in diesem Jahr und auch nicht im vorigen Jahr. Das könnte allerdings auch daran liegen, dass Sie von manchen Organisationen auch gar nicht mehr eingeladen werden. Die Opferverbände haben oft das gesamte Verhalten politischer Parteien zum Thema „Aufarbeitung der Geschichte“ im Blick. Ein renommierter Verein der SED-Aufarbeitung lehnte unlängst eine Einladung der AfD-Fraktion im Sächsischen Landtag mit folgender Begründung ab – Zitat –: „Solange Ihre Partei einen Wolfgang Gedeon in ihren Reihen duldet, der den Holocaust leugnet und Stolpersteinaktionen kritisiert, Menschen wie Wilhelm von Gottberg, der den Holocaust als Mythos betrachtet, Zeitgenossen wie Björn Höcke, der von einem ‚Mahnmal der Schande‘ spricht,
und viele andere, so lange gibt es für uns nicht den geringsten Ansatz für irgendeine Form der Mit- oder Zusammenarbeit mit der AfD.“
Dem ist wenig hinzuzufügen. Solange Sie Aussagen wie die von Höcke, der eine Abkehr von unserer Erinnerungskultur um 180 Grad fordert – oder habe ich das etwa auch falsch verstanden? –, mindestens dulden – ich habe noch nie eine öffentliche Distanzierung dazu gehört –, werden
Sie können jetzt natürlich argumentieren, dass Sie persönlich die Aussagen von Höcke oder Gauland inhaltlich gar nicht so teilen; das kennen wir bereits aus der Ausschusssitzung. Aber ich habe von Ihnen noch niemals einen Widerspruch dazu gehört.
Genau deshalb kann ich Sie hier nicht aus der Verantwortung lassen. Herr Hütter, Sie sind herzlich eingeladen, – –
– sich im Rahmen Ihrer Redezeit von den unsäglichen Äußerungen Ihrer Parteikollegen zu distanzieren. Ich freue mich darauf.
Jedes Mal, wenn in diesem Land ein Verbrechen der Wehrmacht verharmlost oder der Holocaust relativiert wird, höre ich von Ihnen nichts, und damit tragen Sie zur Bagatellisierung der Verbrechen im Dritten Reich bei. Aktiv tun Sie das!
Das lassen wir Ihnen nicht mehr durchgehen! Wir alle in diesem Hause schulden es den Opfern und Überlebenden des Zweiten Weltkrieges, dass wir solche Äußerungen nicht zur Normalität werden lassen, und zum Beispiel die jüdischen Gemeinden und andere Opferverbände beobachten ganz genau, was wir hier tun. Sie beobachten eben auch Sie.
Es sind auch keine Aussagen von Hinterbänklern, in denen das Leid von Millionen Menschen revidiert wird. Es sind gezielte Statements von der Spitze Ihrer Partei. Ich erinnere an die Worte des Dachau-Überlebenden Max Mannheimer, der sagte: Ich erkläre, dass die Nachgeborenen keine Schuld haben, aber eine Verantwortung für die Zukunft.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der 17. Juni ist der Gedenktag, an dem die Erinnerung an den Aufstand gegen das SED-Regime im Jahr 1953 wachgehalten werden soll. Daran besteht für uns GRÜNE kein Zweifel. Wir dürfen die Menschen nicht vergessen, die für ihre Rechte gekämpft haben und dafür leiden mussten und getötet wurden. Diese Erinnerung wird weiterhin wichtig
sein, um die deutsche Geschichte zu verstehen. Sie ist auch wichtig, um die Auseinandersetzung mit der Diktatur und dem Unrecht in der DDR zu einer Auseinandersetzung mit unserer Gegenwart, mit der Entwicklung von Demokratie und Freiheit zu nutzen.
An alle, die jetzt scheibchenweise Freiheit und unsere liberale Demokratie aufgeben wollen, sage ich: Denkt daran, wie brutal und schwer es ist, einmal verloren gegangene Freiheit, staatlich eingeschränkte Freiheit als Bürgerinnen und Bürger wieder zurückzuerkämpfen.
Der 17. Juni ist bereits bundesweit ein offizieller Gedenktag, und dieser Status gibt dem Gedenken und der Aufklärung einen verbindlichen Rahmen. Er wird in Sachsen – das wurde schon gesagt – auf vielfältige Weise durch Gedenkstunden, Ausstellungen, Diskussionsrunden,
Zeitzeugengespräche und Beflaggung öffentlicher Gebäude lebendig gehalten. Ob das alles in der derzeitigen Form ausreicht oder wie das Erinnern weiterentwickelt werden kann, dafür bräuchte es eine breite Diskussion. Darum kümmert sich aber die AfD-Fraktion herzlich wenig. Sie legt einen Gesetzentwurf vor, in dem die erinnerungspolitischen Hintergründe in keiner Weise mitgedacht werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde es auch nicht sinnvoll, wenn Politik allein solche Festlegungen trifft, ohne Wissenschaft, Zivilgesellschaft und erinnerungskulturelle Praxis einzubeziehen. Das gilt für die Gedenktage wie für die gesamte Erinnerungskultur in Sachsen. Wir brauchen ein Gesamtkonzept, in dessen Erarbeitung diejenigen eingebunden werden sollten, die sich für die historisch-politische Bildung engagieren.
Bei dieser Initiative der AfD müssen wir fragen: Haben Sie eigentlich mit den Akteuren gesprochen? Allem Anschein nach nicht; denn dann würden Sie erfahren, dass deren Bedarf ganz anders gelagert ist. Aber von einer besseren Unterstützung der Gedenkstätten, der Initiativen und Vereine hört man von Ihnen überhaupt nichts. Dieser Gesetzentwurf ist ein Beispiel für die symbolische Scheinpolitik der AfD, mit der sie die Bürgerinnen und Bürger verschaukelt. Mit den tatsächlichen Herausforderungen der Erinnerungsarbeit, mit dem verantwortungsvollen Umgang mit Geschichte durch Gedenkstätten und Bildungsarbeit befassen Sie sich nicht. Warum auch? Eine Stärkung dieser Arbeit würde Ihren Bestrebungen glatt zuwiderlaufen.
Aus den Reihen der AfD wird immer wieder gezeigt, wie Sie mit Geschichte umgehen. Sie greifen Erinnerungsarbeit und Geschichtswissenschaft an, und zwar gezielt und mit sauber kalkulierter Nazirhetorik, und da wird Geschichte massiv relativiert und umgedeutet.
Die DDR-Geschichte, auch den Aufstand von 1953, versuchen Sie sich gleichwohl zurechtzubiegen, wobei Sie den Kern der Ereignisse, den Einsatz für Menschenwürde, für Freiheit und Demokratie ausblenden.
Sie versuchen diejenigen zu vereinnahmen, die sich 1989/1990 gegen eine Diktatur gestellt und für Meinungs
freiheit und Demokratie gekämpft haben. Aber Sie klagen jeden Widerspruch gegen Ihre Position als Zensur an und verleumden damit letztendlich die Demokratie. Das ist janusköpfig.
Eine Leitfigur Ihrer Partei, Ihr Björn Höcke, hat in einer Rede am 17. Juni 2016 gesagt – ich zitiere: „Die AfD ist die Partei des 17. Juni“. Ich sage Ihnen: Die AfD instrumentalisiert das Gedenken an diesen Tag für ihre Beschwörung eines neuen Volksaufstandes; denn das ist die Triebfeder für die Erinnerungspolitik auch der sächsischen AfD-Fraktion.