Protokoll der Sitzung vom 28.06.2018

(Marco Böhme, DIE LINKE: Es gibt nicht nur Windkraft!)

Also auch beim Landschaftsschutz schneidet die Braunkohle deutlich besser ab als Ihre viel gepriesene Windkraft.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage von Herrn Günther?

Ja, gern.

Herr Günther, bitte.

Sie haben gerade ausgerechnet, wie viele Windkraftanlagen man im symmetrischen Abstand errichten kann. Kennen Sie das Prinzip einer Regionalplanung von Vorrang- und Eignungsgebieten und der Übereinanderlegung von verschiedenen Abschichtungen für Flächen allein schon von der Windhöffigkeit bis zu verschiedenen anderen Kategorien, von Naturschutz- und Siedlungsflächen und all dem? Und wissen Sie, wie wenig Prozent der Landesfläche am Ende übrig bleiben, wo überhaupt nur planungsrechtlich Windkraft zulässig wäre? Wissen Sie das?

Das weiß ich natürlich.

(Wolfram Günther, GRÜNE: Sie haben das Gegenteil behauptet!)

Mein Beispiel mit dem Abstand von 400 Metern bezieht sich ja gerade darauf, dass Windkraftanlagen einen gewissen Mindestabstand haben müssen, damit sie überhaupt ausreichend Energie produzieren können. Natürlich ist es plakativ gewesen zu sagen, wir stellen sie in diesen Mindestabstand, der zur Energieproduktion notwendig ist, damit deutlich wird, wie viel Fläche durch Windkraftanlagen letztendlich verbraucht wird.

In Sachsen ziehen wir das natürlich weiter auseinander, und die Flächen, wo Gemeinden und Einwohner durch Windkraftanlagen betroffen sind, sind noch viel größer als das Zwanzigfache. Sie leben nicht dort. Die Großstädter, die Sie wählen, leben nicht dort. Sie stellen die Windkraftanlagen nicht nach Leipzig, Sie stellen sie ins flache Land – dorthin, wo Sie die Schäden und die negativen gesundheitlichen Folgen nicht selbst tragen müssen.

(Wolfram Günther, GRÜNE: Ich wohne selbst auf dem Land! – André Barth, AfD: Die Wähler, Herr Günther!)

Noch einmal zur Vollständigkeit, weil wir auch wieder den Sächsischen Klimaplan angesprochen haben: Der deutsche Beitrag zur weltweiten CO2-Reduktion tendiert trotz aller Bemühungen gegen null, Herr Vieweg, auch für Sie. Die völlig sinnfreie Klimaschutzpolitik, für die die GRÜNE-Partei steht wie keine andere, macht Deutschland als Industriestandort immer unattraktiver. Sie belastet insbesondere sozial Schwächere und macht Deutschland abhängig von teuren und zum Teil unsicheren Importen.

Die AfD steht für Vernunft in der Energiepolitik und für Politik im Interesse unserer Menschen und unserer Unternehmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD – Zuruf des Abg. Mirko Schultze, DIE LINKE)

Jetzt sind wir am Ende der ersten Rederunde angekommen und eröffnen – nach dieser Kurzintervention und einer möglichen Reaktion darauf – eine weitere. Zunächst kommen wir zur Kurzintervention von Herrn Kollegen Vieweg, bitte.

Herr Präsident, vielen Dank für die Möglichkeit der Kurzintervention. Um darauf zu erwidern, was Herr Urban für einen Unsinn über das Thema Windenergie erzählt hat: Wir haben im Moment 3,6 Gigawatt in Sachsen, das sind etwa 900 Windmühlen. Wir sprechen von einer Zielmarke von 7 Gigawatt, Herr Urban, das heißt, wir sprechen von einem Faktor 1,5, mit Repowering-Technologie vielleicht sogar von einer geringen Erhöhung der Anzahl von Windmühlen auf etwa tausend. Was Sie hier für ein Bild gezeichnet haben – Sachsen würde verspargelt –, ist aus meiner Sicht inhalt

lich falsch, und darauf wollte ich in der Debatte noch einmal hinweisen.

(Vereinzelt Beifall bei den GRÜNEN)

Sie können darauf reagieren, Herr Urban.

Vielen Dank, Herr Präsident, darauf reagiere ich sehr gern.

Die wichtigste Botschaft für Sie, Herr Vieweg, ist eigentlich gewesen: Sie laufen selbst dem Irrsinn nach. Ich habe deutlich gemacht: Der deutsche Beitrag zum weltweiten Klimaschutz, wie Sie es nennen, zur CO2-Reduktion, tendiert gegen null. Sie verbrennen hier in Deutschland Milliarden – es wird nach Schätzungen über eine Billion kosten, das umzusetzen, was diese Klimapläne möchten – mit dem Resultat null.

Sie können sehr viel für den Klimaschutz tun, wenn Sie zum Beispiel deutsche Technologien nach China und Indien exportieren. Was Sie hier im Land machen, ist reine Verbrennung von Steuergeldern,, und Sie belasten unsere Unternehmen und unsere Menschen.

(Beifall bei der AfD)

Wollen Sie eine weitere Kurzintervention vorbringen? – Bitte.

Herr Kollege Urban, das zeigt Ihre Ideologie – die macht mir wirklich Angst. Wir reden bei unserer eigenen Verantwortung, die wir hier wahrnehmen, bei dem Formulieren unserer Klimaschutzziele von einer Vorbildfunktion. Wenn wir über weltweite Prozesse reden, haben wir – –

Darf ich Sie kurz unterbrechen: Sie müssten Ihre Kurzintervention auf den Redebeitrag beziehen, nicht auf die Reaktion.

Dann versuche ich es nochmals, sehr geehrter Herr Präsident. Wir übernehmen eine Vorbildfunktion beim Thema Klimaschutz – –

Ja, aber das geht nicht, ich muss Sie unterbrechen; ich muss mich korrigieren. Sie können keine Intervention auf die Reaktion vornehmen, das geht nicht.

Nehmen Sie mein gesprochenes Wort zu Protokoll, und ich setze mich einfach wieder hin.

Ich hätte Sie gar nicht so weit kommen lassen dürfen. Sie hätten höchstens eine Kurzintervention auf Ihren eigenen Redebeitrag machen können; das geht theoretisch, ist aber ein bisschen schwierig.

Jetzt eröffnen wir wirklich die zweite Rednerrunde. Herr Dr. Lippold, Sie ergreifen erneut das Wort für die einbringende Fraktion GRÜNE.

Sehr geehrter Herr Präsident! Der AD-Titel spricht von zwei Seiten, und so möchte ich jetzt nicht über Schadensbegrenzungsmaßnahmen durch Anpassung sprechen, sondern über aktiven Klimaschutz. Über Verantwortung möchte ich sprechen und über organisierte Verantwortungslosigkeit.

Wenn es nur so wäre, dass eine schwarz-rote Koalition in Sachsen Klimaschutz aussitzt und versucht, ohne wirksames Handeln über die Wahlperiode zu kommen, dann wäre das ja – wenn auch von Monat zu Monat immer schwieriger – vielleicht noch heilbar. Dann muss eben die nächste Regierung in Umsetzung eines nationalen Klimaschutzabkommens entsprechend mehr tun. Doch so ist es nicht. Hier in Sachsen wird Klimaschutz noch immer konterkariert – zu Deutsch: hintertrieben. Hier wird im Jahr drei nach Paris tatsächlich noch über Tagebauerweiterungen nachgedacht. Das ist mittlerweile einmalig in ganz Deutschland. Genau deshalb steht dieses Vorhaben zunehmend im Rampenlicht.

Im Angesicht genehmigter Netzentwicklungsszenarien, die – übrigens in Übereinstimmung mit dem Klimaschutzplan der Bundesregierung – noch vor 2030 von einer Halbierung der Kohleverstromung ausgehen, gibt es hier eine CDU/SPD-Staatsregierung, die es für „business as usual“ hält, einem genehmigten Abbaufeld, das bis mindestens 2040 reicht, neue Abbaufelder hinzuzufügen und dabei weitere sächsische Dörfer zu opfern. Das ist ein klarer Affront gegen alles, was in Deutschland, in Europa, in der Welt an Zielen und Erfordernissen diskutiert wird. Wer das tut, der gräbt das Kriegsbeil gegen seine eigenen Kinder und Kindeskinder aus, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wirtschaftsminister Dulig stand in einer der letzten Befragungen hier und meinte, er könne nicht anders als zu prüfen und gegebenenfalls zu genehmigen. Wissen Sie, was die MIBRAG sagt? Sie sagt, sie könne nicht anders, und verweist dabei auf den Minister und seine Behörde. Sie könne in Ergebnisverantwortung gegenüber ihren Gesellschaftern gar nicht anders, als eine Tagebauerweiterung einschließlich der Abbaggerung eines Dorfes zu planen und zu beantragen, wenn dies, verglichen mit dem Schutz des Dorfes, die billigere Option sei. Sie könne das nicht anders, weil die Genehmigungsfähigkeit eben nicht ausgeschlossen sei.

Die Genehmigungsfähigkeit einer konkreten Tagebauerweiterung steht aber nicht im Bundesgesetz, sondern wird per Landesentwicklungsplan und Braunkohlenplan

geschaffen – oder eben nicht –, und zwar von der Staatsregierung. Wir lassen es Ihnen nicht durchgehen, dass Sie sich mit Ihrer nachgeordneten Behörde hier abducken.

Erzählen Sie mir nicht, Sie müssten bei jedem noch so aussichtslosen Antrag in ein aufwendiges Planfeststellungsverfahren eintreten. Schon wegen der nicht gegebenen Voraussetzungen des Artikels 88 Abs. 2 der Sächsischen Verfassung haben Sie, dem gesetzlichen Gebot der einfachen, zweckmäßigen und zügigen Durchführung von

Verwaltungsverfahren folgend, die Möglichkeit, einen solchen Antrag einfach abzulehnen. Wenn Sie dem Unternehmen eine solche Absicht frühzeitig mitteilen, dann schafft das Planungssicherheit für alle Betroffenen, vermeidet gestrandete Investitionen und die Zuspitzung symbolträchtiger Konflikte. Es sind gerade diese symbolträchtigen Konflikte – wie die Absicht, sinnlos ein Dorf zu schleifen –, die immer mehr Menschen dazu bringen, es nicht mehr einfach hinzunehmen, wenn Klimaschutz so offensichtlich hintertrieben wird.

Das sage ich Ihnen hier und heute, weil im von Abbaggerung bedrohten Dorf Pödelwitz südlich von Leipzig während der parlamentarischen Sommerpause ein Klimacamp ansteht. Deshalb machen wir das hier zum Gegenstand dieser sehr aktuellen Debatte.

Wenn irgendwer wieder vorhaben sollte, im Anschluss hier im Landtag die alte Stigmatisierungs-, Spaltungs- und Delegitimierungsstrategie gegen die Klimaschutzbewegung als Ganzes und gegen die Menschen, die für ihr eigenes Dorf kämpfen, herauszuholen, wie wir es hier in turbulenter Sitzung nach einem Klimacamp in der Lausitz erlebt haben, dann kann ich Ihnen schon heute sagen: Diese Spaltungsstrategie ist bereits gegenüber der AntiAtombewegung krachend gescheitert. Sie ist zuletzt in der Lausitz gescheitert. Sie wird, wenn Sie nicht dazulernen, auch diesmal scheitern und das völlige Gegenteil bewirken.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Deshalb appelliere ich an die Staatsregierung und den Ministerpräsidenten: Wenn es Ihnen wirklich ernst damit ist, die Sorgen und Nöte der Menschen in Sachsen ernst zu nehmen, dann gehen Sie nicht nur zu jenen, die Angst davor haben, dass ein Nachbar morgen eine andere Sprache sprechen könnte. Gehen Sie auch zu jenen, die sich angesichts galoppierender Klimaängste Sorgen um die Lebensgrundlagen ihrer Kinder machen!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Reden Sie auch mit jenen, denen im Sachsen des Jahres 2018 noch immer – nach zig Generationen! – die Vertreibung aus den eigenen Häusern droht. Jedes Ihrer Worte aufnehmen, Herr Ministerpräsident, wird man sicherlich auch dort und nicht nur bei der IGBCE, wie letzte Woche auf der Straße vor dem „Lausitz-Dialog“ in Spremberg.

Die Redezeit ist zu Ende.

Sie sind schon einmal dort gewesen, an diesem riesigen Loch, allerdings bei denen, deren Aufgabe es ist, –

Bitte den letzten Satz.

– den tschechischen Aktionären zu helfen. Ich appelliere an Sie: Nutzen Sie diesmal die Gelegenheit und gehen Sie selbst in das Klimacamp.