Protokoll der Sitzung vom 05.09.2018

Meine Damen und Herren! Die zweite Aktuelle Debatte ist abgeschlossen und damit dieser Tagesordnungspunkt beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 3

Zweite Beratung des Entwurfs

Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes in Sachsen

Drucksache 6/3024, Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 6/14473, Beschlussempfehlung des

Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

Den Fraktionen wird das Wort zur allgemeinen Aussprache erteilt. Wir beginnen mit der einreichenden Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, danach die CDU, DIE

LINKE, die SPD, die AfD, Herr Abg. Wild, fraktionslos, und die Staatsregierung, wenn das Wort gewünscht wird.

Meine Damen und Herren, die Aussprache ist eröffnet. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abg. Dr. Lippold das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben heute den Entwurf des „Gesetzes zur Förderung des Klimaschutzes in Sachsen“ auf die Tagesordnung gebracht, einen Entwurf, der seit Oktober 2015 im parlamentarischen Geschäftsgang ist. Das hat zur Folge, dass in den §§ 6 und 11 Fristen anzupassen waren. Das bezwecken wir mit dem Ihnen vorliegenden Änderungsantrag, den ich gleich mit einbringe und begründe.

Warum erst jetzt die zweite Lesung? Der Koalitionsvertrag dieser Koalition sah vor, in Sachsen bei dem aktiven Klimaschutz, wie etwa dem Ausbau erneuerbarer Energien, neue Ziele zu setzen, die sich nicht mehr an den Blockaden der Vorgängerkoalition, sondern an den nationalen Zielen der Bundesrepublik orientieren sollten. Somit konnte man erwarten, dass man im Klima- und Energieprogramm den Rahmen, sicherlich auch im Landesplanungsrecht, rasch und gründlich anfassen würde.

Die Staatsregierung ist, trotz Störfeuer aus der CDUFraktion, von den genannten Aussagen des Koalitionsvertrages nie abgerückt. So haben wir erwartet – und ich füge an dieser Stelle hinzu: wieder und wieder von uns mit wachsender Ungeduld eingefordert –, dass von der Staatsregierung und der Koalition ein substanzieller Vorschlag zu neuen Zielen beim Klimaschutz und den Instrumenten für die Zielerreichung auf den Tisch kommt, mit denen man unseren Gesetzentwurf hätte weiter konkretisieren können.

Entscheidungen, die das umsetzen, was die Koalition miteinander vereinbart hatte, wurden über die gesamte Wahlperiode nicht getroffen. Es wird inzwischen immerhin Papier bewegt, doch die Wahlperiode geht zu Ende und vier Jahre sind verloren. Der Klimaschutz in Sachsen und unser Gesetzentwurf, der diesem endlich einen verbindlichen Rahmen geben soll, können nicht mehr auf Sie warten, meine Damen und Herren von der Koalition.

Mit diesem Gesetzentwurf betreten wird kein Neuland. Andere Bundesländer haben Klimaschutzgesetze, darunter auch das Kohle- und Energieland NordrheinWestfalen. Weitere Bundesländer arbeiten daran. Warum machen sie das und warten nicht einfach, bis der Bund ihnen Vorgaben macht? Man will sich eine gesetzliche Grundlage für selbstbestimmtes Handeln im eigenen Bundesland schaffen, welche sich im Rahmen nationalem Klimaschutzes bewegt, bei der man aber dennoch selbst im Fahrersitz bleibt. Das kann und soll unser Gesetzentwurf leisten. Das Gesetz definiert dabei, außer der Selbstverständlichkeit einer mittelfristig an den nationalen Zielen orientierten Pro-Kopf-Emission, keine konkreten Kommissionseinspar- und -aufbauziele. Es gibt lediglich vor, dass diese in einem konkreten Plan zu definieren sind.

Dem Regierungshandeln in Bezug auf Sektoren, Pfade und Einzelmaßnahmen lässt es jedoch vollen und freien Entscheidungsspielraum. Dem sollte hier jeder zustimmen können.

Das Klimaschutzgesetz schafft noch andere wichtige Möglichkeiten. Es bietet der Landespolitik und der Verwaltung einen Werkzeugkasten, mit dem Erfordernisse des Klimaschutzes in den einzelnen Sektoren steuerungs- und monitoringfähig werden.

Das Gesetz schafft außerdem über die Änderung des Landesplanungsgesetzes im Artikel 2 die Voraussetzungen dafür, dass in allen Raumordnungsplänen die Belange des Klimaschutzes und der Anpassung an den Klimawandel als Ziele und Grundsätze der Raumordnung festgelegt werden.

Warum brauchen wir dazu ein Gesetz? Warum brauchen wir es jetzt? Warum eine gesetzliche Regelung? Die Antwort ist klar: aus leidvoller Erfahrung. Jede andere Art einer Selbstverpflichtung, etwa in Form eines Beschlusses, eines vom Kabinett verabschiedeten Konzeptes hat ganz offensichtlich nicht den nötigen Grad an Verbindlichkeit und Einklagbarkeit entwickelt.

Natürlich kann man wie Sie, liebe LINKE, Klimaschutzmaßnahmen auch in einen Antrag schreiben. Bei Annahme würde sich das vielleicht in einem Kabinettsbeschluss wiederfinden, etwa in einem Energie- und Klimaprogramm. Natürlich kann man in ein solches Programm auch das Zustandekommen von Sektorzielen, Monitoring und überhaupt alles schreiben, was wir in unseren Gesetzentwurf geschrieben haben. Doch was nützt das, wenn die Ziele eines solchen Programms einfach ungestraft ignoriert werden können, wenn sie in den konkreten Abwägungen einzelner Planungs- und Genehmigungsentscheidungen einfach nicht genügend Gewicht haben?

Selbst die Ziele des auch von dieser Koalition als unzureichend erkannten EKP 2012 bei Klimaschutz und Ausbau erneuerbarer Energien sind außer Reichweite. Der Staatsminister hat in Beantwortung einer meiner Kleinen Anfragen jede Aussage zur Erreichbarkeit des 2020-Ziels abgelehnt, ganz abgesehen davon, dass er da wohl selbst im Dunkeln tappt; denn im Jahr 2017 stammten die letzten verfügbaren Ist-Daten aus dem Nichtemissionshandelsbereich des Jahres 2014.

Fazit: Alles windelweich, umgehbar oder auch einfach ignorierbar. Deshalb brauchen wir eine gesetzliche Regelung, und genau das ist auch die Nagelprobe, wie ernst Bekenntnisse zum Klimaschutz gemeint sind. Wer sie ernst meint, der macht eine entsprechende Absichtserklärung mit möglichst hoher Verbindlichkeit zur Selbstverpflichtung. Die beste Lösung wäre eine Verankerung in der Verfassung und die zweitbeste ein Gesetz.

Warum braucht es ein solches Gesetz jetzt? Es wird höchste Zeit, da im Bund bereits ein Klimaschutzgesetz erarbeitet wird, das die Sektorziele für 2030 aus dem Klimaschutzplan 2050 verbindlich machen wird. Die sind für Sachsen hoch relevant, meine Damen und Herren. Das

brauche ich nicht zu erläutern. Das weiß die Staatsregierung selbst, sonst hätte sie den Klimaschutzplan nicht so verbissen bekämpft – ohne Erfolg übrigens; denn der Kohleausstieg, den Sie um jeden Preis blockieren wollten, steht in den Sektorzielen und im Mandat einer mit dem Wie befassten Kommission.

Wenn der weltbekannte Klimaforscher Schellnhuber von einem kollektiven Suizidversuch spricht, meine Damen und Herren, so möchte ich ihm widersprechen. Nein, es sind nicht Milliarden Menschen, die sich und ihre Kinder und Enkel umbringen wollen. Es sind wenige, die solche Folgen für alle anderen in Kauf nehmen. Es sind die, die wirksam große Hebel bewegen können und es dennoch unterlassen. Wir gehören hier zu jenen, die zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind, um Hebel zu bewegen.

Deshalb bitte ich Sie nicht um Zustimmung zu unserem Gesetz, ich fordere Sie dazu auf. Diese Aufforderung unterstreicht meine Fraktion mit dem Antrag auf namentliche Abstimmung über unseren Gesetzentwurf. Mögen sich unsere und Ihre Nachkommen anhand historischer Dokumente selbst ein Bild machen können, wer von ihren Vorfahren bereit war, sich auf das Handeln festzulegen, als es dafür höchste Zeit war.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren! Für die CDU-Fraktion Herr Abg. Hippold. Herr Hippold, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Lippold, prinzipiell finde ich es schön und auch gut, dass wir fachlich und inhaltlich eine Diskussion über konkrete Lösungswege zur Senkung der Treibhausgasemission führen. Ich denke, dass wir das auch in Zukunft tun sollten. Allerdings habe ich – und das habe ich in dem Fall örtlich gesehen – schon an gleicher Stelle während der letzten Debatten mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass diese Bestrebungen nicht auf dem Rücken der sächsischen Bürgerinnen und Bürger ausgetragen werden dürfen. Das ist das zentrale Anliegen meiner, unserer Fraktion, und das möchte ich meiner Rede voranstellen.

Vorher vielleicht einige grundsätzliche Dinge: In Ihrem Gesetzentwurf möchten Sie die Absenkung der CO2Emission im Freistaat Sachsen bis 2025 auf 10 Tonnen, bis 2035 auf 5 Tonnen und bis 2050 auf eine Tonne pro Kopf und Jahr gesetzlich festschreiben. Wie genau das aber geschehen soll bzw. geschehen kann, sagen Sie nur teilweise, auch wenn Sie in Ihrem Redebeitrag gerade – sagen wir einmal – eine Begründung versucht haben, die allerdings nach meiner Einschätzung nicht besonders gelungen ist. Sie sprechen in Ihrem Gesetzentwurf zwar von der Vorbildfunktion der Landesbehörden bei der Erreichung unserer Klimaschutzziele; aber wahrscheinlich ist auch Ihnen bewusst, dass das nicht ausreichen wird, da

der öffentliche Sektor auch in Sachsen weit unter 10 % der Treibhausgasemission zu verantworten hat.

Was macht die restlichen 90 bis 95 % aus? Ja, genau richtig: unsere Unternehmen, unsere Bürgerinnen und Bürger und somit das wirtschaftliche Herz und der Erfolgsgarant unseres Freistaates Sachsen. Was Sie in Ihrem Gesetzentwurf also verschweigen, das sind die mittel- und langfristigen Folgen, die Ihr Gesetz für die sächsischen Bürgerinnen und Bürger, für die Unternehmen und die Beschäftigten hätte. So bedeutet ein gesetzlich verankerter Zwang zur Emissionsminderung eine aktive Behinderung und einen bürokratischen Aufwuchs für unsere Energiewirtschaft, den Verkehrs- und Mobilitätssektor, die Industrie und den Handel, die Landwirtschaft und vor allem die privaten Haushalte.

Wir als CDU-Fraktion sprechen uns vehement gegen die Bevormundung unserer Bürgerinnen und Bürger aus. Wir möchten niemandem vorschreiben, wie er wohnen soll oder mit welchem Verkehrsmittel er in den Urlaub fährt.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Wir bekennen uns zu den internationalen Abkommen, allen voran den Klimazielen von Paris, und wir sind uns selbstverständlich unserer klimapolitischen Verantwortung bewusst. Allerdings muss jeder derartige Vorstoß – das haben die Diskussionen der letzten Jahre gezeigt – sowohl national als auch international eingebettet sein. Der Klimawandel ist ein Problem, für das nicht ohne Grund auf internationaler Ebene nach Lösungen gesucht wird. Ohne diese Einbettung schaden wir dem Freistaat Sachsen einseitig als Wirtschaftsstandort, ohne dabei auch nur einen Bruchteil des Problems anzugehen. Eine allein sächsische Lösung, die den Zielrahmen der Bundesregierung auch noch ignoriert, ist für uns deshalb nicht zielführend.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt noch mehr Unstimmigkeiten in Ihrem Entwurf. Das von Ihnen attestierte fehlende Konzept zur Klimaanpassung besteht im Freistaat Sachsen seit vielen Jahren und wird regelmäßig angepasst. Ich empfehle Ihnen dafür die Publikation des SMUL „Klimawandel in Sachsen – Wir passen uns an“ aus dem Jahr 2015 als Abendlektüre. Außerdem sprechen wir uns im Koalitionsvertrag – Sie sind in Ihrem Redebeitrag kurz darauf eingegangen – von 2014 klar für den Ausbau der erneuerbaren Energien im Freistaat Sachsen auf mindestens 55 % bis 2035 sowie den Umwelt- und Klimaschutz aus.

In diesem Zusammenhang modernisieren wir Gebäude und Infrastruktur des öffentlichen Sektors kontinuierlich nach Klimaschutzgesichtspunkten. Ein Beispiel hierfür ist – das habe ich, glaube ich, in meinem letzten Redebeitrag auch zum Ausdruck gebracht – die Richtlinie „Klima“ aus dem Jahr 2014, mit der wir klimafreundliches Bauen und die CO2-Reduktion öffentlicher Gebäude gezielt fördern. Dazu kommen weitere Investitionen in Elektromobilität, Wind- und Solarenergie.

Seit dem Jahr 2009 hat sich so der Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch in Sachsen mehr als verdoppelt. Die erzeugten Strommengen durch Wind,

Biomasse und Fotovoltaikenergie haben sich vervielfacht. Das funktioniert aber nur, wenn alle Beteiligten ein eigenes Interesse am sparsamen Umgang mit Energie und dem Einsatz neuer energieeffizienter Technologien haben.

Wie sollten wir nun den Klimaschutz vorantreiben? Auch beim Klimaschutz sind mehr Staat und Verbote nach unserer Einschätzung somit nicht das Allheilmittel. Nur wenn wir mit unseren Unternehmen, Arbeitnehmern und Bürgern zusammenarbeiten, können wir den Klimaschutz voranbringen, ohne dabei unsere wirtschaftliche Entwicklung zu gefährden. Diese Strategie verfolgen wir seit Jahren. Heute steht der Freistaat Sachsen wirtschaftlich so gut da wie nie zuvor, und in dieser guten Lage investieren wir zusammen mit den Unternehmen im eigenen Interesse in Energieeffizienzsteigerung und erneuerbare Energien. Das ist in allen Sektoren sehr gut zu beobachten. Unterstützung bekommen unsere Unternehmen dabei durch die Förderrichtlinien.

Zusammenfassend muss man sagen, dass Ihr Gesetzentwurf eine unabsehbare Gefahr für den Wirtschaftsstandort Sachsen darstellt und einen Aufwuchs an Bürokratie bedeuten würde, ohne dabei das Problem des Klimawandels angemessen anzugehen. Die im Gesetz angesprochenen Maßnahmen werden entweder bereits umgesetzt, sind in Arbeit oder verfehlen die gewünschten Ziele weit. Deshalb werden wir – und das wird Sie nicht verwundern – Ihren Gesetzentwurf ablehnen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Für die Fraktion DIE LINKE spricht Herr Abg. Böhme. Bitte, Herr Böhme, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, der Entwurf der GRÜNEN für ein Klimaschutzgesetz in Sachsen ist alt. Er bleibt aber trotzdem aktuell; denn die Staatsregierung und die Koalition haben in dieser Legislaturperiode bisher nichts, aber auch gar nichts für den Klimaschutz in Sachsen getan, geschweige denn entsprechend wirksame Konzepte, Gesetze oder Anträge vorgelegt. Erwartungen gab es, das haben wir gerade schon gehört. Im Koalitionsvertrag stehen einige Punkte, nur eben umgesetzt oder dem Parlament vorgelegt wurde davon noch gar nichts.

Wir haben in der Vergangenheit mit verschiedenen Einzelgesetzen, Anträgen und Aktuellen Debatten versucht, Prozesse bei Ihnen anzustoßen, damit dementsprechend endlich gehandelt wird. Meine Hoffnung lag vor allem auf der regierungstragenden SPD, um beim Koalitionspartner zumindest ein paar kleine Fortschritte zu erreichen. Doch Herr Vieweg, ich glaube, Sie können sich in Ihrer Koalition nicht durchsetzen oder vielleicht auch nicht in Ihrer eigenen Fraktion. Das macht mich am Ende doch sehr traurig.

(Unruhe bei der SPD)

Der Entwurf eines Klimaschutzgesetzes, wie er jetzt von den GRÜNEN vorgelegt wird, ist notwendig und richtig. Er hätte auch von der Koalition oder der Staatsregierung kommen können. Die Zeit rennt uns davon. Ich bin einfach nur noch fassungslos, wie die Staatsregierung durch Nichtstun die Zukunft meiner Generation und künftiger Generationen aufs Spiel setzt.

Wir müssen alle an einem Strang ziehen: die Kommunen, die Länder, der Bund, Europa und letztendlich die Weltgemeinschaft. Auf allen Ebenen erleben wir gerade zielstrebige Anstrengungen – außer eben in Sachsen. Das ist nicht hinnehmbar, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den LINKEN)