Für die SPD-Fraktion, meine Damen und Herren, spricht Herr Abg. Baum. Bitte sehr, Herr Baum, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nun, der Ausstieg aus der Braunkohleverstromung für alle Reviere in Deutschland wird spätestens bis zur Mitte des laufenden Jahrhunderts abgeschlossen sein. Die Reduzierung des Anteils aus Braunkohlestrom am Energiemix beginnt freilich schon viel früher. Die Fachkommission, die in Berlin tagt, wird wohl sicherlich ein Ausstiegsdatum festlegen.
Mit dem geplanten Braunkohleausstieg steht uns im schlimmsten Fall ein ähnlicher Wandel bevor wie nach 1990, allerdings beschränkt auf den Energiesektor und nur für wenige Regionen in Deutschland, darunter das Lausitzer und das Mitteldeutsche Revier. Aber – und das ist der entscheidende Punkt – dieses Mal müssen wir dafür als Freistaat und als Region besser gewappnet sein und ein koordiniertes, ein besseres Vorgehen an den Tag legen, als dies damals möglich war. Wir müssen und wir werden dieses Thema als Chance begreifen, als besondere Möglichkeit, die Zukunft in den Revieren zu gestalten.
Dass Strukturentwicklungsregionen, die von Haus aus strukturschwach sind, eine besondere Infrastruktur brauchen, um sich zu entwickeln und um den Menschen vor Ort ein optimales Angebot für Arbeits- und Freizeitwege zu machen, darüber sind wir uns, denke ich, einig. Trotz Unterstellung dieses Konsenses möchte ich dennoch weiter dafür sensibilisieren, auch weil ich mir nicht sicher bin, ob das außerhalb dieser Regionen und in Bundesländern ohne Kohleförderung schon überall mit der entsprechenden Priorität angekommen ist, auch in der Politik.
Mit dem möglichen Kohleausstiegsdatum verbunden ist also die Frage: Wie schaffen wir bis dahin gemeinsam – Bund und Kohleländer – neue alternative Industrien und Arbeitsplätze für die Menschen in den Regionen? Denn die Akzeptanz, liebe Kolleginnen und Kollegen, eines Kohleausstiegs ist für die Menschen in diesen Regionen zunächst keine klimapolitische, auch weniger eine energiepolitische, sondern vor allem eine strukturpolitische Frage.
Die Wirtschaft in der Lausitzer Energieregion stand in beiden Bundesländern – Sachsen und Brandenburg – seit der Wende noch nie so gut da wie heute, verbunden mit der geringsten Arbeitslosigkeit zwischen 8 und 9 %. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe in der Politik, mit flankierenden Maßnahmen die Region vorzubereiten auf und fit zu machen für das Kohleausstiegsszenario, damit es eben nicht zu neuerlicher größerer Arbeitslosigkeit kommt.
Die Energiewende und der damit verbundene Strukturwandel haben mit Blick auf das Lausitzer Revier einen besonderen Preis, liebe Kolleginnen und Kollegen, nämlich die zielgerichtete Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur. Dies gilt sowohl für Schieneninfrastruktur wie auch für die Straßeninfrastruktur. Wir müssen also das eine weiter einfordern, ohne das andere außer Acht zu lassen. Gerade am Beispiel der Lausitz lässt sich zeigen, dass diese Region einen besonderen Stellenwert hat, der ihr bislang vielleicht nicht in dem Maße zugebilligt wurde.
Sie liegt im Herzen Europas und wird von den Straßen und Schienen des Paneuropäischen Korridors durchquert, ist aber in sich und mit angrenzenden Ballungsräumen wie Berlin, auch Dresden und Leipzig teilweise nicht optimal verbunden.
Seit Jahren kämpfen wir gemeinsam beim Bundesverkehrsministerium in Berlin dafür, dass für Sachsen eben nicht nur die Neubaustrecke Dresden–Prag und die Strecke Chemnitz – Leipzig vordringliche Bedarfe werden, sondern genauso auch die Strecken Dresden – Görlitz und Cottbus – Görlitz – Zittau. Diese beiden letztgenannten Ausbau- und Elektrifizierungsmaßnahmen sind uns in der Koalition und den Menschen in der Region mit Blick auf den Strukturwandel besonders wichtig.
(Katja Meier, GRÜNE: Das steht aber nicht im Antrag! – Silke Grimm, AfD: Eben, das steht nicht im Antrag!)
Aber Schienenwege sind eben nicht in allen Relationen verfügbar. Deshalb muss unser Blick auch – jetzt komme ich darauf – auf die Straßeninfrastruktur gerichtet sein. Wir wissen alle, wie hochgradig belastet unsere sächsischen Autobahnen sind, insbesondere vom grenzüberschreitenden Schwerverkehr. Die Autobahnen 4, 13, 14 sind besonders betroffen. Viele Bundesstraßen im nachgeordneten Netz wurden in den letzten Jahren saniert, in ihrer Linienführung und Kurvigkeit aber auch belassen. Es gibt natürlich viele neue notwendige Ortsumgehungen, aber aufgrund diverser Ortsdurchfahrten, die es nach wie vor gibt, des landwirtschaftlichen Verkehrs und lokaler außerörtlicher Tempolimits liegt die erreichbare Durchschnittsgeschwindigkeit auf vielen Bundesstraßen, zum Beispiel B 96, B 115, B 156, auf den netzergänzenden Nord-Süd-Relationen in der Lausitz bei unter 60 Kilometer pro Stunde.
Dass zur wirtschaftlichen Entwicklung, zur Unternehmensansiedlung und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze eine gute Verkehrsinfrastruktur die beste Voraussetzung bietet, zeigt unter anderem im Landkreis Görlitz das Beispiel der Gemeinde Kodersdorf, wo das Gewerbegebiet direkt an der A 4 liegt. Dieses Gewerbegebiet hat sich in den letzten Jahren sehr gut entwickelt.
Unter den genannten Aspekten und mit Blick auf die Verkehrskarte der gesamten Lausitz zeigt sich, dass hier zwischen den Autobahnen 4 im Süden und 15 bei Cottbus in Nord-Süd-Richtung eine große verkehrliche Lücke klafft. Deshalb ist es auch für uns naheliegend, eine mögliche Verlängerung der B 178n über das geplante jetzige Bauende an der A 4 bei Weißenberg hinaus bis Cottbus zu betrachten.
Natürlich ist die bisherige Nichtfertigstellung der südlichen B 178n bei Zittau ganz im Süden, aber auch bei Weißenberg eine unbefriedigende Situation für uns alle. Aber – das sage ich ganz deutlich – die Fehler, die dort zur jetzigen Situation führten, sind bereits vor über 15 Jahren in der Anfangsphase der Planung gemacht worden. Deshalb ist es umso wichtiger, diese Fehler jetzt mit Blick auf eine mögliche Nordverlängerung nicht zu wiederholen. Dafür dient diese Machbarkeitsstudie.
So weit von mir in der ersten Runde. Die zweite Runde möchte ich dafür nutzen, auf ein paar fachliche Aspekte des Antrages einzugehen.
Meine Damen und Herren! Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt Herr Abg. Böhme. Bitte sehr, Herr Böhme, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich zunächst, dass unser Änderungsantrag mehr oder weniger übernommen wurde, um überhaupt zu erklären, an wen sich dieser Antrag richtet, nämlich an die Sächsische Staatsregierung, die handeln soll.
Ich habe vorhin gehört, dass über diesen Änderungsantrag gesagt wurde, er sei Kickifax, weil doch klar sei, an wen er sich richtet, nämlich an die Staatsregierung.
Jeder weiß ja, könnte ich jetzt darauf antworten, dass Sie nur Anträge stellen, wenn es vorher mit Ihrer Staatsregierung abgesprochen wurde. Eine wirkliche Aufforderung ist das nicht.
Das könnte aber auch anders sein. Das ist ein Problem in dem Parlament, dass es nur Anträge der Mehrheit gibt, wenn es vorher die Absegnung des Ministeriums gab.
Wir hatten selbst vor, ÖPNV-Maßnahmen in den Änderungsantrag aufzunehmen. Aber es macht keinen Sinn, Änderungsanträge zu stellen, weil sie von vornherein komplett abgeschmettert werden. Ich könnte das CDUWahlprogramm beantragen, und Sie würden es ablehnen.
Ein Strukturwandel – darum geht es in diesem Antrag – verlangt mehr als Infrastruktur und vor allem mehr als nur Straßen. Aber natürlich gibt es gerade in der Lausitz ein massives Problem. Durch die Zersiedlung und die weiten Entfernungen, die auch durch die Tagebaue und Seen
entstanden sind, braucht man eine sehr gute Straßenanbindung, die besonders wichtig ist. Damit kann es aber nicht enden.
Strategiekommission. Da frage ich mich schon, warum Sie nur so oberflächlich in Punkt I.1 fordern, über alle in der Vergangenheit realisierten Straßenbauprojekte informiert zu werden. Warum denn nicht auch, wie es jetzt auch die GRÜNEN fordern, über die Verkehrsprojekte Bus, Bahn und Schienenlinien?
Das betrifft auch Ihr Anliegen in Punkt II, in dem Sie die Fahrzeiten nur für den PKW reduzieren wollen, als ob es in der Lausitz nur Menschen gibt, die ein Auto haben. Das ist doch absurd. Wenn man böswillig ist, könnte man daraus schließen, dass Ihnen die Konkurrenzfähigkeit des ÖPNV völlig egal ist.
Ihr Antrag heißt „Strukturwandel unterstützen“. Da gibt es noch viel mehr Dinge, die für einen funktionierenden Strukturwandel wichtig sind, damit dieser gelingen kann. Neben dem Verkehr geht es zum Beispiel um Industriepolitik. Wenn Sie den Menschen weiter vorgaukeln oder vorlügen, wie das Herr Heidan zum Beispiel macht, dass auch nach 2050 noch lange in dem Revier die Kohle abgebaut wird, dann lähmt das eine Region. Es verhindert Innovation und die Ansiedlung von Industriezweigen, die attraktive Standorte und Arbeitnehmer suchen.
Ein Strukturwandel braucht auch Geld. Wir schlagen dazu die vier Säulen vor, die auch die Agora Energiewende vorschlägt.
Die eine Säule ist, für Forschung und Hochschulen mehr Geld auszugeben und speziell in diese Region zu investieren, und zwar für schwerpunktmäßige Arbeit in der Lausitz.
Eine zweite Säule betrifft die Infrastruktur. Für den Straßenbereich haben wir das jetzt von Ihnen bekommen. Das betrifft aber auch alle anderen Mobilitätsarten.