Zu den Kosten sagen Sie auch nichts. Haben Sie sich eigentlich einmal mit den Landräten unterhalten, die als Aufgabenträger den Schüler- und Auszubildendenverkehr organisieren und bezahlen müssen? Haben Sie einmal ausgerechnet, was Ihre sozialistischen Freifahrttickets kosten? Dazu habe ich überhaupt nichts von Ihnen gehört. Sie sagen in dem Antrag auch nichts darüber, wer das bezahlen soll und wie das organisiert wird. Die Kommunen können Sie jedenfalls nicht verpflichten. Da steht nämlich die kommunale Selbstverwaltung entgegen. Der Freistaat könnte das Geld zwar bereitstellen, aber umsetzen müsste es trotzdem wieder die Kommune. Wie wollen Sie die denn rechtlich dazu zwingen? Auch dazu lese und höre ich nichts von Ihnen.
Gehen wir einmal einen Punkt weiter. Hier wollen Sie kostenlose Tickets an die ältere Bevölkerung verschenken. Gleichzeitig machen Sie eine Einschränkung in Bezug auf Angebot und Nachfrage. Einerseits soll das tageszeitenunabhängig passieren, auf der anderen Seite
aber doch nur, wenn Busse und Bahnen nicht ganz so voll sind, oder vielleicht nur, wenn Angebot und Nachfrage stimmen. Wollen Sie da eine eierlegende Wollmilchsau?
Das verkompliziert zusätzlich alles. Zu den jetzigen Regeln bei der Schüler- und Auszubildendenbeförderung kommt noch das Bildungsticket und die kreisangehörigen – von der AfD gewollten – neuen Tickets hinzu. Jede Menge neue Schnittstellen werden zwischen dem kostenlosen Kreisbildungsticket, den geltenden Schülertickets bzw. dem landesweiten Bildungsticket aus unserem Koalitionsvertrag geschaffen. Damit schaffen Sie keine Vereinfachung in der Tariflandschaft. Hinzu kämen dann noch die Seniorentickets, mit welcher Gültigkeit auch immer. Somit schaffen Sie jede Menge neue Tarife und damit mehr Chaos. Man kann es nicht anders bezeichnen: Auch das ist Wirrwarr.
Als ob das alles nicht genug wäre, wollen Sie unter Punkt IV auch noch die Zweckverbände zusammenlegen. Wahrscheinlich wollen Sie dadurch das Tarifchaos, das Sie unter den Punkten I bis III angerichtet haben, wieder entschärfen. Aber offensichtlich haben Sie gar keine Ahnung, wie das System tatsächlich funktioniert. Ich muss mich an dieser Stelle schon wundern; denn Sie selbst sind Busunternehmerin und müssten es eigentlich wissen.
Die Zusammenlegung allein löst noch nicht ein einziges Problem. Die Durchtarifierungsverluste bleiben. Die Unterschiede in den Tarifsystemen bleiben: hier der Waben-, dort der Entfernungstarif. Das muss man bei einer Zusammenlegung alles einzeln ausverhandeln. Man kann die Zusammenlegung forcieren, aber die alleinige Zusammenlegung löst noch kein einziges Problem.
Die fachlich zu lösenden Aufgaben bleiben nämlich. Sie müssen die Tarifangleichung immer ausverhandeln. Sie müssen das immer zwischen den Verbänden und Verbünden tun, auch wenn Sie sie anschließend auflösen; denn Sie werden das Problem nicht über die Strukturfrage klären, sondern Sie müssen erst die Inhalte anpassen, erst danach können Sie die Strukturen angleichen. Anderenfalls wird das nicht funktionieren, und das geht auf keinen Fall von heute auf morgen. Genau das suggerieren Sie aber. Die Antworten aus der von Ihnen zitierten Drucksache als Begründung für eine Vereinfachung heranzuziehen zeigt ein weiteres Mal, wie wenig Ahnung Sie offensichtlich von der Materie haben.
Außerdem verwenden Sie den Begriff: „ÖPNV kundenfreundlicher gestalten“. Wenn dieser Antrag umgesetzt würde, dann wäre es das Gegenteil von kundenfreundlich. Es gäbe mehr Tarifchaos statt weniger komplizierte Tarife, oder – um es mit einem Wort zu sagen –: Wirrwarr.
Generell ist festzuhalten: Ihre hier propagierten Wohltaten für den ländlichen Raum klingen zunächst schön, aber Sie missachten völlig die aktuelle Rechtslage und die tatsächlichen betrieblichen Gegebenheiten. Wenn man sich also
überlegt, warum Sie diesen Antrag gestellt haben, dann kommt man entweder auf den Punkt, dass dieser Antrag zwar gut gemeint, aber nicht gut gemacht ist, oder er ist schlichtes Wahlkampfgetöse. Ich glaube, er ist Letzteres.
Ich zitiere unseren Ministerpräsidenten: „Dieser Antrag ist keine Alternative für Deutschland, er ist eine Alternative von Deutschland.“ Das gilt sowohl für die rechtlichen Rahmenbedingen als auch für den Inhalt. Es ist eben Wirrwarr. Deswegen werden wir nicht zustimmen.
(Beifall bei der CDU und der SPD – Staatsminister Martin Dulig: Was ist, wenn man den Dialekt ins Protokoll bekommen will?)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um es vorwegzunehmen: Auch wir wollen, dass der ÖPNV in Sachsen günstiger wird. Unsere Kommunalfraktionen haben beispielsweise in Leipzig und Dresden Sozialtickets durchgesetzt, die es bereits seit einigen Jahren gibt. In Chemnitz sind wir ebenso dabei, dies zu erreichen. Ich hoffe, dass diesbezüglich auch die SPD etwas mit bewegt, aber ich bin zuversichtlich.
Sie sehen, da ich es gerade anspreche: Die Preisgestaltung des ÖPNV ist ein kommunales Thema, und die Preise machen die kommunalen Zweckverbände. Das müssten Sie eigentlich in den letzten vier Jahren hier im Landtag und auch in der Strategiekommission gelernt haben. Dennoch – das fordern wir auch – sollte der Freistaat ein Interesse daran haben, dass es einen guten und kostengünstigen ÖPNV in Sachsen gibt. Deswegen sollte der Freistaat über Maßnahmen nachdenken, wie man Mobilität für alle bezahlbar machen kann.
Meine Fraktion führt dazu beispielsweise in zwei Wochen, am 18.09., eine öffentliche Gesprächsrunde zum ÖPNV in Leipzig durch, unter anderem mit dem Geschäftsführer des MDV, Steffen Lehmann, sowie mit anderen Vertretern. Wir wollten dort über kommunale und landesspezifische Möglichkeiten debattieren, wie man eine Erweiterung der Finanzierung für den ÖPNV erreichen und schließlich die Fahrpreise stabilisieren und langfristig senken kann. Wir werden dazu im Doppelhaushalt entsprechende Vorschläge einbringen, wie man die Qualität verbessert und die Preise stabilisiert.
Es hilft jedoch nicht – so wie Sie von der AfD es hier machen –, einfach nur unter Überschriften zu fordern – die einzelnen Punkte bieten nichts Konkretes –, dass es ein kostenloses Ticket für Azubis, Auszubildende und Schüler gibt. Das hier ist kein Parteitag oder Wahlprogramm, das Sie hier beschließen, sondern es sind Anträge an ein Parlament. Diese müssen fundiert sein, woher Sie das Geld nehmen bzw. wie Sie das rechtlich lösen wollen.
Also müssen Sie konkret sagen, wie Sie das umsetzen wollen. Das fehlt, und Sie verfügen nun einmal nicht über die Zweckverbände oder die kommunalen Gebietskörperschaften. Wenn Sie so etwas wie ein Schülerticket fordern, dann müssen Sie den Kommunen auch Angebote machen. Das macht die Staatsregierung. Wir finden, dabei könnte mehr Druck aufgebaut bzw. es könnten mehr Angebote gemacht werden. Dazu sagen Sie allerdings gar nichts.
Sie könnten zum Beispiel auch ein Gesetz einbringen, mit dem entsprechende Regelungen geändert werden. Auch das tun Sie nicht. Sie kommen nur mit einem Antrag mit Überschriften, und dem kann man letztendlich nicht zustimmen.
Genau das Gleiche gilt beim Thema Senioren, bei dem Sie eine Vergünstigung oder sogar eine Entlastung der Preise vorschlagen. Es ist das gleiche Problem wie bei den Schülern: Sie liefern dazu kein konkretes Konzept. Strengen Sie sich doch einfach einmal an und legen Sie einen entsprechenden Gesetzentwurf vor, oder behandeln Sie im Haushaltsausschuss oder im Doppelhaushalt entsprechende Anträge.
Ein kostengünstiger oder gar kostenloser ÖPNV, wie Sie es ebenfalls fordern, nützt vor allem dann nichts, wenn es überhaupt keinen gibt, also wenn beispielsweise der Bus in dem Dorf gar nicht existiert, nur einmal am Tag fährt oder nicht barrierefrei ist. Was nützt es den Leuten, wenn er zwar kostenlos, aber gar nicht nutzbar ist? Was nützt es den Senioren, wenn sie nicht in den Bus hineinkommen, weil er Stufen hat, oder die Haltestelle nur aus einem Haltestellenschild besteht? Ich denke, es gibt andere Probleme, die wir viel dringender lösen müssen, damit ÖPNV überhaupt für alle Menschen nutzbar ist, bevor wir ihn kostenfrei machen.
Ich fasse also zusammen: Zuerst sollte man das Angebot verbessern, damit der ÖPNV überhaupt genutzt werden kann und im Zweifelsfall auch nicht überrannt wird, wenn er von heute auf morgen kostenlos ist. Wir brauchen mehr Angebote, mehr Infrastruktur, mehr Fahrzeuge und mehr Personal.
Das zweite große Problem ist die Barrierefreiheit. Ich finde, die Staatsregierung hat versagt, um dieses bundes- und europaweit geforderte Ziel bis 2021 umzusetzen. Dort könnte man beginnen und Vorschläge machen, wie man das noch schneller und nicht erst im Jahr 2030 – so wie es jetzt die Strategiekommission fordert – erreichen kann. Man könnte als dritten Schritt Konzepte entwickent, wie Fahrpreise konkret gesenkt werden können, zum Beispiel durch Nutznießer-Finanzierung, wie es der MDV bereits angesprochen hat, oder durch staatliche Beteiligung bzw. durch die Industrie.
Wir werden dazu noch in dieser Legislatur entsprechende Gesetzentwürfe vorlegen und lehnen daher diesen oberflächlichen Antrag ab.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Schön, dass auch die AfD die Themen ÖPNV und soziale Teilhabe im ländlichen Raum für sich entdeckt hat. Aber ich sage Ihnen auch gleich: Bei diesen Themen können Sie nicht punkten, erst recht nicht bei der mangelhaften Qualität Ihres Wirrwarr-Antrages.
Es hat mich, ehrlich gesagt, gewundert, woher dieser Antrag auf einmal kommt; denn beim Thema ÖPNV sind Sie bislang so gut wie nicht in Erscheinung getreten. Dass Sie die soziale Komponente entdeckt haben, um anderen Parteien das Wasser abzugraben, ist hinlänglich bekannt. Nur müssen Sie das etwas besser verkaufen.
Selbstverständlich ist es wichtig, dass wir Angebote schaffen, damit Schüler und Azubis bzw. generell junge Leute, aber auch Senioren eine gute und bezahlbare Offerte bekommen, sich in Sachsen mit dem ÖPNV – im ländlichen Raum genauso wie auch in den Städten – fortbewegen zu können. Das betrifft nicht nur die Preise, sondern es geht insbesondere – gerade bei Senioren – auch um die Themen Einfachheit, Sicherheit, Sauberkeit, Zuverlässigkeit und Erreichbarkeit. Gerade die Senioren aus dem ländlichen Raum – das erlebe ich derzeit in der Familie – müssen zum Teil auch erst wieder an den ÖPNV herangeführt werden, wenn sie ihr ganzes Leben lang mit dem Auto unterwegs waren. Das haben die Verkehrsunternehmen bereits erkannt, um die Zielgruppen mit speziellen Angeboten und Rabatten anzusprechen.
An dem Bildungsticket arbeitet bereits sowohl das SMWA als auch die kommunale Ebene. Das wissen Sie, das wissen wir alle. Das Bildungsticket für Schüler und Azubis wird also in irgendeiner Form kommen, davon gehen wir ganz fest aus. An der Vorbereitung hat meine Fraktion tatkräftig mitgewirkt. Dass es länger dauert, als wir es uns alle gewünscht und vorgestellt haben, liegt leider an der Komplexität der zu ändernden Strukturen.
Nach dem Abschlussbericht der Kommission vom 15. Dezember 2017 ist das, Frau Grimm, nicht in acht Monaten umzusetzen. Hier geht eindeutig Qualität vor Schnelligkeit.
Auch für Senioren und Leute mit kleinem Geldbeutel gibt es bereits Angebote. Zu nennen wären hier die Ermäßigungen für Rentner oder Menschen ab dem 60. Lebensjahr und generell für Sozialpassinhaber bei etlichen Verkehrsunternehmen. Beim VVO zum Beispiel wurden die Tagestickets reduziert und es gibt die 9-UhrMonatskarte für Senioren, um nur einige Beispiele zu nennen.
Es ist immer relativ einfach und populistisch, einen kostenlosen ÖPNV zu fordern, aber so leicht ist es selbst für ein Basisangebot nicht. Spätestens seit der Stellungnahme zu Ihrem Antrag wissen Sie ja, dass Planung, Organisation und Ausgestaltung des ÖPNV der kommunalen Ebene obliegen und dass die Tarifeinnahmen ein wichtiger Teil der ÖPNV-Finanzierung sind. Wenn Sie jetzt kostenlose Angebote fordern, dann erklären Sie uns und den Verkehrsverbünden bitte auch, wie Sie die finanzieren wollen.
Frau Grimm, warum haben Sie auf all das nicht schon in der ÖPNV-Strategiekommission hingewirkt, deren Teil Sie ja auch waren? Sie waren freiwillig Teil der Arbeitsgruppe „Angebotsentwicklung“. Wo war da Ihr Aufschlag bei diesem Thema?
Bis zu mir ist der jedenfalls nicht vorgedrungen. Damals kam in der Tat nichts von Ihnen. Und jetzt kommen Sie mit diesem Antrag um die Ecke und tun so, als hätten Sie mit der ÖPNV-Strategiekommission gar nichts zu tun gehabt.
Bleibt noch der letzte Punkt Ihres Antrages: die Zusammenlegung der fünf Zweckverbände. Dem Anliegen selbst werden wir uns nicht verschließen. Eine Verringerung der Anzahl der Zweckverbände, wenn damit eine Vereinfachung bei den Tarifen und Tickets einhergeht, wäre durchaus zu begrüßen. Aber die Initiative für die Zusammenlegung sollte von der kommunalen Ebene selbst ausgehen. Das ist nichts, was man einfach so nebenbei mit abräumen kann.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Herr Baum, Sie haben in Ihrer Rede, wie bereits Herr Nowak, jetzt versucht, den Dialekt meiner Kollegin zu verhohnepipeln. Das ist völlig unsachlich. Es ist geschmacklos, und ich denke, die Wähler in der Lausitz werden es mitbekommen und Ihnen sagen, wie Sie sich lustig machen über einen Dialekt, den wir im Land haben. Das hat mit sachlicher Debatte nichts zu tun.