Protokoll der Sitzung vom 26.09.2018

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Natürlich.

Vielen Dank, Frau Schaper. Hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass nach unserer Verfassung das Leben mit der Geburt beginnt und mit dem Tod endet?

(Dr. Frauke Petry, fraktionslos: Nein!)

Das ist eine Glaubensdebatte, die führe ich aber nicht.

(Dr. Frauke Petry, fraktionslos: Eben nicht!)

Es hat aber auch nicht festgestellt, dass es nicht so ist.

(Dr. Frauke Petry, fraktionslos: Das Leben beginnt mit der Zeugung! Schauen Sie mal nach!)

Frau Schaper, bitte weiter in Ihrer Rede.

Man kann die Widerspruchsregelung so ausgestalten, dass sie verfassungsgemäß ist. Aber man kann hier keine Glaubensdebatte führen.

(Dr. Frauke Petry, fraktionslos: Die führen wir nicht!)

Ja, die führen Sie nicht.

(Dr. Frauke Petry, fraktionslos: Wir haben die Religion nicht in den Mund genommen. Das waren Sie!)

Kommen wir noch einmal zu den Zahlen. In Ostdeutschland sind 47 % der Fälle von einer Organspende ausgeschlossen, weil im Vorfeld keine Zustimmung vorlag.

Dem stehen 53 % entgegen, die aufgrund medizinischer Kontraindikation oder wegen nicht eindeutiger Feststellung eines Gehirnausfalls nicht entnommen werden. Durch die Widerspruchsregelung würde sich das zumindest auf 47 % senken lassen.

Ich denke, die Zahlen zeigen sehr deutlich, dass wir eine Debatte zum Thema Organspende führen müssen, und das auch mutig. Die Verfassungsdebatte – das können Gerichte klären. Ja, doch, das können sie klären. Man kann eine Widerspruchsregelung entsprechend auch rechtlich

regeln. Wenn es fast überall auf der Welt geht und wir in Deutschland derzeit fast mit die Einzigen sind, die es so regeln, wie es derzeit ist, dann gibt es sicher Mittel und Wege.

Ich kann nur sagen: Ich habe viele Menschen gesehen, denen es nicht zuteil geworden ist, ein Organ von einem Menschen zu bekommen, und die deshalb gestorben sind. Deshalb finde ich solche formalen Debatten –

Bitte zum Ende kommen.

– unmoralisch, Frau Dr. Muster.

(Beifall bei den LINKEN)

Für die AfDFraktion Herr Dr. Wendt. – Herr Wendt, einen kleinen Moment, es gibt eine Kurzintervention.

Sehr geehrte Frau Schaper, ich kann nachvollziehen, dass Sie bei Ihrem Redebeitrag sehr emotional sind, weil Sie das Thema berührt. Ich muss Ihnen aber ganz ehrlich sagen: Ich finde es absolut geschmacklos, wenn Sie sich über religiöse Ansichten lustig machen. Ich selbst bin Atheist, und es stößt mir sehr bitter auf, wie Sie sich gerade geäußert haben. Die Debatte sollte an dieser Stelle wesentlich ehrlicher und auch emotionsloser geführt werden. Das Grundgesetz und das Bundesverfassungsgericht zu negieren – –

(Zuruf)

Nein, das Grundgesetz, wir haben keine Verfassung im Bund, sondern ein Grundgesetz.

(Martin Modschiedler, CDU, und Valentin Lippmann, GRÜNE: Oh, nee!)

Wenn Sie das Grundgesetz und das Bundesverfassungsgericht negieren, dann muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen: Das hilft dieser Debatte ganz sicher nicht weiter.

(Martin Modschiedler, CDU: Das war daneben!)

Frau Schaper, möchten Sie antworten?

Wenn Sie an meinen Redebeitrag irgendetwas anstößig finden, dann muss ich sagen: Ich habe alles richtig gemacht; erstens.

Zweitens ziehen Sie sich aus meiner Debatte irgendetwas heraus, damit Sie hier irgendetwas Verschwurbeltes sagen und mir unterstellen können. Ich habe gesagt, wir müssen eine ethische Debatte führen. Ich habe auch gesagt, dass es religiöse Bedenken gibt; die muss man akzeptieren. Im Kern habe ich gesagt, dass es falsch ist, wenn diese Debatte dazu genutzt wird, eine Widerspruchsregelung so hinzustellen, als ob diese jegliche Selbstbestimmung kappen würde. Es ist nicht so, wie Sie es heraushören wollen.

Ich habe auch gesagt, dass das meine persönliche Meinung ist. Man kann auch sagen, wie Herr Wehner: religiös und hast du nicht gesehen. Das kann man machen. Lustig gemacht habe ich mich über Ihre Ansätze, wie Sie als Abgeordnete der blauen Partei es selbst hier bei dieser Debatte schaffen, unsachlich zu werden und so zu tun, als ob Politiker – –

(Carsten Hütter, AfD: Was erzählen Sie denn da?)

Ja, Sie haben – –

(Carsten Hütter, AfD: Was erzählen Sie denn da eigentlich?)

Dann hören Sie doch zu, vielleicht verstehen Sie es ja!

(Carsten Hütter, AfD: Ich habe mir

Mühe gegeben, das versteht nur keiner!

Sie unterstellen Politikern, dass sie ein Recht auf Selbstbestimmung einschränken möchten. Es ist doch regelbar in der Widerspruchsdebatte. Das ist schon alles.

Man muss sich nicht hier hinstellen und den moralischen Zeigefinger erheben,

(Zuruf des Abg. Martin Modschiedler, CDU – Carsten Hütter, AfD: Das geht schon mal gar nicht!)

aber im Umkehrschluss unterstellen, dass ich das machen würde. Es ist eine freie Meinungsäußerung. Akzeptieren Sie das doch! Fordern Sie nicht immer nur Ihre freie Meinung ein, sondern akzeptieren Sie es doch auch einmal umgekehrt, ohne die Leute anzugreifen und ständig zu unterstellen, dass man den Bürgerinnen und Bürgern etwas Schlechtes will.

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN)

Das ist eine Politik von Ihnen, die ist einfach nur populistisch.

(Zurufe: Oooh! – Dr. Frauke Petry, fraktionslos: Ja, weiter!)

Bitte jetzt zum Ende kommen.

Ich müsste sonst beispielsweise auch Herrn Zschocke angreifen.

(Dr. Frauke Petry, fraktionslos: Hören Sie mal langsam auf! Sind wir hier im falschen Film? – Demonstrativer Beifall von der AfD – Zuruf von der CDU: Das ist intolerant! – Dr. Frauke Petry, fraktionslos: Völlig verrannt haben Sie sich!)

Noch eine Kurzintervention auf den Redebeitrag von Frau Schaper?

Frau Präsidentin, vielen Dank! Es ist wirklich unerträglich, welche Wendung diese Debatte in diesem Haus genommen hat. Frau Schaper, Sie stellen sich dort vorn hin.