Protokoll der Sitzung vom 26.09.2018

Frau Präsidentin, vielen Dank! Es ist wirklich unerträglich, welche Wendung diese Debatte in diesem Haus genommen hat. Frau Schaper, Sie stellen sich dort vorn hin.

(Beifall bei der CDU und den fraktionslosen Abgeordneten)

Wir haben doch wirklich gut herausgearbeitet, was es für Faktoren gibt: Das ist die Spendenbereitschaft von potenziellen Spendern, und es ist die Verbesserung der Krankenhauslandschaft, also der Struktur vor Ort. Sie können sich aber nun nicht hinstellen und alle in die Gesamthaftung nehmen, wenn der Bürger Bedenken hat oder die Fragen stellt: Was ist nach dem Tod? Welche Religion übe ich aus? Was denke ich? Was passiert? Dann können Sie sich nicht hinstellen und so tun, als wäre das alles nur Gedöns.

Sie haben mich persönlich angegriffen, ich würde mich vorn hinstellen und sagen: ja, religiös, irgendwas. Es geht hier nicht um Teebeutelschwingen etc., sondern es geht um sehr klare Aussagen unserer Bevölkerung. Die können wir auch ernst nehmen, dabei bleiben wir, und das können wir hier selbstbewusst sagen.

(Beifall bei der CDU)

Frau Schaper, bitte.

Ich weiß gar nicht, warum Sie sich jetzt der blauen Debatte anschließen. Ich habe doch genau das gesagt.

(Zurufe: Nö! – Weitere Zurufe)

Sie haben doch recht – –

(Zurufe)

Lassen Sie mich doch ausreden. Wischen Sie doch den Schaum vom Mund!

(Unruhe – Carsten Hütter, AfD: Es wird nicht besser! – Dr. Frauke Petry, fraktionslos: Geben Sie doch einfach zu, dass Sie sich verrannt haben, und lassen Sie es gut sein!)

Nein. – Ich akzeptiere andere Meinungen, das habe ich mehrfach gesagt in dieser Debatte.

(Unruhe – Zurufe)

Ich möchte aber nicht, dass die ethische und die religiöse Debatte dazu verwendet wird, die Widerspruchsregelung

so infrage zu stellen und damit Ängste zu schüren. Dass man sie hat, das weiß ich. Das ist auch absolut akzeptabel. Man darf niemandem gegen seinen Willen im Körper irgendwie eingreifen. Diesbezüglich sind wir uns einig. Vielleicht haben wir uns an dieser Stelle nur missverstanden.

Was ich zu den Blauen gesagt habe, davon nehme ich nichts zurück; denn ich finde, sie haben die Debatte verunsachlicht. Ich verstehe es; denn Herr Zschocke hat – da haben Sie ebenfalls recht – auch widersprüchlich geredet.

(Zuruf von der AfD: Waren Sie intolerant? – Lachen bei der AfD und den fraktionslosen Abgeordneten)

Nein, aber er hat sich nicht hingestellt und unterstellt, dass das ein falscher Weg ist. Kurz: Jeder kann dazu seine Debatte führen, und sie muss – denke ich – auch emotional sein. Ich will hier keinem irgendetwas abstreiten; denn es ist etwas Höchstpersönliches. Dazu stehe ich, und ich sehe das so.

(Dr. Frauke Petry, fraktionslos: Es reicht, Schluss jetzt!)

Frau Lang, ebenfalls eine Kurzintervention auf Frau Schaper?

(Carsten Hütter, AfD: Jetzt wird es verschlimmbessert!)

Ja, ganz kurz. Ich denke, alles insgesamt hier zeigt, dass die Debatte, die wir gerade mit unterschiedlichen Meinungen führen, genau die Debatte ist, die zur Organspende führen sollte. Sie zeigt auf, welche unterschiedlichen Meinungen, Ängste und Befürchtungen es gibt, und genau deswegen sind wir heute hier. Deswegen machen wir eine Debatte und keine Festlegung. Wir sollten uns immer daran erinnern, dass wir genau deswegen hier stehen und dass wir unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen und unterschiedlichen Meinungen sind.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und Beifall bei der CDU)

Frau Schaper, wollen Sie reagieren? – Das sieht nicht so aus. Jetzt Herr Wendt, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir als AfD-Fraktion sind der Meinung, dass durch eine Verbesserung der personellen, strukturellen und organisatorischen Voraussetzungen sowie durch Vertrauen und Aufklärung die Anzahl der Spender spürbar erhöht und damit Leid vermieden werden kann. Deshalb gilt es, genau dort anzusetzen.

Des Weiteren sollte in Deutschland über eine verpflichtende Entscheidungslösung, die dazu führt, dass sich für oder gegen eine Organspende ausgesprochen werden

muss, diskutiert werden. Damit könnte man Handlungssicherheit bei Angehörigen und Ärzten schaffen.

Die vorgeschlagene Widerspruchslösung lehnen wir als AfD-Fraktion ab, weil der Staat dadurch massiv in das Selbstbestimmungsrecht des Menschen über seinen Körper eingreift. Damit werden zunächst Fakten geschaffen. Daran ändert auch das mögliche Widersprechen, welches im Nachhinein getätigt werden kann, nichts.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Herr Zschocke, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Wehner, der Debattentitel hat natürlich etwas ausgelöst, nämlich, dass wir uns im zweiten Teil der Debatte sehr ausführlich nur noch mit dem Für und Wider der Widerspruchslösung beschäftigen. Die Debatte hat aber auch gezeigt, dass es einfach zu kurz greift, sie darauf zu beschränken. Wir müssen Antworten auf die Frage finden, wie es gelingt, dass sich mehr Menschen von sich aus für eine Organspende entscheiden. Wir müssen überlegen, was getan werden kann, damit sich mehr Menschen mit dem eigenen Tod auseinandersetzen und eine Entscheidung wirklich freiwillig treffen wollen.

Wir müssen schauen, welche Unterstützung für die Hinterbliebenen möglich ist, wenn eine Organspende vollzogen werden soll. Das sind die Aspekte, bei denen wir uns einig sind, dass Organspende wesentlich mehr gesellschaftliche Akzeptanz braucht, damit jeder und jede in die Lage versetzt wird, eine bewusste Entscheidung zu treffen.

Dazu brauchen wir Aufklärungs- und Informationskampagnen. Die Koalition hat im Entschließungsantrag zum Ausführungsgesetz eine ganze Reihe von Vorschlägen zur gesellschaftlichen Akzeptanz unterbreitet. Diese gilt es jetzt umzusetzen, meine Damen und Herren. Frau Dr. Muster, ich habe Herrn Darbrock anders verstanden. Er hat gesagt, dass man das eine, das jetzt zu tun ist, und das andere nicht in einem Paket verschnüren darf. Also erst das eine tun und dann über das andere sprechen – das wäre auch mein Plädoyer.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Gibt es weiteren Redebedarf von den Fraktionen? – Das sieht nicht so aus. Somit bitte ich nun die Staatsregierung.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Vor drei Monaten war ich im Transplantationszentrum des Uniklinikums Leipzig und durfte dort mit einer Frau sprechen, die auf der Warteliste für eine Spenderleber

steht. Dieses Gespräch hat mich tief beeindruckt und bewegt. So wie es dieser Frau geht, geht es – die Zahl wurde heute bereits mehrfach genannt – über

10 000 Menschen in Deutschland, die auf ein Spenderorgan warten, 500 bei uns im Freistaat Sachsen. Dass dies nicht nur für die betroffenen Menschen, sondern auch für deren Angehörige eine sehr schwierige Situation ist, wissen wir alle und können es uns vorstellen.

Aber auch die heutige Debatte zeigt, dass dies ein Thema ist, das ganz unterschiedliche und unbeschreibliche Gefühle in jedem hervorruft. Es gibt wohl kaum ein anderes Thema, das sich an der Grenze zwischen Leben und Tod, zwischen Hoffnung und Leid abspielt. Organspende rettet Leben, das wissen wir, und es führt uns unweigerlich zum Thema Tod. Man blendet es gern aus, auch, es in einer Familie zu besprechen, wobei ich es für sehr wichtig halte, dass es genau dort auch thematisiert wird.

Die Spendenbereitschaft in Deutschland ist in den letzten sechs Jahren, wenn man sich die Statistiken anschaut, gesunken. Betrachten wir den Bereich Ost, zu dem Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen gehören, so ist sie nahezu konstant geblieben. Nur einige Zahlen ganz kurz angeführt: Betrachten wir das erste Halbjahr 2018, so sind 78 Organspender zu verzeichnen. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es 42. In den Jahren 2016, 2015 und 2014 waren es im Schnitt um die 70.

Ich denke, diese Zahlen allein sprechen für sich: Wir brauchen eine größere Bereitschaft bei den Menschen, sich mit dem Thema Organspende auseinanderzusetzen und sich dazu bereit zu erklären. Deshalb halte ich die Diskussion, so unterschiedlich sie auch geführt wird, für dringend angebracht. Wir brauchen den öffentlichen Diskurs. Unsere Menschen sollen und müssen sich darüber Gedanken machen.

Wir wissen, wenn wir in die Befragung der BZgA schauen, die bundesweit stattgefunden hat, dass die Bereitschaft der Bevölkerung zur Organspende hoch ist. 84 % der Bevölkerung sehen sie positiv. Allein – diese Zahl wurde ebenfalls bereits erwähnt – wenn wir schauen, wie viele wirklich einen Organspenderausweis bei sich tragen und sich damit auseinandersetzen, dann ist die Zahl sehr, sehr gering, auch für Deutschland betrachtet.

Nun haben wir im Landtag in den letzten Jahren, zumindest in der letzten Legislaturperiode, dieses Thema schon öfter diskutiert, und auch ich muss ganz klar sagen: Das Thema Aufklärung und Sensibilisierung steht an erster Stelle. Aber ich muss auch ganz klar für mich persönlich sagen: Das allein genügt nicht; denn wenn wir uns die Zahlen ansehen, dann brauchen wir weitere Lösungen. Dabei ist für mich die Widerspruchslösung eine wichtige Lösung, die hierzu herangezogen werden sollte. Wir brauchen eine größere Bereitschaft, die ich mit der Widerspruchslösung sehe.

Es wurde auch gesagt, dass Deutschland eines der wenigen Länder in Europa ist, in denen es zurzeit noch keine Widerspruchslösung gibt. Wir gehören zu den Ländern,

die die geringsten Organspenderzahlen zu verzeichnen haben. Ich begrüße die Entscheidung des Deutschen Ärztetages im Juni dieses Jahres, auf dem man sich mehrheitlich ganz klar für die Widerspruchslösung ausgesprochen hat – für mich eine wichtige Entscheidung.

Aber sie ist in der Tat nur eine Seite dieser Diskussion und nur eine Seite der Lösung. Mindestens genauso wichtig ist das Thema Sensibilisierung und Aufklärung der Bevölkerung. Dort dürfen wir nicht nachlassen. Die Umfrage der BZgA ergab ebenfalls, dass Spender überlegen, nachdenken, sich unschlüssig sind: Sind sie überhaupt geeignet? Sind sie zu jung? Sind sie zu alt? Sprechen möglicherweise gesundheitliche Gründe dagegen? Das Thema Angst vor Missbrauch und mangelndes Vertrauen kommt dabei ebenfalls zur Sprache. Hieran müssen wir weiter arbeiten und Vertrauen zurückgewinnen. Ich denke, das ist eine Aufgabe, die ebenfalls zwingend vor uns steht.

Wir brauchen in diesem Prozess alle Beteiligten. Das sind in erster Linie die Entnahmekrankenhäuser. Im Freistaat Sachsen haben wir 60 Entnahmekrankenhäuser, und wir konnten erst vor wenigen Wochen in Halle wieder ein Krankenhaus auszeichnen, das sich durch eine sehr gute Arbeit auf diesem Gebiet hervorhebt. Es ist wichtig, dies in der Öffentlichkeit zu diskutieren und positiv darüber zu berichten.

Wir haben in unserem Sächsischen Transplantationsgesetz die Transplantationsbeauftragten gestärkt. Noch nicht alle Bundesländer sind diesen Schritt gegangen, und ich begrüße ausdrücklich die Gesetzesinitiative des Bundesministers für eine bessere Zusammenarbeit und Struktur bei Organentnahmen. Dazu gehört die weitere Stärkung des Transplantationsbeauftragten, aber auch eine bessere Vergütung des gesamten Prozesses sowie die Einführung der flächendeckenden Berichterstattung zur Qualitätssicherung. Auch dies ist ein Thema, das das Vertrauen stärkt.