Protokoll der Sitzung vom 26.09.2018

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Dr. Petry, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin froh, dass wir noch über „Organspende“ sprechen. Allein dieser Begriff weist uns die Richtung der Diskussion.

Weniger als eine Spende pro 100 000 Bürger zeigt klar die Skepsis der Bevölkerung – nach vielen Spendenskandalen, unzureichender Organisation, fehlender Qualifikation in den Krankenhäusern und fehlender Transparenz des Prozesses. Eines ist klar: Unklarheiten bei einer Widerspruchslösung gehen im Ernstfall zulasten der betroffenen Person und ihrer Familie, die sich dann sowieso in einer schwierigen emotionalen Lage befinden.

Wie reagiert die Bundesregierung? Ihr Versagen bei der Aufklärung und Information im Rahmen von Transplantationsprozessen kompensiert sie de facto mit der Anordnung – Herr Zschocke, ich danke für die Vorbereitung – einer Organsteuer. Sie haben es ein bisschen freundlicher gesagt, aber am Ende wäre es genau das.

Meine Damen und Herren! Wir sprechen so oft über die Würde des Menschen. Deswegen möchte ich daran erinnern, dass unsere freiheitliche demokratische Grundordnung auch in diesem Punkt der Organspende unantastbar ist. So, wie wir verschiedene Rechte haben, haben wir als freie Bürger auch das Recht, uns positiv oder eben auch nicht für eine Organspende zu entscheiden. Auch das Nichtentscheiden muss vom Staat hingenommen werden.

Jeder Entscheidungszwang konterkariert daher unser Grundgesetz.

Meine Damen und Herren! Wir können ganz klar sagen: Wir brauchen keine Organsteuer, keine Pflichtabgabe. Eine Organspende muss die eigene positive Entscheidung eines jeden Bürgers bleiben.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten)

Frau Dr. Muster, bitte.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Für das heikle Thema Organspende gilt in Deutschland die Einwilligungslösung. Jetzt bringt Jens Spahn eine Widerspruchslösung ins Spiel. Er tut dies im echten Alleingang und zur Unzeit.

Richtig, es gibt in Deutschland viel zu wenige Organtransplantationen; im letzten Jahr waren es knapp 800. Das muss sich unbedingt ändern.

Jens Spahn hat die eigentliche Großbaustelle bereits genannt. Es sind die Kliniken. Er hat vor wenigen Wochen einen Gesetzentwurf vorgelegt zur Stärkung der Stellung des Transplantationsbeauftragten, zur besseren Bezahlung der Krankenhäuser, für Vorhaltekosten, und auch kleinere Krankenhäuser sollen mit externer Hilfe Organe entnehmen können. Diese Ziele werden von den Abgeordneten der blauen Partei vollumfänglich mitgetragen.

Den Wechsel von der Einwilligung zur Widerspruchslösung lehnen wir allerdings strikt ab. Noch einmal: Unser Grundgesetz sagt in Artikel 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Die menschliche Existenz beginnt nicht mit der Geburt, und sie endet auch nicht bereits mit dem Tod. Der Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, der Theologieprofessor Peter Dabrock, hat sich ausdrücklich gegen die Widerspruchslösung ausgesprochen. Nach seiner Auffassung ist dies ein tiefer Eingriff in das Selbstverfügungsrecht über den eigenen Körper. Dem können die Abgeordneten der blauen Partei nur zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten)

Wir beginnen wieder mit der CDU-Fraktion. Herr Abg. Wehner.

Frau Präsidentin! Was hat die Debatte zur Organspende heute gebracht? Zumindest wissen wir jetzt, dass Frau Schaper Fan ist von „In aller Freundschaft“, der Fernsehserie, sich dort zumindest wichtige Impulse für die Gesundheitspolitik holt.

(Unruhe bei den LINKEN)

Wir haben über das Thema „Was ist nun wichtig?“ gesprochen.

Sie können das als Zwischenfrage formulieren, wenn wir weiter auf die Serie eingehen wollen.

Die zwei Punkte sind natürlich wichtig: Einmal: Was ist die Spendenbereitschaft? Was kann daran verbessert werden? Das andere ist natürlich: Was kann bei den Krankenhäusern verbessert werden?

Zur Spendenbereitschaft sagte Frau Schaper in der vorangegangenen Runde: „Wenn man tot ist, ist man tot, dann braucht man die Organe nicht mehr.“

Es wurde ja auch bei Herrn Zschocke von den GRÜNEN deutlich, dass das eben so einfach nicht ist. Das trifft auch unsere und meine Meinung. Denn das ist eine hochkomplexe Fragestellung. Das hat etwas mit Religion, etwas mit dem Glauben nach dem Tod zu tun oder damit, was man eigentlich glaubt, was nach dem Tod passiert. Das können wir uns alles so nicht beantworten. Deshalb ist es wichtig, dass es einen großen Respekt vor der Entscheidung des einzelnen Patienten gibt, ob er seine Organe spendet oder nicht.

Was die Transplantationsbeauftragten betrifft, so ist es richtig, dass wir im Mai bereits darüber gesprochen haben. Wir haben als Freistaat Sachsen dazu hier ein Gesetz verabschiedet. Wenn man sich die anderen Bundesländer anschaut, dann sind diese erst dabei, diesen Transplantationsbeauftragten in der Landesgesetzgebung zu bestimmen. Hier sind wir schon einen Schritt weiter. Es geht jetzt vor allem darum, dass der Bund regelt, dass die Mehraufwendungen, die ein Krankenhaus damit hat, besser abgefangen werden, dass es also bessere Vergütungspauschalen gibt, damit es attraktiver wird, in den Krankenhäusern Organe zu entnehmen. Damals hat man gesagt, dass man es nicht zu attraktiv machen will, damit nicht der Eindruck entsteht, dass sich das Krankenhaus mehr um Organentnahme als um alles andere kümmert. Das ist ein Spagat, der gemacht werden muss.

Das waren die wesentlichen Aussagen. Ansonsten haben wir noch gelernt, dass es Spendenausweise bei Herrn Zschocke im Büro gibt. Die gibt es auch bei mir im Büro. Ich kann nur jedem empfehlen, einen Spendenausweis zu haben und ganz bewusst zu entscheiden, ob man Organe spenden möchte oder auch nicht.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Die SPD-Fraktion möchte nicht sprechen. Dann die Fraktion DIE LINKE. Frau Schaper, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Wehner, ob ich „In aller Freundschaft“ schaue oder nicht, ist zweitrangig. Wenn ich es machen würde, würde ich dazu stehen. Aber ich muss das nicht machen, um etwas zu lernen. Ihnen ist sicher meine berufliche Herkunft bekannt. Ihnen würde es aber guttun, sich das hin und wieder anzuschauen. Manchmal bildet Fernsehen.

Ich bin etwas enttäuscht, dass Sie heute das Debattenthema gesetzt haben, aber im zweiten Redebeitrag wieder so zurückrudern. Das ist das Problem, das die Politik ein

Stück weit unglaubwürdig macht. Ich blase irgendetwas heraus. Dann merke ich, dass es eng wird, weil es um Religion geht oder man nicht so einfach sagen kann, das tot eben tot ist. Doch, man kann das so einfach sagen. Ich kann das für mich persönlich so einfach sagen. Ich habe extra vor diesem Satz gesagt: „Es ist meine persönliche Meinung.“

Wenn andere der Meinung sind, dass sie tot sind, aber eigentlich nicht tot sind und ihre Organe noch brauchen, vielleicht 14 Tage später, im nächsten Jahr oder bei der Wiedergeburt – keine Ahnung –,

(Heiterkeit bei den LINKEN)

dann ist das eine persönliche Meinung.

Aber wenn Sie hier mit solchen Bemerkungen diese Vorurteile weiter schüren, als führender Gesundheitspolitiker der CDU von Organskandalen reden – es war ein Allokations-, ein Verteilungsskandal –, dann schaffen Sie genau das Problem, das Vertrauen untergräbt und weshalb Menschen verunsichert sind.

Wenn man dann schon einmal froh ist, dass die da oben im „Kreml“ irgendetwas Vernünftiges entscheiden, dann wird hier unten gesagt: Können wir nicht, wollen wir nicht, machen wir nicht, da sind wir vorsichtig!

Ich habe gesagt, dass es selbstverständlich eine ethische Entscheidung ist. Das streite ich überhaupt nicht ab. Aber es kann Leben retten, andere Wege zu gehen.

Ihr Vergleich mit Spanien hat auch nicht Hand und Fuß. Hier müssen wir bedenken, dass weit über die Hälfte der Spanier, nämlich 70 %, Katholiken sind. Es kann also nicht an einer ethischen Debatte liegen, sondern daran, wie wir Vertrauen schaffen, wie wir die Dinge vorleben.

(Dr. Stephan Meyer, CDU: Wir sind aber in Deutschland!)

Ich unterstelle keinem Krankenhaus, dass sie mir dort den Bauch aufreißen, um irgendetwas herauszuholen.

Was die Blauen anbelangt, so ist es die gleiche üble Debatte wie beim Schwangerschaftsabbruch. Da kann ich nur daran erinnern, wie sich vielleicht die Organe im Körper fühlen. Herz zu Hirn: „Bitte einschalten!“ Hirn sagt: „Außer Betrieb!“ Das ist eine Retrodebatte, die wir schon vor 50 Jahren über den Schwangerschaftsabbruch geführt haben. Ich finde das nicht gut. Das führt zu einer Skandalisierung von medizinischen Berufen und Organentnahmen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Schaper?

Aber selbstverständlich.

Danke für diese Möglichkeit, Frau Schaper. Hat der Ethikrat auch das Hirn ausgeschaltet?

Der Vorsitzende des Ethikrates hat seine Bedenken geäußert. Das heißt aber

nicht, dass der ganze Ethikrat so darüber denkt. Wenn Sie das „Ärzteblatt“ und alle Kommentierungen dazu gelesen hätten, dann wüssten Sie, dass sich dort auch weitere Personen äußerten.

Ich habe gesagt: „Es ist eine ethische Debatte.“ Ich habe Sie als Abgeordnete der Blauen angegriffen, weil Sie sagen, dass das Leben nicht mit der Geburt anfängt und dass der Tod nicht eintritt mit dem Tod, was auch immer das für eine verschrobene Geschichte ist. So argumentieren Sie auch beim Recht auf Selbstbestimmung der Frau bei Schwangerschaftsabbrüchen. Sie behaupten, Sie können über Leben und Tod entscheiden. Das ist aber nicht so.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie behaupten, dass eine Widerspruchsregelung ausschließt, dass man selbst über seinen Körper entscheiden kann. Das ist nicht so. Damit schüren Sie Ängste. Damit haben Sie wieder etwas gefunden, mit dem Sie die Leute ausspielen und sich als die Allwissenden geben können. Das halte ich für falsch.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?