Protokoll der Sitzung vom 27.09.2018

Zu beachten ist auch, dass die sächsischen Aufgabenträger eingebunden werden müssen, um Zeitschienen und laufende Verträge in Einklang zu bringen. Welche Kosten und Nachfrageeffekte werden entstehen? Wo plant der Bund gegebenenfalls Baumaßnahmen an Strecken oder Bauwerken? All diese Punkte sind zwischen dem Bund und dem Freistaat streckengenau zu klären.

Ein Konzept dafür zu entwickeln – denn darum geht es in Ihrem Antrag ausschließlich – halten wir nicht für notwendig. Der Staatsregierung bzw. den fachlich Zuständigen ist nach meiner Einschätzung gewiss bekannt, welche Bahnstrecken in Sachsen zu elektrifizieren sind. Dies werden wir in der Koalition auch weiterhin positiv begleiten.

Der Antrag hilft diesbezüglich nicht weiter, und meine Fraktion wird den Antrag ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Für die AfDFraktion Frau Abg. Grimm, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir reden heute zum Prioritätenantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema „Die Zukunft ist elektrisch: Elektrifizierungskonzept für das Eisenbahnnetz in Sachsen entwickeln“.

Die Forderungen nach einer zügigen Elektrifizierung von Bahnstrecken sowie die Forderung, ein Schienenelektrifizierungskonzept zu erarbeiten, sind grundsätzlich sinnvoll. „Besser Vorsorge als Nachsorge“ möchte man hier sagen.

In diesem Sinne waren auch die Anträge der AfD-Fraktion erstens zum Bundesverkehrswegeplan, Drucksache

6/4855, vom 8. April 2016 sowie der Antrag zur Elektrifizierung der Bahnstrecke Görlitz – Cottbus, Drucksache 6/8912, vom 20. März 2017 zu verstehen.

In beiden Anträgen haben wir uns ausdrücklich für die Elektrifizierung der Bahnstrecken in Sachsen eingesetzt. Nun kann ich mich leider nicht daran erinnern, dass die einbringende Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN oder die Fraktion DIE LINKE unseren beiden Anträgen zugestimmt hätten. Stattdessen hieß es von Ihrer Seite: Man müsse Herrn Dulig mit viel Geld aus Sachsen nach Berlin schicken und eine Kofinanzierung anbieten.

Dann hieß es weiter: Die Prioritäten der GRÜNEN seien ganz klar auf die Elektrifizierung der Strecken Chemnitz – Leipzig und Dresden – Görlitz gerichtet. Die Forderung nach einer umfassenden Elektrifizierung, wie es die AfD fordere, sei total unrealistisch. Ja, meine Damen und Herren der einbringenden Fraktion, was meinen Sie heute? Meinen Sie, wenn Sie die zügige Elektrifizierung der noch nicht elektrifizierten Eisenbahnstrecken im Freistaat Sachsen fordern, auch nur die Strecken Chemnitz – Leipzig oder Dresden – Görlitz? Oder meinten Sie tatsächlich eine umfassende Elektrifizierung aller sächsischen Bahnstrecken? Das allerdings hielten Sie vor zwei Jahren ja noch für einen total unrealistischen Ansatz.

Möchten Sie bei der Erarbeitung eines sachsenweiten Schienenelektrifizierungskonzepts auch, dass der Staatsminister eine Kofinanzierung anbietet? Das forderten Sie vor zwei Jahren ja noch ausdrücklich. Wenn ja, wo ist der Finanzierungsvorschlag dafür? Wenn nein, warum haben Sie vor zwei Jahren darauf bestanden?

(Katja Meier, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Frau Grimm, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

– Nein. – Vielleicht nur, um unseren Antrag ablehnen zu können.

Meine Damen und Herren der einbringenden Fraktionen, warum gibt es in Ihrem Antrag keinen Berichtsteil? Das hätte sich doch hier wirklich angeboten, um zu wissen, ob und wie sich die Staatsregierung auf das vom Bund angekündigte Sonderprogramm vorbereitet. Das wäre doch methodisch der richtige Ansatz gewesen.

So schwimmt Ihre Ansatzbegründung leider in den allgemeinen Erkenntnissen, dass elektrisch angetriebene Züge leiser und leistungsfähiger sind oder dass der Elektrifizierungsanteil in Deutschland und insbesondere in Sachsen viel zu gering ist. Ja, das wissen wir alle.

Ich fasse kurz zusammen. Der Antrag passt in keiner Weise zu Ihrer bisherigen Argumentation, was die flächendeckende Elektrifizierung des Bahnverkehrs in Sachsen betrifft. Er ist daher unglaubhaft. Sie haben bisher sehr deutlich eine Kofinanzierung des Freistaates Sachsen angeregt, wenn es um Elektrifizierung und den Ausbau des Schienenverkehrs ging. Im vorliegenden

Antrag finden wir dazu nichts. Er ist daher lückenhaft. Ein Berichtsteil fehlt in Ihrem Antrag. Er ist daher methodisch fehlerhaft.

Trotz dieser vielen Mängel werden wir uns heute – im Gegensatz zu Ihnen – nicht verbiegen und stimmen Ihrem Antrag zu. Erstens, weil die Zielrichtung stimmt, zweitens, weil es um die richtige Sache geht, und drittens, weil sich das Zeitfenster für die Vorbereitung auf das Bundesprogramm demnächst schließen wird.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren, das war die erste Runde. Gibt es Redebedarf aus den Reihen der Fraktionen für eine zweite Runde? – Das ist offensichtlich nicht der Fall. Ich frage die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Herr Staatsminister Dulig, bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben, wenn wir über die Elektrifizierung sprechen, in den letzten Monaten vor allem sehr häufig über den Fernverkehr gesprochen. Es lohnt sich aber auch erst mal zu schauen, was wir an Nahverkehr haben, und da haben wir zum Beispiel ein sehr attraktives S-Bahn-Netz in Leipzig. Die letzte große Investition, der City-Tunnel, hat noch einmal zu einer starken Dynamisierung beigetragen.

Ich denke auch an das S-Bahn-Netz in Dresden, das heute eine wirklich gute Voraussetzung für ein sehr dicht vertaktetes Verkehrsangebot für die gesamte Region ist. Ich denke an das Chemnitzer Modell, das das städtische Straßenbahnnetz und die regionalen Eisenbahnstrecken verknüpft, und das ist auch sehr erfolgreich. Dass es erfolgreich ist, sieht man daran, dass die Fahrgäste dies honorieren. Wir sind nach wie vor in diesen Netzen diejenigen, die viele Fahrgastpreise gewinnen. Das heißt, die Innovation, das Angebot wird angenommen, es wird honoriert.

Wir sind uns sicher auch im Klaren darüber – das bezieht sich nicht nur auf die Elektrifizierung, sondern generell auf das ÖPNV-Angebot –, dass wir gerade in den Ballungszentren beim ÖPNV ein Nachzeichnen dieser Entwicklung noch weiter benötigen. Die Dynamik, die wir gerade in den Ballungszentren haben – Dresden und Leipzig sind die Regionen, wo wir am meisten Zuzug verzeichnen –, muss sich auch im ÖPNV insgesamt noch stärker abbilden. Deshalb werbe ich beim ÖPNV immer für die differenzierte Sicht. Wir müssen sowohl gute Angebote für den ländlichen Raum machen, um die Verbindungen zu schaffen und eben keine Region abzuhängen, als auch diesen Boom, den wir in den Ballungszentren haben, beim ÖPNV nachzeichnen. Aber die Voraussetzungen dort sind gut.

Der Freistaat Sachsen hat in den letzten Jahren vieles dafür getan, das Thema Elektrifizierung von Fernver

kehrsstrecken voranzubringen. Ich erinnere zum Beispiel an die Unterstützung des Freistaates bei dem Teilabschnitt der Sachsen-Franken-Magistrale, die wir auch in unsere Verantwortung übernommen haben.

Es ist ja von den Vorrednern schon deutlich gemacht worden: Die Hauptverantwortung tragen nun einmal der Bund und die Deutsche Bahn, und das ist keine Ausrede. Sie haben immer so ein Kurzzeitgedächtnis, wenn ich Ihre Reden höre. Ich kann Sie an mehrere Debatten, die wir hier im Landtag hatten, erinnern zu dieser Strecke Chemnitz – Leipzig. Bis vor Kurzem – und das über Jahrzehnte hinweg – hat sowohl der Bund als auch die Deutsche Bahn diese Strecke als Nahverkehrsstrecke gesehen und nicht als eine für die Elektrifizierung vorgesehene Fernverkehrsstrecke. Wir konnten in Sachsen tun, was wir wollten – und es gab ja schon viele politische Initiativen, um diese Elektrifizierung voranzutreiben –; aber Sie können nichts tun, wenn derjenige, dem Sie sogar das Geld anbieten, sagt, ich will dieses Geld gar nicht, denn ich sehe die Strecke so nicht.

Es ist ein riesengroßer politischer Erfolg gerade der Akteure vor Ort – ich denke an die regionalen Landtagsabgeordneten genauso wie die Bundestagsabgeordneten, die Oberbürgermeisterin, aber auch die Zivilgesellschaft in Chemnitz und der gesamten Region Südwestsachsen –, dass sie es jetzt geschafft haben, dass die Strecke in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen wurde.

Um es noch einmal zu verdeutlichen, muss man hier auch sagen, wer die Verantwortung trägt. Da ist es zu billig, einfach nur mit dem Finger auf Sachsen zu zeigen; denn wir waren diejenigen, die immer mit unseren Möglichkeiten gesagt haben: Wir werden euch unterstützen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und des Staatsministers Prof. Dr. Roland Wöller)

Man kann es auch konkret machen. Wir werden jetzt zum Beispiel für die Vorplanung der Strecke Chemnitz – Leipzig 2,4 Millionen Euro in die Hand nehmen, um allein diese Vorplanungen zu übernehmen. Das haben wir mit Herrn Fricke Anfang September mit Unterschrift versehen. Sie wissen auch, dass wir die Strecke Dresden – Görlitz für den Bundesverkehrswegeplan angemeldet haben, und auch hier sind wir mit 10 Millionen Euro in der Finanzierung für die Vorplanungen dabei. Mit dem Ergebnis dieser Vorplanungen werden wir bis Ende 2019 rechnen können. Auch hier gehen wir als Freistaat Sachsen einen Schritt weiter, denn wir betrachten auch den Streckenast von Arnsdorf nach Kamenz.

Generell ging es uns immer darum, die Stärkung des Bahnverkehrs gerade in der Oberlausitz und in Ostsachsen zu unterstützen – nicht nur durch die LausitzDiskussion, sondern wenn wir über Fernverkehr reden, macht es Sinn, dass wir das länderübergreifend tun. Deshalb unterstützen wir gemeinsam mit Brandenburg den Ausbau der Strecke Cottbus – Görlitz und haben auch hier dem Bund angeboten, mit in Finanzierungsleistung zu gehen. Ich hoffe, für dieses Engagement des Freistaa

tes bekommen wir keine Kritik, sondern Unterstützung; denn das ist genau das, was Sie von uns wollen: dass wir das, was in den Neunzigerjahren passiert ist – dass man Sachsen vom Fernverkehr abgehängt hat –, reparieren. Es war nicht die Verantwortung der Sachsen, die dazu geführt hat, dass die Strecken abgestellt wurden oder der Fernverkehr abgezogen wurde, sondern das ist die Verantwortung der Deutschen Bahn gewesen und das waren auch politische Entscheidungen, die in Berlin getroffen wurden. Daran darf ich auch einmal erinnern.

Nun zum Sonderprogramm. Wir haben im Koalitionsvertrag eine Initiative zur Elektrifizierung regionaler Schienenstrecken vorgesehen, und das ist wichtig und das unterstützen wir; denn Deutschland liegt nun einmal mit einem Elektrifizierungsanteil von knapp 60 % europaweit tatsächlich nur im Mittelfeld, und wir sind ziemlich weit hinten, wenn man Sachsen ansieht. Dieses Sonderprogramm muss ich nun nicht nur begrüßen, denn es war der Freistaat Sachsen, der es bei den Koalitionsverhandlungen mit durchgesetzt hat. Es ist also mit unser Verdienst, dass dies überhaupt im Koalitionsvertrag drinsteht –

(Zuruf der Abg. Katja Meier, GRÜNE)

von daher brauche ich jetzt keine Belehrung, schon gar nicht von Baden-Württemberg, die an den Koalitionsverhandlungen nur partiell teilgenommen haben – und dass wir tatsächlich dieses Programm durchgesetzt haben.

Der nächste Schritt ist, dass wir das Ziel, den Anteil der elektrifizierten Strecken in Deutschland bis zum Jahr 2025 auf 70 % zu steigern, jetzt untersetzen. Und man höre und staune: Das Bundesverkehrsministerium will nun ein Konzept für das angekündigte Förderprogramm erstellen und bis Ende 2018 eine Bund-Länder

Arbeitsgruppe zur Erarbeitung von Kriterien einrichten. Das werden wir im Oktober bei der Verkehrsministerkonferenz mit dem Bund klären.

Jetzt kommen wir zu dem einzigen substanziellen Teil Ihres Antrags, nämlich dass Sie eine Frist für ein Konzept gesetzt haben. Das Konzept haben wir, wir arbeiten ja danach; das einzige Datum, das Sie gesetzt haben, ist im März nächsten Jahres. Wir sind schneller als Sie, wir werden bereits Ende des Jahres aufgrund des Programms des Bundes den Fahrplan für dieses Förderprogramm erstellen. Von daher ist Ihr Antrag obsolet.

Nur wollen wir uns damit nicht zufriedengeben. Vielmehr haben wir tatsächlich im Land selber eigene Anstrengungen an den Tag zu legen; denn es gibt nun einmal Strecken, die auch dann, wenn sie nicht beim Bundesverkehrswegeplan angemeldet sind, durchaus einer näheren Betrachtung unterzogen werden sollten. Dazu gehört die Strecke Plauen – Bad Brambach in Richtung Tschechien genauso wie diejenige von Leipzig nach Grimma und darüber hinaus oder Leipzig – Zeitz – Gera.

Das alles sind Dinge, die wir bereits bearbeiten, entweder indem wir Machbarkeitsstudien durchführen oder indem wir zum Beispiel über die letzte Strecke mit Thüringen reden, weil der größte Anteil nun einmal auf Thüringer

Flur liegt. Man muss aber bitte auch noch einmal Folgendes zur Kenntnis nehmen: Nicht jede Strecke, die elektrifiziert werden sollte, kann elektrifiziert werden, weil es auch weiterhin so ist, dass bestimmte Strecken schlichtweg unwirtschaftlich wären, wenn wir sie elektrifizierten.

Deshalb plädiere ich auch dafür, nicht nur den Ausbau des Drahtes in den Mittelpunkt zu stellen, sondern parallel genau zu betrachten, wie wir alternative Antriebstechnologien gerade auch in der Eisenbahn unterstützen. Wir sehen alle mit großem Interesse und Neugier, was in Niedersachsen mit dem Hybridzug passiert. Meines Erachtens ist auch Sachsen dafür prädestiniert, solche Innovationen auszuprobieren, und wir sind durchaus stolz, mit dem EcoTrain auch einen eigenen Beitrag dazu zu leisten.

Wenn wir uns über die notwendigen Investitionen in die Elektrifizierung unterhalten, sollten wir berücksichtigen, dass dies ein ziemlich umfangreiches und teures Unterfangen ist, nicht nur bei den Planungen, sondern auch bei der Realisierung; denn es gibt Strecken, an denen man extra Bahnstrom anbringen müsste, während er bei anderen Strecken bereits anliegt. Von daher muss man sich genau anschauen, wie teuer uns das käme. Das sind die Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen, die jeder Strecke zugrunde liegen müssen. Wie schon gesagt, wir haben da viel vor.

Für unredlich halte ich, die jetzt vorgenommene Anmeldung für die Autobahn als Beleg dafür zu nehmen, dass wir nichts für die Schiene machen. Was Sie hier vollziehen, ist politische Marktschreierei, denn ich habe auch in meiner letzten Rede zu diesem Thema gesagt: das eine tun, ohne das andere zu lassen.

Ich möchte, dass wir mehr Güterverkehr auf die Schiene bringen. Wir sind diejenigen, die zusammen mit der Deutschen Bahn jetzt eine eigene Arbeitsgruppe zur rollenden Landstraße auf den Weg gebracht haben, um tatsächlich Strecken zu finden, die dafür geeignet sind; denn Folgendes wissen Sie auch: Für die rollende Landstraße braucht man lange Entfernungen, damit es sich rechnet. Die damalige rollende Landstraße, die es von Dresden nach Tschechien gab, war schlichtweg unwirtschaftlich.

Von daher sind wir hier schon weitere Schritte gegangen. Wir werden auch Ende des Jahres mit der Strecke über Horka diejenige Strecke wieder in Betrieb nehmen, die hoffentlich zur weiteren Entlastung führt. Wir wünschen uns mehr Güter auf die Schiene und wollen dafür auch die Voraussetzungen schaffen. Wir wollen die Leute vom Bahnlärm befreien; auch dazu dient die Elektrifizierung. Ich werde Sie an diese Argumente aber erinnern, wenn wir dann über die Neubaustrecke Dresden – Prag reden.

Vielen Dank.