Protokoll der Sitzung vom 07.11.2018

Bei der Lektüre des Gesetzentwurfes habe ich mich zunächst darüber gewundert, weshalb sich linke oder links-grüne Hochschulpolitik – das ist in dem vorliegenden Opus treffsicher immer die teuerste, am wenigsten praktikable und rechtlich fragwürdigste – für genau diese Konzepte entscheidet. Ich möchte das gern an einigen Beispielen festmachen, Stichwort: Akkreditierungspflicht für neue Studiengänge.

(René Jalaß, DIE LINKE: Gute Sache!)

Geschmiedet wurde dieses Schwert im Feuer der Einführung des Bologna-Prozesses 2003. Im Grunde kam darin die Skepsis zum Ausdruck, ob Bologna wirklich funktioniert. Es handelt sich um das teuerste und personalaufwendigste Prüfinstrument zur Qualitätssicherung an unseren Hochschulen. Wenn man sich den Aufwand anschaut, sind oftmals die Akkreditierungsfristen recht kurz. Schon dreht sich das Prüfkarussell wieder.

In die Kategorie bürokratische Monster gehört Ihre Idee, dem Gleichstellungsbeauftragten bzw. der Gleichstellungsbeauftragten auf allen Ebenen der Hochschule ein Vetorecht einzuräumen. Das würde alle Verfahren weiter verkomplizieren und verlängern. Dies passt jedoch genau in Ihr Weltbild, meine Damen und Herren von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Teuer reicht nicht, wie wir gesehen haben. Man lässt sich auch noch bürokratische Monster einfallen, mit denen die

Hochschulen beglückt werden sollen. Auch hierfür ein Exempel: Kommt es zwischen dem Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst und einer Hochschule nicht zu einer Zielvereinbarung, soll es künftig ein Schlichtungsverfahren geben. Jetzt legt das SMWK die Ziele in solch einem Fall selbst fest – so weit, so gut. Warum nicht ein Schlichtungsverfahren? Bei Ihrem Entwurf, liebe Kolleginnen und Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, muss man allerdings davon ausgehen, dass es keine Einzelfallschlichtung gäbe, sondern eine ständige Schlichtungskommission. Das ist wieder eine Einrichtung, die Geld kostet, die Arbeit verkompliziert und die Zeitabläufe verlängert. In jedem Fall würde ein solches Schlichtungsorgan jede Menge Zeit benötigen. Was wäre dadurch gewonnen?

Es gibt noch andere Punkte in Ihrem Gesetzentwurf, in denen Sie es darauf anlegen, möglichst viele öffentliche Gelder zu verbraten. Einer ist die von Ihnen gewünschte Abschaffung der Langzeitstudiengebühr. Dabei ist diese Gebühr eines der wenigen den Hochschulen verbliebenen Steuerungsinstrumente. In Deutschland herrscht glücklicherweise Studienfreiheit. Aber heißt das, dass jemand, der sein Studium nicht innerhalb der Regelstudienzeit beendet, ad infinitum weitermachen kann?

(Zuruf von den LINKEN: Ja!)

Im Prinzip kann er, ja. Aber da die Hochschulen bei der Mittelvergabe wesentlich an der Einhaltung der Regelstudienzeit gemessen werden, ist jede Überschreitung nicht nur ärgerlich, sondern schadet der betroffenen Hochschule ganz konkret.

Ich möchte ebenfalls einen anderen strittigen Punkt erwähnen. Ich spreche von der partiellen Ausbreitung des Promotionsrechtes auf die Fachhochschulen. Natürlich sind solche Kooperationen, die sogenannten kooperativen Promotionsverfahren, zwischen Fachhochschulen und Universitäten in bestimmten Fällen nicht nur denkbar, sondern haben sich inzwischen sehr bewährt. Im Vordergrund muss die Wahrung der Qualität stehen. In diesem Zusammenhang muss die Auswahl der Gutachter größte Beachtung finden. Wir können nicht so tun, als seien Forschung und Angewandte Wissenschaften ein und dasselbe. Das sind sie nicht. Beide sind notwendig, aber beide unterscheiden sich deutlich voneinander.

Apropos Promotion: Was wir am wenigsten brauchen, ist die Einführung von Promovierendenräten. Die Betreffenden werden in den Universitäten in aller Regel ausreichend durch die Gruppe der wissenschaftlichen Mitarbeiter in den Gremien vertreten. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass jemand, der sich auf ein wichtiges akademisches und berufliches Ereignis gründlich vorbereitet, noch Zeit und Lust hat, sich in einem solchen Gremium mit Dingen zu befassen, die in der Promotionsphase eher dritt- als zweitrangig sind.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, es zeigt sich, wie sehr es Ihrem Gesetzentwurf an Praxisnähe fehlt und wie sehr dieser

Gesetzentwurf L'art pour l'art darstellt. Noch gravierender erscheinen mir Ihre Versuche, zu einer Zwangsmitgliedschaft der verfassten Studentenschaft zurückkehren zu wollen – selbstverständlich unter Inanspruchnahme eines allgemeinpolitischen Mandats. Das finde ich nur abenteuerlich. Es geht Ihnen offenkundig immer wieder um die Verankerung ideologischer Indoktrinationen in der Gesellschaft, am liebsten in Gesetzen. Dieser Versuchung können Sie in Ihrem vorliegenden Entwurf nicht widerstehen.

Die obligatorische Verankerung des Prinzips der ausschließlichen Friedenstauglichkeit von Forschung ist das beste Beispiel dafür. Sie wissen ganz genau, wie oft und wie leicht die Ergebnisse friedlicher Forschung für unfriedliche Zwecke genutzt werden können – abgesehen davon, dass auch militärische Forschung, abhängig von ihrer Zielsetzung und von den Absichten der Auftraggeber, sinnvoll sein kann, jedenfalls nach meinem Dafürhalten. All dies zeugt nur von Ihrer nicht moralischen, sondern moralinsauren Selbstgerechtigkeit.

Wenn ich alles zusammennehme, meine Damen und Herren, was ich hier vorgetragen habe – bürokratische Monstrosität, finanzielle Maßlosigkeit und ideologische Bevormundungsversuche –, dann werden Sie nicht überrascht sein, wenn ich Ihnen hiermit ankündige, dass die CDU-Fraktion diese gesetzgeberische Fehlkonstruktion ablehnen wird.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Nun für die Fraktion DIE LINKE Herr Abg. Jalaß. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren und AfD! Herr Clemen, es tut mir leid, Sie müssen noch einmal ganz kurz ganz stark sein.

(Lachen bei den LINKEN)

Der vorliegende Gesetzentwurf ist nach unserem eigenen nun ein zweiter Anlauf zur Änderung des Hochschulfreiheitsgesetzes in dieser Legislaturperiode, noch ein Versuch, die sächsischen Hochschulen dabei zu unterstützen, endlich selbstverwaltet und autonom agieren zu können. Derweil schläft die Regierung weiter den Schlaf der Gerechten.

Ich möchte auf die wesentlichen Forderungen eingehen, die auch für uns ein wichtiger Schritt hin zu wirklich freien, demokratischeren und vielfältigen Hochschulen wären. Wir unterstützen es, die Entscheidungsgremien wie Fakultätsrat, Senat und Erweiterten Senat paritätisch zu besetzen. Alle Mitglieder an den Hochschulen, das heißt Studierende, künstlerische und wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Hochschullehrende sowie die sonstigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,

müssen gleiches Stimmrecht erhalten. Das wäre doch schon mal ein guter Anfang.

Diejenigen in diesem Hause, die immer den Habitus der Mehrheitsmacht vor sich hertragen, werden das sicher verstehen. Es wäre doch vielmehr ein Festival der Demokratie, wenn die Lehrenden gleichberechtigt mit den Studierenden an einem Tisch sitzen dürften. Warum soll denn ausgerechnet die größte Mitgliedergruppe den geringsten Einfluss in der Hochschule haben? Folgerichtig ist es dann auch, dem Senat wieder mehr Kompetenzen zu übertragen. Bei den studentischen Prorektoren und Prorektorinnen hätten wir uns über eine generelle Einführung gefreut,

(André Barth, AfD: Bei wem?)

statt nur einer Kannbestimmung. Die Hochschulräte können aus unserer Sicht komplett weg. Dieser Ausfluss des radikalen neoliberalen Umbaus der Hochschulen in den letzten Jahrzehnten ist dann doch eher so nützlich wie ein Loch im Kopf.

(Beifall bei den LINKEN)

Die Austrittsoption aus der verfassten Studierendenschaft ist Blödsinn und muss raus aus dem Gesetz. Auch hier finden wir uns wieder. Hier und heute ist es zudem zwingend notwendig, das politische Mandat der Studierendenvertretung zu erweitern. Auch an den Hochschulen existiert Rassismus, existieren Ideologien der Ungleichwertigkeit, und von außen mischt sich nun eine verkommene Faschistenpartei ein,

(André Barth, AfD: Hä? Wer?)

für die das Grundgesetz einer linksextremistischen Hetzschrift gleicht. – Habe ich Sie jetzt getriggert?

(Lachen und Zurufe von den LINKEN – Zurufe von der AfD – André Barth, AfD: So ein Blödsinn passt nicht in meinen Kopf hinein!)

Meine Damen und Herren! Gute Arbeit in der Wissenschaft durch Mindestvertragslaufzeiten und den Kampf gegen Befristungen finden wir richtig. Diese elende Ausbeutung von Menschen im Wissenschaftsbetrieb muss verdammt noch mal endlich aufhören!

(Beifall bei den LINKEN – Ines Springer, CDU: Also, wir sind hier im Parlament!)

Der Mittelbau trägt einen Großteil der Leistung weg, und viele hochqualifizierte Beschäftigte wissen heute nicht einmal, ob sie nächstes Jahr zu Weihnachten noch einen Job haben.

Die Abschaffung des Lehrstuhlprinzips finden Sie bereits in unserem Entwurf. Das ist uns ebenfalls ein wichtiges Anliegen. Das Lehrstuhlprinzip ist nicht mehr zeitgemäß und stellt eine Gefahr für die Zukunftsfähigkeit unserer Hochschulen sogar im internationalen Vergleich dar. Det kann ja nu och keener woll‘n, wa?

Um Studienqualität und Studienbedingungen zu verbessern, soll eine Akkreditierungspflicht eingeführt werden,

und alle Studiengänge sollen in Teilzeit studierbar sein – gute und wichtige Punkte. Für den Nachweis der Prüfungsunfähigkeit soll der Krankenschein ausreichen. Für Letzteres hat sich auch schon die LRK ausgesprochen. Auch bei mir und meiner Fraktion trifft das auf vollste Zustimmung, logisch; denn Studierende unter den Generalverdacht der Faulheit zu stellen und das mit Schikanen wie dem Zwang zur Offenlegung der Symptome zu begleiten, ist nichts weiter als eine bodenlose Frechheit.

(Beifall bei den LINKEN – Zuruf des Abg. Peter Wilhelm Patt, CDU)

Zum Thema Studiengebühren kann ich nur sagen: Bildung ist Menschenrecht, und Menschenrechte haben kein Preisschild. Wir wollen allerdings auch die Gebühren für das Zweitstudium abschaffen, Stichwort: lebenslanges Lernen.

(Lachen bei der AfD)

In Zukunft sollten wir, statt Langzeitstudiengebühren zu erheben, vielleicht auch einmal grundsätzlich die Regelstudienzeit an sich infrage stellen. Statt aufdringliche Krankheitsnachweise zu erfinden, könnten wir auch die Dreiversuchsregel abschaffen. Das nähme Druck von den Studierenden. Das verhindert Studienabbrüche.

Herr Patt, vor einigen Jahrzehnten konnte man „Regelstudienzeit“ noch nicht einmal buchstabieren. Die gab es nicht.

Meine Damen und Herren! Gleichstellung, Inklusion und Diversity – wir hinken hier in Sachsen bei der Erfüllung dieses gesellschaftlichen Auftrags hinterher. Diesen Bereichen zu mehr Kraft und Durchsetzung zu verhelfen findet ebenfalls unsere Zustimmung. Hier braucht es ausfinanzierte Beauftragtenstellen und keine Marginalisierung und erst recht keine steuerfinanzierten Berichte, die am Ende niemand lesen darf.

Das partielle Promotionsrecht für forschungsstarke Bereiche an den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften ist uns hingegen noch nicht genug. Wir wollen ein generelles Promotionsrecht für alle HAW.

Den Vorschlag, dass sich Hochschulen in ihren Grundordnungen Zivilklauseln geben können, befürworten wir. Forschung soll dem Frieden dienen und nicht dem Tod. Wir setzen uns dennoch weiter für eine verbindlichere Regelung ein.

Meine Damen und Herren! Dieser Gesetzentwurf geht die grundlegenden Probleme an den sächsischen Hochschulen an. Er ist an Stellen nicht so konsequent wie unser Entwurf, aber wir können ihm im Grundsatz folgen.

(Dr. Stephan Meyer, CDU, steht am Mikrofon.)

Wir stimmen deshalb diesem Entwurf zu, damit wir endlich aus dem hochschulpolitischen Mustopf kommen –

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Jalaß?

Nö, ich bin gleich am Ende.

Also nein.