Protokoll der Sitzung vom 14.12.2018

es inzwischen viel mehr Kinder mit psychischen und Verhaltensproblemen gibt.

Laut dem Kinder- und Jugendreport 2018 der DAK lag im Jahr 2016 die psychische Prävalenz psychischer Erkrankungen und Verhaltensstörungen bei 259 Fällen je 1 000 Kinder und somit bei über 25 %. Von Entwicklungsstörungen sind 206 von 1 000 Jungen und 132 von 1 000 Mädchen im Alter von null bis vier Jahren betroffen. ADHS – es wurde schon benannt – ist die häufigste und durchaus relevanteste kinderpsychiatrische Störung, welche aktuell diagnostiziert wird.

Laut der sogenannten KiGGS-Studie lag die Prävalenz bei den Drei- bis 17-Jährigen bei 5 %, wobei Jungen dreimal häufiger ADHS aufweisen als Mädchen. Ebenfalls häufig traten im Jahr 2016 neurotische Belastungs- und somatoforme Störungen auf. Hier gab es 53 Fälle je 1 000 Kinder. Kinder mit solchen psychischen Erkrankungen zeigen häufig Verhaltensauffälligkeiten, die es ihnen sehr schwer machen, sich zurechtzufinden und sich zum Beispiel in Klassenverbände zu integrieren. Sie stehlen unter Umständen, sie halten sich nicht an Regeln, sie lügen und finden kaum oder die falschen Freunde. Sie haben es schwerer als ihre Mitschüler. Gleiches gilt für die Erbringung von schulischen Leistungen. Wer in der Schule auf der Strecke bleibt, dem droht dauerhaft ein Leben mit existenziellen Problemen und dank Hartz IV mit einem niedrigen Sozialstatus.

Doch auch die Digitalisierung birgt Gefahren. Sie nutzt nicht nur. So nutzen 34 % von 1 000 befragten Kindern und Jugendlichen soziale Medien, um nicht an unangenehme Dinge denken zu müssen. 14 % nutzten diese sogar heimlich und sogar 13 % sind unfähig, von der Nutzung Abstand zu nehmen, geschweige denn, sie zu stoppen. Das heißt, sie sind abhängig.

Angesichts dieser Entwicklung ist es unerlässlich, dass wir die psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung von Kindern und Jugendlichen verbessern, damit Diagnosen schnell gestellt und Behandlungen auf den Weg gebracht werden können. Die Kinder und Jugendlichen müssen eine Chance auf einen vernünftigen Schulabschluss und somit auf ein Leben mit guter Perspektive haben. Da darf tatsächlich keine Zeit mehr vergeudet werden. Wir danken daher der Koalition für diesen Antrag und hoffen, dass er schnellstmöglich umgesetzt wird. Erste Ergebnisse und Maßnahmen sollten schon vor dem 30. Juni 2019 vorliegen.

Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung auch in Richtung Staatsregierung. Wir wünschen uns oder erwarten, dass die Staatsregierung und auch die Koalitionsfraktionen hier im Landtag die absurden Pläne von Jens Spahn, der psychisch Erkrankten weitere Hürden in den Weg der Therapie stellen will, nicht unterstützt. Solche Äußerungen und Vorschläge gehen an der Lebenswirklichkeit völlig vorbei und lösen keine Probleme.

Ich sagte es bereits, dass wir dem Antrag zustimmen werden, weil er ein Schritt in die richtige Richtung ist, und hoffen, dass er schnell und gründlich umgesetzt wird.

Sie glauben mir sicher, dass ich im Juni nachfragen werde.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN und Einzelbeifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Für die AfD-Fraktion Herr Abg. Dr. Weigand. Sie haben das Wort, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann mich meinen Vorrednern nur anschließen. Wenn meine Kinder irgendein Krankheitsbild hätten, dann wäre es auch mein großer Wunsch, dass man dem schnell nachgeht und eine Behandlung sicherstellt.

Nun liegt der Zweite Sächsische Landespsychiatrieplan seit sieben Jahren vor. Ich denke, das ist ein guter Ansatz, einiges aufzugreifen. Wenn man sich die sächsische Versorgungslandschaft anschaut, dann ist es so, dass wir in den Städten eine bessere Versorgung haben als im ländlichen Raum. Das wurde bereits an Sie vor zwei Jahren mit dem offenen Brief zur stationären Behandlungssituation herangetragen, Frau Staatsministerin

Klepsch. Darin wurde auch Mittweida aus meinem Landkreis genannt. Ich denke, dass dort ein großer Handlungsbedarf besteht, auch wenn ein großer Anteil dieses Antrags einen Prüfteil darstellt. Wir sind der Meinung, dass bereits genügend Informationen vorliegen. Wir sehen den Handlungsbedarf gegeben, das schnell umzusetzen. Deswegen werden wir Ihrem Antrag zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Herr Abg. Zschocke. Bitte sehr, Herr Zschocke, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ärztemangel in Sachsen ist auch in diesem Bereich spürbar, der sonst relativ wenig Aufmerksamkeit bekommt, also im Bereich der psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Es ist von einem Brief berichtet worden, den die Bundesarbeitsgemeinschaft der leitenden Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie 2016 an das Gesundheitsministerium geschrieben hat. Darin wird noch einmal deutlich, dass es nicht unbedingt an stationären Plätzen fehlt, sondern an Personal, weil es unattraktive Arbeitsbedingungen in Sachsen gibt, die es erschweren, vor allem im ländlichen Raum neue Fachärzte zu finden.

Wir haben in den Kinder- und Jugendpsychiatrischen Kliniken in Arnsdorf bei Dresden, bei Rodewisch und in Mittweida – das ist in den Vorreden bereits deutlich geworden – unzumutbar lange Wartezeiten für Behand

lungsplätze. Da ist es sicher ein notwendiger erster Schritt, heute diesen Berichtsantrag auf den Weg zu bringen. Der Landtag muss sich aber tatsächlich intensiver mit dem Thema befassen. Ein Überblick zur Versorgung und Vernetzung der Angebote in Sachsen ist erst einmal eine Voraussetzung, um weitere politische Schritte beschließen zu können. Die zwei Prüfaufträge, die Sie in Ihrem Antrag beschreiben, zeigen, in welche Richtung es gehen soll. Da sollen verschiedene Akteure an einen Tisch geholt werden, um die Zusammenarbeit zu stärken. Digitale Lösungen sollen auch erprobt werden. Ich denke, dieser Auftrag an das Ministerium ist noch ein ganzes Stück vage. Er droht auch an der einen oder anderen Problemlage vorbeizugehen.

Ich möchte noch drei Anmerkungen zum Antrag aus unserer Sicht machen. Es fehlen wichtige Partner am Tisch, so, wie Sie es beschrieben haben. Wir meinen, Schulen sowie Jugendsozialarbeit und Schulsozialarbeit müssen dringend einbezogen werden. Denn diese Bereiche können und sollen präventiv wirken. Sie sind neben den Eltern besonders nah an den jungen Menschen dran und können wichtige Ansprechpartner sein, wenn psychische Probleme auftreten. Wenn man auf Länder wie Kanada oder Australien schaut, sind diese bei der universellen Prävention im Kontext Schule bereits viel weiter als Deutschland. In Sachsen bestehen zumindest Angebote, beispielsweise Prävention im Team. Aber auch Gremien wie der Landespräventionsrat und die Partner bei der Umsetzung des Bundespräventionsgesetzes sollten bei so einem Fachaustausch nicht fehlen. Sie haben das in Ihrem Antrag offen formuliert, dass noch weitere Personen dazugeholt werden können.

(Dagmar Neukirch, SPD: Dann dauert das alles noch länger!)

Zweitens. Sie beziehen sich im Antrag auf den Zweiten Sächsischen Landespsychiatrieplan als Beratungsgrundlage. Er ist sieben Jahre alt, das wurde bereits erwähnt. Welche Ziele die Staatsregierung aber im Bereich der psychiatrischen Versorgung verfolgt, das bleibt zunächst Ihr Geheimnis. Vielleicht hören wir nachher noch etwas von der Ministerin. Von der Arbeit des Landesbeirates Psychiatrie ist seit 2016 nicht mehr öffentlich berichtet worden. Auch damals bestand die Meldung lediglich daraus, dass weitere Mitglieder in den Beirat aufgenommen wurden. Da muss es mehr Transparenz geben und es muss klar formulierte Ziele geben, die den Aufgaben der Gegenwart tatsächlich entsprechen.

Da gibt es den bundesweiten Verein „Irrsinnig Menschlich“. Dieser unterstützt Jugendliche und junge Erwachsene mit Präventionsangeboten zur psychischen Gesundheit. Frau Ministerin Kleppsch, Sie sind eine der Schirmherrinnen dieses Vereins. Daher wissen Sie auch, dass psychische Erkrankungen in drei Viertel aller Fälle vor dem 24. Lebensjahr beginnen. Ihr Ministerium sollte auch darauf reagieren und nicht nur die Politik aus dem Landtag heraus.

Drittens. Die Bedarfsplanung vor allem in der ambulanten Versorgung muss gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung kritisch hinterfragt werden. Psychische Erkrankungen werden immer häufiger auch bei jungen Menschen diagnostiziert. Das heißt, wir müssen dafür sorgen, dass der Versorgungsschlüssel dahin gehend angepasst wird.

Der Antrag wurde nicht im Ausschuss behandelt. Eine Anhörung von Expertinnen und Experten oder eine fachpolitische Debatte konnten wir nicht durchführen. Wir unterstützen den Antrag der Koalition, werden aber genau hinsehen, ob dann tatsächlich konkrete Schritte folgen. Die Not der betroffenen jungen Menschen ist viel zu groß und die Aufgabe ist viel zu ernst, um sich mit Berichtsanträgen zufrieden zu geben, die zunächst einmal in der Realität keine Wirkung entfalten können. Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Das war in der Aussprache die erste Runde. Gibt es Redebedarf vonseiten der Fraktionen für eine weitere Runde? Das kann ich nicht feststellen. Ich frage die Staatsregierung. – Frau Staatsministerin Klepsch, Sie haben nun das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Psychische Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland sind eigentlich rückläufig. Das zeigen zumindest die Ergebnisse der Welle 2 der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen für den Zeitraum von 2014 bis 2017. Diese Studie wird übrigens auch in der Begründung dieses Antrages zitiert.

Dennoch stellen wir in der Praxis einen Anstieg der Zahl der Minderjährigen mit psychosozialen Auffälligkeiten fest. So nahmen beispielsweise Eingliederungshilfemaßnahmen für Kinder und Jugendliche für seelisch behinderte junge Menschen in Sachsen zwischen 2011 und 2016 um 64 % zu.

Die Problemlagen der Betroffenen und ihrer Familien sind meist so umfassend und vielschichtig, die Störungen oder Auffälligkeiten der psychosozialen Entwicklung so fortgeschritten und manifestiert, dass einzelne Hilfesysteme oder Professionen diese Herausforderungen nicht allein bewältigen können.

Zu Recht weist der Antrag daher darauf hin, dass wir hier ein abgestimmtes und kooperatives Handeln der verschiedenen Hilfeanbieter benötigen. Das ist unabdingbare Voraussetzung für eine wirklich erfolgreiche Versorgung. Mein Haus, das Sozialministerium, fordert und unterstützt deshalb seit vielen Jahren die Vernetzung und multiprofessionelle Kooperation der Hilfesysteme. Ja, wir beginnen hier nicht bei null. Ich möchte dazu kurz ein Beispiel nennen.

In den Jahren 2014 bis 2017 haben wir das Modellprojekt „Optimierung der Zusammenarbeit an der Schnittstelle Kinder- und Jugendhilfe, Jugendamt und Kinder- und Jugendpsychiatrie in Dresden“ gefördert. Hier wurden neue Ideen für die fachübergreifende Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit komplexen Hilfebedarfen entwickelt. Dabei wurde die Kooperationsvereinbarung zwischen Jugendamt, Gesundheitsamt und Kinder- und Jugendpsychiatrie an die neuen Herausforderungen angepasst. Im Ergebnis entstand unter anderem ein Konzeptentwurf für eine Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung mit niedrigschwelliger fachärztlicher Unterstützung. Dazu wurde parallel ein Curriculum entwickelt und auch durchgeführt, mit dem die Zusammenarbeit von Kinder- und Jugendpsychiatrie und Kinder- und Jugendhilfe optimiert wurde. Gefördert wurde dies durch die FriedeSpringer-Stiftung.

Ziel war dabei unter anderem, ein Verständnis für die Sprache des anderen als Grundlage einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zu entwickeln. Wie dieser Ansatz in der Praxis erfolgreich ankommt und wirkt, davon konnte ich mich persönlich beim Besuch der Wohngruppe für Kinder und Jugendliche „Outlaw“ in Dresden in Begleitung der Besuchskommission überzeugen.

Ja, an die Projektergebnisse und andere Ansätze gilt es jetzt anzuknüpfen. Der Antrag liefert hier ein gutes Grundgerüst. Minderjährige mit schweren Beeinträchtigungen der psychosozialen Entwicklung benötigen in der Regel Erziehung und Therapie. Durch die intensive, auch aufsuchende ambulante Behandlung werden die positiven Effekte der Kinder- und Jugendhilfe in maßgeblicher Weise noch verstärkt. Von herausragender Bedeutung ist selbstverständlich, dass Entwicklungsverzögerungen und Verhaltensbesonderheiten von Kindern und Jugendlichen möglichst früh erkannt werden. Damit verhindern wir, dass diese chronisch werden, und beugen familiären Krisen und Fehlentwicklungen vor. Das ist deshalb besonders wichtig, weil die mit psychischen Störungen verbundenen akuten Beeinträchtigungen langfristig einen besonders negativen Einfluss haben können, wenn sie im Kindes- und Jugendalter auftreten. Sie können in diesen wichtigen Lebensphasen die persönliche, berufliche und soziale Entwicklung der Betroffenen beeinträchtigen.

Lassen Sie mich abschließend noch darauf hinweisen, dass wir auch mit dem neuen Krankenhausplan, der am 1. September in Kraft getreten ist, eine Grundlage für

innovative multiprofessionelle Intervention geschaffen haben. Zum Beispiel bietet die in den Plan aufgenommene Schaffung eines Zentrums für seelische Gesundheit am Uniklinikum in Dresden einerseits die Möglichkeit für eine überörtliche und krankenhausübergreifende Aufgabenwahrnehmung, andererseits können individuell fokussierte Therapieansätze zu Behandlungskonzepten mit Bezugspersonen erweitert werden, und das insbesondere im Kindes- und Jugendalter. Familientherapeutische Ansätze oder auch die Mutter-Kind-Therapie unter Einbeziehung anderer Professionen bieten hier neue Chancen.

Der Antrag zeigt aus meiner Sicht sehr gut die Richtung, wie all diese Initiativen und Versorgungsansätze zum Wohl der betroffenen Kinder und Jugendlichen zusammengeführt werden können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Meine Damen und Herren! Das Schlusswort haben die Fraktionen CDU und SPD. Herr Abg. Wehner. Sie sprechen gleich für beide Fraktionen?

Ja, das mache ich für beide Fraktionen. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf mich erst einmal für die Debatte bedanken und dafür, dass Sie in Aussicht gestellt haben, diesem Antrag zuzustimmen. Ich darf mich für das Protokoll auch noch bei Herrn Prof. Rösner, dem Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Dresden, bedanken, der in vielen Gesprächen diese Initiative begleitet hat. Ich denke, wir bekommen hier zusammen einen guten Antrag hin.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 6/15387 zur Abstimmung. Wer möchte zustimmen? – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag einstimmig angenommen worden. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 7

Folgen der Enteignung von Erben von Bodenreformland wiedergutmachen –

Gerechtigkeit, Vertrauen in den Rechtsstaat und Rechtsfrieden herstellen!

Drucksache 6/13871, Antrag der Fraktion DIE LINKE,

mit Stellungnahme der Staatsregierung