Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ja, der Sportlehrerverband Sachsen kritisiert die geplanten Kürzungen in den Stundentafeln in den Fächern – wir haben es gehört – Sport, Kunst und Musik, hauptsächlich natürlich im Sportbereich, und hebt die positiven Effekte von Sport und Bewegung für Kinder und Jugendliche in seiner Petition deutlich hervor. Ich zitiere: „Insbesondere die massive Kürzung im Sportunterricht entfalte eine fatale Signalwirkung in einer zunehmend digitalisierten und verkopften Gesellschaft.“
Das ist dieser Anspruch, den sie haben, und den unterstützen wir als Fraktion DIE LINKE natürlich auch.
Die Petition ist von vielen unterstützt worden, Frau Zais hat es gesagt. Ich habe jetzt noch einmal die genaue Zahl herausgefunden. Es sind 29 580 Bürgerinnen und Bürger, die dieses Anliegen massiv unterstützen. Deswegen ist es schon schwierig, wie sich der Petitionsbericht in dieser – sage ich mal – aus meiner Sicht sehr lapidaren Art und Weise mit dem Thema auseinandersetzt. Ich finde es sehr schade, weil die Petenten sich wirklich sehr viel Mühe gemacht haben, in der Öffentlichkeit ihr Anliegen darzustellen, sowohl in der Presse als auch hier im Landtag mit der öffentlichen Übergabe der Petition an den Landtagspräsidenten, wo alle Abgeordneten, die anwesend waren, das Anliegen zumindest positiv aufgenommen haben und sagten, wir müssen dort eine Lösung finden. So habe ich es zumindest gesehen. Davon ist leider im Petitionsbericht nicht mehr viel übrig geblieben.
Bewegungsmangel und dauerhaftes Sitzen verursachen zunehmende Beeinträchtigungen und Erkrankungen. Das ist ein Gesundheitsaspekt, der in den beiden Redebeiträgen vorher noch nicht so sichtbar geworden ist. Deshalb möchte ich es noch einmal deutlich machen. Im Lehrplan sind ganz wichtige Elemente für alle Schüler festgehalten, die umzusetzen sind. Wenn Herr Bienst sagt, wir bieten für die dritte Sportstunde als Alternative GTA an, dann ist das nicht der Breitensport, der für alle Schüler zur Verfügung steht. GTA im Sportbereich ist eingeschränkt für eine Gruppe, meistens 16 bis 20 Schüler, und die anderen orientieren sich in anderen Bereichen. Oftmals ist es so, dass zu GTA im Sportbereich gerade die sportaffinen Schüler gehen, die sowieso gern Sport machen. Aber was machen wir mit dem Großteil der Schüler, die nicht gern Sport machen und lieber den ganzen Nachmittag zu Hause herumsitzen? Das ist das eigentliche Problem. Im Unterricht erreicht man alle Schüler, das erreicht man mit anderen Angeboten in der Breite überhaupt nicht.
Vielleicht noch einmal zum Gesundheitsaspekt. In einer Gesellschaft, in der ein Großteil der Bevölkerung übergewichtig ist und unter Bewegungsarmut leidet, kommt es darauf an, dem so früh wie möglich entgegenzuwirken. Der Grundstein für die Gewichtsentwicklung im Erwachsenenalter wird in den Kindertagen, in den Kindertagesstätten und in den Schulen gelegt. Kurz und gut: Sportli
che Betätigung stärkt nicht nur die Physis, sondern auch die Psyche des Menschen und sein Sozialverhalten. Deswegen kann ich die Antwort im Petitionsbericht überhaupt nicht nachvollziehen, zu sagen, wir wollen damit die Unterrichtsbelastung der Schüler verringern. Das ist falsch. Es ist folglich völlig kontraproduktiv, die sogenannte Unterrichtsbelastung durch Kürzung im Sportunterricht und in den persönlichkeitsbildenden Fächern Kunst und Musik zu verringern.
Das Gegenteil ist der Fall: Bewegung, Sport, Kunst und Musik dienen der Entspannung und wirken natürlich dann auch entlastend. Das sollte man hier unbedingt berücksichtigen.
Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst empfehlen, dass der Petitionsausschuss den Petenten auch das Protokoll dieser Debatte übermittelt, weil ich es als richtig empfinde, die Wertschätzung, die das Parlament diesem Thema entgegenbringt, auch den Petenten mitzuteilen. Ich verstehe ein wenig die Unzufriedenheit, was den Text der Petition angeht. Aber hier sind wir wieder etwas gefangen im Verfahren, vor allem das Petitum am Ende, dass dieser Petition nicht abgeholfen werden kann, denn es stimmt eigentlich nicht. Im Kern wird dieser Petition abgeholfen, zumindest teilweise. Da wir als Ausschuss manchmal Schwierigkeiten haben, das auszudrücken, ist das etwas unglücklich formuliert, und auch deswegen würde das Plenarprotokoll helfen.
Was ist passiert? Die Ankündigung einer Stundentafelkürzung, von der mein Kollege Herr Bienst vorhin gesprochen hat, umfasst tatsächlich insgesamt 13 Wochenstunden Sport in allen Schularten. Das ist eine ganze Menge. Daraufhin ist diese Petition zustande gekommen und es sind zahlreiche Gespräche geführt worden, sowohl mit den Petenten als auch mit Schulleitern bzw. Fraktionen und Ähnlichen. Am Ende übrig geblieben sind sechs Stundentafelkürzungen über alle Schularten in allen Jahrgangsstufen. Das ist ein gehöriger Erfolg, auf den die Petenten stolz sein könnten, wenn sie wüssten, dass es ein Erfolg ist. Deshalb halte ich es für wichtig, das Ergebnis explizit mitzuteilen.
Es ist ein Satz zitiert worden, von Frau Zais, denke ich: Nur Schulsport bewegt alle. Das stimmt einerseits schon, aber anderseits weist dieser Satz auf ein ganz zentrales Problem hin: dass wir Bewegungsförderung in der Schule immer nur im Sportunterricht sehen und vielleicht noch bei den GTA, die aber nicht verpflichtend sind. Der
Ich nenne als Beispiel die Grundschule in Bad Brambach im Vogtland. Da wird nicht 45 Minuten durchunterrichtet, sondern nach 15 Minuten gibt es eine kurze Pause. Dann stehen alle auf und es werden Fingerübungen und ein bisschen Gymnastik gemacht. Alle sind wieder frisch und es geht weiter an die Arbeit. Das ist ein tolles Beispiel für bewegte Schule. Ich war an einer anderen Schule, nicht in Sachsen, dort ging es um Längenmaße. Wie lang ist ein Meter? Die Klasse ist im Sachkundeunterricht rausgegangen in den Garten nebenan und hat Stöcke gesammelt. Die wurden nebeneinandergelegt, bis 100 Meter erreicht waren. Dann ist man hin- und hergelaufen und hat erfahrbar gemacht, was diese 100 Meter bedeuten. In der Grundschule findet so etwas häufig Anwendung, aber das muss in der weiterführenden Schule nicht aufhören. Eine Flächenberechnung im Mathematikunterricht kann ich am Objekt auf dem Schulhof vornehmen. Nur Schulsport bewegt alle, stimmt so nicht, denn auch in anderen Unterrichtsfächern kann man die bewegte Schule umsetzen. Auch dabei kann der Sportlehrerverband eine große Hilfe sein, wenn es darum geht, das Know-how zu vermitteln.
Insofern bitte ich: Konzentrieren wir uns nicht immer nur auf die Schulsportstunden, die für manche Schüler tatsächlich keine freudige Anregung sind, sondern versuchen wir mit vielen Gelegenheiten, diese Freude breit zu vermitteln.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte eigentlich die Rede von Frau Wilke zu Protokoll geben, aber ich muss noch einige Worte sagen, weil mich das hier etwas fassungslos macht.
Herr Bienst, Sie haben gesagt, Sie waren überrascht von der Kürzung. Welches Parteibuch hat denn Ihr Kultusminister? Wer regiert hier eigentlich in Sachsen? Reden Sie miteinander? Wie funktioniert diese Regierung in Sachsen? Da haben Sie ein Armutszeugnis geliefert.
Aber Sie machen Politik auf Sicht. Wir hatten im Schuljahr 2007/2008 300 000 Schüler in Sachsen, zehn Jahre später 367 000 Schüler. Sie haben in der gleichen Zeit 100 Schulen geschlossen und über 1 000 Lehrer abgebaut. Sie haben hier wirklich gegen den Trend gearbeitet. Das baden wir jetzt aus. Deswegen haben wir eine abweichende Meinung zu der Petition,
wo Schulsport als Resultat Ihrer glorreichen Politik gestrichen werden muss. Schauen wir uns das steigende Übergewicht von Schülern an. In der ersten Klasse sind es 9 %, in der zweiten Klasse 13 % und in der sechsten Klasse sind es 18 %. Wir können gern noch mehr Schulsport streichen. Da spreche ich aus Erfahrung als Mensch, der in jungen Jahren auch mit Übergewicht zu kämpfen hatte. Es würde den Schülern guttun, wenn sie regelmäßig Sport treiben. Das macht nicht immer Spaß. Ihre Lösung sind die Ganztagsangebote, wo die Schüler in Vereinen Sport treiben können. Aber wo sind die Trainer flächendeckend im ländlichen Raum? Da müssen die Eltern die Kinder nachmittags hin- und herfahren und das ausbaden, was Sie jahrelang verbockt haben. Das ist eigentlich nur ein Versagen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Im April wurde die Petition mit viel Engagement von den sächsischen Sportlehrern an den Landtag übergeben. Das Erfreuliche damals war, dass erstens Abgeordnete von allen Fraktionen vor Ort waren und sich zweitens alle anwesenden Abgeordneten positiv zum Inhalt der Petition geäußert haben. Das haben auch die Gespräche mit den Sportlehrern vor Ort bestätigt.
Bedauerlich, aber vor allem erstaunlich empfinde ich daher, dass der Petition nicht abgeholfen werden soll, auch deshalb, weil die Sportlehrer zur Petitionsübergabe unterstützende Offerten aus dem Regierungslager erhalten haben. Ich war gerade auf Ihren Redebeitrag, Frau Friedel, sehr gespannt, denn Sie hatten den Sportlehrern damals angeboten, sich für eine parlaments- oder fraktionsübergreifende Unterstützung dieses Anliegens einzusetzen.
Was ist daraus geworden? Bei uns jedenfalls haben Sie sich nicht gemeldet. Eine solche Initiative hätte durchaus Mehrheiten gefunden, denn Sie haben wunderbare Argumente in Ihrer Stellungnahme zur Petition gebracht. Darin steht alles, was wichtig und überzeugend ist. Wie den sächsischen Sportlehrern geht es Ihnen nicht darum, die Kürzung des Unterrichtsvolumens generell zu kritisieren, sondern genau zu schauen, wo es sinnvoll ist. In Sport, Kunst und Musik ist es eben nicht sinnvoll.
Amt. Präsident Thomas Colditz: Zum Abschluss möchte ich noch einmal Staatsminister Piwarz bitten, die Stellungnahme der Staatsregierung vortragen.
Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will zunächst damit beginnen, meinen großen Respekt gegenüber dem Sportlehrerverband auszudrücken, dem es in kurzer Zeit gelungen ist, rund 30 000 Unterschriften zu sammeln, und damit das Anliegen deutlich machen. Ich glaube, auch die Debatte hier im Hohen Hause zeigt, wie wichtig das Thema insgesamt ist.
Ich will auch großen Respekt den Sportlehrerinnen und Sportlehrer im Freistaat Sachsen – ungefähr 5 000 sind es, die Sport unterrichten – für die Arbeit aussprechen, die sie tagtäglich leisten. Das ist ohne Zweifel wichtig, weil natürlich das Thema Sport und Bewegung ganz selbstverständlich in die sächsische Schule gehört und auch weiterhin einen festen Platz in der sächsischen Schule haben wird; das ist selbstverständlich.
Aber angesichts der Debatte – Frau Junge ist schon wieder darauf eingegangen – muss ich dann doch Folgendes sagen: Wenn wir uns darüber beschweren, dass junge Menschen, dass Kinder und Jugendliche zu wenig Bewegung haben, dass wir mit Adipositas mittlerweile in Größenordnungen zu kämpfen haben, dann frage ich mich immer, ob man denn ernsthaft glaubt, dass man mit einer dritten Sportstunde diesem Problem begegnen kann.
Das ist doch eindeutig zu kurz gesprungen und einfach nur ein Alibiargument, damit man hier diese Debatte so führen kann, wie man sie führt.
Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist, wie wir mit dem Thema Bewegung, mit dem Thema Sport, aber auch mit den Themen Gesundheit und gesunde Ernährung insgesamt im schulischen Alltag umgehen und in Zukunft auch besser umgehen. Wir tun das an vielen Stellen: Sportunterricht ist das eine, GTA in verschiedenen Bereichen das andere. Eine gesundheitsbewusste Ernährung ist etwas, was schon in der Grundschule im Sachkundeunterricht drankommt, und dann müssen wir noch ein Stück nachlegen, um junge Menschen dafür zu begeistern und zu motivieren, sich diesem Thema stärker zu widmen und eben selbst zu entscheiden, wann sie sich sportlich betäti
Ich bin dem Sportlehrerverband, mit dem ich schon oft zusammengesessen habe, sehr dankbar, dass er mit mir gemeinsam gesagt hat: Bei all dem, wo wir vielleicht in der konkreten Sache nicht übereinkommen, ist es uns wichtig, gemeinsame Ziele für die Zukunft zu definieren, nämlich zu fragen, wie wir das Thema Sport und Bewegung an sächsischen Schulen stärker, vielleicht anders, aber trotzdem etablieren können.
Nicht nur der Sportlehrerverband, sondern auch der Landessportbund ist meiner Einladung zu einer gemeinsamen Arbeitsgruppe gefolgt, gerade im Bereich GTA, in dem wir die Mittel erheblich nach oben genommen haben, nach Wegen und Lösungen zu suchen, wie es besser gelingt, die Interessen der Sportlehrer, aber auch die des organisierten Sports, gerade des Vereinssports, mit unseren Interessen im schulischen System in Übereinstimmung zu bringen. Die Arbeitsgruppe tagt seit September, wir sind miteinander auf die Zielgerade eingebogen und werden hoffentlich bald erste Ergebnisse erzielen.
Das zeigt, dass uns das Thema Sport und Bewegung an Sachsens Schulen wichtig ist, mit den Partnern, die dort infrage kommen. Ich bin dankbar, dass uns dieser Weg gelingt. Insofern hat diese Petition durchaus schon Wirkung erzielt, und wir arbeiten weiter an diesem Thema.