Protokoll der Sitzung vom 30.01.2019

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie, werte LINKE, wollen also einen Feiertag in Sachsen für Kinder und Familie schaffen. Das soll der erste Freitag im Juni werden. Was ist denn dann mit den Familien, bei denen Eltern eine Sechs-Tage-Arbeitswoche haben? Die werden von Ihrem Gesetzentwurf kein verlängertes Wochenende haben, und das ist damit nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Mehr Zeit mit Familie und Kindern zu verbringen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erhöhen, ist nicht nur das Ziel Ihres Gesetzentwurfes, sondern auch das übergeordnete Ziel der AfD-Fraktion.

(André Barth, AfD: Genau! – Zurufe von den LINKEN)

Wir als AfD wollen aber keine Symbolpolitik, sondern Politik, die heute Probleme löst und unsere sächsischen Familien stärkt. Aktuelle Umfragen zeigen, dass sich Eltern mehr Zeit mit ihren Kindern wünschen. Das ist klar. Aber auch die Kinder wollen mehr Zeit mit ihren Eltern verbringen, vor allen Dingen mit ihren Vätern. Nur ein Drittel der Kinder ist mit der zur Verfügung stehenden Zeit mit ihren Vätern zufrieden. Der Vergleich mit den Müttern zeigt, dass zwei Drittel der Kinder zufrieden sind. Aber auch das ist viel zu wenig.

Wir müssen Familien mehr Zeit für gemeinsame Zeit ermöglichen. Das kann ich als dreifacher Vater nachvollziehen und bestätigen. Aber wir müssen die Ursachen bekämpfen und nicht die Symptome, wie Sie es mit Ihrem Gesetzentwurf versuchen.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Für wen soll denn Ihr Feiertag gelten? Nur für Familien oder für alle?

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ein Feiertag ist immer für alle! So eine unsinnige Frage!)

Ihr Gesetz schafft wieder einen Feiertag für alle. Das kennen wir.

(Zurufe von den LINKEN)

Das ist keine wirkliche Entlastung für Kinder und Familien, wie Sie es geschrieben haben. Was Ihnen Familie bedeutet, haben Sie bereits in den Haushaltsverhandlungen hier im Landtag im Dezember gezeigt. Anstatt unse

rer Forderung zu folgen und das Landeserziehungsgeld finanziell attraktiv zu gestalten, wollen Sie es abschaffen.

(André Barth, AfD: Genau! Schämt euch! – Zurufe von den LINKEN)

Anstatt Eltern die Zeit mit ihren Kindern zu ermöglichen, wollen Sie die Wahlfreiheit der Eltern beschneiden. Anstatt Eltern zu entlasten, wollen Sie sie so schnell wie möglich wieder an den Arbeitsmarkt bringen. Das zeigt mir Ihr Bild von Familienpolitik.

(Zurufe von den LINKEN)

Damit ist Ihr Antrag scheinheilig, weil er die Eltern nicht wirklich entlastet. Familien brauchen nicht einen freien Tag im Jahr, der schnell vergeht, sondern wöchentlich und täglich eine zeitliche und finanzielle Entlastung.

In Deutschland gibt es 17,6 Millionen Ehen. Die Hälfte davon ist kinderlos. Das Ehegattensplitting kostete 2016 rund 22 Milliarden Euro. Mit dem Familiensplitting der AfD sollen zukünftig nur Familien mit Kindern Steuerentlastungen erhalten. Damit würden wir 10 Milliarden Euro für unsere Kinder und Familien freimachen. Mit diesen 10 Milliarden Euro könnten wir dann wirklich Kinderarmut bekämpfen.

Ihr Gesetzentwurf bekämpft aber nur Symptome. Wir als AfD wollen die Ursachen bekämpfen. Wir wollen die sächsischen Familien stärken und lehnen deshalb Ihren Antrag ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Amt. Präsident Thomas Colditz: Vielen Dank. Das war der Redebeitrag der AfD-Fraktion. Es schließt sich an der Redebeitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit Herrn Zschocke.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diejenigen von Ihnen, die in der DDR groß geworden sind, erinnern sich bestimmt an die Kindertagstradition in der DDR. Das war kein gesetzlicher Feiertag, aber trotzdem ein besonderer Tag ohne Unterricht, mit vielen Aktionen für junge Menschen. Es war auch ein politischer Tag. Aber es war vor allem für Familien ein Anlass, etwas Besonderes zu unternehmen, also einen Ausflug in den Zoo oder ins Schwimmbad. Die Tradition eines solchen DDR-Tages wieder einzuführen finden bestimmt ganz viele gut. Die LINKEN knüpfen hier ganz konsequent mit dem Vorschlag an – sagen wir mal – positive Erinnerungen an die DDR an.

Das Anliegen des Gesetzentwurfes, Familien mehr Zeit zu geben, teilen wir natürlich. Ein neuer Feiertag kann das unterstützen, aber mehr eben nicht. Würde Sachsen einen gesetzlichen Feiertag einführen, jedes Jahr am ersten Freitag im Juni, so würde der Freistaat nicht automatisch familienfreundlicher.

Das erklärte Ziel der LINKEN, mithilfe eines solchen Feiertages zum Vorderfeld der familien- und kinder

freundlichen Bundesländer zählen zu wollen, geht etwas an der Lebenswirklichkeit vorbei, Herr Kollege Gebhardt. Wichtiger und wirksamer – das haben Sie selbst ausgeführt – sind flexible Arbeits- und Familienzeitmodelle, das heißt konkret, gesetzliche Ansprüche auf berufliche Auszeiten und Garantien für den Wiedereinstieg sowie flexible Arbeitszeiten, die dann beiden Eltern neben dem Job mehr Zeit für ihre Kinder lassen.

Wir stehen Ihrer Idee trotzdem offen gegenüber. Sie haben deutlich gemacht, dass es da noch eine ganze Reihe ungeklärter Fragen gibt. Aber das übergehen Sie zum Teil. Vielleicht geht es Ihnen gar nicht darum, heute hier einen zu Ende gedachten Gesetzentwurf vorzulegen, sondern darum, einen Vorschlag zu machen, für den es viel öffentlichen Beifall gibt. Das kann ich verstehen. Aber ein gesetzlicher Feiertag, der immer auf einen Wochentag fällt, bedeutet eben auch Belastungen und Ausfälle für die Wirtschaft. Daran können Sie nicht vorbeigehen. Ihre Aussagen dazu im Vorblatt des Gesetzentwurfes sind reichlich unkonkret. Sie sprechen davon, dass dem Freistaat und den Kommunen noch nicht näher bezifferbare unerhebliche Mehrausgaben entstehen, das gelte ebenso für die Wirtschaft, wäre aber irgendwie vertretbar.

Sie nehmen nach meinem Dafürhalten die Kostenfrage nicht wirklich ernst. Ich habe bereits im Sozialausschuss gesagt, dass man zumindest die Familienverbände, die Kammern und Gewerkschaften dazu anhören sollte.

Sachsen leistet sich mit dem Buß- und Bettag – Sie sind darauf eingegangen – bereits einen Feiertag, der bundesweit einmalig ist. Dafür zahlen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der Pflegeversicherung den Arbeitgeberbeitrag mit. Sie haben das selbst vorgerechnet. Das sind 190 Euro mehr, als die Arbeitnehmer im übrigen Bundesgebiet zahlen.

Ein weiterer gesetzlicher Feiertag, der auf einen Werktag fällt, hat dann eben finanzielle Konsequenzen. Diese Konsequenzen sollten vorher offen und ehrlich kommuniziert werden.

Wir GRÜNEN können einem Gesetzentwurf, der so viel ungeklärt lässt, nicht zustimmen. Über die Einführung neuer Feiertage können wir reden, aber dann bitte gründlich und mit allen Konsequenzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Amt. Präsident Thomas Colditz: Vielen Dank, Herr Zschocke. Damit ist die erste Runde der Fraktionsredezeiten beendet. Gibt es aus den Fraktionen den Wunsch für eine zweite Runde? – Das ist nicht der Fall. Dann frage ich die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Schmidt, offensichtlich in Vertretung. Bitte, Herr Staatsminister.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Barbara Klepsch ist heute zu wichtigen Gesprächen in Berlin. Sie nimmt nicht etwa einen zusätzlichen Feiertag.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der SPD)

Sie hat mich aber gebeten, heute für sie zu sprechen. Es ist ja ein Thema, das uns alle betrifft.

Familienleben ist sinnstiftend, manchmal sicher auch anstrengend und hektisch. Der Familienalltag ist eng getaktet. Gemeinsame Familienzeit ist ein rares und deshalb kostbares Gut. Die bewusste Einführung gemeinsamer Familienzeiten und tägliche Rituale dienen dazu, Bindungen zu stabilisieren, Werte weiterzugeben sowie Fürsorge und Beziehungsarbeit innerhalb der Familie zu leisten.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, gemeinsame Familienzeit bedarf der alltäglichen Planung und Praxis. Sie muss eine verlässliche Konstante des Familienalltags sein. Die Einführung eines weiteren Feiertages, der als zusätzliches Zeitkontingent für Eltern und ihre Kinder zur Verfügung stehen soll, kann hier sicher nur einen symbolischen Charakter haben und – die Vorredner haben es schon gesagt – löst diese Herausforderungen in den Familien mit Sicherheit nicht. Um die Familien bei der Bewältigung ihres Familienalltags zu unterstützen, bedarf es daher viel mehr als das.

Ziel unserer Familienpolitik ist es, Eltern ganzjährig geeignete Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie zur Verfügung zu stellen, Wahlfreiheit bei der Kinderbetreuung zu ermöglichen sowie für Kinder gute Bildungsmöglichkeiten und Teilhabechancen zu schaffen. Der Freistaat Sachsen ist hier mit seinem guten Kinderbetreuungsangebot, seinen familienfreundlichen Leistungen sowie seiner Kinder- und Jugendpolitik gut aufgestellt.

Das Gesetz über Sonn- und Feiertage im Freistaat Sachsen weist im § 1 bereits elf Feiertage aus. Sachsen gehört damit im Bundesvergleich zu den fünf Bundesländern mit den meisten Feiertagen. Es gibt bei uns also nicht wirklich einen Handlungsdruck, eine Angleichung an die Anzahl von Feiertagen in anderen Ländern unserer Bundesrepublik zu schaffen.

Ich möchte noch auf etwas anderes hinweisen: Schon jetzt bestehen im Grunde 52 Familienfeiertage im Jahr. Das sind die Sonntage. Der Sonntag ist ein Tag, an dem die Familien Zeit miteinander verbringen sollen.

Innerhalb der Bundesrepublik hat sich lediglich der Freistaat Thüringen für die Einführung eines kinderbezogenen Feiertags am Weltkindertag, dem 20. September, ausgesprochen. Man muss an dieser Stelle allerdings erwähnen, dass der Freistaat Thüringen gegenüber anderen Bundesländern bei der Anzahl seiner Feiertage zurücksteht.

Mit der Einführung eines neuen Feiertags entstehen – auch das ist angesprochen worden – zusätzliche Kosten für die Arbeitgeber und eventuell auch für die Arbeitnehmer. Der Verband der Wirtschaft in Thüringen hat beispielsweise im Zuge der Einführung des dortigen Feiertages zum Weltkindertag einen Wertschöpfungsverlust von 72 Millionen Euro errechnet. Für die Einführung eines

zusätzlichen Feiertages in Sachsen muss natürlich deshalb ebenfalls die wirtschaftliche Lage betrachtet werden. Neben den Belastungen der Arbeitgeber sind eventuelle Konsequenzen für die Arbeitnehmer, wie zum Beispiel die Erhöhung der Beiträge für die Pflegeversicherung, die eben nicht ganz auszuschließen sind, mit in den Blick zu nehmen. Das wäre wiederum ein Bärendienst für unsere Familien. Das möchten wir vermeiden.

Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf steht meines Erachtens mehr für Symbolpolitik und ist aus Sicht der Staatsregierung abzulehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Amt. Präsident Thomas Colditz: Vielen Dank, Herr Staatsminister.

Damit sind wir am Ende der Aussprache angelangt. Es ist lediglich noch zu fragen, ob die Berichterstatterin des Ausschusses, Frau Pfeil-Zabel, das Wort wünscht. – Das ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren! Da der Ausschuss die Ablehnung empfohlen hat, ist die Grundlage für die Abstimmung der Gesetzentwurf. Entsprechend § 46 Abs. 5 der Geschäftsordnung schlage ich Ihnen deshalb vor, über den Gesetzentwurf artikelweise zu beraten und abzustimmen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall.