Protokoll der Sitzung vom 31.01.2019

Nicht mehr kostendeckend ist die Situation an den berufsbildenden Förderschulen. Mehr als jeder zweite Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf lernt an einer berufsbildenden Förderschule in freier Trägerschaft. Von knapp 4 000 Schülerinnen und Schülern im Förderschwerpunkt Lernen werden etwa die Hälfte an berufsbildenden Förderschulen in freier Trägerschaft unterrichtet, zudem alle Schülerinnen und Schüler in den Förderschwerpunkten Hören, Sehen sowie emotionale und soziale Entwicklung.

Im Zuge der Gesetzesnovelle wurde der gesonderte bedarfserhöhende Faktor für diese Schulart gestrichen. Berufsbildende Förderschulen werden heute wie alle anderen berufsbildenden Schulen behandelt. Das ist nach unserer Auffassung nicht sachgerecht und schon gar nicht gerecht.

(Beifall der Abg. Cornelia Falken, DIE LINKE)

Wir fordern deshalb, dem erhöhten Finanzbedarf Rechnung zu tragen und einen bedarfserhöhten Faktor von 1,5 für diese Schulart festzusetzen.

Die Sächsische Verfassung hat in Bezug auf freie Schulen eine Besonderheit – darum beneiden uns übrigens viele Bundesländer: Sie formuliert den Anspruch auf finanziellen Ausgleich, soweit Schulen in freier Trägerschaft auf Schul- und Lernmittelgeld verzichten.

Bei der Gesetzesnovelle wurde schlichtweg behauptet, Gründung und Betrieb einer freien Schule seien ohne Schulgeld möglich; allerdings fehlt bis heute ein Beweis für diese These.

Für uns steht fest: Mit der vorhandenen staatlichen Finanzierung können entweder die Lehrerinnen und Lehrer angemessen bezahlt oder auf Schulgeld verzichtet oder notwendige Investitionen getätigt werden – aber nicht alles auf einmal. Wir halten deshalb an unserer Forderung fest, den freien Trägern einen Ausgleich zu zahlen, soweit sie auf Schulgeld verzichten.

Im Handlungsprogramm wurde vereinbart, die für die freien Schulen aus der Lehrerverbeamtung entstehenden Nachteile ohne Zeitverzug auszugleichen. Zwar wurde der zeitliche Bezugsrahmen tatsächlich angepasst, das aber nur, ohne einen entsprechenden Nachteilsausgleich zu leisten. Wir fordern deshalb die unverzügliche Ermittlung und Auszahlung der erhöhten Zuschüsse.

Zusätzlich wollen wir ermöglichen, dass verbeamtete Lehrerinnen und Lehrer an den staatlichen Schulen auch an freien Schulen zum Einsatz kommen können. Auch das wäre ein Beitrag zur Gleichberechtigung.

Eine weitere Baustelle, die besonderes Augenmerk verdient, ist der Genehmigungsprozess. Das Misstrauen und die Vorurteile gegenüber freien Schulen sind nach wie vor groß. Die Große Anfrage hat gezeigt, dass über 300 Verfahren zur Genehmigung freier Schulen an sächsischen Gerichten anhängig sind. Das Schicksal der Natur- und Umweltschule Dresden war gestern Abend bereits Thema.

Wie uns die freien Schulträger berichtet haben, ist die Verunsicherung nach dieser Geschichte groß. Für die Genehmigung von Grundschulen in freier Trägerschaft muss laut Grundgesetz ein besonderes pädagogisches Interesse nachgewiesen werden. Was das bedeutet, definiert letztlich die Genehmigungsbehörde, also das Landesamt für Schule und Bildung. Dass es dabei, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, zu Interessen- und Zielkonflikten kommt, ist vorprogrammiert. Deshalb fordern wir ein transparentes Genehmigungsverfahren

und eine bessere fachliche und personelle Aufstellung der Schulaufsicht.

Als letzten Punkt bezüglich dieser genannten Baustellen möchte ich folgendes Thema aufgreifen: Ich würde es, sehr vorsichtig gesagt – aber diese Bezeichnung trifft es tatsächlich –, als Mangel an Anerkennung, Wertschätzung und Respekt für freie Schulen bezeichnen. Freie Schulen leisten einen wichtigen Beitrag überall dort, wo sich der Freistaat zum Teil in erheblichem Umfang aus der Verantwortung gezogen hat. So werden neun von zehn angehenden Altenpflegerinnen und drei von vier angehenden Erzieherinnen an Schulen in freier Trägerschaft ausgebildet. Während die Integrationsquote im Schuljahr 2017/2018 an Schulen in öffentlicher Trägerschaft 31,9 % betrug, lag sie an Schulen in freier Trägerschaft bei 47,3 %. Auf der anderen Seite – auch das hat die Große Anfrage ergeben – profitieren Schulen in freier Trägerschaft nicht in gleichem Maße von staatlichen Förderprogrammen, Projekten und Maßnahmen. Ich möchte in diesem Kontext nur an das Thema Schulhausbau und Förderquoten für freie Schulen erinnern, aber auch an das Thema Schulsozialarbeit. Das haben Sie sicherlich alle auf dem Schirm. Die Oberschulen werden in öffentlicher Trägerschaft zu 100 % gefördert. Bei den Schulen in freier Trägerschaft ist das nicht der Fall.

Oft – und das werden wir dann sicherlich auch hören – wird als Argument in die Runde geworfen: gleiche Rechte, gleiche Pflichten, um sozusagen diese unterschiedliche Behandlung zu rechtfertigen.

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Verkannt wird dabei oft, welche Nachteile sich aus den Strukturvorgaben und der Verwaltungslogik im öffentlichen Schulsystem ergeben. Es wäre doch widersinnig, diese auf die freien Träger zu übertragen und von ihnen das Auskommen mit den schlechteren Bedingungen zu fordern.

Sollten wir nicht besser fragen, was wir von den freien Schulen tatsächlich lernen können, sollen bzw. müssten? Was sollte zum Beispiel in Schulversuchen weiter erprobt und gegebenenfalls ins staatliche Schulsystem übernommen werden?

In zahlreichen Bereichen sind freie Schulen Motoren der Entwicklung. Viele unterrichten zum Beispiel seit Jahren inklusiv und jahrgangsübergreifend. Schulen in öffentlicher Trägerschaft könnten viel stärker vom Know-how und den Erfahrungswerten der Schulen in freier Trägerschaft profitieren. Das wäre ein Gewinn für alle. Hierbei, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, bleiben nach unserer Auffassung zu viele Ressourcen ungenutzt.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die bereits eingeleitete Evaluation des Gesetzes über Schulen in freier Trägerschaft soll bis zum Ende des laufenden Schuljahres abgeschlossen werden. Sie sollte genutzt werden, um die genannten Baustellen und weitere anzugehen.

Schulen in freier Trägerschaft sind keine Bittsteller. Sie sind auch keine Störfaktoren. Sie sind gleichberechtigte

Adressaten des staatlichen Bildungsauftrages. Als solche sollten wir sie auch anerkennen und behandeln.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Amt. Präsident Thomas Colditz: Vielen Dank. Es folgt die CDU-Fraktion; Frau Firmenich, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Zais, es ist ja kein Geheimnis, dass ich eine überzeugte Befürworterin freier Schulen bin. Deshalb freue ich mich, dass Ihre Große Anfrage uns Gelegenheit verschafft, einen genauen Blick darauf zu richten, was Schulen in freier Trägerschaft in unserem Land leisten.

Freie Schulen sind ein wertvoller Teil der sächsischen Schullandschaft, und dazu gibt es seit dem Jahr 2015 ein klares Bekenntnis in den maßgeblichen Rechtsgrundlagen. Sowohl im Gesetz über die Schulen in freier Trägerschaft als auch im neuen Schulgesetz heißt es nämlich, dass Schulen in öffentlicher und freier Trägerschaft gleichermaßen Adressaten des staatlichen Bildungsauftrages sind und es keinen Vorrang des einen vor dem anderen Schulsystem gibt. Das, meine Damen und Herren, finden Sie nur in Sachsen.

(Beifall bei der CDU, der Abg. Sabine Friedel, SPD, und des Staatsministers Christian Piwarz)

Doch damit nicht genug. Wir haben aus der Schlappe vor dem Landesverfassungsgericht aus dem Jahr 2013 gelernt und seitdem die Rahmenbedingungen für Schulen in freier Trägerschaft deutlich verbessert. Die Evangelische Schulstiftung hatte anlässlich des 20-jährigen Bestehens zu einem Symposium nach Leipzig eingeladen, bei dem auch der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Udo di Fabio, sprach. Er stellte fest, dass – bei allem, was man beklagen und noch fordern kann – kein anderes Bundesland so komfortable Bedingungen und gesetzlich verbriefte Rechte für Schulen in freier Trägerschaft bietet wie Sachsen.

Die Grundlage dafür haben schon die Väter in unserer Verfassung gelegt. Es war politisch ausdrücklich gewollt, dass sich in Sachsen eine vielfältige Landschaft freier Schulen entwickelt, damit nie wieder ein politischideologisch gesteuertes Volksbildungswesen Richtung und Rahmen von Bildung und Erziehung bestimmen kann. Gerade konfessionelle Schulen waren gewollt, weil sie in der Vergangenheit, in den vorangegangenen Diktaturen, zwangsweise geschlossen worden sind und weil sie sich in besonderem Maße der Wertevermittlung verschrieben haben.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Sabine Friedel, SPD)

Heute verfügt unser Land über eine solch vielfältige Landschaft freier Schulen, die mit ihren unterschiedlichen Konzepten, besonderen Profilen und engagierten Akteu

ren wertvolle Bildungsarbeit leisten und sehr oft Schrittmacher sind bei der Umsetzung neuer Methoden, bei der Inklusion oder auch bei ganz neuen Schulmodellen, zum Beispiel den Werkschulen.

Manchmal werden sie als Privatschulen bezeichnet, was impliziert, dass es sich um eine elitäre Einrichtung handelt, die nur Kindern aus gut betuchten Elternhäusern zugänglich ist. Aber das entspricht so gar nicht unseren freien Schulen in Sachsen. Schüler an freien Schulen in Sachsen sind nicht schlechter und nicht besser als Schüler an staatlichen Schulen, und sie kommen aus allen Schichten der Bevölkerung. Kein Kind wird abgewiesen, weil es das Schulgeld nicht leisten kann. Staffelungen, Patenschaften oder Freiplätze sorgen dafür, dass es sozial gerecht zugeht.

Ein großer Teil freier Schulen entstand, weil sich Eltern zusammenfanden, die einen Traum hatten: eine Schule mit einem besonderen Konzept zu gründen. Sie können sich nicht vorstellen, wie viel persönlicher Einsatz und persönliches Risiko es erfordert, bis aus solch einem Traum Wirklichkeit wird, und ich weiß, wovon ich rede. Schulen in Trägerschaft solcher Elternvereine sind Ausweis bemerkenswerten bürgerschaftlichen Engagements, und dafür will ich an dieser Stelle allen, die sich an diesen Schulen ehrenamtlich engagieren, sehr herzlich Danke sagen.

(Beifall bei der CDU, der Abg. Sabine Friedel, SPD, und des Staatsministers Christian Piwarz)

Liebe Frau Zais, Ihre doch sehr umfangreiche Große Anfrage ermöglicht einen detaillierten Blick auf die Entwicklung der freien Schulen in den vergangenen zehn Jahren. Wer sich dafür interessiert, dem empfehlen wir, sich die 725 Seiten ganz in Ruhe anzusehen. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Schulen in freier Trägerschaft – genau wie die Zahl der Schüler, die an diesen Schulen lernen – beständig erhöht. Waren es 2008 noch 12,8 %, so lernen heute 14,4 % der sächsischen Schüler an freien Schulen.

Wurde früher so manche Schule gegründet, um eine geschlossene öffentliche Schule zu ersetzen, so hat sich heute die Motivation für Schulgründungen geändert. Heute sind es aufwachsende Schulen oder Schulen mit besonderen Profilen oder Berufen, bei denen es eine starke Nachfrage gibt. Diese Entwicklung ist auch ein Ergebnis der verbesserten Rahmenbedingungen für die Gründung freier Schulen.

Wir haben die Finanzierungsgrundlagen für die freien Schulen deutlich verbessert und setzen ihren gesetzlichen Teilhabeanspruch um. Freie Schulen haben gleichen Zugang zu Fort- und Weiterbildungsangeboten ohne Zusatzkosten. Sie sind Partner in der Lehramtsausbildung, erhalten Mentorenvergütungen und bilden Referendare aus. Sie können Förderprogramme für Investitionen nutzen und sind gleichberechtigt bei den Ganztagsangeboten und den Eltern- und Schülervertretungen in den entsprechenden Gremien. Nicht von ungefähr kam der

bisherige Vorsitzende des Landeselternrates von einer freien Schule. Die Schulverwaltung steht den freien Schulen beratend zur Seite.

Meine Erfahrungen mit dem LaSuB in Chemnitz sind durchweg positiv. Deshalb kann ich den negativen Duktus, in dem Sie, liebe Frau Zais, Ihre Schlussfolgerungen aus der Großen Anfrage formulieren, nicht recht nachvollziehen. Sie kritisieren die Schulverwaltung für ihre Handhabung von Genehmigungsverfahren bei der Neugründung von Schulen und bezeichnen diese als restriktiv, intransparent und mit hohen Hürden verbunden.

Ich teile Ihre Einschätzung ausdrücklich nicht. Eine Schulgründung muss genehmigt werden, und dafür gibt es Regeln und Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen. Diese Regeln sind im Grundgesetz, in unserer Verfassung und in einschlägigen Rechtsnormen festgelegt. Wenn der Antragsteller die Bedingungen erfüllt, dann ist die Schule zu genehmigen. Die Mitarbeiter in den Regionalstellen des Landesamtes für Schule und Bildung beraten die Antragsteller auf Anfrage gern. Auch im Referat 31 des Kultusministeriums, das für die freien Schulen explizit zuständig ist, ist Herr Rothkopf ein kompetenter und hilfsbereiter Berater.

Wer eine Schule betreiben will, übernimmt Verantwortung für den Bildungserfolg junger Menschen. Dass dafür hohe Anforderungen bezüglich Qualität, Zuverlässigkeit und Sicherheit zu erfüllen sind, liegt im Interesse aller Beteiligten. Hier liegt die Bringpflicht in erster Linie bei den Antragstellern und nicht bei der Schulbehörde.

Ein anderes Thema, das Sie angesprochen haben, ist die Erzieher- und Altenpflegerausbildung. Sie unterstellen dem Freistaat, dass er sich hier quasi einen schlanken Fuß mache und die freien Schulen die Lücke schließen müssten. Ich weiß nicht, wie Sie zu dieser Schlussfolgerung kommen. Freie Schulen waren von jeher stark in der Ausbildung sozialer Berufe. Das machen sie richtig gut. Das Verhältnis zwischen öffentlichen und freien beruflichen Ausbildungsangeboten war vor zehn Jahren ähnlich wie heute, nur hat sich die Zahl der Auszubildenden seitdem in beiden Bereichen deutlich erhöht.

Für die Altenpflegeschüler zahlt der Freistaat Sachsen einen Ausbildungszuschuss in Höhe von 85,00 Euro pro Monat, der vom Schulgeld entlasten soll. In Zukunft sichert der Bund die Schulgeldfreiheit ab.

Für die Erzieher haben wir mit dem Beschluss des Doppelhaushaltes 2019/2020 einen monatlichen Zuschuss in Höhe von 50,00 Euro festgeschrieben. Das ist ein Anfang, aber uns liegt die Reform der gesamten Erzieherausbildung am Herzen, und in diesen Prozess werden wir die freien Schulen, die Erzieher ausbilden, einbeziehen.

Zu guter Letzt will ich noch ein paar Sätze zur Finanzierung freier Schulen sagen. 2015 haben wir das System der Finanzierung grundsätzlich auf neue Füße gestellt, und das hat sich deutlich positiv ausgewirkt. Ein Beispiel: Lag der Schülerausgabensatz 2008/2009 in der Grundschule bei 2 450,00 Euro, so betrug er 2017/2018 4 054,00 Euro.

(Petra Zais, GRÜNE: Vorher war es ungesetzlich!)

(Petra Zais, GRÜNE: Doch, vorher war es aber ungesetzlich!)

Ja, ja, aber es hat sich doch erheblich verändert – nach oben, das können wir doch zugeben, oder?

(Zuruf von den LINKEN: Nicht ganz freiwillig!)

Na ja, ich habe ja zugegeben, dass wir daraus gelernt haben. Das ist zumindest, denke ich, die richtige Reaktion.