Man kann ihm zustimmen oder ihn ablehnen. Es ändert sich an der Wirklichkeit nichts. Wir reden über einen Punkt, über den wir bereits viel gesprochen und viel getan haben. Wenn jetzt nicht doch der eine Satz kommt, mit dem Sie uns sagen, was wir noch nicht gemacht haben, um mehr Kunst- und Musiklehrer heranzuholen, dann bin ich bereit zu beantragen, den Antrag noch einmal an den Ausschuss zu überweisen und zu ergänzen und es beim nächsten Mal zu beschließen. Das wäre schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Vorredner haben bereits vieles gesagt. Wir haben heute das zweifelhafte Vergnügen, einen Antrag der LINKEN zu behandeln, der wahrlich offene Scheunentore einrennt – typisch für eine Politik, die erst die Probleme schafft, um sie dann zu bekämpfen.
Sie meinen, sich mit wohlfeilen Forderungen vor der Analyse drücken zu können. Sie wollen mehr von allem, was sich jeder nur wünschen kann.
Sogar das, was eigentlich sonst als reaktionäre bildungsbürgerliche Vorstellung verächtlich gemacht wird, das humboldtsche Bildungsideal – –
(René Jalaß, DIE LINKE: Das können Sie doch nicht einmal buchstabieren! – Zuruf der Abg. Luise Neuhaus-Wartenberg, DIE LINKE)
Ihr Antrag klingt zwar gut und schön, hat aber nichts mit dem konkreten und aktuellen Notstand im Bildungssystem zu tun.
Es fehlt an den Voraussetzungen für dieses Ideal, nicht nur an Lehrern, sondern auch am ausgewogenen Mix der Lehrinhalte und am politischen Willen, diesen durchzusetzen.
Warum ist das so? Man möchte mehr Wert auf politische Bildung als auf die Vermittlung konkreter Kompetenzen legen.
Haltung soll das Wissen und Können nicht unbedingt ersetzen, aber zumindest relativieren. Deshalb wird alles beliebig und austauschbar. Seiteneinsteiger und schnelle Verbeamtungen sollten die 2015 einsetzende Flut von zusätzlichen Schülern bewältigen.
Nun stellt man aber plötzlich fest, dass die damit erschlossenen Potenziale nicht reichen, quantitativ und vor allem qualitativ nicht.
So lange wir nicht begreifen, dass aktuelle Engpässe ein wahrscheinlich länger andauernder und anhaltender Notstand sind, so lange werden wir auch nicht in der Lage sein, das Chaos an unseren Schulen zu beheben. Wahrscheinlich ist dabei die musische Bildung unser kleinstes Problem. Denn hier verfügen wir mit unserem vorbildlichen Kulturraumgesetz über ungehobene Schätze.
Was will ich damit sagen? Nur wenn die Politik ehrlich Farbe bekennt, können wir die insgesamt verfahrene Situation beheben. Wir müssen dafür den Schulnotstand zu einer gesamtgesellschaftlichen Herausforderung
machen. Wir müssen alle Ressourcen in der Gesellschaft mobilisieren, sich für die Querschnittsaufgabe der Bildung unserer Kinder zu engagieren. Den Antrag der LINKEN brauchen wir dafür nicht.
Danke, Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Sabine Friedel! Ich möchte zunächst etwas zu Deinem Beitrag sagen. Ich fand schon, dass das sehr vom hohen Ross herunter gesprochen war.
Du hast das überhaupt nicht nötig, so über scheinbar qualitative Mängel von Anträgen der Opposition zu reden. Wir hatten vorhin den Antrag. Über die Qualität haben wir herzlich gelacht. Ich fand das wirklich absolut unangemessen und möchte hier noch einmal meine Kollegin Falken in diesem Kontext verteidigen. Wenn man sich dann lustig macht und sagt, ja, diesen Antrag, darüber könnte man mathematisch-naturwissenschaftlich... das ist doch traurig.
Sich darüber lustig zu machen, das geht überhaupt nicht. Das musste ich, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, hier noch einmal sagen.
Der künstlerische Fachunterricht führt an sächsischen Schulen ein Schattendasein. Das muss man einfach so sagen. Zu oft wird beim Kompetenzniveau genau darauf fokussiert, was sich messen lässt und letztlich Leistung abbildet. Sehr schnell verschwinden die weichen oder die Nebenfächer Kunst und Musik vom Radar. Dabei ist kulturelle Bildung in der Schule – bzw. im engeren Sinne der künstlerische Fachunterricht – Teil einer ganzheitlichen Bildung.
Ich möchte das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst zitieren, das es auf den Punkt gebracht hat: „Es geht darum, über eine rein kognitive Wissensvermittlung hinaus Gestaltungskompetenz zu fördern, im Sinne der
Kernkompetenzen Erkennen – Bewerten – Handeln.“ Nun ist der Antrag der LINKEN tatsächlich älter als zum Beispiel der Beschluss der Staatsregierung zur Kürzung der Stundentafel. Aber es macht sich nicht allein an der Stundentafel fest, in welchem Umfang an den sächsischen Schulen kulturelle Bildung wertgeschätzt wird. Es betrifft auch den deutlich über dem Durchschnitt liegenden Unterrichtsausfall – was auch die Anfrage der Kollegin Falken gezeigt hat –, und es betrifft den Mangel an Fachlehrern in diesen Unterrichtsfächern.
Ich nenne die Zahlen noch einmal: Im Schuljahr 2015/16 – das hat sich seither auch nicht verbessert – hatte ein Viertel der Lehrerinnen und Lehrer an sächsischen Grund- und Oberschulen, die im Musikunterricht eingesetzt waren, keine Ausbildung im Fach Musik. Noch gravierender sind die Lücken im Kunstunterricht. Nur gut die Hälfte der Lehrerinnen und Lehrer, die an Grund- und Oberschulen im Kunstunterricht eingesetzt wurden, hatte eine entsprechende Ausbildung.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte keine weiteren Ausführungen über das hinaus machen, was die Kollegin Falken gesagt hat, zum Beispiel das Thema GTA. Wir sind der gleichen Auffassung, dass die Defizite nicht über GTA abzudecken sind. Man kann im Unterricht auch nicht immer, wenn Defizite in der Debatte deutlich gemacht werden, darauf verweisen, dass wir alle eine Verantwortung haben. Dann brauchen wir überhaupt nicht mehr über Unterrichtsabsicherung diskutieren. Nach unserer Auffassung muss im Sinne einer ganzheitlichen Bildung das Ziel sein, einen lebendigen, fachlich guten und modernen Unterricht in den künstlerischen Fächern abzusichern. Dabei sind die Staatsregierung und die staatsregierungstragenden Fraktionen in der Verantwortung. Leider gibt es dazu keine Antwort; deshalb werden wir diesem Antrag der LINKEN zustimmen.
Amt. Präsident Thomas Colditz: Danke schön. Es folgt eine Kurzintervention von Frau Kollegin Friedel.
Vielen Dank, Herr Präsident! Ich möchte auf den Beitrag von Frau Zais reagieren. Wenn der Eindruck entstanden sein sollte, dass ich mich über den Antrag der LINKEN lustig mache, dann tut mir das leid. Das ist nicht intendiert. Dafür würde ich mich entschuldigen. Mir ging es nicht darum, mich über den Antrag lustig zu machen, sondern darum, deutlich zu machen, dass wir den im Antrag beschriebenen Lehrermangel und Unterrichtsausfall auch in anderen Fächergruppen haben.
Mir ging es zum Zweiten darum, deutlich zu machen, dass wir gemeinsam seit vielen Jahren versuchen, diesen Unterrichtsausfall zu begrenzen und zu minimieren. Im Ziel, liebe Frau Kollegin Zais, sind wir uns völlig einig. Die Frage, wenn wir uns im Ziel einig sind und auch eine ganze Reihe von Maßnahmen unternommen haben, ist: Welche Maßnahmen haben wir bisher unterlassen? Welche Ideen gibt es noch, die diese Regierung und die
regierungstragenden Fraktionen bisher nicht aufgenommen oder ignoriert haben? Das war meine Frage an die antragstellende Fraktion. Das ist die Frage, die uns auch immer wieder umtreibt. Es ist daher absolut richtig und legitim, sie zu stellen. Gemeinsam kommen wir noch besser voran, wenn sie auch von der Opposition beantwortet wird. Als Antwort war in allen Redebeiträgen immer nur zu hören, was keine Maßnahmen sind: GTA ist kein Weg, kulturelle Bildung fachübergreifend zu denken ist kein Weg. Okay, akzeptiert. Was sind die Wege? Das ist die Frage, die Sie beide nach wie vor beantworten müssen.
Amt. Präsident Thomas Colditz: Das bezog sich auf Ihren Redebeitrag. Deshalb musste ich Sie fragen. – Meine Damen und Herren! Gibt es weiteren Redebedarf aus den Reihen der Fraktionen? – Herr Sodann, bitte. – Entschuldigung, Frau Kersten, bitte.
Vielen Dank. Herr Präsident! Verehrte Abgeordnete! Es liegt ein Antrag aus dem Herbst 2015 auf dem Tisch. Heute, fast dreieinhalb Jahre später, hat die Realität den Antrag nicht nur eingeholt, sondern sogar noch überholt – allerdings nicht in dem Sinne, dass sich damit der Antrag erledigt hätte, sondern in jenem Sinne, dass er aktueller denn je geworden ist. Die im Antrag enthaltenen Befürchtungen sind nämlich nicht nur punktuell eingetroffen, sondern mittlerweile an den sächsischen Schulen Alltag und sollen ab dem künftigen Schuljahr in den Lehrplänen manifestiert werden.