Mit den Ausführungen von Frau Staatsministerin Dr. Stange sind wir am Ende der ersten Aktuellen Debatte angekommen und schließen diese, so denn kein Redebedarf mehr besteht. – Das kann ich nicht erkennen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir debattieren jetzt über die Herzkammer der Demokratie, Wunsch und Wirklichkeit der Meinungsfreiheit im Lichte der 22. Änderung des Rundfunkstaatsvertrages. Das Thema ist so alt wie die deutsche Sehnsucht nach demokratischer Emanzipation von den autoritären Vormündern, seien es die königlichkaiserlichen oder deren zum Teil obskure Nachfolger. Damit meine ich nicht nur die Postminister alter Schule und den berühmt-berüchtigten Propagandaminister.
Es geht uns um die Freiheitsrechte, für die schon die 1848er-Revolutionäre auf die Barrikaden gingen, im Mai 1849 auch hier in Dresden. Diese hundertjährige Hoffnung realisierte sich vor 70 Jahren im Artikel 5 unseres Grundgesetzes und nach der Wende 1992 in Artikel 20 unserer Sächsischen Verfassung, aber eben auch nur auf dem Papier, auf Zeitungspapier. Das war nicht etwa den grimmigen Intentionen der Rundfunkanstalten geschuldet, sondern hatte seinerzeit technische Gründe. Es gab einfach nicht so viele Frequenzen wie Papierfabriken. Wie immer und überall musste also der Mangel kontrolliert, bewirtschaftet und verwaltet werden. Diese Bewirtschaftung war und ist immer noch Gift für die Meinungsfreiheit. Wir müssen uns endlich davon befreien.
Wie bei jedem Entzug geht das aber nicht ohne Komplikationen und nur mit schweren Abwehrreaktionen einher. 22 Änderungen der Rundfunkstaatsverträge sind der Beweis dafür, weil keiner der Beteiligten auf Einfluss und Pfründe verzichten möchte.
Nach dem bewährten Motto, dass Angriff immer die effektivste Form der Verteidigung ist, wird weiter in praktisch alle Verästelungen der digitalisierten Medienwelt expandiert. Dies wird finanziert von den unfreiwilligen Opfern des Rundfunkbeitragssystems – den Mietern oder Inhabern jeder deutschen Wohnung – zulasten der informationellen Selbstbestimmung und eines offenen
freien Marktes der Meinungen. Vor allem junge Seher und Hörer flüchten längst aus dem System der direktionalen Massenmedien. Abhilfe schafft hier auch nicht das altbewährte Prinzip von Hase und Igel.
Paul Kirchhoff schreibt im Auftrag der Rundfunkanstalten ein teures Gutachten zur Einführung eines neuen Rundfunkbeitragssystems, über das der Bruder am Verfassungsgericht ein freundliches Urteil verkündet. Zu auffällig ist dieser Trick eines manipulierten Rennens zulasten der Allgemeinheit – das ist noch zurückhaltend formuliert.
(Alexander Dierks, CDU: Können Sie einmal zum Thema sprechen! – Zuruf des Abg. Sebastian Fischer, CDU)
Manipulierte Prozesse der Meinungsbildung sind der Tod jeder Demokratie, wie übrigens das Bundesverfassungsgericht schon vor Jahrzehnten feststellte, nämlich:
Wie soll sich aber ein freier Markt für Information und Meinung bilden, wenn ein einziger Anbieter praktisch mit einem vom Staat verordneten Blankoscheck finanziert wird, seine Konkurrenten aber um Einnahmen betteln müssen? Das ist eine fundamentale Wettbewerbsverzerrung. Das ist selbst dem wissenschaftlichen Beirat des Bundesfinanzministers in seinem Gutachten vom März 2014 aufgefallen.
Trotzdem sieht der neue Rundfunkstaatsvertrag auch darin keinen Anlass, sich auf seine Kernzuständigkeit zu beschränken. Die begünstigten öffentlich-rechtlichen Anstalten forcieren weiterhin eine offensive Kundenkonsumentenverfolgung. Im Gegensatz dazu müssen sich die erfolgreichen politischen Medien im Internet überwiegend aus Spenden ihrer Leser finanzieren. Erst wenn sie aus dem Gröbsten heraus sind, gibt es Werbeeinnahmen. Pikant wird es, wenn solche Werbeeinnahmen mithilfe
staatlicher Auftraggeber, die über Millionenetats verfügen, über Aktivitäten wie „Kein Geld für rechts“ im Namen der Demokratie geschmälert werden.
Freiheit und insbesondere auch die Freiheit des Internets wirken dennoch wie eine Immuntherapie gegen alle Formen der Manipulation, und das ist gut so.
Damit ist die Aktuelle Debatte durch die einbringende Fraktion AfD eröffnet. Es folgen CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Frau Dr. Muster. Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Frau Kollegin Fiedler.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich beginne mit einem Zitat: „Wenn ich noch einmal einen Satz zum Thema Freiheit sagen darf: Offen gestanden, Frau Wilke, ich verstehe Sie nicht. Ich habe in unterschiedlichsten Funktionen zehn Jahre öffentlich-rechtliches Fernsehen und 30 Jahre privates Fernsehen hinter mir. Meine inhaltliche Freiheit ist mir in diesen 40 Jahren nie eingeschränkt worden.“ Das ist ein Zitat von Herrn Demmel vom Verband Privater Medien, geäußert in der Anhörung zum Zweiundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag im Medienausschuss am 14. Januar 2019.
Wir führen heute hier – ich weiß nicht, ob man aktuell sagen kann – eine Debatte über einen der Grundpfeiler unserer Demokratie. Frau Wilke, zur Demokratie gehört auch, dass man, wenn man Debattenthemen anmeldet, dann zum Thema spricht und sich nichts frei aussucht.
(Beifall bei der CDU, der SPD, den LINKEN, den GRÜNEN und der Staatsregierung – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Zumindest sollte man es versuchen!)
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk – ich finde es immer wieder interessant, dass die AfD dieses Thema anbringt, obwohl sie immer wieder für Rechtsstaatlichkeit eintritt –, ist vielfach bestätigt durch das Bundesverfassungsgericht und gehört als zentraler Grundpfeiler zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Das ist im letzten Jahr noch einmal durch ein Urteil bestätigt worden. Darin heißt es ganz deutlich, dass er neben dem Auftrag für Informationen und Kultur auch einen Beitrag zur Unterhaltung leisten soll.
Er ist unheimlich wichtig. Wir merken dies gerade wieder, wenn wir Debatten im Landtag führen. Seine Rolle für die freie Meinungs- und Willensbildung ist sehr wichtig. Sein Auftrag beschränkt sich nicht auf das Füllen von Lücken,
was private Medien nicht leisten können. Es geht ebenfalls darum, neue Interessen und eine Debattenvielfalt abzubilden und für neue Formen offen zu bleiben.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist – das ist ein hohes Gut und hören wir auch immer wieder in Anhörungen – von der Quote und Reichweite unabhängig. Die Einschaltquote ist nicht der Maßstab für seine Relevanz. Er soll die Themen aufgreifen, die für eine Gesellschaft wichtig sind. Er hat noch eine andere Funktion, die meines Erachtens viel zu wenig wahrgenommen wird, nämlich die Barrierefreiheit. Was er in Bezug darauf leistet, macht kein anderer Bereich.
Jetzt kommen wir zum Debattenthema zurück. Wir als Gesetzgeber geben dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk den notwendigen gesetzlichen Schutz, damit er seine Aufgaben wahrnehmen kann. Dazu gehört eben auch – deshalb reden wir über einen Rundfunkänderungsstaatsvertrag –, dass wir die Rechtslage an die Sehgewohnheiten und das Nutzungsverhalten der Beitragszahler anpassen müssen. Deshalb ist der Zweiundzwanzigste Rundfunkänderungsstaatsvertrag wichtig. Das hat die Anhörung bestätigt.
Natürlich muss man nicht alles kritiklos hinnehmen. Man muss es hinterfragen. Man kann es auch besser machen. Es stellt sich aber die Frage, ob man ein System grundsätzlich infrage stellt oder es besser macht. Wir haben uns für die zweite Variante entschieden.
Wenn Sie unsere Debatte verfolgen, dann stehen wir keinesfalls dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk völlig kritiklos gegenüber. Er hat einen klaren Auftrag. Wir haben immer wieder gesagt, dass Strukturveränderungen, Optimierungen und Synergien zur Vermeidung von Programmdoppelungen usw. notwendig sind. Es bedarf jedoch des Willens aller Beteiligten, dies auch zu tun. Wenn wir den Zweiundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag anschauen, dann müssen wir auch darüber nachdenken, wie wir mit Produzenten, Filmemachern und Kreativen umgehen sollen. Beispielsweise ist die Protokollerklärung, die an den Staatsvertrag angehangen wurde, eine Reaktion auf die geäußerte Kritik. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss darauf reagieren, um den Produzenten und Filmemachern gute Rahmenbedingungen anbieten zu können.
Noch einmal zusammengefasst möchte ich Folgendes sagen: Für uns ist es ein großer Unterschied, ob wir eine für die Demokratie wichtige Säule schwächen oder ob wir sie besser machen. Ich stehe hier, weil wir uns für die zweite Variante entschieden haben.
Nun ist die Fraktion DIE LINKE an der Reihe. – Entschuldigung, es gibt eine Kurzintervention an Mikrofon 7. Herr Dr. Weigand, bitte.
Vielen Dank, Herr Präsident! Frau Fiedler, Sie haben gerade gesagt, dass die Qualität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unabhängig von der Quote ist. Das würde im Endeffekt Folgendes bedeuten: Wenn niemand mehr zuschaut, dann müssten die Leute trotzdem bezahlen, weil es gezeigt wird.
Das war eine Kurzintervention. Jetzt folgt die Reaktion darauf. Sie bezog sich auf die Vorrede von Frau Kollegin Fiedler.
Es wäre schön, wenn man sich vorher einmal mit den Realitäten auseinandersetzen würde. Wenn man sich beispielsweise die Zahlen für die Tagesschau anschaut, dann liegen diese bei circa neun bis zehn Millionen Zuschauern, die sich dieses Format anschauen, gezeigt auf unterschiedlichen Kanälen. Wenn man sich die Zahlen genauer anschaut, dann sieht man, dass sie weiter angestiegen sind. Herr Dr. Weigand, das ist nicht das Thema dieser Debatte. Sie suggerieren es hier jedoch sehr lautstark. Das heißt aber nicht, dass Sie recht haben.
Jetzt kommt als nächste Rednerin Frau Kollegin Feiks, die das Wort für die Fraktion DIE LINKE ergreift.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wir haben uns nach der Sinnhaftigkeit der Debatte gefragt. Auch Ihr Redebeitrag hat nicht wirklich zur Erhellung beigetragen, weil die Behandlung des Rundfunkänderungsstaatsvertrages in der nächsten oder übernächsten Plenarsitzung sehr wahrscheinlich ansteht. Deshalb die Frage: Warum jetzt diese Aktuelle Debatte, nur um in ein paar Wochen die gleichen Reden zu halten? Wir nehmen Ihnen auch nicht wirklich ab, dass Sie diskutieren wollen. Das hat man zum Jahresauftakt beim MDR wieder gesehen, als die Intendantin des MDR, Frau Prof. Wille, ihre Planungen für das Jahr vorgestellt hat, die Schwerpunktsetzungen, wo der Schweizer Wissenschaftler Prof. Wyss zur Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks referiert hat und die anwesenden Vertreterinnen und Vertreter der AfD in den Saal „Propaganda! Propaganda!“ gerufen haben, um dann sofort zu gehen und eben nicht zu diskutieren. Ihnen geht es nicht um Auseinandersetzung, und Sie wollen nicht diskutieren.
Ja, wir finden auch, dass der Zweiundzwanzigste Rundfunkänderungsstaatsvertrag an Stellen kritikwürdig ist. Aber darüber haben Sie halt nicht geredet – das ist ein Problem. Auch wir sehen das Spannungsfeld, was die längeren Verweildauern angeht, die einerseits die Verwertungsmöglichkeiten für Urheberinnen und Urheber einschränken und andererseits den öffentlich-rechtlichen Rundfunk attraktiver machen. Darüber, wie man aus dem Dilemma, dem Spannungsfeld, das Beste herausholt und
Auflösungsmöglichkeiten findet, hätte man reden können. Wir hätten auch über die Schlichtungsstelle reden können, wo sich im Grunde genommen Kontrahenten gegenübersitzen – wobei diese wenig unabhängig gestaltet ist. Das wäre ein spannender Punkt gewesen. Man kann auch darüber reden, wie tragfähig der Telemedienvertrag in Zeiten von Medienkonvergenz, Digitalisierung und Annäherung der einzelnen Erzeugnisse ist.